Tischgepolter


Meine lieben,
erinnert ihr euch noch? Vor sechs Jahren hatte ganz Deutschland bundesweit am 31. Oktober, am Reformationstag also, frei. Der Grund dafür war, dass sich die Reformation zum 500sten male jährte.
Damals schrieb ich einige Worte auf dem Vorläufer dieses Blogs zu Bruder Martin Luther und seinem Weltbild. Lasst uns einiges davon zum heutigen Reformationstag nochmal aufwärmen und nachhaltig für die Ewigkeit rezyklen.

Tischgepolter

Beginnen wir mit einem Zitat:

Dieser Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren

soll Luther bei Tische gepoltert haben, Und begründete seinen Ausbruch mit:

aber Josua hieß die Sonne stillzustehen und nicht das Erdreich.

Damit ist die Bibelstelle, Josua 10, Vers 12, gemeint, nach der die Sonne und der Mond stillstanden, bis das heilige Volk Rache an seinen Feinden genommen hatte.
Diese Vorstellung lässt astronomisch tief blicken:
Die Sonne kann nur bei einem geozentrischen Weltbild stehen bleiben, bei einem Weltbild also, dessen Zentrum und Mittelpunkt nicht die Sonne, sondern die Erde darstellt.

Was genaues weiß man nicht

Mit „Narr“ war in dem Fall zweifellos Kopernikus gemeint, der fast zeitglich zu Luther lebte, und die Abkehr vom erdzentrierten- zum sonnenzentrierten Weltbild einleitete.
Martin Luther war ein Aufklärer und Reformator. Es ist aber sehr fraglich, ob er überhaupt etwas von Kopernikus gewusst hat. Beide lebten ja relativ zeitgleich und Kopernikus veröffentlichte sein Buch erst kurz vor seinem Tode.
Hier kurz die wichtigsten Daten:

  • Martin Luther, 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda.
  • Nikolaus Kopernikus, 19. Februar 1473 in Thorn; † 24. Mai 1543 in Frauenburg
  • Veröffentlichung von Kopernikus Buches De revolutionibus orbium coelestium. Nürnberg 1543.

Somit dürfte bis da hin die kopernikanische Lehre von der Sonne als Mittelpunkt der Welt nur Insidern bekannt gewesen sein.
Besagte Tischrede ist von 1539, wurde aber erst Jahrzehnte später gedruckt,  und zwar von jemandem, der nicht selbst dabei gewesen ist. Im Tagebuch des damaligen Luther-Vertrauten Anton Lauterbach findet sich auch kein Hinweis auf eine derartige Äußerung.
Ein gewisser Physiker und Wissenschaftshistoriker, Andreas Kleinert, der Universität Halle, bezeichnet diese Tischrede als „Geschichtslüge“. Kleinert weist nach, dass Luther erst im 19. Jahrhundert von zwei katholischen Historikern zum Anti-Copernicaner gemacht worden ist, während des Kulturkampfes zwischen Kaiserreich und katholischer Kirche.
Ob diese Aussage so stimmt, muss man auch vorsichtig betrachten. Sie könnte sozialistisch gefärbt sein.

Tatsache ist, dass sich nichts in Luthers Lebenswerk finden lässt, das belegen würde, dass Bruder Martin sich überhaupt mit Astronomie befasst hätte.

Die Bedeutung des gestirnten Himmels

Der Himmel, sowohl der Göttliche, als auch der astronomische, galten zu jener Zeit als so unveränderlich und perfekt, dass man sich im Mittelalter hierzulande kaum damit beschäftigte.
Und allgemein kann man zur damaligen Bedeutung und Rolle des gestirnten Himmels auch noch festhalten, dass Die Sonne und alle Sterne, Konstellationen und Himmelskörper zwar in der Antike als Götterwesen galten, die in mythologischen Geschichten beschrieben wurden.
Das Weltbild der Bibel setzt die neue Auffassung dagegen, dass es sich um „Lampen am Himmel handelt“, eben Himmelskörper, und es jedenfalls nur einen Gott gibt. Ähnliches haben sonst nur die „Wissenschaftler“ der Chaldäer geschafft, deren Wissen auch in der Himmelsscheibe von Nebra Niederschlag gefunden hat. Die Himmelsscheibe von Nebra ist das erste Bild des Sternenhimmels, das einen Text braucht, um verstanden zu werden.
Da es aber damals in der Bronzezeit noch keine Schriftsprache gab, ist dieses Wissen wieder untergegangen. Aber überall sonst, und zu allen Zeiten haben abergläubische Erklärungen von Himmelsphänomenen immer wieder fröhlich Renaissance gefeiert. Und wenn ich mir so ansehe, was teilweise heute noch oder wieder geglaubt wird, scheint es mir manchmal, dass sich das bis heute nicht geändert hat…

Trotz Reform rückwärts gewandt

Ob Tischgepolter, oder nicht.
Zumindest taten sich später die Protestanten mit der Umstellung von Julianischen auf den Gregorianischen Kalender schwer. In reformierten und protestantischen Gegenden fand die Anpassung des Kalenders später statt. Diese Regionen waren nicht „papstgläubig“ und lehnten daher damals diese päpstliche Reform ab. Für das Jahr 1700 war aufgrund der verschiedenen Schaltjahrregelungen ein weiterer Tag Differenz zu befürchten. Daraufhin einigten sich 1699 die protestantischen deutschen Territorien auf dem Reichstag in Regensburg und führten einen Verbesserten Kalender ein, der nur unwesentlich vom katholischen abwich.

Und die Moral von der Geschichte

Ob kirchliche und oder weltliche Reform. Am Ende ging es dann doch nicht ohne moderne Astronomie und Mathematik.

Eine Blase voller Sterne


Meine lieben,

ganz in Ruhe lassen mich die Planetarien noch nicht. Ich habe ja mit euch noch nicht geteilt, was ich damit erleben durfte. Außerdem ist eine Sorte von Planetarien noch gar nicht zur Sprache gekommen, die für Wissenschaftskommunikation und Bildung eine ganz erhebliche und wichtige Rolle einnehmen.
Wer den Artikel zu 100 Jahre Planetarien noch nicht gelesen hat, sollte dies vielleicht noch tun, denn es kann sein, dass hier Beegriffe vorkommen, die ich in besagtem Artikel schon erklärt habe. Ich möchte mich hier nicht wiederholen.
Fangen wir also an.

Mein erster Kontakt

Mein erstes Erlebnis mit Planetarien war ein Besuch 1987 des Planetariums Stuttgart. Ich weiß gar nicht mehr, welche Show dort gegeben wurde, weil ich nur damit beschäftigt war, die hellsten Sterne zu erspähen. Ich konnte tatsächlich manchmal welche sehen, wenn sie durch mein Blickfeld zogen. Damals reichte mein Sehrest dafür noch aus. Das war ein großartiges Erlebnis, denn am wirklichen Himmel konnte ich ohne Hilfsmittel nicht mal den Vollmond sehen. Den sah ich zum ersten mal, als wir in der Schule die Kamera eines Bildschirm-Lesegerätes darauf richteten. Ganz erstaunlich, wie schnell der über den Bildschirm raste und dann weg war, weil wir keine Nachführung hatten.
Wer mein Buch gelesen hat, weiß, dass ich später nochmal mit einem Teleskop die Gelegenheit dazu hatte.

Planetarium in Wernigerode

Als ich dort Mitte der 90er Jahre einmal in einem Haus für Menschen mit Blindheit Urlaub machte, ergab sich die Gelegenheit ein ganz kleines altes Planetarium zu besuchen. Ich glaube, es gehörte zu einer Schule. Das war ein krasser Gegensatz zu Stuttgart. Dort war schon alles modern Neben dem Sternenprojektor und den mechanischen Planeten kamen hier schon Diaprojektoren zum Einsatz. Nicht so in Wernigerode. Das war ein absolut mechanischer Sternenprojektor mit umlaufenden Planeten. Angetrieben wurde es von Hand. Der Vorführer kurbelte es, um verschiedene Sternkonstellationen einzustellen. Man konnte die Zahnräder und alles deutlich hören. Es gab auch keine Musik und keine Sprecher über Lautsprecher. Er sprach selbst. Ein Mikrofon war nicht notwendig, weil die Kuppel sehr klein war. Ich glaube, wir waren nicht mehr als 15 Personen darin. Mich hat hier das Geräusch des Räderwerkes wirklich beeindruckt. Je nach dem, welches Geburtsdatum er einstellte, musste er wirklich sehr lange die Kurbel drehen. Leider durfte ich das Getriebe und den Projektor nicht berühren, aber unvergesslich ist das Urlaubserlebnis dennoch.

Orgelfabrik Durlach

Und nun kommen wir zu der Sorte von Planetarien, die ich oben ankündigte.

Im Zusammenhang der Veröffentlichung meines Buches wurde Matthias auf mich aufmerksam, der hier auf dem Blog zum Thema Orreriys zu Gast war. Er erzählte mir von Gernot Meiser und seinem mobilen Planetarium. Bis dato wusste ich gar nicht, dass es mobile Planetarien überhaupt gibt. Dieses sollte nun in der großen Orgelfabrik Durlach gastieren.
Ich wurde also eingeladen, dort meine „Inklusion am Himmel“ zu präsentieren. Das war eine große Herausforderung, denn bei diesem Vortrag sollten passende Dinge an diesen künstlichen Leinwandhimmel präsentiert werden, und meine Weltraumsounds sollten über die 3D-Soundanlage abgespielt werden. Normalerweise sind einige Folien an der Wand das höchste der Gefühle, das ich anbiete. Meistens zeige ich keine, weil es bei meiner Mission ja genau darum geht, einfach mal nichts zu sehen…

Vor allem in der Vorbereitung unterschied sich der Vortrag wesentlich von den meisten anderen. Ich musste ihn, wie ein Drehbuch verfassen, damit den Technikern des Planetariums klar war, wann welche Objekte an den Leinwandhimmel geworfen werden sollen. Es wurden sogar Schlüsselwörter vereinbart, damit das Script um einen Schritt weiter fuhr.
Außerdem wurden einige Weltraumsounds direkt in das Steuerscript des Vortrags eingebaut und surround abgespielt. So liefen die Planeten akustisch um die ganze Kuppel. Dieser 3D-Sound hat mich sehr beeindruckt.

Nun war ich sehr gespannt, wie so ein Planetarium überhaupt aussieht. Trotz, dass es mobil war, passten ja immerhin 80 Personen unter die Kuppel. Das braucht dann schon eine riesige Halle, um es unterzubringen.

Das Planetarium fühlte sich für mich tatsächlich, wie ein Zelt an. Es hatte schon ein stützendes Gerüst aus Stangen. Richtig rund wurde die Kuppel aber durch ein Gebläse, dass einen leichten Überdruck im Inneren erzeugte. die Kuppel bestand aus zwei Lagen, zwischen welchen ein Vakuum herrschte, damit nichts Falten wirft.
Das Gebläse hörte man kaum, und der Überdruck erzeugte keinen Druck in den Ohren, wie man das z. B. im Flugzeug erlebt. Vom Wind des Gebläses merkte man auch nichts. Nur die Türe in die Kuppel mit Reißverschlüssen war recht klein, damit nicht die ganze Luft gleich wieder entweicht, wenn sie geöffnet wurde. Dieses Planetarium hatte keinen klassischen Sternenprojektor und auch keine mechanisch umlaufenden Planeten. Hier kommen sehr moderne Beamer zum Einsatz, die von Computern angesteuert werden. Ein Bild ohne Verzerrung in eine Kuppel zu projizieren ist eine große technische Herausforderung, und pixellig sollte das Bild für die Insassen ja auch nicht werden. Digital sind diese Probleme aber gut lösbar. Ich glaube, es waren drei Beamer im Einsatz.
So saß und redete ich unter einem Zelt der besonderen Art. Es war großartig und mein Vortrag wurde damals sehr gelobt.

Im Theater in Saarlouis durfte ich den Vortrag im selben Planetarium einige Jahre später nochmals halten. Bei dieser Gelegenheit lernte ich dann auch das Weltraumatelier und die Sternwarte St. Wendel kennen. Die stellten auch barrierefreie Angebote vor. Das war eine schöne Gelegenheit, sich zu vernetzen. Vielleicht ergibt sich ja mal wieder die Gelegenheit, für solch ein mobiles Planetarium etwas anzubieten. Nun ja, so ganz mobil ist das Planetarium von Gernot dann doch nicht. Er benötigt dafür sicherlich einen Sprinter o. ä., um es zu transportieren. Die Kuppel war schließlich so hoch, dass man darunter bestuhlen konnte. Aber, meine lieben, es geht noch mobiler.

Das Planetarium auf dem Rad

Eine der prominentesten Planetariumsdirektorinnen ist zumindest für mich, Ruth Grützbauch aus Österreich. Ihr Planetarium hat sie nach einer Anleitung aus dem Internet selbst gebaut. Es ist so mobil, dass es in Taschen verpackt sogar auf ein gewöhnliches Lastenrad passt. Damit fährt sie an Schulen und andere Einrichtungen, wo sie dann bis zu dreißig Kinder unter ihrem Sternenzelt versammelt, um sie für den Weltraum zu begeistern.
Die Kinder sitzen entweder auf Kissen oder liegen darunter.
Aber auch viele Erwachsene konnte Frau Grützbauch damit schon erreichen.

Ihr Planetarium passt in quasi jede Turnhalle. Es hat nur wenige Meter Durchmesser und in seinem inneren kann man nicht aufrecht stehen
Auch diese Sternenblase wird von einem Gebläse aufgeblasen und rund gehalten. Ob es Zeltstangen zur Stabilisierung benötigt, weiß ich jetzt nicht genau. Als Projektor kommt auch hier kein sperriger Sternenprojektor, sondern ein moderner Beamer zum Einsatz. Gesteuert wird das ganze von einem Laptop aus, auf dem die kostenlose Software Stellarium läuft, die jeder sich frei herunterladen kann. Ein Soundsystem benötigt Frau Grützbauch vermutlich nicht, denn sie hat eine schöne laute Stimme.
Davon kann sich jeder überzeugen, der ihr Buch „Per Lastenrad durch die Galaxis“ als hörbuch hört, denn sie hat es mit schönem feinem österreichischen Akzent selbst ganz großartig aufgelesen.

In ihrem Buch beschreibt sie u. A. das Planetarium und seine Geschichte sehr genau und anschaulich.
Außerdem ist sie im Podcast „Das Universum“ mit Florian Freistetter und im Podcast WrinT von Holger Klein regelmäßig zu hören.

Und sie ist nicht die einzige, die so ein mobiles Planetarium betreibt. Da es Anleitungen für den Selbstbau im Netz gibt, steht diese Möglichkeit vielen offen.

Das Weltall für die Hosentasche

Es geht noch kleiner und mobiler:
Viele kennen sie, die zahlreichen Apps, womit ein Smartphone praktisch zum Taschenplanetarium wird. Nützt so etwas aber auch blinden Menschen, wo die Dinger doch absolut grafisch sind?

als Martin, der Entwickler von Universe2Go mich auf einem Vortrag, den ich in Hannover hielt fragte, ob ich es mir vorstellen könnte, dass wir so eine Art Audioguide für blinde Menschen entwickeln, sagte ich ihm ungefähr, dass ich es nicht glaube und mir nicht vorstellen kann. Aus diesen Grunde sollten wir es probieren.
Und jetzt ist es so, dass es funktioniert. Hier ein kurzes Beispiel:

Es gab im Mai 2016 einen Merkurtransit. Den habe ich akustisch mit Universe2Go beobachten können.
Es handelt sich dabei um eine Brille, in welche man sein Smartphone einlegt.
Diese Brille arbeitet mit Augmented Reality. Für Sehende Himmelsbeobachter werden passend zur Blickrichtung Zusatzinformationen und Sternkonstellationen eingespielt, so dass man sich am Himmel besser zurecht finden kann. Sie zeigt die Sterne auch, wenn sie nicht sichtbar sind.
Für Blinde werden die Himmelsobjekte akustisch angesagt. Es gibt sogar einen Suchmodus, der einen per Richtungsangaben zum gewünschten Objekt führt, wenn es sich über dem Horizont befindet.
Und so habe ich beobachtet:
Zunächst suchte ich im Planeten-Suchmodus die Sonne. Die hätte ich auch so gefunden, aber ich wollte es vollständig mit U2G machen.
Das funktionierte prima, denn sie ist so groß und auch so nah.
Im nächsten Schritt drehte ich mich wieder aus der Sonne und stellte die Suche auf den Merkur ein.
Und siehe da. Als ich ihn fand, knallte mir die Sonne voll ins Gesicht.
Natürlich wusste ich das, dass dem so sein würde, aber es mit einem Instrument nach zu empfinden und zu erleben, ist etwas anderes, als es einfach nur zu wissen.
Ich wiederholte den Versuch zu Beginn, gegen 14:00 Uhr, zur Mitte, gegen etwa 17:30 und zum Ende gegen 20:15 Uhr.
Mein Ziel war, die Wanderung des Merkur über die Sonnenscheibe zu erleben.
Ich bilde mir ein, den Unterschied von einem zum anderen Rand, erlebt zu haben, bin mir aber wirklich nicht sicher.
Die Erde hat sich ja auch beträchtlich in der zwischenzeit gedreht, Das habe ich natürlich in Richtung und Winkel zur Ekliptik durchaus mit U2G erlebt.
Die Wanderung des Merkurs kann ich aber wirklich aus rein wissenschaftlicher Sicht nicht ganz sicher belegen, aber gefühlt ist gefühlt und das ist auch OK so.
Ich habe gleichberechtigt mein Instrument und kann teilhaben.
Einfach großartig, wie inklusiv so ein bissel Technik und Software sind.

Fazit

als ich vor einigen Jahren Mitglied in der astronomischen Gesellschaft wurde, erfuhr ich im Outreach-Workshop, dass derzeit vor allem in Ostdeutschland viele Schulplanetarien und Schulsternwarten quasi verrotten, weil sie nicht mehr gepflegt werden, bzw. keine Lehrer mehr da sind, die so etwas begleiten möchten oder können. Schulsternwarten etc. hatten in der ehemaligen DDR eine große Tradition. Astronomieunterricht gab es in diesem Regime quasi überall. Auch in Westdeutschland gibt es immer weniger Astronomieunterricht. Das sollte man sich wirklich nochmal überlegen, ob es so sinnvoll ist, derlei abzuschaffen, wo wir doch gerade in dieser Zeit Kinder benötigen, die sich für Wissenschaft begeistern, und dadurch dann auch Dinge, wie den Klimawandel verstehen.
Ein Land, das über Fachkräftemangel in wissenschaftlichen und technischen Berufen klagt, täte gut daran, die Astronomie und verwandte andere Fächer wieder stärker zu fördern…

Gerade diese mobilen Planetarien erfüllen hier eine ganz großartige und wichtige Aufgabe. Sie sind mit ihren Betreibern großartige Vermittler und Multiplikatoren für Wissenschaft und begeistern viele. Für manches unserer Kinder kann ein derartiger Besuch eventuell ein Schlüsselerlebnis sein. Das ist meine Hoffnung.

Einhundert Jahre Planetarien


Meine lieben,

Da wäre mir doch fast ein Jubiläum entgangen. Dank der „@Astrozwerge“ wurde ich daran erinnert. Heute geht es, wie die Überschrift schon sagt, um einhundert Jahre Planetarium.
Mancher mag nun verwundert denken, was schreibt der blinde Blindnerd jetzt über Planetarien, wo er doch reichlich wenig davon hat. Ja, stimmt schon. Von einem Planetariumsbesuch bleibt mir leider immer nur die Audiospur. Dennoch, und das kann ich euch versprechen, ist die Geschichte dieser Himmelsmaschinen so spannend und aufregend, dass auch ein blinder Nert Schnappatmung davon bekommen kann.

Was ist ein Planetarium überhaupt

Unter einem Planetarium versteht man heute ein Gebäude mit einer halbkugelförmigen Kuppel, auf deren Innenfläche Bilder des Sternenhimmels von einem speziellen Projektor erzeugt werden. Diese Art Planetarium bezeichnet man als Projektionsplanetarium. Zu den wesentlichen Merkmalen gehört, dass der Projektor die Tages- und Jahresbewegungen zu einer beliebigen Zeit und für einen beliebigen geographischen Ort darstellen kann.
Als Erfinder des modernen Projektionsplanetariums gilt der Physiker Walther Bauersfeld, der es 1919 im Auftrag von Carl Zeiss Jena entwickelte und baute.
Ein Planetarium ist nicht mit einer Sternwarte zu verwechseln. Ersteres erzeugt einen simulierten Sternenhimmel, während man in einer Sternwarte die realen Himmelsobjekte beobachten kann.

Der Lange Weg

Seit über einem Jahrhundert vermitteln Planetarien die Faszination für den Kosmos und die Sterne auf beeindruckende Weise. Ihre Entwicklung und Verbreitung haben einen langen Weg hinter sich, seit das erste moderne Planetarium im Jahr 1923 in München eröffnet wurde.

Bereits in der Antike berichten Cicero, Ovid und Pappos über eine wahrscheinlich von Archimedes konstruierte mechanische Kugel aus Syrakus, die die Bewegungen von Sonne und Mond darstellen konnte.
Tellurien (von Tellus die Erde) dienen der Illustration der jahreszeitlichen Erscheinungen bedingt durch die Neigung der Erdachse, meist zusammen mit einem Lunarium, das den Mond in das Modell mit einbezieht.
Solche mechanischen Modelle werden auch als Orrerys bezeichnet, nach dem Grafen von Orrery, der um 1713 so ein Modell erhielt.
Zum Thema Orrerys gibt es auf meinem Blog einen wunderschönen Gastbeitrag von Matthias.

Ein mechanisches Modell der Galileischen Monde wird Jovilabium genannt.
Bei Armillarsphären werden die Umlaufbahnen mit Metallringen abgebildet.
Im Gottorfer Riesenglobus befindet sich ein Modell des alten, geozentrischen Weltbildes nach Ptolemäus. Es wurde zwischen 1650 und 1664 errichtet und gilt als ältestes begehbares Planetarium. Weltweit existieren vier solcher Hohlgloben.
Ein altes Mechanik-Planetarium befindet sich in Franeker (Friesland, Niederlande). Im Wohnzimmer eines wunderschönen friesischen Grachtenhauses
Es ist zwischen 1774 und 1781 vom Wollkämmer Eise Eisinga gefertigt worden: Am 8. Mai 1774 gab es eine für manche beängstigende Planetenkonstellation. Es wurde behauptet, dass diese Planeten zusammenstoßen würden. Dadurch sollte die Erde aus ihrer Bahn geschleudert werden und in der Sonne verbrennen. Eise Eisinga wollte mit dem Gerät zeigen, dass es keinen Grund zur Panik gab.

In den Anfängen bestand die Hauptaufgabe von Planetarien darin, den Menschen einen realistischen Einblick in den Himmel zu ermöglichen und sie über die Bewegungen der Sterne, Planeten und anderer Himmelskörper aufzuklären.

Meilensteine

Das weltweit erste, von Walther Bauersfeld entwickelte Projektionsplanetarium wurde am 21. Oktober 1923 im Deutschen Museum in München der Öffentlichkeit vorgestellt. Zwei Monate zuvor wurde es auf dem Zeiss-Werksgelände in Jena an einer 16-m-Kuppel getestet. Vor der endgültigen Installation wurde es von München zunächst erneut nach Jena zur Komplettierung geschickt und schließlich am 7. Mai 1925 offiziell in München in Betrieb genommen.

Das Planetarium Barmen war ein 1926 eröffnetes Planetarium in den Barmer Anlagen in Barmen, einem heutigen Stadtteil von Wuppertal. Bei seiner Eröffnung war es, abgesehen von einer Testinstallation des Projektorherstellers in München, das erste Planetarium weltweit und gehörte zu den Größten seiner Art.

Ein weiteres dieser frühen Planetarien, war das 1926 eröffnete Städtische Planetarium in Dresden, das nach den Plänen des Architekten Paul Wolf auf dem Städtischen Ausstellungsgelände gebaut wurde.

Wie funktioniert ein Planetarium

Die ersten richtigen Planetarien arbeiteten mit einem Projektor, der die Sterne in die Kuppel brachte. So ein Projektor besteht im wesentlichen aus zwei hohlen Metallkugeln, in welche alle 9600 darstellbare sichtbaren Sterne als Loch hinein gebohrt wurden. Man hatte eine Kugel für die Nordhalbkugel und eine für die Südhalbkugel. Diese Kugeln besaßen in ihrem Inneren eine Lampe, so dass das Licht durch die Sternenlöcher an die Kuppel fiel. Größere Löcher ließen mehr Licht durch, so dass diese Sterne dann auch heller erschienen. Unsere Planeten werden bei derartigen Projektoren mechanisch an Gestängen und Getrieben um den Projektor herum geführt. Oft spart man sich hier die Planeten Uranus und Neptun, weil man diese in der Regel mit bloßem Auge nicht wahrnehmen kann.
Viele Planetarien verfügen trotz modernerer Beamer-Technologie noch immer über solch einen Projektor, weil die schärfe, wie diese den Sternenhimmel darstellen, bis heute mit anderer Technologie unerreichbar ist.
Die Projektortechnik wurde in Jena entscheidend weiterentwickelt und die technische Ausstattung von Planetarien in aller Welt wurde zu einem wichtigen Exportprodukt des Unternehmens VEB Carl Zeiss Jena.
Mit der Zeit wurden die Technologien immer fortschrittlicher, was zu realistischeren und immersiveren Erlebnissen führte.
Die Sternprojektoren wurden zunächst um Dia-Projektoren erweitert, so dass man z. B. auch die Milchstraße und mehr an die Kuppel projizieren konnte.
Heute nutzen wir hochmoderne Projektionssysteme, wie z. B. Beamer und auch 3d-Soundsysteme, die die Möglichkeiten eines Planetariums weit über die Astronomie hinaus erweitern. Heute lässt sich in ein modernes Planetarium alles projizieren. Man kann beispielsweise eine virtuelle Reise durch unseren Körper machen, Erdbeben erleben, und Tauchfahrten ins Meer unternehmen.
Aus diesem Grund heißt das Planetarium in Kiel nun Mediendom.
Eines der größten und meist besuchten Planetarium ist das in Bochum. Und wenn wir schon von den größten sprechen, dann gibt es auch die kleinsten. Die passen in zwei Koffer und sind mobil. Aufgebaut werden sie oft in Turnhallen, um an Schulen direkt Kinder zu erreichen. Wir erinnern uns eventuell an das Buch von Ruth Grützbauch „Per Lastenrad durch die Galaxis. Über diese mobilen Planetarien werden wir noch sprechen, denn ich hatte ganz besondere Erlebnisse mit ihnen. Lasst euch überraschen.

Fazit

Planetarien waren Anfang des 20. Jahrhunderts die Kathedralen der modernen Wissenschaft. Der Blick in das Universum vermittelt einer staunenden Öffentlichkeit die Erkenntnisse der Zeit und erlaubte einen Blick auf das Weltall, wie er sich in den staubigen Städten nur selten bot.

Planetarien dienen nicht nur der Astronomie, sondern auch der Bildung und Inspiration. Sie sind Orte des Lernens, der Neugierde und der Entdeckung, an denen Menschen jeden Alters die Wunder des Universums erleben können. Schulklassen, Familien, Wissenschaftsbegeisterte und Kulturinteressierte besuchen diese Einrichtungen, um mehr über Astronomie, Raumfahrt und die unglaublichen Phänomene des Universums zu erfahren.
Die Bedeutung von Planetarien in der modernen Welt liegt nicht nur in der Wissensvermittlung, sondern auch in ihrem Beitrag zur Sensibilisierung für Umweltfragen und den Schutz unseres Planeten. Sie verdeutlichen die Einzigartigkeit und „Zerbrechlichkeit“ der Erde im kosmischen Kontext.
In den kommenden Jahren werden Planetarien eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, unser Verständnis für den Klimawandel zu schulen, und die nächste Generation von Entdeckern, Wissenschaftlern und Träumern zu inspirieren. Mit innovativen Technologien und einem wachsenden Interesse an Weltraumerkundung wird die Zukunft der Planetarien zweifellos noch spannender und aufregender werden.
Und für alle, die das Thema jetzt gepackt hat, gibt es hier noch zwei Links, die ich wärmstens empfehlen kann.

  1. @Tim @Pritlove mach seit Jahren den Podcast @CRE mit Interviews, die die Bereiche Gesellschaft, Technik und Kultur berühren. In vom 13.02.2015 hatte er den Leiter des Großplanetariums Berlin, Florian Horn zu Gast. Er ist ein absoluter Visionär, was die Zukunft von Planetarien betrifft.
  2. Gleicher Journalist macht auch den Podcast @raumzeit. Auch hier gibt es zum Thema
    Reichlich Informationen.
  3. Wer nun Lust bekommen hat, mal ein Planetarium in seiner Nähe aufzusuchen, dafür gibt e auf Wikipedia die Liste aller Planetarien Deutschlands.

Das galaktische Katzenauge


Meine lieben,
und gleich geht es wieder tierisch auf Blindnerd weiter.

Einleitung

heute Nacht ist mir plötzlich siedendheiß eingefallen, dass wir ja mit unseren süßen Kätzchen am Himmel noch gar nicht fertig sind. Ich erinnerte mich an eine Podcastfolge des Podcasts @wrint (Wer redet ist nicht tot) von Holger Klein und der Astronomin Rut Grützbauch, die das hörens- und lesenswerte Buch „Per Lastenrad durch die Galaxis“ geschrieben und selbst als Hörbuch aufgelesen hat.
Außerdem passt das Thema gerade sehr gut, weil ich am Wochenende quasi mein musikalisches Come Back bei einer Charity-Veranstaltung feiern durfte, deren Erlös an den Verein „Katzenstimme“ ging, der sich um Katzen kümmert, die kein Zuhause haben.
Das war nach der ganzen Pandemiepause mal wieder richtig schön für mich, mit meiner Gitarre und meiner Mundharmonika mal wieder in ein Mikrofon zu schreien…
Ich hatte nach der dreijährigen Pause richtig Angst davor, aber nach drei Gitarrengriffen und einigen Stößen in meine Bluesharp war der Rampensau-Modus wieder aktiviert, als wäre nichts gewesen.
Aber nun zu unserer Katzengeschichte.

das Auge der galaktischen Katze

Der Katzenaugennebel, auch unter der Katalogbezeichnung bekannt als NGC 6543 ist ein bemerkenswertes astronomisches Objekt, das sich im Sternbild Drache befindet. Er ist einer der eindrucksvollsten planetarischen Nebel am Nachthimmel und fasziniert Hobbyastronomen und Wissenschaftler gleichermaßen.

Kleine Anmerkung am Rande

Das Wort „Planetarer Nebel“ hat nichts mit Planeten zu tun. Vermutlich kam man zu dem Begriff, weil es sich dabei immer um einen Stern handelt, der mindestens von einer Hülle umgeben ist.

Namensgebung

Der Name Katzenaugennebel leitet sich von der markanten Erscheinung ab, die an die Pupillen eines Katzenauges erinnert.
Weil er sich fast am Nordpol der Erdbahn befindet, wird er manchmal auch als Polarnebel oder Ekliptik-Nordpolnebel bezeichnet.
Wenn man ihn mit einem Teleskop beobachtet, sieht man In seinem Inneren einen hellen Punkt, der dann von einem Halo umgeben ist. Und das ganze wird dann noch von einer weiteren Hülle umgeben. Das kommt einem Auge mit Pupille sehr nahe. Und wie wir wissen, leuchten Katzenaugen in der Dunkelheit.

Entdeckung

Der Katzenaugennebel wurde erstmals im Jahr 1786 von dem Astronomen William Herschel entdeckt. Der baute damals die besten Teleskope der Welt und hatte in seiner Schwester die beste Assistentin, die er sich hätte wünschen können. Diese Frau muss man in diesem Zusammenhang immer würdigen, weil sie sich in dieser Männer dominierten Naturwissenschaft durchsetzte und großen Ruhm erlangte. Ich würdigte sie in meinem Artikel Weltfrauentag 2018.

Ort und Sichtbarkeit

Der Katzenaugennebel befindet sich etwa 3.000 Lichtjahre von uns entfernt im nördlichen Sternbild Drachen und ist somit ein Teil unserer Milchstraßengalaxie.
Leider hat er nur eine Helligkeit von 8,1 Magnituden. Das bedeutet, dass er mit bloßem Auge nicht sichtbar ist. Mit unbewaffnetem Auge kann man gerade noch am unverschmutzten Himmel Sterne der Größenklasse fünf erkennen. Darüber sprachen wir bereits im Die Himmelskatze. und noch mehr Informationen zur Messung der Helligkeit und Lichtverschmutzung findet ihr bei mir in Im dunkeln sieht man besser.

Was ist aber nun der Katzenaugennebel.

Er ist im Grunde das, was unserer Sonne noch bevorsteht, ein roter Riese im Übergang zu einem weißen Zwerg. Ein Stern, am Ende seines Lebens also. Ja, wir sehen diesem Stern beim Sterben zu.

Die meisten Sterne enden als Weißer Zwerg. Andere werden zu Neutronensternen oder gar zu einem schwarzen Loch.
Der Stern, aus dem der Katzennebel wurde, hat seine Kernverschmelzung von Wasserstoff zu Helium in seinem Inneren bereits beendet. Auch das dann einsetzende Heliumbrennen zu Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff und anderen Elementen, die leichter als Eisen sind, das ihn zu einem roten Riesen aufblähte, ist vorüber. Nun kommt es dazu, das solch ein Stern sich in einer fulminanten Explusion schlagartig eines Großteils seiner Masse entledigt, und dass der innere Kern, der nun nichts mehr der Schwerkraft entgegen zu setzen hat, eben zu einem sehr massereichen weißen Zwerg kollabiert. Weiß ist er deshalb, weil er sehr heiß ist und dadurch weißes Licht absondert. Ein Teelöffel voll seines Materials wiegt mehrere Tonnen. Die abgestoßene Hülle bildet nun den planetaren Nebel. Wer mehr über diese Zwerglein wissen möchte, findet das bei mir im Artikel Bombur, dem schweren Zwerg aus dem kleinen Hobbit.
Seine Erscheinung macht den Katzennebel so interessant für die Wissenschaft.

In der Mitte des Nebels befindet sich der helle, weiße Zentralstern, der das intensive Licht und die Energie abgibt, um die umgebenden Gase zum Leuchten zu bringen. Diese Gase sind hauptsächlich Wasserstoff und Helium, die von der energiereichen Strahlung des Sterns ionisiert werden.
Der Nebel hat eine zweischichtige Struktur: Eine innere Sphäre aus heißem Gas und eine äußere Hülle aus kühleren, expandierenden Gasen. Die innerste Sphäre besteht aus ionisiertem Gas, das vom Zentralstern ausgestoßen wurde. Dieses Gas ist so heiß, dass es bläulich erscheint. Die äußere Hülle besteht aus kühlerem, expandierendem Gas, das eine rote Färbung aufweist.

Beobachtung und Erforschung

Der Katzenaugennebel ist ein beliebtes Ziel für Hobbyastronomen, da er mit Teleskopen gut sichtbar ist. Seine charakteristische Struktur und auffällige Farben machen ihn zu einem beeindruckenden Anblick. Professionelle Astronomen verwenden moderne Teleskope und Instrumente, um detaillierte Untersuchungen der Gase, Strukturen und des Zentralsterns des Nebels durchzuführen.
Die Beobachtung und Erforschung von Nebeln wie dem Katzenaugennebel tragen zur Erweiterung unseres Verständnisses der stellaren Evolution und der Entstehung von Nebeln bei. Zudem ermöglichen sie Einblicke in die Entwicklungsprozesse von Sternen und den Kreislauf von Materie im Universum.

Wer möchte und kann, findet bei Wiki sehr viele Bilder und noch detailliertere physikalische Beschreibungen, die ich uns hier erspare.
Und wer sich noch mehr für weiße Zwerge und sonstige „Sternleichen“ interessiert, wird bei mir in den Artikeln zu Den Schwarzen Löchern entgegen fündig.