Eine Finsternis, ein Sonnenforscher und ein Lattenzaun


Meine lieben,

erinnert ihr euch noch?
vor vielen Monaten habe ich euch eine Serie versprochen, die einige Sonnenfinsternisse enthalten wird, die Astronomiegeschichte geschrieben haben.
Im ersten Artikel dieser Serie wurde anhand einer Finsternis geklärt, ob die Protuberanzen, die man während einer totalen Sonnenfinsternis sieht, zur Sonne, oder zum Mond gehören.

Die Indische Finsternis, um welche es heute geht, führte letztlich dazu, dass man die Protuberanzen heute am Tag und auch trotz heller Sonnenscheibe beobachten kann.
Am 18.08.1868 bewegte sich der Kernschatten einer Sonnenfinsternis über die indische und die malaiische Halbinsel.
Der Astronom und Fotograf Pierre Jules César Janssen nahm also die beschwerliche Reise auf sich, um von Guntur in Indien aus diese Finsternis zu beobachten und zu fotografieren.
Während der kurzen Dunkelheit erkannte er im Spektroskop, dass die Protuberanzen hauptsächlich bei den Wellenlängen des Lichtes des Wasserstoffs abstrahlen. Man bedenke, dass es damals durchaus noch nicht klar war, woraus die Sonne hauptsächlich besteht. Das erklärte uns erst die Frau mit dem Sonnenstoff.

Aber Spektralaparate waren bereits erfunden und man entdeckte auch die Lichtsignaturen der chemischen Elemente.
Als nach kurzer Zeit die Sonne wieder hinter der Mondscheibe hervortrat und die Protuberanzen verblassten, soll Janssen ausgerufen haben:
„Diese Linien will ich auch außerhalb der Finsternisse beobachten.“

Am nächsten Tag richtete er sein mit einem Spektroskop ausgestattetes Fernrohr gleich nach Sonnenaufgang auf die Stelle des Sonnenrandes, an der er während der Finsternis eine besonders helle Protuberanz gesehen hatte.
Wenn janssen in seinem Spektroskop nur auf die Alpha-Linie des
Wasserstoffs schaute, dann war er für nahezu alles andere Licht blind. Sonnenbeobachter bis heute betrachten die Sonne gerne in diesem Licht und blenden alles andere mit Filtern weg.
Tatsächlich konnte er das Licht der Spektrallinien der Protuberanzen auch am hellen Taghimmel ausmachen. Durch den Spalt des Spektroskops
am Fernrohr sah er im Licht der roten Wasserstofflinie einen schmalen Streifen der über den Rand der Sonnenscheibe herausragenden leuchtenden Gasmassen. Wenn er das Fernrohr leicht bewegte, dann verschob sich der Spalt und bot den Anblick eines benachbarten schmalen Streifens der Protuberanz. So konnte janssen am Spektroskop Streifen
für Streifen des Sonnenrandes abtasten, zeichnen und zu einem Bild der gesamten Protuberanz zusammensetzen.

Das Arbeiten während einer Finsternis ist stets durch Hektik bestimmt, da nur wenige Minuten Zeit bleiben und sich vielleicht für Jahre keine weitere Gelegenheit bietet. Doch jetzt hatte janssen Muße, mit dem Spektroskop am Fernrohr die Protuberanzen zu zeichnen und zu verfolgen, wie sie innerhalb von Stunden empor züngelten und wieder herabsanken, sich auflösten oder nach Tagen infolge der Rotation hinter dem Sonnenrand verschwanden. janssen war von dem faszinierenden Schauspiel so gefesselt, dass er erst einen Monat später der französischen Akademie der Wissenschaften eine Nachricht darüber zukommen ließ. Fünf Minuten bevor sein Brief die Akademie erreichte,
war dort aber bereits ein Schreiben Des Astronomen Lockyer verlesen worden, in dem dieser berichtete, wie es ihm gelungen war, Protuberanzen außerhalb einer Sonnenfinsternis zu beobachten. janssen hatte zwar als erster die Protuberanzen am hellen Taghimmel beobachtet, aber Lockyer hatte seine Ergebnisse fünf Minuten früher veröffentlicht. Die Akademie fasste daher den salomonischen Beschluss, eine Medaille prägen zu
lassen, um die Entdeckung zu würdigen. Eine Seite zeigt das Portrait von Lockyer, die andere das von janssen.

Die beiden konnten zwar Protuberanzen mit ihren Spektrographen und Teleskopen beobachten, die sich am Rand der Sonnenscheibe befanden, aber Protuberanzen auf der hellen Sonnenscheibe blieben einem anderen großen Astronomen vorbehalten.

Der erst 21jährige George Ellery Hale grübelte darüber nach, wie man trotz des störenden Lichtes der Sonne bessere Fotografien gewinnen und damit mehr
auf der Fotoplatte festhalten konnte.
Zur Idee seines neuen Instrumentes soll er gesagt haben, dass sie ihm in der Straßenbahn gekommen
sei, als er aus dem Wagen heraus auf die Latten eines Lattenzaunes blickte
und sich der dahinterliegende Garten scheinbar an den Zwischenräumen vorbei bewegte. Das war die Geburt des Spektroheliographen, wie Hale das Gerät nannte, das in diesem Augenblick in seinem Kopf
entstand.

Und so funktioniert es:

Ein Teleskop wirft ein Bild der Protuberanz auf den Spalt eines Spektographen.
Dieser Spalt schneidet aus dem Bild einen schmalen Streifen heraus, und nur
das Licht dieses Ausschnittes gelangt in das Innere des Spektrographen.
Dieser wiederum erzeugt auf einer Fotoplatte ein Bild des Spaltes in
allen Farben. Man kann nun einen zweiten Spalt an die Stelle des
Spektrums setzen, wo die dunkle Alpha-Linie des Wasserstoffs steht.
Durch diesen zweiten Spalt geht nur das Licht der Wasserstofflinie des
durch den ersten Spalt ausgeblendeten Streifens der Sonnenscheibe.
Eine Fotoplatte dahinter erhält dann nur das Bild, das der erste Spalt
aus der Sonnenscheibe und der zweite Spalt aus dem Spektrum herausschneiden
Würde man die Platte entwickeln, hätte man im Licht der herausgeblendeten Wellenlänge eine Fotografie der Protuberanz. Das Bild würde aber nur einen schmalen Streifen der Erscheinung zeigen, so, als müsse man in einer Galerie ein Rembrandt-Bild im
Nebenraum durch einen mehrere Meter entfernten schmalen Türspalt betrachten, man würde kaum etwas erkennen.
Deshalb arbeitete George Ellery Hale mit folgendem Trick: Während
man das Teleskop langsam relativ zur Sonne bewegt, wandert das Bild
der Protuberanz langsam über den Spalt.

Der schmale Streifen, der fotografiert wird, wandert langsam über die Protuberanz hinweg. Wenn man jetzt die Fotoplatte hinter dem zweiten Spalt im Spektrographen mit der richtigen Geschwindigkeit bewegt, so wird
Streifen neben Streifen auf die Platte gebannt. Auf der Schicht entsteht
so ein Bild der ganzen Protuberanz.

Später schrieb ein Freund Hales, daß die Erfindung zweifellos mehr zum
Verständnis der Vorgänge am Himmel beigetragen hatte als irgendeine
andere, seitdem Galilei sein Fernrohr zum Himmel gerichtet hat.

Es gäbe hier noch viel über diesen großen Mann zu berichten. Wie wichtig er war, kann man auf jeden Fall auch daran erkennen, dass man einen Kometen nach ihm benannte, den wir 1986 mit der Raumsonde Giottto besuchten.

Dank einer Erfindung des französischen Astronomen Bernard Lyot, ist zur Beobachtung der Protuberanzen heute kein Spektroheliograph mehr nötig. Man kann Filter herstellen, die nur Licht bei einer bestimmten Wellenlänge durchlassen.
Durch diese Erfindungen konnte man schließlich auch entdecken, dass es auf der Sonnenoberfläche recht arg zugeht. Aber das, und vieles mehr muss auf einen anderen Artikel warten.

Erhellende Finsternisse – 1 von 5


Meine lieben,
das hier könnte mal wieder eine kleine fünfteilige Serie werden…
sie liegt nun hinter uns, die partielle Sonnenfinsternis vom 25.10.2022. Bei uns war es leider bewölkt, aber einige hatten ja doch Glück, was man an zahlreichen Fotos sah, die durch die sozialen Medien gingen.

Für mich stellte sich nun die Frage, was ich um Himmels Willen noch über Finsternisse schreiben soll, das ich in den letzten Jahren noch nicht mit euch geteilt habe. Macht doch mal den Spaß und gebt in das Suchfeld auf dem Blog „Finsternis“ ein. Selbst ich bin erstaunt, dass hier tatsächlich mehrere Seiten von Artikelüberschriften aufgelistet werden, die inhaltlich damit zu tun haben.

Was wir aber bisher noch gar nicht richtig behandelt haben sind die Fragen der Astrophysiker, die gerade erst durch die Beobachtung von Sonnenfinsternissen beantwortet werden konnten. Eine dieser Fragen haben wir aber schon behandelt. Einsteins Relativitätstheorie konnte tatsächlich durch eine Sonnenfinsternis bewiesen werden.

Wer das nochmal nachlesen möchte hier lang.

Im vorletzten Jahrhundert gab es innerhalb von 11 Jahren fünf Finsternisse, welche die Sonnenforschung erheblich voran brachten. Und das ist doch irgendwie lustig. Ausgerechnet dann, wenn das Objekt der Begierde verdeckt wird, sollte man am meisten darüber erfahren…

Steigen wir also ein, in das, was im Finstern erhellt wurde.

Die Frage, mit der wir einsteigen ist, dass man damals durchaus nicht wusste, ob die Protuberanzen der Sonne, oder dem Mond zuzurechnen sind. Auch über eine optische Täuschung wurde spekuliert. Wir erinnern uns. Protuberanzen sind die scheinbaren Flammenzungen die dann sichtbar werden, wenn unser Mond die Sonnenscheibe verdeckt. Ansonsten werden sie von ihr überstrahlt, und man benötigt spezielle Teleskope, um sie auch ohne die Sonne verfinsternden Mond immer sehen zu können. Dazu kommen wir aber heute noch nicht.

Also, nochmal die Frage.

„Gehören die wunderschönen Protuberanzen der Sonne, oder schmückt sich damit unser Mond, oder sind sie gar nur eine optische Täuschung, die immer bei totalen Sonnenfinsternissen auftritt?“

Die Antwort gab die Finsternis vom 18. Juli 1860 in Spanien. Zwei Gelehrte zogen mit ihren Instrumenten an den Ebro und an die spanische Mittelmeerküste. Zum ersten Mal wurde die Fotografie, damals noch Daguerreotypie genannt, zur Erforschung von Finsternissen eingesetzt.

Der Engländer Warren de la Rue (1815-1889), ein reicher Papierfabrikant, war ein Pionier in der
Fotografie astronomischer Objekte. Der jesuitenpater Angelo Secchi (1818-1887), Direktor des Collegio Romano, widmete sich in der zweiten Hälfte seines Lebens dem Studium der Sonne. Beide fotografierten
in Spanien die Protuberanzen von Orten aus, die mehrere hundert Kilometer auseinander lagen. Die Bilder glichen sich wie ein Ei dem anderen. Die roten Flammenzungen waren also reell. Mehr noch, rasch nacheinander aufgenommene Platten zeigten, dass sich der Mond vor den Protuberanzen vorbeibewegt. Damit wusste man:

Die Protuberanzen gehören zur Sonne.

Die Sonne ist so weit, etwa 150 Mio Kilometer von uns entfernt, dass die unterschiedliche Perspektive, die die beiden Herren durch ihren mehrere hundert Kilometer entfernte Beobachtungsplätze hatten, keine Rolle spielte. Der Unterschied, der sich durch die verschiedenen Beobachtungswinkel ergab, war so klein, dass er auf den Fotos nicht ins Gewicht fiel. Somit glichen sich die Bilder so sehr, als wären sie am selben Ort geschossen worden. Einige Jahrhunderte davor, wurde mittels dieser Beobachtungsmethode ein alter Glaube erschüttert, an den ich hier kurz erinnern möchte.

Der gute alte Aristoteles vertrat die Ansicht, dass alle Himmelskörper die Erde auf festen ihnen eindeutig zugewiesenen Bahnen umrundeten. Weil Kometen kamen und gingen, rechnete er sie nicht zu den Himmelskörpern, sondern hielt sie für langsam brennende Feuer in den oberen Luftschichten. Wenn Kometen atmosphärischer Natur waren, mussten sie näher als die anderen Himmelskörper bei der Erde sein. Somit sollten sie sogar näher sein als der Mond. Das war nämlich schon den alten Griechen klar, dass er der nächste Himmelskörper ist. Wie auch immer. Die Autorität Aristoteles war so groß, dass seine Lehren über 2000 Jahre gültig blieben.

Dieser Glaube und Grundfeste wurde im Jahre 1577 erschüttert. In diesem Jahr tauchten gleich zwei Kometen auf, von deren zweiten der dänische Astronom Tycho Brahe von seiner dänischen Insel aus, wo er sich ein riesiges Observatorium baute, beobachtete. Tycho hatte die Idee, die Entfernung dieses Kometen zu vermessen. Dann sollte man erfahren, ob sie wirklich atmosphärisch nahe Objekte darstellen, oder nicht.

Kennt man die Distanz zweier Beobachtungsorte, so lässt sich der Abstand berechnen. So bestimmten schon die alten Griechen die ungefähre Entfernung zum Mond.
Also vermaß Tycho die Winkel zu seinem Kometen. Diese verglich er dann mit den Daten, die ein befreundeter Astronom in Prag ermittelte. Sie unterschieden sich nicht von Tychos winkeln. Da die Entfernung beider Standorte bekannt war, konnte das nur bedeuten, dass der Komet weit entfernt sein musste, da die Winkelunterschiede deutlich kleiner waren als das, was man mit damaligen Messinstrumenten auflösen konnte.
Tychos Komet musste somit ungefähr vier mal so weit weg sein als der Mond. Wäre die Distanz kleiner gewesen, hätte er eine Parallaxe messen sollen.
Man kann an dieser Stelle gar nicht hoch genug würdigen, was für ein exzelenter Beobachter Tycho war, denn es standen ihm keine Teleskope zur Verfügung. Kometen waren also scheinbar keine atmosphärischen Objekte, sondern kamen von weit her.

Wir erinnern uns, dass diese Methode auch zum Einsatz kam, als man die Radiobilder der Umgebung zweier schwarzer Löcher machte. Wählt man noch größere Abstände, z. B. den Durchmesser der Umlaufbahn der Erde um die Sonne, dann kann man Dreiecke zu Himmelsobjekten aufspannen, die hunderte von Lichtjahren von uns entfernt sind. Seit es forschende Astronomen gibt, wurde mit dieser Parallaxen-Methode viele Entdeckungen gemacht und das Universum wurde quasi immer größer.

Eine der nächsten bahnbrechenden Entdeckungen und Erfindungen wird uns zu einer weiteren Sonnenfinsternis führen, die von Indien aus beobachtet wurde, aber nicht mehr heute…

Eine Literarische Erinnerung


Seid herzlich gegrüßt.

Vorbemerkungen

Eine nie versiegende Quelle astronomischen Wissens ist für mich seit Jahren @Florian @Freistetter. Er ist Anlass für diesen Artikel, weshalb ich mir erlaube, etwas auf ihn einzugehen.
Er ist Astronom, Buchautor, Podcaster, Science-Buster und Wissenschaftskommunikator. Außerdem führt er den Blog Astrodicticum Simplex.
Viele seiner Bücher gibt es meist entweder von ihm, oder seiner Science-Buster-Kolleg:innen selbst aufgelesen als Hörbücher, z. B.

  • Das Universum in einhundert Sternen
  • Der Komet im Cocktailglas
  • oder das sehr lustige und spannende „Warum landen Asteroiden immer in Kratern“

In unseren Blindenhörbüchereien habe ich leider nur ein einziges Buch, das über Isaac Newton, gefunden.
Andere seiner Bücher habe ich als Ebook, dann halt mit Computerstimme mir vorlesen lassen.
Ich giere immer nach neuen Folgen Seiner Podcasts. So erscheint die Neue Folge der #Sternengeschichten immer am Freitag Morgen. Das ist dann stets meine Frühstücksfolge.
Die Podcasts

  • #Sternengeschichten
  • #Das #Universum
  • und #Das Klima

kann ich jedem nur dringend ans Herz legen. Hörenswert ist auch der Podcast von @holgi #“Wer redet ist nicht tot“, wo er ebenfalls immer wieder mitwirkt.

Heute erinnerte Florian in Folge 502 seiner #Sternengeschichten an eine Sonnenfinsternis über welche sehr schön geschrieben wurde. Auch ich schrieb über diese literarische Sonnenfinsternis in „Sonnenfinsternisse in der Literatur“ vor zwei Jahren.
Da wir vor zwei Jahren ganz andere Sorgen hatten, denke ich mir, dass wir den Gedanken von Florian aufgreifen und uns erneut an diesem literarischen Werk erfreuen sollten.
Also los:

Wenn man Sonnenfinsternisse literarisch betrachtet, dann kommt man an Adalbert Stifters Beschreibung einer von ihm selbst beobachteten Sonnenfinsternis nicht vorbei. Für mich stellt sie die schönste deutschsprachige Beschreibung einer Sonnenfinsternis dar, die ich kenne.
Der Aufsatz erschien zuerst in der “Wiener-Moden-Zeitung und Zeitschrift für Kunst, schöne Literatur und Theater” 1842 III. Quartal in drei Folgen.
Sie zu lesen ist etwas viel Text, aber ich garantiere für ein absolutes literarisches und lyrisches Erlebnis.

Hier der vollständige Text.

Adalbert Stifters Sonnenfinsternis – Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842

Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchtbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten. Da ich die Sache recht schön auf dem Papiere durch eine Zeichnung und Rechnung darstellen kann, und da ich wußte, um soundso viel Uhr trete der Mond unter der Sonne weg und die Erde schneide ein Stück seines kegelförmigen Schattens ab, welches dann wegen des Fortschreitens des Mondes in seiner Bahn und wegen der Achsendrehung der Erde einen schwarzen Streifen über ihre Kugel ziehe, was man dann an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten in der Art sieht, daß eine schwarze Scheibe in die Sonne zu rücken scheint, von ihr immer mehr und mehr wegnimmt, bis nur eine schmale Sichel übrigbleibt, und endlich auch die verschwindet – auf Erden wird es da immer finsterer und finsterer, bis wieder am andern Ende die Sonnensichel erscheint und wächst, und das Licht auf Erden nach und nach wieder zum vollen Tag anschwillt – dies alles wußte ich voraus, und zwar so gut, daß ich eine totale Sonnenfinsternis im voraus so treu beschreiben zu können vermeinte, als hätte ich sie bereits gesehen.
Aber, da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand und die Erscheinung mit eigenen Augen anblickte, da geschahen freilich ganz andere Dinge, an die ich weder wachend noch träumend gedacht hatte, an die keiner denkt, der das Wunder nicht gesehen.
Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauer und Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens.
Es war ein so einfach Ding. Ein Körper leuchtet einen andern an, und dieser wirft seinen Schatten auf einen dritten: aber die Körper stehen in solchen Abständen, daß wir in unserer Vorstellung kein Maß mehr dafür haben, sie sind so riesengroß, daß sie über alles, was wir groß heißen, hinausschwellen – ein solcher Komplex von Erscheinungen ist mit diesem einfachen Dinge verbunden, eine solche moralische Gewalt ist in diesen physischen Hergang gelegt, daß er sich unserem Herzen zum unbegreiflichen Wunder auftürmt.
Vor tausendmal tausend Jahren hat Gott es so gemacht, daß es heute zu dieser Sekunde sein wird; in unsere Herzen aber hat er die Fibern gelegt, es zu empfinden. Durch die Schrift seiner Sterne hat er versprochen, daß es kommen werde nach tausend und tausend Jahren, unsere Väter haben diese Schrift entziffern gelernt und die Sekunde angesagt, in der es eintreffen müsse; wir, die späten Enkel, richten unsere Augen und Sehrohre zu gedachter Sekunde gegen die Sonne, und siehe: es kommt – der Verstand triumphiert schon, daß er ihm die Pracht und Einrichtung seiner Himmel nachgerechnet und abgelernt hat – und in der Tat, der Triumph ist einer der gerechtesten des Menschen – es kommt, stille wächst es weiter – aber siehe, Gott gab ihm auch für das Herz etwas mit, was wir nicht vorausgewußt und was millionenmal mehr wert ist, als was der Verstand begriff und vorausrechnen konnte: das Wort gab er ihm mit: “Ich bin – nicht darum bin ich, weil diese Körper sind und diese Erscheinung, nein, sondern darum, weil es euch in diesem Momente euer Herz schauernd sagt, und weil dieses Herz sich doch trotz der Schauer als groß empfindet”. – Das Tier hat gefürchtet, der Mensch hat angebetet.
Ich will es in diesen Zeilen versuchen, für die tausend Augen, die zugleich in jenem Momente zum Himmel aufblickten, das Bild und für die tausend Herzen, die zugleich schlugen, die Empfindung nachzumalen und festzuhalten, insofern dies eine schwache menschliche Feder überhaupt zu tun imstande ist.
Ich stieg um 5 Uhr auf die Warte des Hauses Nr. 495 in der Stadt, von wo aus man die Übersicht nicht nur über die ganze Stadt hat, sondern auch über das Land um dieselbe, bis zum fernsten Horizonte, an dem die ungarischen Berge wie zarte Luftbilder dämmern. Die Sonne war bereits herauf und glänzte freundlich auf die rauchenden Donauauen nieder, auf die spiegelnden Wasser und auf die vielkantigen Formen der Stadt, vorzüglich auf die Stephanskirche, die fast greifbar nahe an uns aus der Stadt, wie ein dunkles, ruhiges Gebirge, emporstand.
Mit einem seltsamen Gefühl schaute man die Sonne an, da an ihr nach wenigen Minuten so Merkwürdiges vorgehen sollte. Weit draußen, wo der große Strom geht, lag ein dicke, langgestreckte Nebellinie, auch im südöstlichen Horizonte krochen Nebel und Wolkenballen herum, die wir sehr fürchteten, und ganze Teile der Stadt schwammen in Dunst hinaus. An der Stelle der Sonne waren nur ganz schwache Schleier, und auch diese ließen große blaue Inseln durchblicken.
Die Instrumente wurden gestellt, die Sonnengläser in Bereitschaft gehalten, aber es war noch nicht an der Zeit. Unten ging das Gerassel der Wägen, das Laufen und Treiben an – oben sammelten sich betrachtende Menschen; unsere Warte füllte sich, aus den Dachfenstern der umstehenden Häuser blickten Köpfe, auf Dachfirsten standen Gestalten, alle nach derselben Stelle des Himmels blickend, selbst auf der äußersten Spitze des Stephansturmes, auf der letzten Platte des Baugerüstes stand eine schwarze Gruppe, wie auf Felsen oft ein Schöpfchen Waldanflug – und wie viele tausend Augen mochten in diesem Augenblicke von den umliegenden Bergen nach der Sonne schauen, nach derselben Sonne, die Jahrtausende den Segen herabschüttet, ohne daß einer dankt – heute ist sie das Ziel von Millionen Augen, aber immer noch, wie man sie mit dämpfenden Gläsern anschaut, schwebt sie als rote oder grüne Kugel rein und schön umzirkelt in dem Raume.
Endlich zur vorausgesagten Minute – gleichsam wie von einem unsichtbaren Engel – empfing sie den sanften Todeskuß, ein feiner Streifen ihres Lichtes wich vor dem Hauche dieses Kusses zurück, der andere Rand wallte in dem Glase des Sternenrohres zart und golden fort – “es kommt”, riefen nun auch die, welche bloß mit dämpfenden Gläsern, aber sonst mit freien Augen hinaufschauten – “es kommt”, und mit Spannung blickte nun alles auf den Fortgang.
Die erste, seltsame, fremde Empfindung rieselte nun durch die Herzen, es war die, daß draußen in der Entfernung von Tausenden und Millionen Meilen, wohin nie ein Mensch gedrungen, an Körpern, deren Wesen nie ein Mensch erkannte, nun auf einmal etwas zur selben Sekunde geschehe, auf die es schon längst der Mensch auf Erden festgesetzt.
Man wende nicht ein, die Sache sei ja natürlich und aus den Bewegungsgesetzen der Körper leicht zu berechnen; die wunderbare Magie des Schönen, die Gott den Dingen mitgab, frägt nichts nach solchen Rechungen, sie ist da, weil sie da ist, ja sie ist trotz der Rechnungen da, und selig das Herz, welches sie empfinden kann; denn nur dies ist Reichtum, und einen andern gibt es nicht – schon in dem ungeheuern Raume des Himmels wohnt das Erhabene, das unsere Seele überwältigt, und doch ist dieser Raum in der Mathematik sonst nichts als groß.
Indes nun alle schauten und man bald dieses, bald jenes Rohr rückte und stellte und sich auf dies und jenes aufmerksam machte, wuchs das unsichtbare Dunkel immer mehr und mehr in das schöne Licht der Sonne ein – alle harrten, die Spannung stieg; aber so gewaltig ist die Fülle dieses Lichtmeeres, das von dem Sonnenkörper niederregnet, daß man auf Erden keinen Mangel fühlte, die Wolken glänzten fort, das Band des Wassers schimmerte, die Vögel flogen und kreuzten lustig über den Dächern, die Stephanstürme warfen ruhig ihre Schatten gegen das funkelnde Dach, über die Brücke wimmelte das Fahren und Reiten wie sonst, sie ahneten nicht, daß indessen oben der Balsam des Lebens, Licht, heimlich versiege, dennoch draußen an dem Kahlengebirge und jenseits des Schlosses Belvedere war es schon, als schliche eine Finsternis oder vielmehr ein bleigraues Licht, wie ein wildes Tier heran – aber es konnte auch Täuschung sein, auf unserer Warte war es lieb und hell, und Wangen und Angesichter der Nahestehenden waren klar und freundlich wie immer.
Seltsam war es, daß dies unheimliche, klumpenhafte, tief schwarze, vorrückende Ding, das langsam die Sonne wegfraß, unser Mond sein sollte, der schöne sanfte Mond, der sonst die Nächte so florig silbern beglänzte; aber doch war er es, und im Sternenrohr erschienen auch seine Ränder mit Zacken und Wulsten besetzt, den furchtbaren Bergen, die sich auf dem uns so freundlich lächelnden Runde türmen.
Endlich wurden auch auf Erden die Wirkungen sichtbar und immer mehr, je schmäler die am Himmel glühend Sichel wurde; der Fluß schimmerte nicht mehr, sondern war ein taftgraues Band, matte Schatten lagen umher, die Schwalben wurden unruhig, der schöne sanfte Glanz des Himmel erlosch, als liefe er von einem Hauche matt an, ein kühles Lüftchen hob sich und stieß gegen uns, über die Auen starrte ein unbeschreiblich seltsames, aber bleischweres Licht, über den Wäldern war mit dem Lichterspiele die Beweglichkeit verschwunden, und Ruhe lag auf ihnen, aber nicht die des Schlummers, sondern die der Ohnmacht – und immer fahler goß sich’s über die Landschaft, und diese wurde immer starrer – die Schatten unserer Gestalten legten sich leer und inhaltslos gegen das Gemäuer, die Gesichter wurden aschgrau – – erschütternd war dieses allmähliche Sterben mitten in der noch vor wenigen Minuten herrschenden Frische des Morgens.
Wir hatten uns das Eindämmern wie etwa ein Abendwerden vorgestellt, nur ohne Abendröte; wie geisterhaft ein Abendwerden ohne Abendröte sei, hatten wir uns nicht vorgestellt, aber auch außerdem war dies Dämmern ein ganz anderes, es war ein lastend unheimliches Entfremden unserer Natur; gegen Südost lag eine fremde, gelbrote Finsternis, und die Berge und selbst das Belvedere wurden von ihr eingetrunken – die Stadt sank zu unsern Füßen immer tiefer, wie ein wesenloses Schattenspiel hinab, das Fahren und Gehen und Reiten über die Brücke geschah, als sähe man es in einem schwarzen Spiegel – die Spannung stieg aufs höchste – einen Blick tat ich noch in das Sternrohr, er war der letzte; so schmal wie mit der Schneide eines Federmessers in das Dunkel geritzt, stand nur mehr die glühende Sichel da, jeden Augenblick zum Erlöschen, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, daß bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten – sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders als wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück – es war ein überaus trauriger Augenblick – deckend stand nun Scheibe auf Scheibe – und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte – das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges “Ah” aus aller Munde, und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.
Hatte uns früher das allmähliche Erblassen und Einschwinden der Natur gedrückt und verödet, und hatten wir uns das nur fortgehend in eine Art Tod schwindend gedacht: so wurden wir nun plötzlich aufgeschreckt und emporgerissen durch die furchtbare Kraft und Gewalt der Bewegung, die da auf eimmal durch den ganzen Himmel ging: die Horizontwolken, die wir früher gefürchtet, halfen das Phänomen erst recht bauen, sie standen nun wie Riesen auf, von ihrem Scheitel rann ein fürchterliches Rot, und in tiefem, kaltem, schwerem Blau wölbten sie sich unter und drückten den Horizont – Nebelbänke, die schon lange am äußersten Erdsaume gequollen und bloß mißfärbig gewesen waren, machten sich nun geltend und schauerten in einem zarten, furchtbaren Glanze, der sie überlief – Farben, die nie ein Auge gesehen, schweiften durch den Himmel.
Der Mond stand mitten in der Sonne, aber nicht mehr als schwarze Scheibe, sondern gleichsam halb transparent wie mit einem leichten Stahlschimmer überlaufen, rings um ihn kein Sonnenrand, sondern ein wundervoller, schöner Kreis von Schimmer, bläulich, rötlich, in Strahlen auseinanderbrechend, nicht anders, als gösse die obenstehende Sonne ihre Lichtflut auf die Mondeskugel nieder, daß es rings auseinanderspritzte – das Holdeste, was ich je an Lichtwirkung sah!
Draußen weit über das Marchfeld hin lag schief eine lange, spitze Lichtpyramide gräßlich gelb, in Schwefelfarbe flammend und unnatürlich blau gesäumt; es war die jenseits des Schattens beleuchtete Atmosphäre, aber nie schien ein Licht so wenig irdisch und so furchtbar, und von ihm floß das aus, mittels dessen wir sahen. Hatte uns die frühere Eintönigkeit verödet, so waren wir jetzt erdrückt von Kraft und Glanz und Massen – unsere eigenen Gestalten hafteten darinnen wie schwarze, hohle Gespenster, die keine Tiefe haben; das Phantom der Stephanskirche hing in der Luft, die andere Stadt war ein Schatten, alles Rasseln hatte aufgehört, über die Brücke war keine Bewegung mehr; denn jeder Wagen und Reiter stand und jedes Auge schaute zum Himmel.
Nie, nie werde ich jene zwei Minuten vergessen – es war die Ohnmacht eines Riesenkörpers, unserer Erde.
Wie heilig, wie unbegreiflich und wie furchtbar ist jenes Ding, das uns stets umflutet, das wir seelenlos genießen und das unseren Erdball mit solchen Schaudern zittern macht, wenn es sich entzieht, das Licht, wenn es sich nur kurz entzieht.
Die Luft wurde kalt, empfindlich kalt, es fiel Tau, daß Kleider und Instrumente feucht waren – die Tiere entsetzten sich; was ist das schrecklichste Gewitter, es ist ein lärmender Trödel gegen diese todesstille Majestät – mir fiel Lord Byrons Gedicht ein: Die Finsternis, wo die Menschen Häuser anzünden, Wälder anzünden, um nur Licht zu sehen – aber auch eine solche Erhabenheit, ich möchte sagen Gottesnähe, war in der Erscheinung dieser zwei Minuten, daß dem Herzen nicht anders war, als müsse er irgendwo stehen.
Byron war viel zu klein – es kamen, wie auf einmal, jene Worte des heiligen Buches in meinen Sinn, die Worte bei dem Tode Christi: “Die Sonne verfinsterte sich, die Erde bebte, die Toten standen aus den Gräbern auf, und der Vorhang des Tempels zerriß von oben bis unten.”
Auch wurde die Wirkung auf alle Menschenherzen sichtbar. Nach dem ersten Verstummen des Schrecks geschahen unartikulierte Laute der Bewunderung und des Staunens: der eine hob die Hände empor, der andere rang sie leise vor Bewegung, andere ergriffen sich bei denselben und drückten sich – eine Frau begann heftig zu weinen, eine andere in dem Hause neben uns fiel in Ohnmacht, und ein Mann, ein ernster fester Mann, hat mir später gesagt, daß ihm die Tränen herabgeronnen.
Ich habe immer die alten Beschreibungen von Sonnenfinsternissen für übertrieben gehalten, so wie vielleicht in späterer Zeit diese für übertrieben wird gehalten werden; aber alle, so wie diese, sind weit hinter der Wahrheit zurück. Sie können nur das Gesehene malen, aber schlecht, das Gefühlte noch schlechter, aber gar nicht die namenlos tragische Musik von Farben und Lichtern, die durch den ganzen Himmel liegt – ein Requiem, ein Dies irae, das unser Herz spaltet, daß es Gott sieht und seine teuren Verstorbenen, daß es in ihm rufen muß: “Herr, wie groß und herrlich sind deine Werke, wie sind wir Staub vor dir, daß du uns durch das bloße Weghauchen eines Lichtteilchens vernichten kannst und unsere Welt, den holdvertrauten Wohnort, einen fremden Raum verwandelst, darin Larven starren!”
Aber wie alles in der Schöpfung sein rechtes Maß hat, auch diese Erscheinung, sie dauerte zum Glücke sehr kurz, gleichsam nur den Mantel hat er von seiner Gestalt gelüftet daß wir hineingehen, und Augenblicks wieder zugehüllt, daß alles sei wie früher.
Gerade, da die Menschen anfingen, ihren Empfindungen Worte zu geben, also da sie nachzulassen begannen, da man eben ausrief: “Wie herrlich, wie furchtbar” – gerade in diesem Momente hörte es auf: mit eins war die Jenseitswelt verschwunden und die hiesige wieder da, ein einziger Lichttropfen quoll am oberen Rande wie ein weißschmelzendes Metall hervor, und wir hatten unsere Welt wieder – er drängte sich hervor, dieser Tropfen, wie wenn die Sonne selber darüber froh wäre, daß sie überwunden habe, ein Strahl schoß gleich durch den Raum, ein zweiter machte sich Platz – aber ehe man nur Zeit hatte zu rufen: “Ach!” bei dem ersten Blitz des ersten Atomes, war die Larvenwelt verschwunden und die unsere wieder da: und das bleifarbene Lichtgrauen, das uns vor dem Erlöschen so ängstlich schien, war uns nun Erquickung, Labsal, Freund und Bekannter, die Dinge warfen wieder Schatten, das Wasser glänzte, die Bäume waren wieder grün, wir sahe uns in die Augen – siegreich kam Strahl an Strahl, und wie schmal, wie winzig schmal auch nur noch erst der leuchtend Zirkel war, es schien, als sei uns ein Ozean von Licht geschenkt worden – man kann es nicht sagen, und der es nicht erlebt, glaubt es kaum, welche freudige, welche siegende Erleichterung in die Herzen kam: wir schüttelten uns die Hände, wir sagten, daß wir uns zeitlebens daran erinnern wollen, daß wir das miteinander gesehen haben – man hörte einzelne Laute, wie sich die Menschen von den Dächern und über die Gassen zuriefen, das Fahren und Lärmen begann wieder, selbst die Tiere empfanden es; die Pferde wieherten, die Sperlinge auf den Dächern begannen ein Freudengeschrei, so grell und närrisch, wie sie es gewöhnlich tun, wenn sie sehr aufgeregt sind, und die Schwalben schossen blitzend und kreuzend hinauf, hinab, in der Luft umher.
Das Wachsen des Lichtes machte keine Wirkung mehr, fast keiner wartete den Austritt ab, die Instrumente wurden abgeschraubt, wir stiegen hinab, und auf allen Straßen und Wegen waren heimkehrende Gruppen und Züge in den heftigsten, exaltiertesten Gesprächen und Ausrufungen begriffen. Und ehe sich noch die Wellen der Bewunderung und Anbetung gelegt hatten, ehe man mit Freunden und Bekannten ausreden konnte, wie auf diesen, wie auf jenen, wie hier, wie dort die Erscheinung gewirkt habe, stand wieder das schöne, holde, wärmende, funkelnde Rund in den freundlichen Lüften, und das Werk des Tages ging fort.
Wie lange aber das Herz des Menschen fortwogte, bis es auch wieder in sein Tagewerk kam, wer kann es sagen? Gebe Gott, daß der Eindruck recht lange nachhalte, er war ein herrlicher, dessen selbst ein hundertjähriges Menschenleben wenige aufzuweisen haben wird. Ich weiß, daß ich nie, weder von Musik noch Dichtkunst, noch von irgendeiner Naturerscheinung oder Kunst so ergriffen und erschüttert worden war – freilich bin ich seit Kindheitstagen viel, ich möchte fast sagen, ausschließlich mit der Natur umgegangen und habe mein Herz an ihre Sprache gewöhnt und liebe diese Sprache, vielleicht einseitiger, als es gut ist; aber denke, es kann kein Herz geben, dem nicht diese Erscheinung einen unverlöschlichen Eindruck zurückgelassen habe.
Ihr aber, die es im höchsten Maße nachempfunden, habet Nachsicht mit diesen armen Worten, die es nachzumalen versuchten, und so weit zurückgeblieben. Wäre ich Beethoven, so würde ich es in Musik sagen; ich glaube, da könnte ich es besser.
Zum Schlusse erlaube man mir noch zwei kurze Fragen, die mir dieses merkwürdige Naturereignis aufdrängte:
Erstens: Warum, da doch alle Naturgesetze Wunder und Geschöpfe Gottes sind, merken wir sein Dasein in ihnen weniger, als wenn einmal eine plötzliche Änderung, gleichsam eine Störung derselben geschieht, wo wir ihn dann plötzlich und mit Erschrecken dastehen sehen? Sind diese Gesetze sein glänzendes Kleid, das ihn bedeckt, und muß er es lüften, daß wir ihn selber schauen?
Zweitens: Könnte man nicht auch durch Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge von Lichtern und Farben eben so gut eine Musik für das Auge wie durch Töne für das Ohr ersinnen? Bisher waren Licht und Farbe nicht selbstständig verwendet, sondern nur an Zeichnung haftend; denn Feuerwerke,Transparente, Beleuchtungen sind doch nur zu rohe Anfänge jener Lichtmusik, als dass man sie erwähnen könnte. Sollte nicht durch ein Ganzes von Lichtakkorden und Melodien eben so ein Gewaltiges, Erschütterndes angeregt werden können, wie durch Töne? Wenigstens könnte ich keine Symphonie, Oratorium oder dergleichen nennen, das eine so hehre Musik war, als jene, die während der zwei Minuten mit Licht und Farbe an dem Himmel war, und hat sie auch nicht den Eindruck ganz allein gemacht, so war sie doch ein Teil davon.

Quelle: Wikipedia.

Die Frau mit dem Sonnenstoff – Weltfrauentag 2022


Seid herzlich gegrüßt,

Heute ist der 08.03., Welt-Frauentag. Was liegt näher, so einen Tag zu begehen, als dass ich mir Gedanken über große Frauen in Astronomie und Wissenschaft mache. Das seid ihr ja von mir gewöhnt, dass an jedem 08.03. eine Wissenschaftlerin gewürdigt wird.

Bis heute sind Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen leider noch immer unterrepräsentiert. Die Statistiken sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Trotz Frauenbewegung, Emanzipation, Erziehungsurlaub auch für Männer, gesetzliche Gleichberechtigung und dafür aufgeschlossene Männern, ist es noch nicht gelungen, diesen Missstand in den Griff zu bekommen.

Dennoch hat es immer wieder Frauen gegeben, die trotz Benachteiligung, Unterdrückung, Bildungsverbot und Leben in einer streng patriarchaisch dominierten Gesellschaft, großartiges in Wissenschaft, z. B. der Astronomie, geleistet haben. Sie setzten sich in einer harten Männerwelt durch und waren vielleicht sogar öfter, als man denkt, die schlaueren Köpfe. Zumindest zeugen einige Dokumente davon, dass viele starke kluge Frauen die Fäden ihrer Professoren-Männer in Händen hielten…

Bis in biblische Zeiten hinein, kann man diese Phänomene beobachten. Somit scheint der Satz „Der Mann kann noch so viele Dinge bauen – Es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen“ mehr Wahrheitsgehalt zu haben, als manchen lieb ist.

So lasst uns den Weltfrauentag 2022 damit begehen, indem wir die Person und das Lebenswerk von Cecilia Payne würdigen. Sie fand heraus, woraus unsere Sterne hauptsächlich bestehen, aus Wasserstoff. Das war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts durchaus noch nicht bekannt. Man stellte sich vor, dass z. B. unsere Sonne ganz ähnlich aufgebaut sei, wie unsere Erde.
Heute werde ich euch allerdings keinen ausschweifend langen Artikel schreiben, denn ich habe etwas besseres und sehr hörenswertes für euch.
Anfang Januar strahlte SWR2-Wissen eine Folge über diese großartige Astronomin aus. In dieser Sendung ist sogar ihre Stimme zu hören.
Aus diesem Grunde belasse ich es heute mit vielen Worten, und schicke euch gleich auf die Seite, wo ihr die Sendung entweder direkt anhören, bzw. sowohl die Audio-Datei, als auch das Skript zur Sendung herunterladen könnt. Das kann ich euch an dieser Stelle nicht ersparen, dass ihr auf die Seiten des SWR müsst, weil ich das Audio aus Gründen des Urheberrechts nicht direkt auf dem Blog veröffentlichen darf.
Lehnt euch also zurück und hört euch diese äußerst spannende und wissenswerte Sendung an.
Wer Probleme mit der Bedienung der Seiten des SWR hat, darf sich z. B. über das Kontaktformular gerne an mich wenden. Wir finden einen Weg.

Zur Sendung geht es hier lang.

Der Sonnenkönig und die Sonnenflecken

Einführende Worte

Heute beschäftigen wir uns nochmal mit Sonnenflecken, weil sie einfach so wunderbare Objekte sind, die auch von Amateuren als Hobby beobachtet werden können, denen nur kleinere Teleskope zur Verfügung stehen.

Achtung!!! Dringend beachten!!!

Und hier möchte ich dringend anmerken, dass man NIEMALS irgend etwas auf der Sonne direkt mit dem Auge an einem optischen Gerät beobachten darf, wenn man vermeiden möchte, dass einem künftig meine Artikel vorgelesen werden müssen. Entweder verwendet man spezielle Filter, oder Finsternis-Brillen, welche die Augen schützen, oder man wirft die Sonnenscheibe hinter dem Instrument auf einen weißen Papierschirm. Fabricius erblindete vermutlich nur deshalb nicht, weil sein Teleskop zu lichtschwach war.

Ich weiß, dass ich diesen Hinweis schon in anderen Artikeln gab, aber das kann man nicht oft genug wiederholen…

Nun aber zur heutigen Geschichte:

Der Gymnasiallehrer, der Sonnenphysiker wurde

Beim Studium der Sonnenflecken haben vor allem Laien eine große Rolle gespielt. Da waren der Mediziner Johannes Fabricius, der Apotheker Schwabe, der Mathematiklehrer Rudolf Wolf und der Privatgelehrte Carrington, der verhinderte Theologe, der sich auch noch um die ererbte Brauerei kümmern musste. Während Carrington an seiner eigenen Sternwarte arbeitete, befasste sich in Anklam, nahe der Ostseeküste,
der Gymnasiallehrer Gustav Spörer (1822-1895) mit den Sonnenflecken. Er wusste nichts von Carringtons Messungen der Sonnenrotation
und entdeckte unabhängig von ihm das merkwürdige Rotationsgesetz der Sonne. Später konnte er auch das Schmetterlingsdiagramm mit seinen eigenen Beobachtungen bestätigen. Der Lehrer aus Anklam wurde
1874 als Observator nach Potsdam berufen, wo er bis kurz vor seinem
Tode arbeitete. Seine Entdeckungen gaben den Anstoß zur Gründung des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam im Jahre 1879.
Hier erkannte er eine der merkwürdigsten Unregelmäßigkeiten im Sonnenzyklus.

Plötzliche Stille

Unmittelbar nach der Entdeckung der Flecken hat man sie eifrig beobachtet. Bald aber wurde es still um sie. Das lag aber nicht nur daran, daß
sie ihren anfänglichen Reiz verloren hatten; die Sonne selbst war auch
daran schuld. Es ist kein Wunder, dass die nächsten wichtigen Erkenntnisse dieser mit verhältnismäßig einfachen Mitteln zu beobachtenden
Erscheinung erst im letzten Jahrhundert gewonnen wurden, denn für
etwa 70 Jahre blieben die Sonnenflecken aus.
Als Rudolf Wolf Ende des vorletzten Jahrhunderts versuchte, aus alten
Beobachtungsdaten Relativzahlen zu rekonstruieren, ging er bis in das Jahr 1700 zurück. Er hat sich nie darüber geäußert, warum er keine
Relativzahlen aus Jahren davor zusammengestellt hat. Möglicherweise
schienen ihm die Quellen aus jener Zeit nicht zuverlässig genug. Der amerikanische Sonnenforscher john A. Eddy hat aber eine andere
Erklärung: Wolf war durch Schwabes Entdeckung des Sonnenfleckenzyklus motiviert worden, das regelmäßige Kommen und Gehen der
Flecken und ihrer Gruppen nicht nur von damals an genauestens zu
verfolgen. Er wollte auch nachweisen, dass der Schwabesche Zyklus bis weit in die Vergangenheit zurückverfolgt werden kann. Das gelang ihm
tatsächlich bis etwa zum Anfang des 18. Jahrhunderts. Möglicherweise musste Wolf dann feststellen, dass frühere Beobachtungen nicht mehr in den Schwabeschen Zyklus passten. Deshalb mißtraute er den spärlichen
Quellen, die er aus dem 17. Jahrhundert fand, und verzichtete darauf,
seine Untersuchungen auf diese Zeit auszudehnen.
Es spricht vieles dafür, dass es damals tatsächlich kaum Sonnenflecken gegeben hat. Nun tritt Gustav Spörer wieder auf. Im Jahre 1889
wies er darauf hin, dass der normale Zyklus der Sonnenflecken unterbrochen war, während eines Zeitraumes, der etwa 1716 endete. Ein Jahr
später bestätigte der englische Sonnenforscher Edward Walter Maunder
(1851-1928), der von der Greenwicher Sternwarte aus die Sonne studierte, die Spörersche Vermutung. Sein Artikel „Ein verlängertes Sonnenfleckenminimum“ erschien 1890. Seither spricht man vom Maunder-Minimum. Eddy versuchte, die Fleckenrelativzahlen über das Jahr 1700 hinaus zurück zu konstruieren.

Der Sonnenkönig und die Sonnenflecken

Tatsächlich scheint die Sonne während der Regierungszeit Ludwigs XIV, des Sonnenkönigs, also von 1638 bis 1715, kaum Flecken
gezeigt zu haben. Es ist zwar schwer, aus Jahren, in denen noch niemand die Sonne systematisch überwacht hat, Material über die damalige Sonnenaktivität zu finden, doch in dieser Zeit werden Sonnenflecken kaum erwähnt, obwohl Fernrohre zur Verfügung standen. Man
konnte sie jederzeit kaufen, und es bedarf ja keines besonders raffinierten Teleskops, um einen Sonnenfleck zu sehen. Während der Zeit, aus
der kaum von Sonnenflecken berichtet wird, hat man mit Fernrohren
eine Reihe von anderen Entdeckungen gemacht.

  • Man sah, dass der Saturnring geteilt ist,
  • entdeckte fünf Saturnmonde
  • und sah Merkur und Venus als schwarze Punkte vor der Sonnenscheibe vorbeigehen.

Trotz dem gibt es aus der Zeit zwischen 1645 und 1715 kaum Berichte über
beobachtete Sonnenflecken. In diesem Zeitraum tritt sogar eine Spanne
von 32 Jahren auf, aus der es keinen einzigen Bericht von einem gesichteten Sonnenfleck gibt.
Als Giovanni Domenico Cassini (1625-1712), der Direktor der Pariser Sternwarte, mitten im Maunder-Minimum doch einen Sonnenfleck
entdeckte, bot das Anlass für eine längere Notiz, gefolgt von einem
ausführlichen Bericht über den letzten Sonnenfleck vor elf Jahren.
Schließlich musste man allen denen, die noch keinen gesehen hatten, erklären, wie ein Sonnenfleck aussieht. Auch Picard, der vielen als Bestimmer des Erddurchmessers bekannt sein dürfte, hat damals einen Sonnenfleck entdeckt, und Cassini schreibt, Picard hätte sich
sehr darüber gefreut, da er zehn Jahre lang keinen gesehen hatte.
Auch andere Hinweise deuten auf das verlängerte Sonnenfleckenminimum hin.
So zeigen sich in Zeiten hoher Sonnenaktivität viele und zahlreiche Polarlichter, manchmal bis in unsere Breiten hinein. Sie werden von Gasmassen hervorgerufen, welche besonders stark in Zeiten eines Fleckenmaximums von der Sonne ausgeschleudert werden. Auch in historischen
Berichten über Nordlichter spiegelt sich die fleckenlose Zeit wider. Den
stärksten Hinweis auf Unregelmäßigkeiten im Sonnenfleckenzyklus in
der Vergangenheit erhält man aber aus ganz anderer Richtung.

Sonnenflecken im Pflanzenreich

Die Erde empfängt aus den Weiten des Weltraumes einen ständigen Strom geladener Materieteilchen. Diese sogenannte kosmische Strahlung wurde 1913 von dem österreichischen Physiker Viktor Franz Hess
(1883-1964) in den oberen Schichten unserer Atmosphäre entdeckt. Er trug seine Messinstrumente mit Ballonen hoch in die oberen Luftschichten hinauf.
Diese Strahlung ist etwas anderes, als der Sonnenwind, von dem schon an anderer Stelle auf dem Blog die Rede war.

Die Teilchen dieser Strahlung verwandeln den Stickstoff der Luft in das Kohlenstoffisotop, $C_14$. Die Atome dieser Kohlenstoffsorte unterscheiden sich von den normalen Kohlenstoffatomen, $C_12$, dadurch, dass sie
etwas schwerer sind, denn ihre Kerne enthalten zwei Neutronen mehr.
Doch anders als $C_12$ ist $C_14$ radioaktiv. Von
einer vorgegebenen Menge von $C_14$-Atomkernen zerfällt innerhalb von
5730 Jahren die Hälfte in Stickstoffatome, $N_14$.
Daraus ergeben sich drei Szenarien:

  1. Würde die kosmische Strahlung plötzlich aussetzen, dann würden immer mehr Atome des $C_14$ zerfallen, bis schließlich keines mehr übrig wäre.
  2. Hielte aber die kosmische Bestrahlung unverändert über jahrmillionen an, dann würde sich eine bestimmte Anzahl von Atomen des radioaktiven Kohlenstoffs bilden, gerade so viele, dass in jeder Sekunde so viele zerfallen, wie neue erzeugt werden.
  3. Wenn aber die kosmische Strahlung im Laufe der Zeit schwanken würde, dann würde auch die Häufigkeit der $C_14$-Atome schwanken.

Die radioaktiven Kohlenstoffatome sind mit denen des normalen
Kohlenstoffs gemischt, und da sie sich chemisch nicht von den anderen
unterscheiden, werden sie mit dem Kohlendioxid von den Pflanzen
aufgenommen und zum Beispiel in den jahresringen der Bäume abgelagert. Wenn man die einzelnen jahresringe eines Baumes untersucht, kann man also für jedes Jahr das Verhältnis von normalem zu radioaktivem Kohlenstoff bestimmen. Doch was hat das mit den Sonnenflecken zu tun?

Wenn die Sonne sehr aktiv ist, dann fliegen von ihr mit der ständig von ihrer Oberfläche abströmenden Materie Magnetfelder in den Raum, die in der Nähe der Erde Teilchen der kosmischen Strahlung ablenken, so dasssssie die Erdatmosphäre nicht erreichen. Wenn also die Sonnenaktivität ein Maximum hat, dann entsteht in der Erdatmosphäre weniger $C_14$. Die in dieser Zeit gebildeten jahresringe sind dann ärmer an radioaktivem Kohlenstoff. Mit Hilfe der Bäume kann man so die Sonnenaktivität weit in die Vergangenheit zurückverfolgen.

Forscher fanden bei derartigen Untersuchungen tatsächlich deutlich zwei Zeiträume höheren „$C_14$-Gehaltes: das Maunder-Minimum in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts und ein weiteres, das man das Spörer-Minimum nennt. Es scheint etwa von 1460 bis 1540 gewährt zu haben. Auch
für diese Zeit findet man fast keine Berichte über Polarlichter.
Diese Versuche sind so sensibel, dass man in ihnen zum einen sogar die Variation des Erdmagnetfeldes ablesen kann, als auch die Zunahme des normalen Kohlenstoffs der dadurch entsteht, dass wir Industrienationen durch Öl und Kohle gebundenen normales $C_12$ in Form von $CO_2$ in die Luft blasen. Dadurch wird das Isotop $C_14$ quasi verdünnt.
Wieso die Sonne manchmal pausiert, ist bis heute noch nicht ganz klar. Es hängt mit Magnetfeldern zusammen, die auf ihr entstehen und auch wieder vergehen. Ihre merkwürdige Rotation dürfte hier auch eine erhebliche Rolle spielen und nicht zuletzt, dass die Sonne sich im vierten Aggregatzustand befindet. Sie ist ein Plasma. Dieser Zustand muss aber Inhalt eines anderen Artikels werden.

Ein Deutscher, ein Schweizer, ein Engländer und die Sonne


So, dann komme ich heute mal wieder mit einem Beitrag zu unserer Serie Der Sonne entgegen.
Es ist einige Zeit her, seit ich dort den letzten Artikel über „Das Wandern der Sonnenflecken“ veröffentlichte. Aber mit den Sonnenflecken und vor allem mit unserem Stern sind wir noch lange nicht fertig. Er ist es wert, denn nur von ihm wissen wir so viel. Die anderen sind ja leider alle zu weit weg, aber Flecken dürften die auch haben.

Also los.

Der Deutsche

Eine ganz wichtige Gesetzmäßigkeit auf der Sonne fand ein Apotheker aus Dessau, Heinrich Samuel Schwabe (1789-1875).
Der verkaufte im Jahre 1829 die von seinem Großvater übernommene Apotheke, um „sein wahres Leben“ zu beginnen, was hieß, sich seinen Lieblingsstudien, der Botanik und der Astronomie, zu widmen. Eigentlich hoffte er, einen neuen Planeten zu finden, der sich innerhalb der Merkurbahn um die Sonne
bewegte und der gelegentlich als kleiner schwarzer Fleck vor der Sonnenscheibe stehen sollte. Bei der Jagd nach „Vulkan“, wie dieser vermutete Planet damals genannt wurde, den noch keiner gesehen hatte und von dem wir heute wissen, dass es ihn nicht gibt, durfte Schwabe natürlich nicht Sonnenflecken mit dem gesuchten Planeten verwechseln. Deshalb beobachtete er auch Sonnenflecken und notierte sich über Jahre hinaus die Tage, an denen er keinen einzigen Fleck auf der Sonnenscheibe erspähen
konnte.

1843 verfasste er eine kleine Schrift über seine Sonnenbeobachtungen und schickte diese an das astronomische Fachjournal seiner Zeit, die Astronomischen Nachrichten. Er hatte bereits seine Daten aus den Jahren 1826 bis 1837 in der gleichen Zeitschrift veröffentlicht. Nun aber, auf insgesamt siebzehn Jahre zurückblickend, fiel ihm auf, dass seine Ernte eine auffallende Regelmäßigkeit zeigte. Da
gab es einige Jahre, in denen er an jedem Beobachtungstag mindestens einen Sonnenfleck gesehen hatte. Das war zum Beispiel 1828 und 1829, aber auch in den Jahren 1836, 1837, 1838 und 1839 hatte er an jedem klaren Tag Sonnenflecken erkennen können, während in den Jahren um 1833 und 1843 die Sonnenscheibe an über hundert Tagen fleckenfrei war. Daraus schloss er, dass die Flecken mit einer ungefähren Regelmäßigkeit von zehn Jahren besonders häufig auftreten und in den dazwischenliegenden Jahren selten sind.

Die Schwabesche Entdeckung wurde anfangs nicht all zu sehr beachtet. Erst als Alexander von Humboldt im 1850 erschienenen dritten Band seines „Kosmos“ in dem er das naturwissenschaftliche Weltbild seiner Zeit beschrieb, Schwabes Arbeiten erwähnte, wurde die Welt auf den Liebhaberastronomen aus Dessau aufmerksam. Humboldt druckte in seinem Werk Schwabes Tabelle mit den Zahlen der fleckenfreien Tage pro Jahr ab. Aber seit Schwabe seine Daten veröffentlicht hatte, waren inzwischen sieben Jahre vergangen, und Schwabe konnte Humboldt nun auch noch die Ergebnisse dieser Zeit spanne liefern. Die nunmehr ergänzte Liste zeigte, dass Schwabe auch in den Jahren 1847, 1848 und 1849 keinen fleckenfreien Tag erlebt hatte. Das passte genau zu der früher von ihm angegebenen Periode der Fleckenhäufigkeit. Etwa alle zehn Jahre kommen die Sonnenflecken so häufig, dass es während des ganzen Jahres kaum einen fleckenfreien Tag gibt. Humboldt schrieb:

Keiner der jetzt lebenden Astronomen, die mit vortrefflichen Instrumenten ausgerüstet sind, hat diesem Gegenstand eine so anhaltende Aufmerksamkeit widmen können.
Während des langen Zeitraumes von 24 Jahren hat Schwabe oft über 300 Tage im Jahr die Sonnenscheibe durchforscht. Da seine Beobachtungen der Sonnenflecken von 1844 bis 1850 noch nicht veröffentlicht waren, so habe ich von seiner Freundschaft erlangt, dass er mir dieselben mitgeteilt, und zugleich auf eine Zahl von Fragen geantwortet hat, die ich ihm vor gelegt.

So hat der Amateurastronom erst im Alter von 61 Jahren wissenschaftliches Ansehen gewonnen. Die Königliche Astronomische Gesellschaft in London verlieh ihm ihre Goldmedaille. Er, der seit seinem
41sten Lebensjahr jeden Winter an der Gicht darniederlag, konnte noch zwei Sonnenfleckenmaxima erleben. Sie kamen mit der von ihm vorhergesagten Regelmäßigkeit.

Heute wissen wir, dass die Sonnenflecken mit einer Periode von etwa elf Jahren besonders häufig auftreten. Erst spätere Untersuchungen haben uns gelehrt, wie regelmäßig der Zyklus der Sonne genau ist. Sie haben aber auch gezeigt, dass die Sonne ihm nicht immer folgt. Das wird aber eine andere spannende Geschichte.
Sonnenflecken treten häufig in Gruppen auf.
Und so nahm Schwabe als Maß für die Stärke der Fleckenaktivität der Sonne einerseits die Zahl der Gruppen von Sonnenflecken, die er beobachtete,
zum anderen aber auch die Zahl der Tage eines Jahres, an denen er die Sonne beobachtete, ohne einen Fleck zu sehen.
Die Frage war nun, was denn jetzt mehr über die Aktivität der Sonne aussagt, die Anzahl der Flecken, oder die der Gruppen.
Ein Schweizer fand den Kompromiss.

Der Schweizer

Rudolf Wolf (1816-1893) aus Fällanden bei Zürich war zunächst Mathematiklehrer in Bern, wurde dann aber 1847 Direktor der dortigen Sternwarte und erhielt später einen Lehrstuhl für Astronomie in Zürich.
Er rief eine internationale Sonnenüberwachung ins Leben. An möglichst vielen Tagen eines Jahres und von möglichst vielen Stellen der Erde aus sollte man die Sonnenscheibe auf Flecken untersuchen. Spätestens jetzt wurde es nötig, ein Maß für die Stärke der Sonnenaktivität zu finden, damit man sich gegenseitig verständigen konnte. Er erfand die über hundert Jahre lang nützlichen Sonnenfleckenrelativzahlen. Sie
werden so bestimmt:

Man zählt zuerst die Gruppen von Sonnenflecken, die auf der Sonne zu sehen sind, und dann noch einmal alle Flecken, seien sie einzeln oder in einer der bereits gezählten Gruppen. Die Fleckenzahl wird dann zur zehnfachen Gruppenzahl addiert.
Beispiel:
Ist kein Fleck auf der Scheibe, dann gibt es natürlich weder eine Gruppe noch einen Einzelnen Fleck. Die Relativzahl ist null. je mehr Flecken und Gruppen, um so höher die Relativzahl. An Tagen besonders starker Sonnenaktivität kann sie den Wert 300 erreichen. Wolf gelang es auch, anhand alter Daten Relativzahlen zurück bis in das Jahr 1730 zu rekonstruieren.
Sie zeigen den von Schwabe entdeckten Rhythmus der Sonnenfleckenhäufigkeit sehr deutlich.

Man muss dabei aber beachten, dass die Zahlen von Tag zu Tag stark schwanken. Man denke sich nur das Verschwinden einer Gruppe, die selbst aus 30 Flecken besteht, hinter dem Sonnenrand. Dann geht die Relativzahl schlagartig um den Wert 40 zurück, ohne dass auf der Sonne etwas Besonderes geschehen ist.
Das Verschwinden der Gruppe hat überhaupt nichts mit der Sonne selbst zu tun, es rührt nur davon her, dass wir sie zufällig von der Erde aus nicht mehr sehen, weil wir nicht hinter die Sonne schauen können.

Der Engländer und der Schmetterling

Weitere Erkenntnisse verdanken wir einem Amateurastronomen, Richard Christopher Carrington (1826-1875), der auf seiner Privatsternwarte die Sonne beobachtete. Er war der Sohn eines reichen Bierbrauers und sollte eigentlich Theologie studieren, doch es zog ihn mehr zur Astronomie hin. Nach einer dreijährigen Lehrzeit als Beobachter baute er sich seine eigene Sternwarte. Die Schwabesche Entdeckung war gerade erst bekannt geworden, und Wolf hatte das periodische Schwanken der Sonnenfleckenrelativzahlen bis weit in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen können. Sonnenflecken waren also das ideale Objekt für die Beobachtungen des Hobbyastronomen.

Carringtons erste Entdeckung

Zuerst entdeckte er an der Wanderung der Flecken über die Scheibe, dass die Sonne sich nicht so dreht, wie man es von einem starren Körper erwartet. Während nämlich ein Fleck in Äquatornähe bereits innerhalb
von 25 bis 26 Tagen einmal die Sonne umrundet, benötigt ein Fleck in
30 Grad Breite etwa 27 Tage. In höheren Breiten, etwa in 80 Grad
nördlicher (oder südlicher) Breite sogar mehr als 30 Tage

Während die Entdeckung und Bestätigung der elfjährigen Periode der Sonnenfleckenrelativzahlen auf Zählen am Fernrohr beruhte, so hatte
Carrington das Rotationsgesetz der Sonne durch Vermessen der Orte einzelner Flecken auf der Sonnenscheibe gefunden.

Carringtons zweite

Dabei entdeckte er noch eine andere Gesetzmäßigkeit. Die Flecken bevorzugen im Laufe eines Zyklus verschiedene Zonen der Sonnenscheibe. Zur Zeit eines Fleckenmaximums findet man sie meist in zwei Streifen, die sich in etwa 15 Grad Breite parallel zum Sonnenäquator hinziehen.
Nach einem Sonnenminimum erscheinen die Flecken auf beiden Halbkugeln in mittleren Breiten, etwa bei 30 Grad nördlicher und südlicher Breite. Im Laufe der nachfolgenden Jahre findet man die Flecken mehr und mehr in Äquatornähe,
Nachdem das Maximum überschritten ist, werden sie schließlich immer spärlicher. Etwa gleichzeitig tauchen neue Flecken in höheren Breiten auf und beginnen mit zwei neuen „Schmetterlingsflügeln“, mit dem neuen Zyklus.

Zeichnet man zwei aufeinanderfolgende Zyklen in ein Diagramm ein, so entsteht eine Abbildung, die stark an einen Schmetterling erinnert. Von da her trägt es diesen Namen.
So kann man Flecken des alten Zyklus und solche des neuen gut unterscheiden.

Die Tragödie des Richard Christopher Carrington

Und weil Carrington so ein großartiger Sonnenforscher war, darf ich euch an dieser Stelle die tragische Geschichte, wie sein Leben endete, nicht vorenthalten.
Ja, auch große Wissenschaftler sind Menschen, denen das Schicksal oft hart mitspielt. Carringtons Lebensende war von Ereignissen überschattet, die nie geklärt worden sind, die uns aber die Tragödie
ahnen lassen, die dieser große Mann, der ursprünglich einmal Priester
werden wollte, erleiden musste.
Im Jahre 1865 erkrankte er schwer, verkaufte die ererbte Brauerei und zog sich in ein Haus in Surrey zurück. Dort begann er ein neues Observatorium zu bauen. Irgendwann in dieser Zeit wurde auf Rose Ellen, Carringtons Frau, ein Mordanschlag verübt. Der Attentäter wurde
gefasst und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Am 17. November 1875 wurde Frau Carrington tot in ihrem Bett aufgefunden. Offensichtlich war sie an einer Überdosis ihrer Medizin gestorben. Bei der kurz darauf abgehaltenen Untersuchung wurde festgestellt, dass Carrington, der ihr wie immer am Vorabend die Medizin gereicht hatte, nach dem Erwachen am Morgen seine Frau im Bett auf dem Gesicht liegen sah, aber geglaubt hatte, sie schliefe. Erst später bemerkte das Dienstmädchen den Tod. Frau Carringtons Körper war noch warm. Der Hausarzt, der den Tod bestätigte, erklärte die von Carrington verabreichte Dosis an Medizin für ungefährlich. Die Analyse des Mageninhaltes zeigte keinerlei Spur von Gift, und so blieb die Todesursache ungeklärt.
Trotzdem rügte das Gericht Carrington wegen mangelnder Fürsorge der Kranken gegenüber. Dieser indirekte Schuldspruch muss ihn schwer getroffen haben. Am gleichen Tag verließ er sein Haus und kam erst nach einer Woche zurück. Inzwischen hatte sich die Dienerschaft auf und davon gemacht. Am 27. November betrat Carrington das Haus. Danach hat ihn niemand mehr lebend erblickt. Als beunruhigte Nachbarn die Türen aufbrachen, fanden sie seinen Körper
in einem verschlossenen Zimmer ausgestreckt auf einer Matratze. Als Todesursache wurde Gehirnblutung angegeben, doch auch von Selbstmord wurde gemunkelt.

Grund zum Feiern – der einhundertundfünfzigste Artikel auf Blindnerd


Seid herzlich gegrüßt,

Prolog

heute feiern wir den 150sten, in Worten, den einhundertfünfzigsten Artikel auf Blindnerd. Den hundertsten Artikel feierten wir letztes Jahr im Lockdown1.
Was soll man da für ein Thema nehmen, dass etwas festlich ist und der Sache irgendwie gerecht wird.
Zum einhundertsten Artikel beschrieb ich euch, wie ich in die Schreibsucht geraten bin und bot euch einige Artikel aus allen Kategorien des Blogs zur Abstimmung an. Leider hat das offenbar obwohl ein Preis hätte winken sollen, nicht bei euch eingeschlagen. Wen wundert es. Wir hatten alle mit dem Lockdown zu kämpfen und damit andere Dinge im Kopf. Ich für meinen Teil kann sagen, dass die Astronomie und dieser Blog oft das einzige waren, was mich durch die Einsamkeit der Lockdowns trug. Keinem hat diese Zeit so gut getan, wie meinem Blog. 56 Artikel sind seit dem Ausbruch der Pandemie entstanden.
Nun aber genug der düsteren Zeiten. Wir wollen doch feiern…

Lasst uns einen Rückblick wagen auf das, was seit dem hundertsten Artikel hier auf Blindnerd.de so los war.

Die letzten Fünfzig

An den letzten Artikel, die Einhundertneunundvierzig, erinnern sich bestimmt noch viele. Wir begaben uns auf Entdeckungsreise zu den Monden des Uranus und wie die Protagonisten aus Williams Shakespeares Stücken als Namensgeber der sehr zahlreichen Saturnmonde her halten mussten. Also ich fand die Geschichte sehr spannend und aufregend.
———
Davor hielt mich fast ein halbes Jahr ein Projekt in Atem. Ihr wisst schon. Die Reise zu den schwarzen Löchern. Hier wurde aus einem etwa dreistündigen Vortrag eine elfteilige Serie. Von Archimedes über Johannes Kepler, Isaac Newton, Cavendish und anderen bis hin zu Albert Einstein durchliefen wir alle Stationen, wie die Gravitation entdeckt, Masse und Volumina zusammen hängen, mit welcher Kraft die Erde alles anzieht, wir wogen den Mond, die Erde und andere Himmelskörper. Nach und nach lernten wir über Einstein, Eigenschaften des Lichtes und des Vakuums dann die heimliche Herrscherin über Raum und Zeit kennen, die Gravitation, die schwächste der vier Grundkräfte des momentan gültigen Standardmodells der Physik. Am Ende mussten wir uns mit sterbenden Sternen beschäftigen, wie sie zu weißen Zwergen, zu Neutronensternen oder gar als schwarze Löcher enden können. Diese untersuchten wir genauer, denn sie waren das Ziel dieser Reise. Nie hätte ich erwartet, dass diese Serie so umfangreich würde, so dass ich eventuell in Betracht ziehe, daraus ein Büchlein zu schreiben. Der Anfang hierzu ist gemacht. Wir werden sehen, wie das sich entwickelt und anläuft. Euch danke ich, dass ihr beim Lesen dieser Serie mehr oder weniger durchgehalten habt, denn an manchen Stellen ging es leider nicht ohne Mathematik und sprengte auch sonst das ein oder andere mal die Vorstellungskraft unserer Spezies.
Ich habe für diese Serie extra eine weitere Kategorie auf dem Blog eingeführt, so dass die betreffenden Artikel besser gefiltert werden können, wenn man nach ihnen sucht.
Sie heißt Den Schwarzen Löchern entgegen.
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Unterbrochen wurde die Serie lediglich durch ein astronomisches Ereignis, welches ich nicht unerwähnt gelassen haben wollte. Es ging um die ringförmige Sonnenfinsternis vom 10.06.2020.
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Ein wichtiges Anwendungsgebiet der Astronomie ist die Navigation auf hoher See. Den Breitengrad konnte man anhand der Sonne, des Horizonts und des Mondes einigermaßen mit Sextanten als Instrument bestimmen. Für den Längengrad brauchte man genaue Uhren. Wir beschäftigten uns also mit der berühmteste Schiffsuhr, deren Erfinders und dessen tragischen Lebens.
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Vor allem von blinden Menschen wurde und werde ich immer mal wieder darüber befragt, wie es sich denn genau mit Tag und Nacht verhält, ab wann die Sterne zu sehen sind und wie sie wieder verschwinden. Somit griff ich die Frage einer guten Freundin auf und wir taten die Reise durch den
Verlauf von Tag und Nacht.
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Wer länger schon hier mitliest weiß, dass ich in meinen Artikeln auch immer wieder den Jahreslauf mit seinen astronomischen Ereignissen und natürlich seinen Feiertagen aufgreife. „Querbeet durch das Jahr“ meinte einmal mein alter Freund und Chorleiter zu mir, wäre ein schönes Motto und ein schöner Inhalt für ein weiteres Buch. Vielleicht wird da mal etwas daraus. Wer weiß. Auf jeden Fall tastete ich mich diesmal ganz anders an Ostern heran, denn den Frühlingsanfang und wie sich daraus Ostern ableitet, hatte ich schon früher ausführlich beschrieben. Diesmal ging es im Zeichen von „Respekt und Toleranz um andere Religionsgemeinschaften, insbesondere um deren Fastenzeiten und was die Astronomie damit zu tun hat. In Zeiten von Querdenkern und Polarisierung sind solche Zeichen wichtig.
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Wie Sonnwend abläuft hatte ich auch längst schon abgearbeitet, aber nicht, wie der Sonnenlauf als ganzes funktioniert und welche Figur die Sonne im Laufe eines Jahres an den Himmel zeichnet. All das schilderte ich zur
Der Jahreslauf unserer Sonne.
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Was ich mir auch in jedem Jahr nicht nehmen lasse ist, den Weltfrauentag am 08.03. zu würdigen. Noch immer sind Frauen in vielen Belangen und ganz besonders in naturwissenschaftlichen Fächern unterrepräsentiert und benachteiligt. Deshalb widmeten wir uns 2021 der im Schatten ihres berühmten Astronomen Tycho Brahe stehenden Schwester, die unerkannt eine große Himmelskundlerin war.
Zu diesem Artikel geht es bitte hier lang.
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Bis dato wusste ich überhaupt nicht, dass es am 10.02. eines jeden Jahres den „Women Science Day“ gibt. Da ich für mehr Frauen in der Wissenschaft brenne, würdigte ich an diesem Tag die ersten Astronautinnen im All.
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Und nun stand Weihnachten 2020 vor der Tür. Zu dieser Gelegenheit erhielt ich von meinem geliebten Freund, Chorleiter und Mentor ein unglaublich schönes und astronomisches Weihnachtsgeschenk, eine taktile Sternenkarte.
Sie war in der tat mein schönstes Weihnachtsgeschenk 2020.
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Selbstverständlich durfte mein obligatorischer Jahresrückblick 2020 zu meinen Veranstaltungen zum Jahreswechsel ebenfalls nicht fehlen.
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Immer und immer wieder stellt sich die Frage zur Weihnachtszeit, was denn der Stern von Bethlehem genau gewesen sein könnte. Mitte Dezember 2020 trat ein recht seltenes Astronomisches Ereignis auf, das ein guter Kandidat für diesen Stern abgeben könnte.
Diesen Kandidaten könnt ihr hier kennenlernen.
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Die Vorweihnachtszeit hat sehr viel mit Lichtern und auch mit Sternen zu tun. Außerdem empfängt man, zwar nicht in 2020, Gäste und wird auch selbst eingeladen. Auch am Himmelszelt erscheinen dann und wann Sterne, also Himmelsgäste, wo eigentlich keine hin gehören.
Einige dieser Himmelsgäste könnt ihr hier antreffen.
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Der letzte Sonntag des Kirchenjahres vor dem ersten Advent ist der Totensonntag. Leider hatte ich in dieser Zeit tatsächlich einen Wegbegleiter, ein Vorbild, einen großartigen Autoren und einen wunderbaren Professor verloren. Rudolf Kippenhahn und seine Bücher waren mir stets ein Wegbereiter und begleiten mich bis heute über dreieinhalb Jahrzehnte hindurch.
Würdigen wir ihn erneut in diesem, meinem Nachruf.
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Nun verlassen wir die Chronologie der Artikel etwas, weil ich eine Serie, auf die ich später noch zu sprechen komme, dafür unterbrechen musste.

Obwohl ich nicht wollte, ließ ich mich kurz vor Lockdown2 dazu breit schlagen, einen Corona-Report zu schreiben. Das tat ich dann, aber den lesen wir heute zur Feier des Tages besser nicht, aber er ist für die Historie wichtig.
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Lesenswerter für den Moment dürfte da mein Artikel zu Halloween sein. Immerhin hatten wir an Halloween 2020 sogar Vollmond, so dass alle Werwölfe pünktlich zum Gruselfest verwandelt waren und ihr Unwesen trieben.
Zum Gruselfest bitte hier lang.
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Jetzt wird es schwierig, die weitere Reihenfolge der Artikel einzuhalten, denn ich begann quasi zwei Serien parallel, von denen ich mal die eine, und mal die andere mit Artikeln bediente und noch bedienen werde, denn beide Serien verlangen noch nach weiteren Artikeln.

Mein verehrter Professor Rudolf Kippenhahn war ein großer Erforscher der Sonne. Somit war es gut und recht, eine Serie über die Sonne zu beginnen. Alle Sonnen-Artikel sind in der Kategorie Der Sonne entgegen zu finden.

Ein Schlüsselerlebnis wieso ich im Herzen Astronom wurde, waren Kometen. Wer mein Buch gelesen hat weiß, wie fasziniert ich 1986 am Fernseher verfolgte, als die Raumsonde Giotto durch den Schweif des Halleyschen Kometen flog. Die Nachfolgemission Rosetta ist ebenfalls so ein Meilenstein auf meinem Weg, der hier erwähnt werden muss. Ich schrieb über diese Mission an anderer Stelle.
Grund genug also eine Serie über Kometen zu beginnen. Sechs Kometengeschichten befinden sich bereits momentan in der Kategorie
Kometen.
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Nun befinden wir uns zeitlich Anfang Juli 2020. Ich meine, dass da die Frage durch Twitter zischte, wie viele Freitage der dreizehnte es eigentlich so gibt. Interessant dachte ich. Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber das brachte uns direkt über unseren Ggregorianischen Kalender mit der Astronomie in Verbindung. So griff ich das Thema auf, suchte etwas herum und verarbeitete das gefundene in meinen Gedanken zu Freitag, 13..
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Viele von uns haben sicher in diesen Zeiten mehr als vorher sich dann und wann mit Pizza ernährt. Pizza gibt es auch im Weltraum.
Schon seit dreißig Jahren fliegt die internationale Raumstation über unseren köpfen in 400 km Höhe hinweg. Das ist schon ein technisches Wunder, dass diese komplexe Maschine den Gefahren des Weltalls bisher immer trotzte. Die Hauptgefahr sind harte Teilchen, kleinste Asteroiden oder Weltraummüll. Um die Raumstation davor zu schützen, packt man sie in eine gedachte Pizzaschachtel. Nähert sich ein Teilchen dieser gedachten Box, dann wird die Raumstation angehoben, so dass das Teilchen an ihr vorbei fliegt.
Das Raumschiff in der Pizzaschachtel erzählt von der astronomischen Verbindung zu diesem wunderbaren Italienischen Essen.
Übrigens hat Italien das durchaus verdient, weil Italien eine großartige astonomische Tradition besitzt.
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Ich weiß jetzt nicht mehr genau wann, wie und wo.
Es gab wohl Mitte 2020 eine Sonnenfinsternis. Da ich Finsternisse schon beschrieb, näherte ich mich ihnen diesmal Literarisch. Kindererinnerungen werden wach, wenn man die Namen der Autoren liest, um welche es in Dieser Abhandlung geht.
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An dieser Stelle wurde es Zeit, eine weitere Serie oder Kategorie einzuführen. In „Dem Mond entgegen“ sammle ich alle Artikel, die zum Thema Mond und dessen Erforschung entstanden und noch entstehen werden. So meine Abhandlung zum Thema „Hat der Mond Einfluss auf uns Menschen“.
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Besonders von Kindern bekomme ich immer wieder ganz interessante und spannende Fragen gestellt. So schrieb ich nachdem ich von einem virtuellen Kindergeburtstag zurück kam, auf welchem ich als Gast vortragen durfte, einen Artikel über die wunderschöne Kinderfrage:
Wie sieht der Himmel woanders aus“.
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Passend zu dieser Himmelsfrage stellte ich ein romantisches Plätzchen in unserem Sonnensystem, genauer auf dem Merkur vor. Wäre es dort nicht so unvorstellbar heiß, dann wäre dieses Liebesnest vielleicht von Weltraumtouristen überlaufen. Wer diese Liebeslaube kennenlernen möchte, bitte hier lang.
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Apropos Weltraumtourismus und Liebeslaube. Wer so wo hin möchte, wird nicht zu Fuß unterwegs sein. Man braucht schon einen Parkplatz für sein Weltraum-Gefährt.
Parken im all sagt ihr ginge nicht? Dann lest mal hier, wie und wo man im All parken kann.
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Der Sonntag des Gesanges, Kantate, fiel bekanntlicher Weise im Jahre 2020 ganz besonders anders aus. Dem wollte ich mit meinen Sonnengesängen unbedingt etwas freudiges entgegen halten.
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Neben weiteren Sonnen-Artikeln erschien zum Tag der Arbeit, 01.05.2020 einer, der es tatsächlich fertig bringt, die Astronomie mit der Arbeiterbewegung zu verbinden.
Er heißt „ein Stern der Arbeiterbewegung“.

Epilog

und damit sind wir am Ende unserer kleinen Feier, die hoffentlich nicht als Bauchpinselei meinerseitz empfunden wurde. Was mir auf dieser Feier besonders gefallen hat. Man sieht wieder mal sehr genau, wie vielfältig die Astronomie ist. Es ist möglich, sich ihr auf so unterschiedliche Weisen zu nähern, dass ganz viele verschiedene Zugänge entstehen.
Nicht jeder Zugang ist für jeden Menschen geeignet, wie beispielsweise das Teleskop für mich nicht, aber es gibt einen Zugang für jeden Menschen. Das ist meine tiefste überzeugung. Diese wird stets durch weitere Artikel, Vorträge und alles, was ich so mache, rundum erneuert und bestärkt.
Der Himmel ist für alle da.

Nun hoffe ich, dass ihr mir für weitere fünfzig Artikel gewogen bleibt.

Gratulationen, Glückwünsche, oder, was ich natürlich nicht offe, eine Äußerung in die Richtung, dass ich endlich mal wieder mit diesem Astrokram aufhören sollte, sind in den Kommentaren gerne gesehen. Gerne dürft ihr natürlich auch in euren Kreisen Werbung für diesen Blog machen, wenn es dafür auch keine neue Waschmaschine geben wird…

Die ringförmige Sonnenfinsternis vom 10.06.2021


Liebe Mitlesenden

aus aktuellem Anlass unterbrechen wir unsere Serie zu den Schwarzen Löchern für einen Moment.
Morgen, 10.06.2021 findet eine ringförmige Sonnenfinsternis statt, die in Deutschland mit geeigneter Ausrüstung in den Mittagsstunden als partielle Sonnenfinsternis zu sehen sein wird, wenn das Wetter mitspielt.

Schon viel habe ich über Sonnenfinsternisse geschrieben und festgestellt, dass ich auf diesem Blog in keinem Artikel mal richtig erklärt habe, wie die unterschiedlichen Spielarten eigentlich funktionieren.
Das hole ich jetzt nach, indem ich Texte recycle, die ich zu anderen Sonnenfinsternissen schrieb, als mein Blog nur eine Mailingliste war.

Wie funktionieren Sonnenfinsternisse

Beginnen wir also am Anfang und erklären erst mal generell, wie so eine Finsternis überhaupt entsteht.

  1. Eine Sonnenfinsternis kann nur bei Neumond stattfinden. Es ist verrückt, aber Neumond ist, wenn der Mond direkt zwischen Erde und Sonne steht. Man sollte meinen, dass er dann doch gleißend hell von ihr beschienen wird und gut sichtbar sein sollte. Tja, genau das ist das Problem. Unser Mutterstern überstrahlt den Mond. Er ist so klein, dass wir ihn so in dieser Position nicht sehen können.
  2. Vollmond ist immer dann, wenn der Mond auf der anderen Seite der Erde ist als die Sonne.
    Berechtig gefragt ist, wieso das dann keine Mondfinsternis ist. Anders herum könnte man auch fragen, wieso nicht jeder Neumond zu einer Sonnenfinsternis führt.
  3. Die Mondbahn um die Erde verläuft nicht parallel zum Äquator und leider auch nicht parallel zur Ekliptik, der Bahn, auf der alle Körper des Sonnensystems sich bewegen.
    Der Äquator ist um etwa 23 Grad gegen unsere Ekliptik geneigt. Diesem Winkel verdanken wir unsere Jahreszeiten.
    Die Mondbahn ist um etwa 5 Grad gegen die Ekliptik geneigt. Noch schlimmer. Dieser quasi gekippte Teller dreht sich noch um eine gewisse Achse. Das soll aber hier mal keine Rolle spielen.
    Es kommt also vor, dass sich unser Mond manchmal etwas unterhalb und manchmal etwas oberhalt des Tellers, der Ekliptik bewegt. Das bewirkt, dass er in diesem Fall nicht ganz in den Erdschatten gerät, wenn er sich auf der anderen Seite der erde, als die Sonne befindet. Aus diesem Grund wird er dann auch von der Sonne beleuchtet und wir nehmen den Vollmond wahr.
  4. Finsternisse können immer nur dann entstehen, wenn sich Neumond oder Vollmond auf dem Schnittpunkt der Mondbahn mit der Ekliptik befinden. Diese Punkte nennt man Knotenpunkte. Sticht der Mond quasi von unten her durch die Ekliptik, so sprechen Astronomen von einem aufsteigenden, in andern Fall von einem absteigenden Mond.
    Neben der gekippten Perspektive des Äquators zur Mondbahn ist auch diese Tatsache mit dafür verantwortlich, dass die Mondsichel manchmal eher stehend, oder liegend, fast als Schiffchen, wahrgenommen wird.

Spielarten von Finsternissen

Nun kommen wir dazu, welche verschiedenen Arten von Sonnenfinsternissen es gibt.

  1. Je nach Sonnenstand, Erdenstand und Mondstand ist der Mond perspektivisch ungefähr so groß, wie wir auch die Sonnenscheibe wahrnehmen. Die Sonne ist zwar unvergleichlich viel größer, als der Mond, aber dafür ist sie auch viel weiter von uns weg, 150 Mio Kilometer, wo hingegen der Mond grob nur 380.000 Kilometer von der Erde entfernt ist.
    Schafft es die Mondscheibe, die Sonne zu verdecken, spricht man von einer totalen Sonnenfinsternis. Die gleißend helle Sonne wird vom schwarzen Mond bedeckt. Nun tritt die wunderbare schwach leuchtende Korona hervor, Blüten schließen ihre Kelche, Vögel stellen ihren Gesang ein, bzw. stimmen ihr Morgenlied an, Nachtluft scheint zu wehen
    und Protuberanzen am Rand der Mondscheibe werden sichtbar. So ein Spektakel kann niemals länger als 8 Minuten dauern, weil die gegenseitige Drehung der Körper, deren Abstände zueinander und deren Größenverhältnisse bezüglich des Schattenwurfs nicht mehr zulassen.

    Die Corona kann man bei unverdeckter Sonne nur mit speziellen Instrumenten erblicken, weil sie vom Licht der Sonne überstrahlt wird. Dieser Lichtkranz entsteht durch Plasma-Ballen, die in den Magnetfeldern der Sonne hängen. Wie genau, wäre ein extra Artikel wert.

  2. Die Erde bewegt sich elliptisch um die Sonne. Das bedeutet, dass sie im Jahreslauf mal der Sonne etwas näher (149 Mio km) und mal etwas weiter (152 Mio km) steht.
    Somit erscheint sie uns leicht größer bei nahem Abstand und etwas kleiner bei fernem Abstand.
    Der Mond tut das ebenso. Er bewegt sich elliptisch um die Erde. Auch er erscheint uns bei größerer Entfernung etwas kleiner und bei Erdnähe etwas größer.
    Nun überlegen wir uns die Kombination dieser Tatsachen.
    Ist die Sonne eher fern von uns, also kleiner, und der Mond eher nahe bei uns, also größer, kann er ganz wunderbar die Sonnenscheibe abdecken. Eine totale Sonnenfinsternis findet statt.
    Ist die Sonne erdnah und der Mond erdfern, vermag der perspektivisch kleinere Mond es nicht, die ganze Sonnenscheibe zu verdecken. Er erzeugt lediglich ein Loch in der Sonnenscheibe. Eine ringförmige Finsternis ist entstanden.
  3. Ich schrieb oben über die Tatsache mit der leicht gekippten Mondbahn. So kommt es vor, dass der Mond etwas oberhalb oder unterhalb der Sonne steht. Auch hier vermag er nicht, die ganze Scheibe abzudecken. Er beißt nur quasi ein Stück ab, wie man das ungefähr vom Logo des Apfels her kennt. Das ist dann eine partielle Finsternis. Und so eine dürfen wir am 10.06. erwarten.

Jede Sonnenfinsternis beginnt und endet als partielle Finsterniss. Ob sie dann totalitär oder ringförmig im Kern wird, hängt, wie beschrieben von den Abständen, Erde, Sonne Mond, ab.
Kurz vor der totalen Bedeckung bei einer totalen Finsternis tritt ein Phänomen auf, das man Perlenkette nennt. Der Mond als Scheibe gedacht ist etwas leicht ausgefranst, weil er ja auch Berge und Täler hat und nicht Rund, wie ein Kreis ist.
Das bedeutet, dass zwischen den Bergen am Rand der Mondscheibe kurz vor der totalen Bedeckung der Sonne perlenartig noch die Sonne durchscheinen kann, bis sich dann der ganze Mond davor schiebt.

Wo die Finsternisse Stattfinden hängt vom Jahreslauf und der Kipprichtung der Erdachse und dem Zeitpunkt, bei dem Neumond beginnt ab. Das ist ohne Simulation kaum zu erklären.

Auch ich habe viele Jahre nicht wirklich verstanden, wieso Finsternisse so verlaufen, wie sie es eben tun.
Sie verlaufen in der Regel von West nach Ost. Lange dachte ich, es wäre umgekehrt. Man kann das nur verstehen, wenn man sich mathematisch die Geschwindigkeiten von Erde und Mond betrachtet. Ich hänge diese Herleitung als Anhang ganz unten für interessierte Mathe-Nerds hier dran.

Finstere Geschichten

Nun waren die Astronomen stets daran interessiert, vorher zu wissen, wann eine Finsternis ins Haus steht. Wurden sie doch häufig mit Unglück und Verderben in Verbindung gebracht. In alter Zeit wurden die beiden chinesischen Hofastronomen, Hi und Ho, geköpft, weil sie vergaßen, eine Finsternis vorauszusagen. Somit konnten die Menschen nicht rechtzeitig mit Trommeln und Geschrei den Himmelsdrachen vertreiben, der von Zeit zu Zeit die Sonne zu verschlucken, bzw. sie mit seinem Schwanz einzufangen versuchte.
Dass die Sonne wenige Minuten später wieder voll am Himmel stand, half den beiden leider auch nicht mehr.

Geschichten werden um so besser, desto öfter sie erzählt werden. Aus diesem Grunde sind in der Bibel beschriebene Finsternisse, z. B. beim Propheten Amos dann plötzlich stundenlang. Auch zeitlich passen die Beschreibungen nicht immer zu den tatsächlich stattgefundenen Finsternissen. Oft werden sie mit der Zeit günstig hin zu einer Regierungszeit eines bestimmten Imperators oder Königs verschoben, oder mit einem Unglück, z. B. einer Epidemie oder einem Krieg in Verbindung gebracht.

Ein Krieg zwischen den beiden Völkern der Meder und Lüder wurde durch die Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v.Chr. angeblich beendet, und zwar aus Angst, die Götter zürnten ihnen, da die Sonnenfinsternis direkt in das Kampfgetümmel fiel.

Nicht zuletzt fanden Finsternisse sogar in die Literatur hinein. Dazu darf ich euch meinen Artikel „Finsternisse in der Literatur“ wärmstens empfehlen. Ihr glaubt ja gar nicht, welchen Autoren ihr dort begegnen werdet. Außerdem findet ihr dort die wohl schönste und eindrucksvollste Beschreibung einer Sonnenfinsternis, die wahrscheinlich je im deutschsprachigen Raum niedergeschrieben wurde.

Finsternisse können letztlich auch Lebensretter sein. Dazu empfehle ich meinen Artikel „Eine Mondfinsternis als Lebensretterin“.

Wann geschehen sie und wieviele?

Tatsächlich geschehen Finsternisse nicht einfach zufällig. Die Astronomen fanden mehr als eine Regelmäßigkeit bei der Durchsicht alter historischer Finsternisse.
Eine heute ganz verbreitete Regelmäßigkeit ist der Saros-Zyklus.
Betrachtet man eine Sonnen- oder Mondfinsternis, so sagt dieser Zyklus eine weitere Finsternis in 18 Jahren und 11 Tagen voraus. Es gibt natürlich öfter welche, denn verschiedene Zyklen laufen parallel und gleichzeitig ab. Es gibt Jahre mit keiner und maximal Jahre mit bis zu fünf Finsternissen, wobei in diesem Falle nicht alles Sonnenfinsternisse oder Mondfinsternisse sein können. Außerdem ist auch nicht jede Reihenfolge, wie Sonnen- und Mondfinsternisse innerhalb eines Jahres aufeinander folgen, möglich.
Wie funktioniert dieser Saros-Zyklus?

Hierfür müssen wir erst einmal definieren, was ein Monat überhaupt ist.

  • Die älteste Definition eines Monat ist die Zeitspanne zwischen einem und dem darauf folgenden Neumond. Das sind grob vier Wochen. Diesen Mond nennt man den synodischen Monat.
  • Eine weitere Definition erhält man, indem man den Umlauf des Mondes vor dem Sternenhintergrund betrachtet. Man nimmt sich einen Stern und definiert den Monat als die Zeit, bis der Mond wieder auf den Stern zeigt. Diesen Monat nennt man den Siderischen Monat. Er ist zeitlich etwas unterschiedlich zu unserem gewohnten Synodischen Monat.
  • Eine dritte Definition hängt mit der gekippten Mondbahn zur Ekliptik zusammen.
    Die Knotenpunkte, Schnittpunkte der Mondbahn mit der Ekliptik, haben wir schon erwähnt.
    Durchsticht der Mond von unten her kommend an einem Knotenpunkt die Ekliptik, spricht man von einem aufsteigenden Mond, denn er bewegt sich jetzt etwas oberhalb der Erdbahn, bis er am anderen Knotenpunkt die Ekliptik wieder durchsticht, um seine Bahn unterhalb der Erdbahn bis zum anderen Knotenpunkt zu vollenden.
    In Anlehnung an obige Geschichte mit dem Drachen, nennt man diesen Umlauf den Drakonitischen Monat.

Wer aufmerksam gelesen hat, dem fällt sofort ein, dass ich vom Zusammenhang der Finsternisse mit den Knotenpunkten sprach. Das riecht doch förmlich danach, dass man den Drakonitischen Monat mit in die Voraussage von Finsternissen einbeziehen muss.
Außerdem sprach ich davon, dass Sonnenfinsternisse nur bei Neumond und Mondfinsternisse nur bei Vollmond stattfinden. Dieses wiederum schmeckt nach Synodischem Monat.
Wenn beides gegeben ist, sowohl Neumond, als auch Mond auf dem Knotenpunkt, dann findet eine Sf statt.
Das gleiche gilt auch für gleichzeitigen Vollmond und Mond auf Knotenpunkt istgleich Mondfinsternis.

Nehmen wir nun als Startpunkt eine beliebige Sonnenfinsternis und lassen wir den Mond seine Bahn ziehen. Drakonitischer Monat und Synodischer Monat sind nicht gleich lang. Das bedeutet, dass der eine immer etwas früher zu Ende geht, als der andere. Diese Lücke wird zunächst immer größer, bis sie dann von hinten her gesehen wieder kleiner wird und beide Monatsanfänge wieder einmal zusammenfallen.
Wäre der eine Monat genau doppelt so lange, als der andere, würde dies alle zwei Monate geschehen. So kann man sich alle möglichen Zahlenverhältnisse 1/2, 1/4, 3/4 etc. vorstellen.
So einfach macht es uns die Natur nicht. Der Längenunterschied ist ein ganz unschöner Bruch mit vielen Nachkommastellen.
Es müssen 12 * 18 Monate und 11 Tage vergehen, bis wieder beide zu einer Sonnenfinsternis nötigen Bedingungen zusammentreffen.
Alle anderen Finsternisse dazwischen gehören nicht zu unserem beobachteten Zyklus.

Finsternisse als Klang

Wann Sonnenfinsternisse auftreten und wann es sich um normale Neumonde handelt, kann man sich akustisch vielleicht so vorstellen:

Jeder weiß, dass Kirchenglocken sehr chaotisch und unregelmäßig durcheinander klingen. Das liegt daran, dass die großen Glocken langsamer in ihrem Turm schwingen, als das kleine Betzeit-Glöckchen, das ganz aufgeregt auch noch mitbimmeln darf.
Manchmal hört man auch, dass zwei Glocken ab und zu gleichzeitig erklingen, um dann wieder auseinander zu driften.
Im Grunde genommen ist das genau, wie mit den unterschiedlichen Monatslängen, die mehr und mehr auseinander driften, um irgendwann mal wieder für eine Finsternis zusammen zu kommen, gemeinsam zu erklingen, Wer noch die alten Wecker mit Federwerk kennt, konnte das auch erleben.
Ich war stets fasziniert, wie die beiden Wecker meiner Eltern gegeneinander tickten, wie der Abstand zwischen ihnen immer größer wurde, dann wieder kleiner und schließlich hatten die Wecker immer wieder mal ein oder zwei aufeinander folgende Ticks gemeinsam, um sich dann wieder voneinander zu entfernen.

Was passiert also morgen am Himmel über Deutschland

Am 10. Juni 2021 findet eine Sonnenfinsternis statt, die auch aus Deutschland zu sehen ist. Allerdings kann man hierzulande nicht die spektakuläre ringförmige Sonnenfinsternis sehen, die hoch oben im Norden am Himmel bewundert werden kann. Im Gegenteil. Wer nicht weiß, dass gerade eine Sonnenfinsternis (Sofi) stattfindet, wird mit bloßem Auge nichts bemerken.
Doch mit einer geeigneten Ausrüstung kann man das Himmels-Phänomen beobachten und genießen. Ohne bitte nicht versuchen. Das kann zur Erblindung führen.

Die Sonnenfinsternis kann am 10. Juni 2021 hauptsächlich in der nördlichen Polarregion beobachtet werden. In Teilen Kanadas, Grönlands und über dem Nordpol ist die ringförmige Finsternis zu sehen, auch Teile Russlands liegen in der Zone der ringförmigen Sonnenfinsternis. Je weiter südlich man sich beim Blick zum Himmel befindet, desto geringer wird die Bedeckung der Sonne. In Deutschland kann man – ganz im Norden, auf der Insel Sylt – maximal eine Sonnenbedeckung von 21,3 Prozent sehen, bereits in München ist der Prozentsatz der Bedeckung nur noch einstellig (6,3 Prozent).
Hier kommt ein kleiner Fahrplan, was wann zu sehen sein wird.

Ort Bedeckung Zeit Maximale Bedeckung
List (auf Sylt) 21,3 Prozent 11.25-13.43 Uhr 12.33 Uhr
Hamburg 17,3 Prozent 11.28-13.41 Uhr 12.33 Uhr
Berlin 13,4 Prozent 11.36-13.43 Uhr 12.38 Uhr
Frankfurt 11,3 Prozent 11.27-13.27 Uhr 12.25 Uhr
München 6,3 Prozent 11.37-13.22 Uhr 12.28 Uhr

Um die Sonnenfinsternis am 10. Juni 2021 zu beobachten, benötigt man zwingend eine geeignete Schutzausrüstung. Ein Blick in die Sonne ohne passenden Schutzfilter ist gefährlich – Augenschäden bis hin zur Erblindung drohen. Eine Sonnenfinsternisbrille ist die Mindestausstattung für die sichere Beobachtung einer Sonnenfinsternis.

Wer zur Beobachtung der Sonne weitere Hilfsmittel wie ein Fernglas oder Teleskop nutzt, muss eine spezielle Filterfolie vor der Öffnung des Geräts anbringen, oder die Sonne auf einen weißen Schirm projezieren. Da die Vergrößerung auch die Strahlenintensität verstärkt, genügt eine Sonnenfinsternisbrille auf der Nase in diesem Fall nicht. Man kann die Sonne auch durch eine Lochkamera auf einen Schirm werfen. Manchmal hat man beispielsweise unter Bäumen Glück, und es entstehen auf dem Boden durch die Blätter hindurch kleine Kopien der Sonnenscheibe. Vielleicht kann man auch mit dieser Methode kleine vom Mond abgebissene Sönnchen erspähen.

Wann ist die nächste Sonnenfinsternis in Deutschland zu sehen?

Nach der partiellen Sonnenfinsternis vom 10. Juni 2021 kann man in Deutschland in den kommenden Jahren mit mehreren Sonnenfinsternissen rechnen:

  • 25. Oktober 2022: Partielle Sonnenfinsternis (22,9 Prozent Bedeckung in Frankfurt)
  • 29. März 2025: Partielle Sonnenfinsternis (sehr geringe Bedeckung – maximal 25 Prozent auf Sylt)
  • 12. August 2026: Totale Sonnenfinsternis in Spanien (88 Prozent Bedeckung in Frankfurt)
  • Erst diese Finsternis ist wieder richtig beeindruckend. Dann wird ein Großteil der Sonnenscheibe von Deutschland (88 Prozent in Frankfurt) aus bedeckt sein, in Teilen Spaniens kann man sogar eine totale Sonnenfinsternis sehen.

In Teilen Deutschlands konnte man dieses seltene Himmels-Spektakel einer totalen Sonnenfinsternis zuletzt am 11. August 1999 bewundern. Wer diese auch erlebt hat und mit mir etwas alten Erinnerungen nachhängen möchte, bitte hier lang. In meinem Buch habe ich dieser Finsternis ein ganzes Kapitel gewidmet. Wie ich die partielle Sonnenfinsternis von 2015 erlebte, könnt ihr hier nachlesen.
die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland wird erst am 3. September 2081 zu sehen sein. Wenn es gut läuft, kann ich diese vielleicht noch sehr hoch betagt erleben.

Mathematischer Anhang

Da es in Worten sehr schwer ist, den Verlauf einer Sonnenfinsternis zu beschreiben, muss man sich hier, wie so oft, der Mathematik bedienen.
Im Vorfeld zur Sofi von 2015 beantworteten zwei Freunde, die bis heute hier mitlesen mir die Frage nach dem Verlauf, indem sie mir die Mathematik dazu erklärten. Erst danach habe ich das wirklich verstanden.
Hier nun die beiden Ansätze:

  1. Martins Ansatz:
    Betrachtet man nur die Umlaufraten:

    Sonne 360 Grad in 365 Tagen = 0.041 Grad pro Stunde (bezogen auf Himmelshintergrund) 

    Mond 360 Grad in 29 Tagen = 0.54 Grad pro Stunde  (bezogen auf Himmelshintergrund)

    Erde 360 Grad in 24 Stunden = 15 Grad pro Stunde  (bezogen auf Himmelshintergrund; eigentlich 23h56m)

    Da gewinnt die Erde ganz klar das Rennen und der Schatten sollte sich tatsächlich von Ost nach West bewegen. 

    Das wäre aber nur der Fall, wenn der Mond plötlich auf seiner Bahn eingefroren wäre.
    Die Sichtweise / der Standpunkt dieser Betrachtung ist aber irreführend.

    Ein Mensch am Äquator bewegt sich mit ca. 40.000 km / 24 Stunden = 1666 Kilometern pro Stunde von Ost nach West.

    Der Schatten des Mondes bewegt sich in einer Stunde etwas mehr als der Monddurchmesser ca. 3500 Kilometer pro Stunde von West nach Ost. (Etwas mehr, da man eigentlich den überstrichenen Winkel von Sonne-Mond betrachten müsste. Das ist quasi wie ein optisches Hebelgesetz. Je näher der Mond an der Sonne wäre umso größer wäre sein Schatten und umso schneller wäre der Schatten. Da aber dieser Winkel ziemlich klein ist, kann man vereinfachen) Auf jeden Fall ist die Untergrenze der „Schattengeschwindigkeit“ ca. 3500 Kilometer pro Stunde.

    Also bewegt sich der Schatten mit mindestens ca. 1800  (3500 – 1700) Kilometern pro Stunde von West nach Ost. Im hohen Norden und Süden müsste der Schatten noch schneller sein. Habe aber noch nix gefunden, ob das wirklich so ist.

  2. Sebastians Ansatz:
    Vorweg: Ich wollte mir selbst die Lösung überlegen, und habe mir daher den Weg von Martin nicht angeschaut- ich sehe aber, dass wir am Ende auf das gleiche Ergebnis kommen. Sollte also ungefähr passen.

    Halten wir den Moment fest, an dem der Mond zwischen Sonne und Erde steht, und der Kernschatten genau auf mittig auf der Erde liegt, und nehmen den Planeten Erde als Bezugssystem für Geschwindigkeit 0km/h.
    Die Erde hat am Äquator ca. 12’720km Durchmesser, damit ist der Umfang ca. 40’000km, und die Oberflächengeschwindigkeit durch Rotation beträgt (vereinfacht auf die Sonne bezogen und nicht sidirisch) ca. v_E=1’666km/h.
    Der Mond hat einen mittleren Abstand von d_M=384’400km, also eine ungefähre Umlaufbahn von 2’415’256km und eine Umlaufzeit von 27.3d, also bewegt er sich ungefähr mit v_M=3’686km/h in die gleiche Richtung wie die Erde darunter. (Hat natürlich eine viel größere Kreisbahn und überholt deshalb nachts nicht die Erdrotation…)
    Die Erde selbst hat einen Abstand von ca. d_S=149’600’000km von der Sonne, also einen Umkreis von ca. 939’965’000km in 365.25 Tagen, bewegt sich also mit 107’228km/h entgegen der Oberflächengeschwindigkeit oben. Da die Erde als 0km/h gewählt ist, bewegt sich also die Sonne scheinbar mit v_S=107’228km/h in Richtung der betrachteten Oberflächengeschwindigkeit der Erde.

    Die Geschwindigkeiten von Sonne und Mond superponieren sich, d.h. wir können einzeln die Anteile auf die Kernschattengeschwindigkeit berechnen.

    Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die scheinbare Sonnenbewegung v1=(d_M/d_S)*v_S~276km/h.
    Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die Mondbewegung v2=d_S/(d_S-d_M)*v_M~3’695km/h.

    Da sich Mond und Sonne in die gleiche Richtung bewegen, ist die resultierende Geschwindigkeit des Kernschattens zur Erde v=v2-v1~3’419km/h.

    Abzüglich der Geschwindigkeit der mitdrehenden Erdoberfläche erhalten wir in diesem Moment am Äquator die Schattengeschwindigkeit von ca. 1’753km/h. Auf jeden Fall überholt der Schatten die Erdrotation, und damit geht der Schatten tendentiell von Westen nach Osten.

    Natürlich wird der Schatten an den Rändern über der Erdoberfläche „viel schneller“- schon alleine wegen der schrägen Projektion und nach Norden und Süden ist die Oberflächengeschwindigkeit geringer. Und da die Bahnen nicht alle in der gleichen Ebene liegen, verläuft der Schatten auch schräg und alles mögliche. Es kann im Extremfall für einen Punkt auf der Erde der Schatten z.B. von Norden oder Süden kommen- der Schatten ist ja nicht ein „Punkt“, sondern die Fläche kann sich bei diesen Kurven auch „reindrehen“, und so scheinbar komplett von Norden oder Süden kommen.

    Wenn ich mich nicht verrechnet habe, so ist der Anteil durch die Planetenbewegung v_S nicht sehr ausschlaggebend, und die Beschleunigung der Mondgeschwindigkeit durch die Hebelwirkung durch den Abstand sehr gering, da die Sonne so viel weiter weg ist als der Mond von der Erde.

    Die jeweiligen Richtungen der Erde, Mond und Rotationen musste ich nachschlagen, ich hoffe, dass ich da nichts verwechselt habe.

Vielen Dank euch beiden nochmal für diese erhellenden mathematischen Überlegungen.

Der Jahreslauf unserer Sonne


Liebe Leser*innen,

heute, 20.03.2021, ist gleichzeitig Frühlingsanfang. und der Tag der Astronomie, bei dem der Mond im Fokus steht. Astronomisch bedeutet Frühlingsanfang, dass Tag und Nacht an diesem Tag gleich lang sind. Da vor allem wegen unseres Schaltjahres sich astronomisch alles um etwa sechs Stunden verschiebt, kann dieser astronomische Zeitpunkt mal auf den 20.03, den 21.03 und sogar auf den 22.03 fallen. Das gleiche gilt natürlich dann auch für den astronomischen Herbstanfang im September und für die Sonnenwenden im Juni und Dezember.

Ich schrieb darüber in Welcher Frühlingsanfang ist der richtige.

Ganz besonders in den Wintermonaten mit Kälte und Schmuddelwetter denkt man sich oft:

„Wieso dauert denn das so lange, bis die Tage wieder merklich länger werden?“

Gegen Ende des Sommers empfindet man das Gegenteil:

„Wieso werden die Tage so schnell wieder kürzer?“

Den größten Sprung unserer Empfindungen erzeugt natürlich die Umstellung auf die Sommerzeit und die Rückstellung auf die Winterzeit , welche eigentlich die normale Zeit ist. Da verschiebt sich der Sonnenauf- und Untergang von einer Nacht auf die andere um eine Stunde nach hinten, wenn die Sommerzeit beginnt. Dafür haben wir es abends, wie jeder weiß, eine Stunde länger hell.

  • Das gefällt uns natürlich, weil zu dieser Zeit, wie wir noch sehen werden, die Tage sowieso schon wieder erheblich länger, das Wetter meist schon wieder besser und wärmer sind und wir uns tendenziell im Frühling und Sommer sowieso eher nach Feierabend länger draußen aufhalten wollen.
  • Nach der Umstellung auf die Winterzeit finden wir es zwar schade, dass es abends wieder eine Stunde früher dunkel wird, andererseits erfreuen wir uns auch, dass es zunächst morgens nicht mehr ganz so dunkel ist, und unsere Kinder eventuell noch etwas Tageslicht haben, wenn sie früh zum Schulgang aufstehen müssen.
  • Wir freuen uns, wenn wir bei der Umstellung auf die Winterzeit eine Stunde „geschenkt“ bekommen.

Nichts desto Trotz handelt es sich dabei um unsere Empfindungen und Wahrnehmungen, die sich durchaus je nach Beruf, Lebenslage und anderen Faktoren stark unterscheiden können. Diese Subjektivität schlägt sich in der jährlich wiederkehrenden Diskussion nieder, ob die Zeitumstellung nun abgeschafft werden soll, oder nicht. Mit Astronomie hat diese von Menschen gemachte Zeitverschiebung aber nichts zu tun. Von daher gehen wir einen Schritt weiter und lassen die Zeitumstellung zunächst mal außen vor. Gehen wir für das folgende davon aus, dass es sie nicht gäbe, wie das bis Anfang der 80er des letzten Jahrhunderts ja auch war.

Wir werden das Phänomen, dass die Tages- und Nachtlänge sich im Jahreslauf verändert nun etwas näher betrachten.
Wer sich etwas auskennt wird mit Recht sagen:

„Na klar. Das liegt an den Jahreszeiten.“

„Volltreffer“ würde ich zu dieser Aussage sagen, denn das stimmt. Aber wie funktioniert das genau. Die Hauptfrage, die uns beschäftigen wird ist, ob z. B. die Tage an beiden Enden, zwischen Sonnenauf- und Untergang gleichmäßig länger oder kürzer werden und wenn nicht, wieso denn nicht?
Die aufmerksame Leser*in merkt schon, dass dem scheinbar nicht so ist. Ansonsten hätte ich diese Frage nicht in den Raum gestellt. Dann versuchen wir sie zu beantworten, was ohne Bilder gar nicht so einfach ist, aber versuchen wir es trotzdem.

Unsere Jahreszeiten entstehen dadurch, dass die Erdachse um etwa 23 Grad gekippt ist. Ich betone hier nochmals ausdrücklich. Sie entstehen nicht dadurch, was manchmal, und gar nicht so selten, angenommen wird, dass die elliptische Umlaufbahn der Erde um die Sonne dafür verantwortlich sei, weil die Erde ja dadurch manchmal etwas näher und dann wieder etwas weiter von der Sonne entfernt ist. Dieser Strahlungsunterschied, den wir dadurch erleben, schlägt nicht zu Buche und reicht auf keinen Fall für die Jahreszeiten. Kurios ist an dieser Stelle, dass ausgerechnet im Winter, Anfang Januar, die Erde ihren sonnennächsten Punkt auf ihrer Bahn durchläuft, wo es ja dann, wenn das stimmen würde, am wärmsten sein sollte. Über dieses Kuriosum werde ich mal extra schreiben.
Halten wir also nochmal fest, dass die gekippte Erdachse für die Jahreszeiten und damit auch für die Veränderungen der Tages- und Nachtlängen verantwortlich ist.

Stellen wir uns nun im nächsten Schritt vor, dass unsere Erdachse aufrecht stünde und dass die Erde sich nicht im Laufe eines Jahres einmal um die Sonne bewegt. Gehen wir sogar so weit, und halten die Erde an, so dass sie sich auch nicht mehr um sich selbst dreht.
Als letztes gehen wir noch davon aus, dass der Abstand der Erde zur Sonne trotz Stillstand immer gleich bliebe, als wären beide mit einer langen Stange verbunden. Normalerweise geht das natürlich nicht, denn so eine lange Stange gibt es nicht und außerdem würde eine Erde, die nicht um die Sonne kreist, also um sie herum fällt, von ihr mit der Zeit angezogen und in einem gewaltigen Inferno in ihr verglühen und verpuffen.

Also, was passiert dann.

  1. Der Erdstillstand bedeutet, dass es keinen Tag-Nacht-Rhythmus mehr gibt. Die Sonne bescheint in dem Fall immer dieselbe Seite der Erde. Dort wäre es immer Tag und auf der anderen Seite wäre es immer Nacht. Das will niemand. Und noch etwas merkwürdiges passierte dann.
    Wir könnten, außer vielleicht nachts durch unseren Mond, den Tag und die Nacht nicht in Zeiteinheiten einteilen. Denken wir uns den Mond mal auch weg, denn er spielt für unsere Betrachtungen keine Rolle. Wir hätten also keine zeitliche Orientierung.
    Im nächsten Schritt geben wir nun der Erde einen seitlichen Schubs, wie man das früher mit einer kleinen Peitsche mit einem Spielzeug-Kreisel tat, so dass sie sich, wie ein solcher beginnt, sich wieder um sich selbst zu drehen. Sagen wir in gewohnter Geschwindigkeit und natürlich wie gewohnt links herum.
  2. Nun dreht sich die Erde wieder. Wir haben wieder Tag und Nacht. Allerdings wäre es so, dass die Tage und auch die Nächte stets gleich lang blieben. Vermutlich wäre es nur an den Polen immer dunkel, weil dort kein Sonnenlicht hin käme. Erinnern wir uns, dass wir noch immer keinen astronomischen Jahreslauf hätten, weil wir alle Nacht den selben Sternenhimmel zur selben Zeit sehen würden. Die Erde würde sich zwar unter dem Sternenzelt drehen, und am Tage wäre die Wanderung der Sonne beobachtbar, aber sie, und auch die Sonne nicht, würden durch keine Sternbilder wandern. Keine gute Vorstellung für Astrologen, aber auch den Astronomen würde das nicht gefallen. Immerhin wäre es jetzt wieder möglich, die Zeit zu messen. Die Sonnenuhr wäre hier bei schönem Wetter sehr zuverlässig und wer weiß. Vielleicht würde man mechanische oder digitale Uhren bauen, die mit dem Tageslauf im Gleichgang gingen. Mit denen wäre eine Zeitmessung zusätzlich zur Beobachtung des Sternenhimmels dann auch wieder bei jedem Wetter möglich. Nebenbei bemerkt wäre es dabei unerheblich, in welche zeitlichen Einheiten die Menschen den Tag und die Nacht einteilen würden. Astronomen fänden vielleicht eine Möglichkeit, aber es könnten alle möglichen Einteilungen werden, z. B. die Einteilung in zehn Tages- und zehn Nachtstunden. Damit ließe sich immerhin ganz gut rechnen.

    Von einem Standort aus könnte man, wie gesagt, natürlich in Ost-West-Richtung die Sonne wandern sehen, was man ebenfalls zur Zeiteinteilung am Tage nutzen könnte, siehe Sonnenuhr.

    Und noch etwas wäre anders als wir es gewohnt sind.
    Wäre die Erde eine auf der Ekliptik stehende Walze und würden wir alle auf ihrer runden Seitenfläche leben, ich glaube man nennt diese Fläche oder Hülle auch Mantel in der Geometrie, dann hätten alle Menschen quasi die gleiche Sicht auf die Sonne. Sie stünde zu jeder Zeit für alle gleich hoch am Himmel,
    Alle würden die Sonne in Ost-West-Richtung wandern sehen.
    Ich denke nicht, dass es einen Unterschied machte, ob man an der Nord- oder Südkante der Walze lebte, weil die Sonne so unfassbar viel größer als die Erde ist.
    je nach Tageszeit natürlich.
    Die Nord- und Südfläche der Walze wären mit Sicherheit unbewohnt, da es dort ohne Sonnenschein ungemütlich kalt wäre, noch kälter vermutlich, als wir das von unseren Polkappen her kennen.

    Da die Erde aber nun mal eine Kugel ist, so stünde für die Äquatorianer die Sonne am höchsten am Himmel. Desto weiter nördlich oder südlich man lebte, desto flacher zöge die Sonne ihren Kreis. Außer vielleicht an den Polen, wo sie vermutlich nie zu sehen wäre, was übrigens bei unserer Walze mit Sicherheit so wäre.

  3. 3) So, es ist so weit. Wir nehmen die vorhin gedachte Verbindungsstange zwischen Erde und Sonne weg und schubsen nun die Erde so an, dass sie sich auf der Kreisbahn um die Sonne bewegt, wie wir das gewohnt sind. Nun kann sie durch ihre Drehung um die Sonne selbst dafür sorgen, dass sie der Anziehung der Sonne trotzt und auf ihrer Bahn bleibt.
    Ja, ich weiß. sie bewegt sich auf einer Ellipse, aber letztlich ist der Kreis ein Sonderfall der Ellipse, bei dem beide Brennpunkte aufeinander liegen, und außerdem ist die Erdbahn auch real fast kreisrund.

    Nun haben wir zwar noch immer Tag-Nacht-Gleiche, können aber zumindest nachts wieder einen astronomischen Jahreslauf betrachten. Wir können natürlich jetzt auch wieder unseren Mond mit einbeziehen. Den haben wir vorhin nicht betrachtet, weil er für unsere Überlegungen keine Rolle spielt. Und deshalb ignorieren wir ihn auch weiterhin.

    Und jetzt wird es langsam etwas unübersichtlich wegen der Erddrehung um sich selbst und der Erdbewegung um die Sonne.

  4. /li>Durch die dazu gekommene Drehung der Erde um die Sonne passiert es, dass wenn man vom selben Standpunkt aus den Mittagspunkt, an dem die Sonne am höchsten steht betrachtet, dass sich die Sonne in einem halben Jahr etwas verspätet und dann wieder verfrüht.

    Das liegt daran, dass die Erde sich auf ihrer Bahn nach jedem Erdentag auch wieder etwas weiter auf ihrer Bahn um die Sonne bewegt hat. Somit ist es so, dass die Sonne, wenn die Erde ihre Drehung um sich selbst komplett vollführt hat, entweder noch nicht aufgeht, weil die Erde ihr hinterher läuft. Ein halbes Jahr später ist es dann umgekehrt. Der Tag beschreibt somit auf unserer ‚Erde mit senkrecht stehender Achse einen Strich, der sich langsam etwas nach links verschiebt und ein halbes Jahr später wieder nach rechts.

    Nun wollen wir aber endlich auch unsere Jahreszeiten wieder zurück haben, damit unser Klima wieder passt.

  5. Im letzten Schritt kippen wir nun unsere Erdachse wieder um 23 Grad. Da die Erde eine Kugel ist und sich nun zusätzlich zu unseren Drehbewegungen auch noch die geometrische Tatsache der Perspektive auf die Sonne, täglich etwas verändert, so beschreibt sie vom selben Standpunkt aus den Mittagspunkt betrachtet, eine schräg liegende Acht, ein Analemma. Dieses sieht je nach Breitengrad etwas anders aus.
    Vor längerer Zeit erwähnte ich mal relativ beiläufig bei meiner Vorgesetzten, dass ich gerne mal ein Analemma taktil ertasten würde. Ich hatte das schon fast vergessen, aber dann kam mein Geburtstag. Bei uns in unserem wunderbaren Team ist es üblich, dass jeder zu seinem Geburtstag eine sowohl bunt als auch taktil gestaltete Karte erhält. Diese liebe Kollegin gestaltete mir zu meiner großen Freude eine Geburtstagskarte mit einem Analemma. Außerdem legte sie noch eine große A4-Darstellung desselben bei, damit auch noch die Beschriftung in Punktschrift darauf passte. Das finde ich wirklich sehr wertschätzend und rührend von ihr, dass sie sich das merkte und umsetzte. Es ist mir halt immer wieder eine große Freude und ein Segen, dass ich an so einem wunderbaren Institut, wie dem Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) arbeiten darf. Nirgendwo sonst könnte ich Meine Begabungen zu Wissenschaft und Pädagogig so gut einbringen als dort. Außerdem ist am SZS meine Behinderung keine Einschränkung, sondern eine Qualifikation die ich für die Ausübung meiner Aufgaben benötige. Nicht zuletzt unterstützen mich immer wieder, das erwähnte ich schon häufiger, und kann es nicht oft genug tun, alle Mitarbeitenden in meinen inklusiven Tätigkeiten zur Astronomie.
    Dank dafür an alle SZSler.
    OK, zurück zum Thema.
    Am Äquator sollte es sich kaum ausbilden, weil sich auch dort aufgrund des Winkels zur Sonne auch die Jahreszeiten zwischen den Wendekreisen kaum bemerkbar machen.

    Am meisten prägt sich das Analemma natürlich in der Nähe der Polkappen aus, zwischen der Mitternachtssonne und dem langen Winter ganz ohne Sonne. Am Nord- und Südpol ist die Acht wahrscheinlich sogar offen, weil es ja dort jeweils Monate ganz ohne Sonnenlicht gibt.

    Da dieses Analemma schwer in Worten zu beschreiben ist, bitte ich euch sehende Astronom*innen unter euch, die hier mitlesen, dass ihr mich bitte entweder via Mail, oder noch besser in den Kommentaren, mich auf eventuelle Fehler in meiner Vorstellung, aufmerksam macht.
    Ich darf fast zum Schluss natürlich nochmal erwähnen, dass die stärkste Konsequenz dieser gekippten Erdachse unsere Jahreszeiten sind.

  6. zu guter letzt
    wer das mal verfolgen möchte, wie unterschiedlich sich die Länge der Tage und Nächte im Jahreslauf verändern, wie ungleichmäßig die Zeiten der Sonnenauf- und untergänge sich verändern und wie sich die Zeit des Mittagspunktes langsam verspätet, um sich dann wieder zu verfrühen, dem empfehle ich beispielsweise die auch für blinde Menschen recht zugängliche App Lunasolcal für Smartphones. Mit Calsky könnte das auch klappen, obwohl ich momentan nicht genau weiß, ob die noch online sind. Habe was gehört, dass es Calsky eventuell nicht mehr gibt, was sehr schade wäre. Wer es aufwändiger mag und sehen kann, denn für unser eins nicht zugänglich, kann es mit Stellarium versuchen.
    Ein klassischer Papier-Kalender tut es natürlich auch. Er sollte sich aber mit den Daten schon ungefähr auf den Standort beziehen, wo ihr wohnt.

    Da all diese Daten vom Breiten- und Längengrad, von eurem Standort also abhängig sind,
    erspare ich euch für den Moment eine langweilige Tabelle mit den Daten meines Standortes. Achtet einfach mal auf die Veränderungen von Sonnenaufgang, Sonnenhöchststand und Sonnenuntergang. Schreibt etwas mit und ihr werdet das Phänomen selbst erleben, was viel interessanter sein dürfte, als euch durch eine langweilige Tabelle zu wühlen.
    Beobachtet vielleicht auch mal, wenn ihr eine Reise tut, was momentan ja eher schwierig ist, wie sich die Zeiten durch euren Standordswechsel verändern. Von Karlsruhe bis Berlin habe ich Veränderungen von einigen Minuten gefunden. Wer das beobachtet und nachher noch immer behauptet, dass die Erde flach sei, dem ist nicht mehr zu helfen…
    Wie auch immer.
    Wir haben weiter oben schon die Sonnenuhr erwähnt. Die hat es langsam schwer, wirklich genau zu gehen. Aus diesem Grunde steht an vielen Sonnenuhren eine sog. Zeitgleichung. Sie berücksichtigt die Erdkrümmung, Erddrehung und die sich veränderte Perspektive auf die Sonne. Wie sie genau funktioniert, erspare ich uns für den Augenblick.

  7. Und jetzt noch eine Anmerkung zum guten Schlusse
    In diesem Jahr fällt der Tag der Astronomie mit dem Frühlingsanfang zusammen.
    Das Thema dieses Tages ist in diesem Jahr der Mond. Da darf ich es mir natürlich auch nicht nehmen lassen, auch einen zwar schon etwas älteren, aber nicht minder aktuellen und sehr inklusiven Bericht zu diesem Thema bei zu steuern.
    In diesem Artikel geht es um die Frage:
    Sich blind auf dem Mond orientieren, geht das?
    Auch damit wünsche ich euch einen guten Frühlingsanfang und viel Freude bei diesem schönen Motto des Tages der Astronomie 2021.

Jetzt wünsche ich, vor allem auch den blinden Leser*innen viel Erfolg bei euren astronomischen Langzeit-Beobachtungen.
Das ist mal wieder eine sehr inklusive Geschichte, denn als Mensch mit Blindheit eine astronomische Langzeitbeobachtung zu machen, ist äußerst inklusiv.

Nachruf auf einVorbild und einen großartigen Wegbegleiter – Professor Dr. Rudolf Kippenhahn


Liebe Leser*innen

bevor wir in unseren Themen zu Astronomie weiter machen, möchte ich hier sehr gerne einen kleinen Nachruf auf einen großartigen Astronomen und Sonnenforscher einfügen, der mir seit Mitte der 80iger Jahre des letzten Jahrtausends ein großer Wegbereiter war.

Am 15.11.2020 ist der große Forscher Professor Doktor Rudolf Kippenhahn mit vierundneunzig erfüllten Jahren von uns gegangen.

im Grunde zeichnet meine Physik- und Chemielehrerin dafür verantwortlich, dass ich mich ganz und gar 1987 der Wissenschaft und Astronomie verschrieb, und dass ich mich nach meiner mittleren Reife zu Abitur und Studium über den zweiten Bildungsweg entschloss. Da sie mich mit Prof. Kippenhahn in Verbindung brachte, ehre ich an dieser Stelle auch diese Wegbereiterin, die leider auch schon nicht mehr unter uns weilt.

Ein Samenkorn der Wissenschaft erblüht

Da die gesamten Rechte meines Buches wieder bei mir liegen, zitiere ich hier daraus:

Ausschlaggebend hierfür war der naturwissenschaftliche Unterricht in Physik und Chemie, den ich dort besuchte. Er wurde von einer Anthroposophin gegeben, die ich bis heute für die beste Blindenpädagogin in meinem Leben halte. Die Versuche und Experimente durften wir alle selbst durchführen. Der Umgang mit Säuren, Laugen, Bunsenbrenner und Elektrizität war nie ein Tabu, nur weil wir nicht sehen konnten. Die Versuche wurden so adaptiert, dass wir in der Lage waren, selbst zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen. Hierbei halfen oft ganz einfache Tricks, denn es gab noch keine sprechenden Messgeräte.
Bildete sich beispielsweise bei einem chemischen Versuch ein Niederschlag im Filter, wiesen wir ihn nach, indem wir das Substrat in eine alte Blechdose tropfen ließen. So konnten wir die einzelnen Tropfen gut auf dem Blech aufschlagen hören und merkten genau, dass der Filter sich zusetzte, wenn die Tropfgeschwindigkeit abnahm. Bald schon wurde ich davon gepackt und brachte mich aktiv in den Unterricht ein, indem ich Möglichkeiten entwickelte, Versuche für Blinde zugänglicher zu machen. Außerdem durfte ich mich an der Entwicklung einer Tafel beteiligen, mit deren Hilfe es Blinden möglich wurde, chemische Formeln mittels spezieller Formelbausteine zu legen.
Überhaupt war dieser Unterricht weit mehr als nur Physik und Chemie. Er eröffnete uns eine ganzheitliche Sicht auf die Welt. Diese Stunden waren gespickt mit Bezügen zu Philosophie, Religion und auch mit geschichtlichen Hintergründen.

Der erste Kontakt mit Rudolf Kippenhahn

Ich zitiere weiter aus meinem Buch

Bald schon merkte diese Lehrerin, dass ich für diese ganzheitliche Weltsicht sehr empfänglich war. Somit durfte ich oft mit ihr naturwissenschaftliche Vorträge in Stuttgart besuchen. Ganz eindrücklich in Erinnerung ist mir ein Vortrag über die Sonne von Rudolf Kippenhahn geblieben. Bis dahin wusste ich zwar, dass in der Sonne Wasserstoff zu Helium verbacken wird und darüber hinaus weitere schwerere Elemente entstehen, aber von Sonnenflecken, der Korona, den magnetischen Stürmen und Flares, wusste ich noch nichts.

Zur Erklärung: Flares sind riesige Explosionen auf der Sonnenoberfläche, bei welchen große Mengen an Teilchen in den Weltraum geschleudert werden können. Erreicht ein solcher Teilchenausbruch die Erde, so entstehen Nordlichter und magnetische Stürme.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine Ausstellung statt, auf der unter anderem eine Weltraumkamera und vor allem ein recht großer Meteorit ausgestellt waren, den ich dann – von Prof. Kippenhahn ausdrücklich erwünscht! – anfassen durfte. Von diesem Moment an gab es für mich kein Halten mehr. An diesem Tag – es muss im Jahr 1988 oder 1989 gewesen sein –bin ich in meinem Herzen Astronom geworden.

Die zweite Begegnung

Meinen zweiten Kontakt zu Prof. Kippenhahn hatte ich Mitte der 90er Jahre.
In der Blindenhörbücherei entdeckte ich – auf ungefähr 20 Kassetten aufgelesen – das Buch
Der Stern von dem wir leben – den Geheimnissen der Sonne auf der Spur
Von Rudolf Kippenhahn, dem dieser Nachruf gilt und dessen Vortrag ich schon erwähnt habe. Mich faszinierte an diesem Buch vor allem, dass alle darin enthaltenen grafischen Elemente zusätzlich mit einer derart ausführlichen Texterklärung versehen waren, wie ich es selten bei anderen Autoren erlebt habe. Es schien fast so, als würde er auch an blinde Menschen denken, die auf derlei Beschreibungen angewiesen sind.
Vieles, was ich über die Sonne weiß, kam aus diesem Hörbuch und hat sich mit vielen anderen Quellen vermischt, so dass sich das gar nicht mehr ganz klar sagen lässt, aber er war der Türöffner und lies die Sonne in mein Herz, meinen Geist und meine Seele.

Kontakt Sonnenfinsternis

Ein großartiges Begleitbuch von Rudolf Kippenhahn war mir das Buch Schwarze Sonne, roter Mond das er quasi als Vorbereitung auf die Sonnenfinsternis, die am 11.08.1999 gut über Süddeutschland zu sehen war.
Hier nochmal ein kurzes Zitat aus „Blind zu den Sternen“

Aber lassen Sie mich an dieser Stelle erneut einen meiner größten Wegbereiter würdigen: Eine große Hilfe im Verständnis einer Sonnenfinsternis waren für mich zwei Bücher von Rudolf Kippenhahn: „Der Stern, von dem wir leben – den Geheimnissen der Sonne auf der Spur“ und „Schwarze Sonne, Roter Mond“. Seine Bildbeschreibungen sind so, als wären sie ganz speziell für blinde Menschen eingefügt worden: klar, verständlich und präzise.

Ohne diese Bücher hätte ich die Sonnenfinsternis niemals so lebendig und anschaulich erleben können.
Lassen Sie mich hier noch kurz eine kleine Begebenheit erzählen, die sich so tatsächlich mit seinem Buch zu trug:

Die Finsternis auf der Flugroute

Anfang Januar 2015 unternahm ich mit meiner sehenden Arbeitsplatzassistenz
eine Dienstreise nach Istambul.
Folgendes ist dort auf dem Hinflug geschehen:
Der Pilot erklärte die Flugroute, indem er wichtige Länder, Städte und Meere aufführte, die wir nacheinander passieren würden.
Da kam mir die Reihenfolge und Aufzählung der Städte gleich irgendwie bekannt vor.
Und dann durchfuhr es mich wie ein Blitz.
Wir flogen fast exakt die Route entlang derer am 11.08.1999 die totale Sonnenfinsternis beobachtet werden konnte.
Ich fand dieses unglaublich schön. Glücklicherweise hatte ich noch das Buch “Schwarze Sonne, roter Mond” von Rudolf Kippenhahn zur Sofi 1999 auf meinem MP3-Player als aufgelesenes Hörbuch. So konnte ich gleich noch im Flieger meine Vermutung überprüfen. Ein Blick auf den Fahrplan dieser Sf ergab, dass ich im wesentlichen Recht hatte.
Dieses Heureka erlebte glaube ich der halbe Flieger mit, weil es mich unglaublich freute, in welchem Zusammenhang diese alte Sofi nochmal auftauchte.

Sein phänomenales Gedächnis

Ein mal durfte ich Prof. Kippenhahn noch vor einigen Jahren bei einem Vortrag erleben. Danach sprach ich ihn an, und er konnte sich noch an mich erinnern. Leider konnte ich ihm noch keine signierte Version meines Buches schenken, da es erst wenige Monate später erschien.

Auf jeden Fall danke ich ihm herzlich für den Weg, den er mir durch seine Bücher und seine Persönlichkeit öffnete. Er, meine erwähnte Lehrerin und noch viele andere führten mich zu dem, was ich heute in Astronomie lernen durfte, ermunterten mich zu meinem Buch und meinen sonstigen Astronomie-Veranstaltungen. Er entzündete in mir 1987 ein Feuer, das niemals erlöschen wird.
Die Sternwarte Peterberg in deren Vorstand und Leitungsteam ebenfalls eine Person mit starker Sehbeeinträchtigung sitzt, hat einen schönen und sehr lesenswerten Lebenslauf von ihm veröffentlicht.

Gehabt euch wohl und bleibt gesund.