Eine Literarische Erinnerung


Seid herzlich gegrüßt.

Vorbemerkungen

Eine nie versiegende Quelle astronomischen Wissens ist für mich seit Jahren @Florian @Freistetter. Er ist Anlass für diesen Artikel, weshalb ich mir erlaube, etwas auf ihn einzugehen.
Er ist Astronom, Buchautor, Podcaster, Science-Buster und Wissenschaftskommunikator. Außerdem führt er den Blog Astrodicticum Simplex.
Viele seiner Bücher gibt es meist entweder von ihm, oder seiner Science-Buster-Kolleg:innen selbst aufgelesen als Hörbücher, z. B.

  • Das Universum in einhundert Sternen
  • Der Komet im Cocktailglas
  • oder das sehr lustige und spannende „Warum landen Asteroiden immer in Kratern“

In unseren Blindenhörbüchereien habe ich leider nur ein einziges Buch, das über Isaac Newton, gefunden.
Andere seiner Bücher habe ich als Ebook, dann halt mit Computerstimme mir vorlesen lassen.
Ich giere immer nach neuen Folgen Seiner Podcasts. So erscheint die Neue Folge der #Sternengeschichten immer am Freitag Morgen. Das ist dann stets meine Frühstücksfolge.
Die Podcasts

  • #Sternengeschichten
  • #Das #Universum
  • und #Das Klima

kann ich jedem nur dringend ans Herz legen. Hörenswert ist auch der Podcast von @holgi #“Wer redet ist nicht tot“, wo er ebenfalls immer wieder mitwirkt.

Heute erinnerte Florian in Folge 502 seiner #Sternengeschichten an eine Sonnenfinsternis über welche sehr schön geschrieben wurde. Auch ich schrieb über diese literarische Sonnenfinsternis in „Sonnenfinsternisse in der Literatur“ vor zwei Jahren.
Da wir vor zwei Jahren ganz andere Sorgen hatten, denke ich mir, dass wir den Gedanken von Florian aufgreifen und uns erneut an diesem literarischen Werk erfreuen sollten.
Also los:

Wenn man Sonnenfinsternisse literarisch betrachtet, dann kommt man an Adalbert Stifters Beschreibung einer von ihm selbst beobachteten Sonnenfinsternis nicht vorbei. Für mich stellt sie die schönste deutschsprachige Beschreibung einer Sonnenfinsternis dar, die ich kenne.
Der Aufsatz erschien zuerst in der “Wiener-Moden-Zeitung und Zeitschrift für Kunst, schöne Literatur und Theater” 1842 III. Quartal in drei Folgen.
Sie zu lesen ist etwas viel Text, aber ich garantiere für ein absolutes literarisches und lyrisches Erlebnis.

Hier der vollständige Text.

Adalbert Stifters Sonnenfinsternis – Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842

Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchtbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten. Da ich die Sache recht schön auf dem Papiere durch eine Zeichnung und Rechnung darstellen kann, und da ich wußte, um soundso viel Uhr trete der Mond unter der Sonne weg und die Erde schneide ein Stück seines kegelförmigen Schattens ab, welches dann wegen des Fortschreitens des Mondes in seiner Bahn und wegen der Achsendrehung der Erde einen schwarzen Streifen über ihre Kugel ziehe, was man dann an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten in der Art sieht, daß eine schwarze Scheibe in die Sonne zu rücken scheint, von ihr immer mehr und mehr wegnimmt, bis nur eine schmale Sichel übrigbleibt, und endlich auch die verschwindet – auf Erden wird es da immer finsterer und finsterer, bis wieder am andern Ende die Sonnensichel erscheint und wächst, und das Licht auf Erden nach und nach wieder zum vollen Tag anschwillt – dies alles wußte ich voraus, und zwar so gut, daß ich eine totale Sonnenfinsternis im voraus so treu beschreiben zu können vermeinte, als hätte ich sie bereits gesehen.
Aber, da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand und die Erscheinung mit eigenen Augen anblickte, da geschahen freilich ganz andere Dinge, an die ich weder wachend noch träumend gedacht hatte, an die keiner denkt, der das Wunder nicht gesehen.
Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauer und Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens.
Es war ein so einfach Ding. Ein Körper leuchtet einen andern an, und dieser wirft seinen Schatten auf einen dritten: aber die Körper stehen in solchen Abständen, daß wir in unserer Vorstellung kein Maß mehr dafür haben, sie sind so riesengroß, daß sie über alles, was wir groß heißen, hinausschwellen – ein solcher Komplex von Erscheinungen ist mit diesem einfachen Dinge verbunden, eine solche moralische Gewalt ist in diesen physischen Hergang gelegt, daß er sich unserem Herzen zum unbegreiflichen Wunder auftürmt.
Vor tausendmal tausend Jahren hat Gott es so gemacht, daß es heute zu dieser Sekunde sein wird; in unsere Herzen aber hat er die Fibern gelegt, es zu empfinden. Durch die Schrift seiner Sterne hat er versprochen, daß es kommen werde nach tausend und tausend Jahren, unsere Väter haben diese Schrift entziffern gelernt und die Sekunde angesagt, in der es eintreffen müsse; wir, die späten Enkel, richten unsere Augen und Sehrohre zu gedachter Sekunde gegen die Sonne, und siehe: es kommt – der Verstand triumphiert schon, daß er ihm die Pracht und Einrichtung seiner Himmel nachgerechnet und abgelernt hat – und in der Tat, der Triumph ist einer der gerechtesten des Menschen – es kommt, stille wächst es weiter – aber siehe, Gott gab ihm auch für das Herz etwas mit, was wir nicht vorausgewußt und was millionenmal mehr wert ist, als was der Verstand begriff und vorausrechnen konnte: das Wort gab er ihm mit: “Ich bin – nicht darum bin ich, weil diese Körper sind und diese Erscheinung, nein, sondern darum, weil es euch in diesem Momente euer Herz schauernd sagt, und weil dieses Herz sich doch trotz der Schauer als groß empfindet”. – Das Tier hat gefürchtet, der Mensch hat angebetet.
Ich will es in diesen Zeilen versuchen, für die tausend Augen, die zugleich in jenem Momente zum Himmel aufblickten, das Bild und für die tausend Herzen, die zugleich schlugen, die Empfindung nachzumalen und festzuhalten, insofern dies eine schwache menschliche Feder überhaupt zu tun imstande ist.
Ich stieg um 5 Uhr auf die Warte des Hauses Nr. 495 in der Stadt, von wo aus man die Übersicht nicht nur über die ganze Stadt hat, sondern auch über das Land um dieselbe, bis zum fernsten Horizonte, an dem die ungarischen Berge wie zarte Luftbilder dämmern. Die Sonne war bereits herauf und glänzte freundlich auf die rauchenden Donauauen nieder, auf die spiegelnden Wasser und auf die vielkantigen Formen der Stadt, vorzüglich auf die Stephanskirche, die fast greifbar nahe an uns aus der Stadt, wie ein dunkles, ruhiges Gebirge, emporstand.
Mit einem seltsamen Gefühl schaute man die Sonne an, da an ihr nach wenigen Minuten so Merkwürdiges vorgehen sollte. Weit draußen, wo der große Strom geht, lag ein dicke, langgestreckte Nebellinie, auch im südöstlichen Horizonte krochen Nebel und Wolkenballen herum, die wir sehr fürchteten, und ganze Teile der Stadt schwammen in Dunst hinaus. An der Stelle der Sonne waren nur ganz schwache Schleier, und auch diese ließen große blaue Inseln durchblicken.
Die Instrumente wurden gestellt, die Sonnengläser in Bereitschaft gehalten, aber es war noch nicht an der Zeit. Unten ging das Gerassel der Wägen, das Laufen und Treiben an – oben sammelten sich betrachtende Menschen; unsere Warte füllte sich, aus den Dachfenstern der umstehenden Häuser blickten Köpfe, auf Dachfirsten standen Gestalten, alle nach derselben Stelle des Himmels blickend, selbst auf der äußersten Spitze des Stephansturmes, auf der letzten Platte des Baugerüstes stand eine schwarze Gruppe, wie auf Felsen oft ein Schöpfchen Waldanflug – und wie viele tausend Augen mochten in diesem Augenblicke von den umliegenden Bergen nach der Sonne schauen, nach derselben Sonne, die Jahrtausende den Segen herabschüttet, ohne daß einer dankt – heute ist sie das Ziel von Millionen Augen, aber immer noch, wie man sie mit dämpfenden Gläsern anschaut, schwebt sie als rote oder grüne Kugel rein und schön umzirkelt in dem Raume.
Endlich zur vorausgesagten Minute – gleichsam wie von einem unsichtbaren Engel – empfing sie den sanften Todeskuß, ein feiner Streifen ihres Lichtes wich vor dem Hauche dieses Kusses zurück, der andere Rand wallte in dem Glase des Sternenrohres zart und golden fort – “es kommt”, riefen nun auch die, welche bloß mit dämpfenden Gläsern, aber sonst mit freien Augen hinaufschauten – “es kommt”, und mit Spannung blickte nun alles auf den Fortgang.
Die erste, seltsame, fremde Empfindung rieselte nun durch die Herzen, es war die, daß draußen in der Entfernung von Tausenden und Millionen Meilen, wohin nie ein Mensch gedrungen, an Körpern, deren Wesen nie ein Mensch erkannte, nun auf einmal etwas zur selben Sekunde geschehe, auf die es schon längst der Mensch auf Erden festgesetzt.
Man wende nicht ein, die Sache sei ja natürlich und aus den Bewegungsgesetzen der Körper leicht zu berechnen; die wunderbare Magie des Schönen, die Gott den Dingen mitgab, frägt nichts nach solchen Rechungen, sie ist da, weil sie da ist, ja sie ist trotz der Rechnungen da, und selig das Herz, welches sie empfinden kann; denn nur dies ist Reichtum, und einen andern gibt es nicht – schon in dem ungeheuern Raume des Himmels wohnt das Erhabene, das unsere Seele überwältigt, und doch ist dieser Raum in der Mathematik sonst nichts als groß.
Indes nun alle schauten und man bald dieses, bald jenes Rohr rückte und stellte und sich auf dies und jenes aufmerksam machte, wuchs das unsichtbare Dunkel immer mehr und mehr in das schöne Licht der Sonne ein – alle harrten, die Spannung stieg; aber so gewaltig ist die Fülle dieses Lichtmeeres, das von dem Sonnenkörper niederregnet, daß man auf Erden keinen Mangel fühlte, die Wolken glänzten fort, das Band des Wassers schimmerte, die Vögel flogen und kreuzten lustig über den Dächern, die Stephanstürme warfen ruhig ihre Schatten gegen das funkelnde Dach, über die Brücke wimmelte das Fahren und Reiten wie sonst, sie ahneten nicht, daß indessen oben der Balsam des Lebens, Licht, heimlich versiege, dennoch draußen an dem Kahlengebirge und jenseits des Schlosses Belvedere war es schon, als schliche eine Finsternis oder vielmehr ein bleigraues Licht, wie ein wildes Tier heran – aber es konnte auch Täuschung sein, auf unserer Warte war es lieb und hell, und Wangen und Angesichter der Nahestehenden waren klar und freundlich wie immer.
Seltsam war es, daß dies unheimliche, klumpenhafte, tief schwarze, vorrückende Ding, das langsam die Sonne wegfraß, unser Mond sein sollte, der schöne sanfte Mond, der sonst die Nächte so florig silbern beglänzte; aber doch war er es, und im Sternenrohr erschienen auch seine Ränder mit Zacken und Wulsten besetzt, den furchtbaren Bergen, die sich auf dem uns so freundlich lächelnden Runde türmen.
Endlich wurden auch auf Erden die Wirkungen sichtbar und immer mehr, je schmäler die am Himmel glühend Sichel wurde; der Fluß schimmerte nicht mehr, sondern war ein taftgraues Band, matte Schatten lagen umher, die Schwalben wurden unruhig, der schöne sanfte Glanz des Himmel erlosch, als liefe er von einem Hauche matt an, ein kühles Lüftchen hob sich und stieß gegen uns, über die Auen starrte ein unbeschreiblich seltsames, aber bleischweres Licht, über den Wäldern war mit dem Lichterspiele die Beweglichkeit verschwunden, und Ruhe lag auf ihnen, aber nicht die des Schlummers, sondern die der Ohnmacht – und immer fahler goß sich’s über die Landschaft, und diese wurde immer starrer – die Schatten unserer Gestalten legten sich leer und inhaltslos gegen das Gemäuer, die Gesichter wurden aschgrau – – erschütternd war dieses allmähliche Sterben mitten in der noch vor wenigen Minuten herrschenden Frische des Morgens.
Wir hatten uns das Eindämmern wie etwa ein Abendwerden vorgestellt, nur ohne Abendröte; wie geisterhaft ein Abendwerden ohne Abendröte sei, hatten wir uns nicht vorgestellt, aber auch außerdem war dies Dämmern ein ganz anderes, es war ein lastend unheimliches Entfremden unserer Natur; gegen Südost lag eine fremde, gelbrote Finsternis, und die Berge und selbst das Belvedere wurden von ihr eingetrunken – die Stadt sank zu unsern Füßen immer tiefer, wie ein wesenloses Schattenspiel hinab, das Fahren und Gehen und Reiten über die Brücke geschah, als sähe man es in einem schwarzen Spiegel – die Spannung stieg aufs höchste – einen Blick tat ich noch in das Sternrohr, er war der letzte; so schmal wie mit der Schneide eines Federmessers in das Dunkel geritzt, stand nur mehr die glühende Sichel da, jeden Augenblick zum Erlöschen, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, daß bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten – sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders als wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück – es war ein überaus trauriger Augenblick – deckend stand nun Scheibe auf Scheibe – und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte – das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges “Ah” aus aller Munde, und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.
Hatte uns früher das allmähliche Erblassen und Einschwinden der Natur gedrückt und verödet, und hatten wir uns das nur fortgehend in eine Art Tod schwindend gedacht: so wurden wir nun plötzlich aufgeschreckt und emporgerissen durch die furchtbare Kraft und Gewalt der Bewegung, die da auf eimmal durch den ganzen Himmel ging: die Horizontwolken, die wir früher gefürchtet, halfen das Phänomen erst recht bauen, sie standen nun wie Riesen auf, von ihrem Scheitel rann ein fürchterliches Rot, und in tiefem, kaltem, schwerem Blau wölbten sie sich unter und drückten den Horizont – Nebelbänke, die schon lange am äußersten Erdsaume gequollen und bloß mißfärbig gewesen waren, machten sich nun geltend und schauerten in einem zarten, furchtbaren Glanze, der sie überlief – Farben, die nie ein Auge gesehen, schweiften durch den Himmel.
Der Mond stand mitten in der Sonne, aber nicht mehr als schwarze Scheibe, sondern gleichsam halb transparent wie mit einem leichten Stahlschimmer überlaufen, rings um ihn kein Sonnenrand, sondern ein wundervoller, schöner Kreis von Schimmer, bläulich, rötlich, in Strahlen auseinanderbrechend, nicht anders, als gösse die obenstehende Sonne ihre Lichtflut auf die Mondeskugel nieder, daß es rings auseinanderspritzte – das Holdeste, was ich je an Lichtwirkung sah!
Draußen weit über das Marchfeld hin lag schief eine lange, spitze Lichtpyramide gräßlich gelb, in Schwefelfarbe flammend und unnatürlich blau gesäumt; es war die jenseits des Schattens beleuchtete Atmosphäre, aber nie schien ein Licht so wenig irdisch und so furchtbar, und von ihm floß das aus, mittels dessen wir sahen. Hatte uns die frühere Eintönigkeit verödet, so waren wir jetzt erdrückt von Kraft und Glanz und Massen – unsere eigenen Gestalten hafteten darinnen wie schwarze, hohle Gespenster, die keine Tiefe haben; das Phantom der Stephanskirche hing in der Luft, die andere Stadt war ein Schatten, alles Rasseln hatte aufgehört, über die Brücke war keine Bewegung mehr; denn jeder Wagen und Reiter stand und jedes Auge schaute zum Himmel.
Nie, nie werde ich jene zwei Minuten vergessen – es war die Ohnmacht eines Riesenkörpers, unserer Erde.
Wie heilig, wie unbegreiflich und wie furchtbar ist jenes Ding, das uns stets umflutet, das wir seelenlos genießen und das unseren Erdball mit solchen Schaudern zittern macht, wenn es sich entzieht, das Licht, wenn es sich nur kurz entzieht.
Die Luft wurde kalt, empfindlich kalt, es fiel Tau, daß Kleider und Instrumente feucht waren – die Tiere entsetzten sich; was ist das schrecklichste Gewitter, es ist ein lärmender Trödel gegen diese todesstille Majestät – mir fiel Lord Byrons Gedicht ein: Die Finsternis, wo die Menschen Häuser anzünden, Wälder anzünden, um nur Licht zu sehen – aber auch eine solche Erhabenheit, ich möchte sagen Gottesnähe, war in der Erscheinung dieser zwei Minuten, daß dem Herzen nicht anders war, als müsse er irgendwo stehen.
Byron war viel zu klein – es kamen, wie auf einmal, jene Worte des heiligen Buches in meinen Sinn, die Worte bei dem Tode Christi: “Die Sonne verfinsterte sich, die Erde bebte, die Toten standen aus den Gräbern auf, und der Vorhang des Tempels zerriß von oben bis unten.”
Auch wurde die Wirkung auf alle Menschenherzen sichtbar. Nach dem ersten Verstummen des Schrecks geschahen unartikulierte Laute der Bewunderung und des Staunens: der eine hob die Hände empor, der andere rang sie leise vor Bewegung, andere ergriffen sich bei denselben und drückten sich – eine Frau begann heftig zu weinen, eine andere in dem Hause neben uns fiel in Ohnmacht, und ein Mann, ein ernster fester Mann, hat mir später gesagt, daß ihm die Tränen herabgeronnen.
Ich habe immer die alten Beschreibungen von Sonnenfinsternissen für übertrieben gehalten, so wie vielleicht in späterer Zeit diese für übertrieben wird gehalten werden; aber alle, so wie diese, sind weit hinter der Wahrheit zurück. Sie können nur das Gesehene malen, aber schlecht, das Gefühlte noch schlechter, aber gar nicht die namenlos tragische Musik von Farben und Lichtern, die durch den ganzen Himmel liegt – ein Requiem, ein Dies irae, das unser Herz spaltet, daß es Gott sieht und seine teuren Verstorbenen, daß es in ihm rufen muß: “Herr, wie groß und herrlich sind deine Werke, wie sind wir Staub vor dir, daß du uns durch das bloße Weghauchen eines Lichtteilchens vernichten kannst und unsere Welt, den holdvertrauten Wohnort, einen fremden Raum verwandelst, darin Larven starren!”
Aber wie alles in der Schöpfung sein rechtes Maß hat, auch diese Erscheinung, sie dauerte zum Glücke sehr kurz, gleichsam nur den Mantel hat er von seiner Gestalt gelüftet daß wir hineingehen, und Augenblicks wieder zugehüllt, daß alles sei wie früher.
Gerade, da die Menschen anfingen, ihren Empfindungen Worte zu geben, also da sie nachzulassen begannen, da man eben ausrief: “Wie herrlich, wie furchtbar” – gerade in diesem Momente hörte es auf: mit eins war die Jenseitswelt verschwunden und die hiesige wieder da, ein einziger Lichttropfen quoll am oberen Rande wie ein weißschmelzendes Metall hervor, und wir hatten unsere Welt wieder – er drängte sich hervor, dieser Tropfen, wie wenn die Sonne selber darüber froh wäre, daß sie überwunden habe, ein Strahl schoß gleich durch den Raum, ein zweiter machte sich Platz – aber ehe man nur Zeit hatte zu rufen: “Ach!” bei dem ersten Blitz des ersten Atomes, war die Larvenwelt verschwunden und die unsere wieder da: und das bleifarbene Lichtgrauen, das uns vor dem Erlöschen so ängstlich schien, war uns nun Erquickung, Labsal, Freund und Bekannter, die Dinge warfen wieder Schatten, das Wasser glänzte, die Bäume waren wieder grün, wir sahe uns in die Augen – siegreich kam Strahl an Strahl, und wie schmal, wie winzig schmal auch nur noch erst der leuchtend Zirkel war, es schien, als sei uns ein Ozean von Licht geschenkt worden – man kann es nicht sagen, und der es nicht erlebt, glaubt es kaum, welche freudige, welche siegende Erleichterung in die Herzen kam: wir schüttelten uns die Hände, wir sagten, daß wir uns zeitlebens daran erinnern wollen, daß wir das miteinander gesehen haben – man hörte einzelne Laute, wie sich die Menschen von den Dächern und über die Gassen zuriefen, das Fahren und Lärmen begann wieder, selbst die Tiere empfanden es; die Pferde wieherten, die Sperlinge auf den Dächern begannen ein Freudengeschrei, so grell und närrisch, wie sie es gewöhnlich tun, wenn sie sehr aufgeregt sind, und die Schwalben schossen blitzend und kreuzend hinauf, hinab, in der Luft umher.
Das Wachsen des Lichtes machte keine Wirkung mehr, fast keiner wartete den Austritt ab, die Instrumente wurden abgeschraubt, wir stiegen hinab, und auf allen Straßen und Wegen waren heimkehrende Gruppen und Züge in den heftigsten, exaltiertesten Gesprächen und Ausrufungen begriffen. Und ehe sich noch die Wellen der Bewunderung und Anbetung gelegt hatten, ehe man mit Freunden und Bekannten ausreden konnte, wie auf diesen, wie auf jenen, wie hier, wie dort die Erscheinung gewirkt habe, stand wieder das schöne, holde, wärmende, funkelnde Rund in den freundlichen Lüften, und das Werk des Tages ging fort.
Wie lange aber das Herz des Menschen fortwogte, bis es auch wieder in sein Tagewerk kam, wer kann es sagen? Gebe Gott, daß der Eindruck recht lange nachhalte, er war ein herrlicher, dessen selbst ein hundertjähriges Menschenleben wenige aufzuweisen haben wird. Ich weiß, daß ich nie, weder von Musik noch Dichtkunst, noch von irgendeiner Naturerscheinung oder Kunst so ergriffen und erschüttert worden war – freilich bin ich seit Kindheitstagen viel, ich möchte fast sagen, ausschließlich mit der Natur umgegangen und habe mein Herz an ihre Sprache gewöhnt und liebe diese Sprache, vielleicht einseitiger, als es gut ist; aber denke, es kann kein Herz geben, dem nicht diese Erscheinung einen unverlöschlichen Eindruck zurückgelassen habe.
Ihr aber, die es im höchsten Maße nachempfunden, habet Nachsicht mit diesen armen Worten, die es nachzumalen versuchten, und so weit zurückgeblieben. Wäre ich Beethoven, so würde ich es in Musik sagen; ich glaube, da könnte ich es besser.
Zum Schlusse erlaube man mir noch zwei kurze Fragen, die mir dieses merkwürdige Naturereignis aufdrängte:
Erstens: Warum, da doch alle Naturgesetze Wunder und Geschöpfe Gottes sind, merken wir sein Dasein in ihnen weniger, als wenn einmal eine plötzliche Änderung, gleichsam eine Störung derselben geschieht, wo wir ihn dann plötzlich und mit Erschrecken dastehen sehen? Sind diese Gesetze sein glänzendes Kleid, das ihn bedeckt, und muß er es lüften, daß wir ihn selber schauen?
Zweitens: Könnte man nicht auch durch Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge von Lichtern und Farben eben so gut eine Musik für das Auge wie durch Töne für das Ohr ersinnen? Bisher waren Licht und Farbe nicht selbstständig verwendet, sondern nur an Zeichnung haftend; denn Feuerwerke,Transparente, Beleuchtungen sind doch nur zu rohe Anfänge jener Lichtmusik, als dass man sie erwähnen könnte. Sollte nicht durch ein Ganzes von Lichtakkorden und Melodien eben so ein Gewaltiges, Erschütterndes angeregt werden können, wie durch Töne? Wenigstens könnte ich keine Symphonie, Oratorium oder dergleichen nennen, das eine so hehre Musik war, als jene, die während der zwei Minuten mit Licht und Farbe an dem Himmel war, und hat sie auch nicht den Eindruck ganz allein gemacht, so war sie doch ein Teil davon.

Quelle: Wikipedia.

Die Vorletzte – eine kleine Feier für Apollo 16


Meine lieben,
ich weiß, es ist jetzt etwas dicht, schon wieder einen Artikel nach dem längeren zum Mondhasen zu bringen, aber manchmal muss man Feste und Jubiläen eben feiern, wie sie fallen.
Passend zur Geschichte vom Hasen auf dem Mond, können wir heute eine andere Weltraummission würdigen.

Heute, am 20.04.2022, vor fünfzig Jahren landete Apollo16 auf dem Mond.
trotz einiger Pannen wurde sie zu vielleicht erfolgreichsten wissenschaftlichen Mond-Mission des ganzen Apollo-Programms.

Die Besatzung

Am 3. März 1971, kurz nach dem Flug von Apollo 14 gab die NASA die Besatzung für die Mission Apollo 16 bekannt. Als Kommandant wurde der Weltraumveteran John Young ausgewählt, der bereits zwei Geminiflüge und einen Mondflug mit Apollo 10 vorzuweisen hatte. Pilot der Kommandokapsel war Ken Mattingly, der bereits für Apollo 13 nominiert gewesen war, damals aber kurz vor dem Start aus medizinischen Gründen (mangelnde Immunität gegen Röteln) gegen Jack Swigert ausgetauscht worden war. Als Pilot der Mondlandefähre wurde Charles Duke nominiert.
Im Kinofilm zu Apollo 13, sehr sehenswert, wird dieser medizinische Befund und den Ausschluss von Mattingly,eindrucksvoll in Szene gesetzt. Er tut einem richtig Leid und hat später übrigens niemals Röteln bekommen.
Im All war er aber dann mit Apollo 16 und es blieb ihm das Unglück mit Apollo 13 erspart.

Einige Monate zuvor war das Apolloprogramm nochmals gekürzt worden. Der letzte Mondflug sollte nun mit Apollo 17 stattfinden. Aus diesem Grund nominierte die NASA für die Ersatzmannschaft nicht mehr junge Astronauten, die drei Flüge später zur Hauptmannschaft aufsteigen sollten, sondern teilte bereits erfahrene Raumfahrer ein. Für Apollo 16 bestand die Ersatzmannschaft aus dem Kommandanten Fred Haise, dem Piloten der Kommandokapsel Stuart Roosa und dem Mondfährenpiloten Edgar Mitchell. Alle drei hatten bereits einen Apolloflug hinter sich. Wäre Charles Duke ausgefallen, hätte Edgar Mitchell somit die Möglichkeit gehabt, der erste Astronaut zu werden, der zweimal auf dem Mond landete.
Die Unterstützungsmannschaft (Support-Crew) bestand aus Henry Hartsfield, Anthony England und Donald Peterson. England war Wissenschaftsastronaut aus der sechsten Auswahlgruppe, Hartsfield und Peterson gehörten zu den sieben Astronauten, die im August 1969 von der US Air Force zur NASA gekommen waren, nachdem die Air Force die Pläne für ein eigenes bemanntes Raumfahrtprogramm (MOL) beendet hatte.

Als Verbindungssprecher (Capcom) während des Fluges dienten die Ersatzleute Haise, Roosa und Mitchell, die Unterstützungsmannschaft Hartsfield, England und Peterson, der Apollo-15-Astronaut James Irwin, sowie Robert Overmyer und Gordon Fullerton, die ebenfalls ihre Astronautenausbildung bei der US-Luftwaffe bekommen hatten und zur NASA gewechselt waren, nachdem die Air Force die Pläne eines eigenen bemannten Raumfahrtprogramms aufgegeben hatte.

Im Gegensatz zu vorigen Mondmissionen erkannte man schon bald, dass gute Piloten der Luftwaffe zwar sehr geeignet waren, solch ein Raumschiff zu fliegen, aber um auf dem Mond das Gestein, was mitgenommen werden sollte auf seinen wissenschaftlichen Nutzen zu suchen und zu bestimmen, fehlten diesen Kamikazefliegern einfach die geologischen Kenntnisse. Aus diesem Grunde wurde von nun an großer Wert darauf gelegt, dass alle Astronauten auch in derlei ausgebildet wurden.
Hierzu wurde unter anderem auch der in Deutschland liegende Einschlagkrater im Nördlinger Ries studiert.

Vorbereitung

Aber schon bevor es los ging, gab es technische Probleme. Und so wurde bei Apollo 16 zum ersten und einzigen Mal im Apollo-Programm der Start um einige Wochen verschoben. Probleme gab es unter anderem mit John Youngs Raumanzug, der noch mal überarbeitet werden musste. Man stelle sich vor, wenn der nicht dicht gewesen wäre. So ein Raumanzug ist ein Mini-Raumschiff, der von Kühlung, Heizung, Luft bis Toilette alles enthält, was der Astronaut zum leben braucht.

Die einzelnen Stufen der Saturn-V-Rakete AS-511 wurden zwischen Juli und September 1970 im Kennedy Space Center angeliefert.
Auch damit war nicht alles zum besten. Sie mussten auf Lecks untersucht und diese geschlossen werden.
Man war seit Apollo 13 vorsichtiger geworden.

Namensgebung

Das Apollo-Raumschiff CSM-113 erhielt nach einer Comic-Figur den Namen Casper. Die Mondlandefähre LM-11 erhielt den Namen Orion, benannt nach dem Sternbild Orion.

Flugverlauf und Pannen

Der Start erfolgte am 16. April 1972, 17:54 Uhr UTC vom Kennedy Space Center in Florida. Drei Tage nach dem Start fiel das Navigationssystem aus. Die Positionsbestimmung konnte daher nur mit Hilfe eines Space Sextant erfolgen. Man kann sagen, dass quasi auf Sicht zu den Sternen navigiert werden musste. Normalerweise wird anhand von Radiowellen, deren durch den Doppler-Effekt verzerrte Wellenlänge und der Richtung, aus welcher verschiedene Antennen sie empfangen der Aufenthaltsort des Raumschiffes bestimmt und die Koordinaten von der Erde aus an den Computer im Schiff geschickt werden. Außerdem geben Kreiselkompasse Informationen über die Lage des Schiffes her.
Das fiel nun weg, und damit nicht genug.

Nun fiel auch noch kurz nachdem die Mondlandefähre „Orion“ sich von dem Kommandomodul „Casper“ in der Mondumlaufbahn getrennt hatte, der Schwenkantrieb des Haupttriebwerks der Apollo teilweise aus.

Ja, man muss im All die Antriebsdüsen beweglich haben, weil Seiten- Quer- und Höhenruder im Vakuum des Alls schlicht und einfach überhaupt nichts bewirken, was Einfluss auf die Richtung nehmen könnte. Fliegen im All ist somit etwas völlig anderes, als mit einem Flugzeug durch die Luft zu „schwimmen“.
Zum Glück war aus Sicherheitsgründen dieser Schwenkantrieb doppelt eingebaut worden.
Der Ersatz funktionierte noch, und so konnte die Mission zwar mit höherem Risiko, denn jetzt durfte ohne weiteren Ersatz, mit dem Antrieb wirklich nichts mehr schief gehen, fortgesetzt werden.

Bis zur Freigabe durch die Bodenkontrolle waren beide Raumschiffe nahe beieinander in der Umlaufbahn um den Mond verblieben, um für den Fall eines Missionsabbruchs sofort wieder docken und zurückfliegen zu können.

Auf dem Mond

Ziel der Landung war das Cayley-Hochland, in der Nähe des Descartes-Kraters, welches Young und Duke mit knapp sechs Stunden Verspätung erreichten. Dies war der südlichste Landeplatz des Programmes.

Und ja, da geschah bedauerlicherweise noch eine Panne
Der Ausstieg aus der Fähre und die ersten Schritte der Astronauten auf der Mondoberfläche konnten erstmals nicht im Fernsehen übertragen werden, da der Sender der Mondlandefähre ausgefallen war. Erst als die Anlage des Mondautos montiert war, konnte das Geschehen wieder verfolgt werden.
Das war schon großartig, dass man diesmal nicht nur Beutel oder eine Handkarre für das Mondgestein mit führte, sondern ein richtiges Batterie betriebenes Fahrzeug.

Gefährlicher Übermut

Als man schließlich gut gelandet und auf dem Mond ausgestiegen war, wurde Duke übermütig. Für eine „Mond- Olympiade“ hüpfte er auf und ab. Auf dem Mond war Duke 27 Kilogramm leicht und konnte richtig springen. Duke schnellte in die Höhe und überschlug sich rückwärts. Er hatte nicht bedacht, dass sein Rucksack auf dem Mond eben so schwer war, wie er selbst. Der zog ihn nach hinten und sorgte für den fast tötlich endenden Salto Mortale rückwärts.
Der Rucksack mit dem Lebenserhaltungssystem hatte keine richtig harte Schale. Wenn er kaputt gegangen wäre, bedeutete das den sicheren Tot für Duke. John Young half dem erschrockenen Kollegen wieder auf. Duke erzählte später, er sei am nächsten dran gewesen, sich selbst auf dem Mond umzubringen.
Aber die lebenserhaltenden Systeme des Raumanzuges hatten zum Glück keinen Schaden genommen und arbeiteten fehlerfrei weiter.

Wissenschaft

Das wissenschaftliche Programm der Mannschaft auf dem Mond umfasste im nuklear betriebenen ALSEP, einer Art Labor, (Apollo Lunar Surface Experiments Package):

  • ein passives und aktives seismisches Experiment
  • ein festes, wie auch ein tragbares Magnetometer
  • ein Wärmefluss-Experiment
  • ein Strahlungsdetektor für kosmische Strahlung
  • einige Sonnenwind-Kollektoren
  • und einen Transponder zur Schwerefeldmessung.

Es wurden erstmals auch astronomische Aufnahmen mittels einer Kamera im ultravioletten Licht ddurchgeführt (Spektrograf). Der Film wurde auf der Erde ausgewertet.

Was draußen geschah

Drei größere Außenbordeinsätze, Engl. EVA abgekürzt, wurden durchgeführt, bei denen das Mondauto wertvolle Dienste leistete.

  1. Die erste EVA war geprägt durch die Installation der wissenschaftlichen Experimente in der näheren Umgebung der Landestelle. Es wurde zudem noch eine kurze Ausfahrt zu den Kratern Flag und Ray durchgeführt. Die EVA dauerte 7 h 11 min und führte über eine Strecke von 4,2 km.
  2. Die zweite EVA führte zu den Kratern Cinco, Stubby und Wreck. Bei diesem Ausflug wurde ein Bohrer eingesetzt, der Kernproben aus drei Metern Tiefe lieferte. Die Tour hatte einen Umfang von 11 km und dauerte 7 h 23min.
  3. Die dritte EVA dauerte 5 h 40 min und hatte den North-Ray-Krater zum Ziel. Hierbei legte die Crew 11,4 km zurück. Ursprünglich hätte diese EVA ebenfalls etwa 7 h dauern sollen, musste aber wegen der Verspätung verkürzt werden; zwischenzeitlich war sogar der Verzicht erwogen worden.

Die NASA-Wissenschaftler hatten den Astronauten aufgetragen, zwei verschiedene Arten von Mondproben zu sammeln. Einerseits war man an Gestein interessiert, das aus Kratern in der Nähe des Landeplatzes durch Meteoritenaufschlag herausgeschleudert worden sein soll.
Außerdem erwartete man Bodenproben von dem den Landeplatz umgebenden hügeligen, grabendurchzogenen und zerfurchten Gebiet, das nach damaliger Vorstellung vulkanischen Ursprungs sein sollte.

Mithilfe des Mondautos konnten die Astronauten knapp 95 Kilogramm Mondgestein einsammeln und zur Erde mitbringen. Die Funde widerlegten die Theorie, Vulkane hätten die frühere Gestalt des Mondes geformt.

Der Rückflug

Nachdem die beiden Astronauten Young und Duke in die Kommandokapsel „Casper“ umgestiegen waren, sollte die Mondfähre wie üblich kontrolliert auf den Mond stürzen, woraus allerdings nichts wurde. Ihr könnt euch denken wieso nicht. Genau, eine weitere Panne.

Nach dem Abkoppeln begann die Fähre leider zu taumeln. Das geplante Zünden der Triebwerke wurde nicht durchgeführt, so dass die Aufstiegsstufe noch etwa ein Jahr in der Mondumlaufbahn blieb, bis sie an einem unbekannten Ort abstürzte.

Vor dem Verlassen der Umlaufbahn wurde noch ein kleiner Satellit des Apollo-Raumschiffs ausgesetzt. Dabei handelte es sich um das gleiche Modell, das auch schon Apollo 15 in eine Mondumlaufbahn gebracht hatte. Der Satellit untersuchte die Erscheinungen der Erdmagnetosphäre sowie den Sonnenwind in Mondnähe und dessen Einfluss auf das Magnetfeld, bis er auf dem Mond zerschellte.
Der Rückflug selbst ging ohne Probleme vonstatten. Ken Mattingly führte während des Rückfluges noch einen Außenbordeinsatz aus, um Filmmaterial aus dem Geräteteil zu bergen. Insgesamt befand er sich 1 h 24 min außerhalb der Kapsel.

Zu guterletzt noch ein schönes Geschichtchen

Während des Außenbordeinsatzes tauchte nach Angaben des Astronauten Charles Duke auf kuriose Art und Weise der Ehering wieder auf, den Ken Mattingly Tage zuvor in der Kommandokapsel verloren hatte: Er trieb durch die geöffnete Luke der Kommandokapsel nach draußen, prallte von Ken Mattingly selbst an der Außenseite der Kommandokapsel ab und flog zur Luke zurück, wo ihn der in der Luke stehende Charles Duke auffangen konnte.

Beim Wiedereintritt mussten die Astronauten eine Verzögerung von 7,19 g ertragen, der höchste Wert, der für eine Apollo-Mission gemessen wurde. Am 27. April 1972 um 19:45 Uhr wasserte Apollo 16 im Pazifik und wurde vom Flugzeugträger USS Ticonderoga geborgen. Die Mannschaft brachte bei dieser Mission 95,8 kg Mondgestein mit auf die Erde. Eine Probe dieses Gesteins kann im Nördlinger Rieskrater-Museum besichtigt werden.

Die Kommandokapsel „Casper“ befindet sich heute im U.S. Space & Rocket Center in Huntsville, Alabama.

Schlussbemerkungen

Also ich weiß nicht, wie es euch mit diesen Geschichten geht. Ich finde es unglaublich, dass dieses Programm zum Mond doch recht gut funktionierte. Der schwerste Unfall mit den meisten Opfern geschah nicht auf dem Mond, wie man es erwarten sollte. Nein, er geschah auf der Erde, als die Raumkapsel von Apollo 1 mit drei Astronauten im inneren plötzlich Feuer fing und alle drei tötete. Apollo 13 war natürlich sehr schlimm und tragisch, aber alle überlebten das Unglück, obwohl es im luftleeren All geschah.

Also ich sehe da stets Parallelen zur Seefahrt. Aber wenn die Chance auch gering sein mag, so kann man auf hoher See mit viel Glück überleben und von einem anderen Schiff aufgelesen werden. Im All geht das nicht so leicht.
Dennoch hoffe ich, dass wir Menschen zum Mond zurück kehren werden. Die Raumfahrt, insbesondere die internationale Raumstation sind ein Zeichen dafür, dass wir Menschen durchaus über Landesgrenzen und auch kulturelle Barrieren hinweg große Dinge zu leisten im Stande sind. Ich bin davon überzeugt, dass wenn wir das auch auf die globalben Probleme unserer Zeit anwenden, diese „noch“ in den Griff bekommen könnten. Solch eine Grundauffassung wird Grenzen überwinden und hoffentlich den Weltfrieden bringen.

Der Mondhase


So, meine lieben,
auch ich möchte euch natürlich zu Ostern ein kleines Ei in euer Osternest legen. Wobei es heute nicht um Eier gehen wird. Die haben wir vor zwei Jahren behandelt.
Heute geht es um das Tier, ohne welches Ostern nicht denkbar wäre, ein Symbol der Fruchtbarkeit, um den Hasen. Da das hier ein Astro-Blog ist, kann es sich natürlich nicht um irgend einen Hasen handeln, der lustig über Wiesen und Felder hoppelt. Es geht um den Hasen im Mond. Der kommt vor allem in asiatischen Mythen vor und ein chinesischer Rover auf dem Mond trägt seinen Namen. Somit werden wir heute wieder einen großen zeitlichen Bogen spannen, der vermutlich mehrere tausend Jahre abdeckt und in einem höchst modernen Forschungsinstrument auf dem Mond endet.

Die Hauptinhalte dieses Artikels habe ich aus Wikipedia.

Eine kaiserliche Stickerei aus dem 18. Jahrhundert zeigt einen weißen Hasen und noch mehr auf dem Mond. Er zerstampft dort in einem Mörser die Kräuter des Lebenselixiers. Vermutlich die Kräuter der Unsterblichkeit. Wir erinnern uns. Im ersten Band von Harry Potter wurde dieser Stein der Weisen, der Unsterblichkeit ermöglichen sollte, der Hauptgegenstand des ersten Abenteuers von Harry Potter.

Von diesem Hasen auf dem Mond hörte ich das erste mal, als ich mir eine lange Dokumentation der Mondlandung von Apollo 11 anhörte. Er war dort Gegenstand der Funkgespräche.

Die Mythen

Dann schauen wir uns mal diese Geschichten, Mythen und Märchen etwas genauer an:

In China

In der chinesischen Mythologie erscheint der „Mondhase“ (chinesisch 月兔, Pinyin yuètù) bzw. „Jadehase“ (玉兔, yùtù) häufig als Begleiter der Mondgöttin Chang’e, für die er mit seinem Gerät das Lebenselixier stampft. Die früheste Erwähnung eines Hasen auf dem Mond findet sich in den „Chuci“, einer Anthologie chinesischer Gedichte aus der Zeit der Streitenden Reiche der Han, der zufolge ein Hase (Mondhase Yuetu) gemeinsam mit einer Kröte (Fabelkröte Chanchu) (beide uralte Fruchtbarkeitssymbole) auf dem Mond unablässig damit beschäftigt ist, pfundweise Unsterblichkeit verleihende Kräuter zu stampfen. Diese Sichtweise taucht in späteren Texten wie der „Taiping yulan“, einer Enzyklopädie der Song-Dynastie, erneut auf. Dichter der Han-Dynastie nennen den Hasen auf dem Mond „Jadehase“ oder „Goldhase“ (金兔, jīntù); diese Wendungen werden oft stellvertretend für das Wort „Mond“ gebraucht. Im Gedicht „Der Alte Staub“ des bekannten Tang-Dichters Li Bai heißt es „Der Hase im Mond stößt die Kräuter umsonst“.
Die Chinesen verzierten während des Mondfestes die Kuchen mit dem Bild des Hasen. Sie räucherten vor seinen Bronzefiguren und befestigten bei Vollmond ein farbiges Plakat mit seinem Bild, das sie ehrfürchtig grüßten und daraufhin zeremoniell verbrannten.

In Japan

In der japanischen Mythologie wird der Mondhase als Tsuki no Usagi (月の兎) bezeichnet. Dort entspringt der Glaube an den „Mondhasen“ der Shintō-Religion und nimmt Bezug auf die Legenden „Vom Fuchs, dem Affen und dem Hasen“. Der Legende zufolge verband einen Fuchs, einen Affen und einen Hasen eine enge Freundschaft. Während sie am Tage in den Bergen miteinander spielten und gemeinsam jagten, verbrachten sie die Nacht gemeinsam im Wald. Der Herr des Himmels, Taishakuten (帝釈天), erfuhr davon und fand dies ungewöhnlich. Er suchte, als alter Wanderer verkleidet, die drei Freunde auf. Er fand sie des Abends am Lagerfeuer und bat sie um etwas zu essen. Der Affe brachte ihm sogleich Nüsse, der Fuchs gab ihm einen Fisch. Der Hase aber fand nichts, was er dem Wanderer geben konnte. Als der Affe und der Fuchs den Hasen deswegen mit Schmähungen überhäuften, sprang dieser verzweifelt ins Lagerfeuer und rief: „Iss mich!“. Der Herr des Himmels war so gerührt von dieser Geste, dass er den Körper des Hasen wieder herstellte und ihn mit zum Mond nahm. Der Rauch, den der Hase bei seiner Opferung erzeugt hatte, schlug sich auf der glänzenden Mondoberfläche nieder und ahmt noch heute seine Gestalt nach.
Eine Version dieser Geschichte findet sich in der japanischen Anthologie „Konjaku Monogatarishū“, wo ein Fuchs und ein Affe als Gefährten des Hasen fungieren.
Davon abweichend überliefert das Kojiki eine Erzählung vom Hasen, die in ihrem Inhalt mit der Erzählung „Der weiße Hase von Inaba“ (因幡の白兎, Inaba no shirousagi) übereinstimmt.

In Korea

In der koreanischen (dort als RR dal tokki, kor. 달토끼) Überlieferung rührt er lediglich die Zutaten für Reiskuchen (Mochi). Der Mörser symbolisiert dabei den Neumond, der die Mondsichel gebiert.

In Amerika

Ähnliche Legenden begegnen in der mexikanischen Folklore, wo die Muster auf der Mondoberfläche ebenfalls als Hase identifiziert werden. Nach einer aztekischen Legende lebte der Gott Quetzalcoatl eine Zeit lang als Mensch auf der Erde, wo er sich auf Reisen begab und allmählich ermüdete und ihn hungerte. Da weder Essen noch Trinken erreichbar waren, vermeinte er zu sterben. Ein Hase graste in der Nähe und bot sich ihm als Nahrung, um sein Leben zu retten. Quetzalcoatl, gerührt vom großzügigen Angebot des Hasen, erhob ihn auf den Mond, dann brachte er ihn auf die Erde zurück und sagte: „Du vermagst nur ein Hase zu sein, aber jeder wird deiner gedenken, siehe da, dein Bild im Licht, für alle Menschen und alle Zeiten.“

Eine weitere mittelamerikanische Legende schildert die Opfer Nanahuatzins während der Erschaffung der fünften Sonne. Demütig opferte er sich im Feuer, um die neue Sonne zu werden, aber der reiche Gott Tecciztecatl zögerte viermal, bevor er sich schließlich herabließ, ein Mond zu werden. Aufgrund der Feigheit Tecciztecatls beschlossen die Götter, dass der Mond weniger hell als die Sonne scheine, und einer der Götter warf einen Hasen auf dessen Oberfläche, um sein Licht zu dämpfen. Tecciztecatl soll bei seinem Selbstopfer die Gestalt eines Kaninchens angenommen haben, dessen Schatten sich noch heute dort befindet.

Im Buddhismus

In der buddhistischen Śaśajâtaka (Jataka-Erzählung Nr. 316), beschlossen ein Affe, ein Otter, ein Schakal und ein Hase am Tag des Vollmondes (Uposatha) ein Werk der Nächstenliebe zu vollbringen.
Als nun ein alter Mann um Nahrung bettelte, sammelten die Affen Früchte von den Bäumen, der Fischotter Fische, der Schakal stahl eine Eidechse und eine Kanne Milchquark. Aber der Hase, der allein Gras zu sammeln verstand, bot stattdessen seinen eigenen Leib und warf sich in das Feuer, das der Mann entzündet hatte. Jedoch der Hase verbrannte nicht. Der alte Mann offenbarte sich als heiliger Sakka und sprach überaus bewegt von der gezeigten Opferbereitschaft: „Wer sich selbst vergisst, wird, und sei er die niedrigste Kreatur, den Ozean des ewigen Friedens erlangen. Mögen alle Menschen aus diesem Beispiel lernen und sich zu Taten des Mitleids und Erbarmens bewegen lassen.“ Er verlegte, angerührt von der Tugend des Hasen, dessen Bild auf den Mond, dass es jedermann sähe. Es soll noch heute den Rauch zeigen, der aufstieg, als der Hase sich ins Feuer warf.

Wie schon gesagt, habe ich über die Mondlandung von diesem Hasen auf dem Mond gehört. In Europa ist ja eher vom Mondgesicht oder dem Mann im Mond die Rede. Es scheint, dass die Schattierungen, die durch die Mondkrater und Berge vom Mond auf die Erde geworfen werden, viel Raum zu Spekulation oder Interpretation bieten.
Immerhin hat die Kraft dieser alten Geschichten dazu gereicht, einen Rover nach dem Jadehasen zu benennen. Hier nun einiges zu dieser ganz hervorragenden chinesischen Leistung zu Raumfahrt und des neueren Besuch des Mondes.

Geschichte der Mission

Schon seit 1998, also vier Jahre nachdem die Projektgruppe Monderkundung der Chinesischen Akademie der Wissenschaften die erste Machbarkeitsstudie für ein Monderkundungsprogramm vorgelegt hatte, arbeiteten rund ein Dutzend Forschungsinstitute an Prototypen für einen Mondrover. So besaß zum Beispiel das Modell der Fakultät für Informatik der Tsinghua-Universität in Peking sechs einzeln angetriebene Räder und konnte neben der Erhitzung von Bodenproben und spektrographischer Untersuchung derselben auch Proben von Helium-3 entnehmen. Als man 2008, also zwei Jahre vor dem Start von Chang’e 2, mit den Vorbereitungen für die Mission Chang’e 3 begann, erhielt jedoch das Konzept der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie den Zuschlag. Für die konkrete Entwicklung des Rovers war Jia Yang (贾阳, * 1970) zuständig, unter Ye Peijian stellvertretender Chefkonstrukteur der Sonde.
Eines der größten Probleme waren die Räder. Während irdische Sandkörner von Wind und Wetter rundgeschliffen werden, sind die Regolith-Partikel auf dem Mond messerscharf und würden reguläre Radreifen in kurzer Zeit zerstören. Um mit diesem Problem zurechtzukommen, experimentierte die Gruppe um Jia Yang über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren mit diversen Bereifungen, selbst mit Kettenfahrwerken. Schließlich bespannte man die Felgen der sechs Räder ähnlich wie bei den sowjetischen Lunochod-Rovern mit einer Art Fliegengitter aus Draht, durch dessen Löcher sich die spitzen Regolithkörner hindurchdrücken konnten. Dies reduzierte außerdem das Gewicht der Räder und verlieh der Bereifung eine gewisse Elastizität. Darüber ordnete man in Querrichtung senkrecht stehende Streifen aus Metall an, die wie Klauen für eine bessere Traktion sorgten.
Als der erste Prototyp fertiggestellt war, musste er unter möglichst realistischen Bedingungen getestet werden. Nach einer eingehenden in-situ Inspektion der Wüsten Nordwestchinas entschied man sich für ein nordwestlich von Dunhuang, Provinz Gansu, gelegenes Gebiet in der Kumtag-Wüste, wo aus Baracken eine temporäre Prüfbasis errichtet wurde. Mit auf dem Wüstensand verteilten Steinen wurde das autonome Hindernisvermeidungssystem getestet und dabei das Fahrgestell des Rovers immer weiter verbessert.
Der Name des Rovers wurde in einer Onlineumfrage und anschließender Abstimmung von 3.445.248 Chinesen im In- und Ausland ausgewählt. Das Wort Jadehase (玉兔, yùtù) bezeichnet in der chinesischen Mythologie den Begleiter der Mondgöttin Chang’e (siehe oben.

Ziele der Mission

Wie bei den Raumfahrtprogrammen Chinas üblich, gab es bei der Mission Chang’e 3 sowohl technische Ziele, also die Erprobung von Technologien für die folgenden Missionen, als auch wissenschaftliche Ziele:

  • Technische Ziele waren eine weiche Landung sowie der Einsatz eines Rovers auf dem Mond.
  • Die wissenschaftlichen Ziele für den Rover waren die Erkundung der lunaren Oberflächentopografie und der Zusammensetzung des Oberflächenmaterials sowie Radarmessungen der Struktur des Mondregoliths bis zu einer Tiefe von 140 Metern. So nennt man den Sand, der auf dem Mond sich befindet.

Aufbau des Rovers

Die Maße des Rovers betragen ca. 1,5 × 1 × 1 Meter und das Gewicht 140 kg, davon 20 kg wissenschaftliche Instrumente. Damit ist er kleiner und wesentlich leichter als die russischen Lunochod-Rover. Jadehase erhielt seine Energie durch zwei Solarmodule, die ihm während der 14-tägigen Mondtage den Betrieb ermöglichten. Während der 14-tägigen Mondnächte ging der Rover in Bereitschaftsbetrieb. Dabei erhielt er Wärme durch Radionuklid-Heizelemente mit Plutonium 238 und Zweiphasen-Flüssigkeitsschleifen. Damit konnte die Temperatur im Inneren des Gehäuses zwischen +55 °C und −20 °C gehalten werden, während die Außentemperaturen zwischen +110 °C und −180 °C schwankten.
Die sechs Räder des Rovers wurden von jeweils einem bürstenlosen Gleichstrommotor einzeln angetrieben, die vorderen und die hinteren beiden Räder konnten um eine senkrechte Achse gedreht werden. Dadurch konnte der Rover nicht nur Kurven fahren, sondern sich auch an Ort und Stelle um sich selbst drehen, er konnte „zurückblicken“, um den freigelegten Regolith in seinen Fahrspuren zu spektrografieren.
Bei Tests auf der Erde konnte der Rover Steigungen von bis zu 20° bewältigen und über Hindernisse von bis zu 20 cm hinwegfahren. Die Unterseite des Gehäuses lag bei ebenem Untergrund 30 cm über dem Boden.

Durch die Signallaufzeit von 2,5 Sekunden vom Mond zur Erde und zurück ist eine direkte Fernsteuerung von Mondfahrzeugen schwierig. Die Techniker im Raumfahrtkontrollzentrum Peking gaben dem Rover zwar Zielpunkte vor, den Weg dorthin musste er sich jedoch selbst suchen. Hierfür war er mit zwei Navigationskameras im „Kopf“ an der Mastspitze sowie zwei Hindernisvermeidungskameras unten am Gehäuse ausgestattet, die jeweils Stereobilder lieferten, aus denen sich Jadehase mittels Delaunay-Triangulierung eine topografische Karte seiner Umgebung berechnete. Außerdem besitzt der Rover folgende Nutzlasten:

  • Panoramakamera im „Kopf“ mit zwei 20 cm voneinander entfernten Objektiven für Stereoaufnahmen im Bereich von 3 m – ∞, schwenkbar um 360° in der horizontalen und 90° in der vertikalen Richtung.
  • Auf zwei Frequenzen arbeitendes Bodenradar
  • Infrarotspektrometer
  • Alphapartikel-Röntgenspektrometer (APXS) an einem mechanischen Arm.

Ablauf der Mission

Jadehase wurde, befestigt auf der Oberseite des Landers der Sonde Chang’e 3, am 1. Dezember 2013 um 17:30 Uhr UTC gestartet und landete am 14. Dezember 2013 um 13:11 Uhr UTC, vier Tage nach dem örtlichen Sonnenaufgang, im Mare Imbrium auf der erdzugewandten Seite des Mondes. Dies war die erste weiche Landung auf dem Mond seit 1976 und der erste Einsatz eines Mondrovers, seit Lunochod 2 am 11. Mai 1973 außer Betrieb ging. Gut sieben Stunden nach der Landung, am 14. Dezember 2013 um 20:35 Uhr UTC, rollte der Rover über eine Rampe auf die Mondoberfläche.

Erster Mondtag

An dieser Stelle möchte ich nochmal ausdrücklich sagen, dass die Betonung in dieser Überschrift auf „dem ersten Mondtag“ liegt. Das hat durchaus nichts mit dem Tag auf unserer Erde zu tun. Ein Mondtag dauert ungefähr 14 Erdentage auf einer Mond-Seite. Tag ist es also auf dem Mond, wenn die Sonne die Seite bescheint, auf welcher wir uns befinden. Haben wir beispielsweise Neumond, dann ist die uns zugewandte Seite des Mondes im Erdschatten, also dunkel, also nacht. Vollen Mondtag haben wir nur bei Vollmond. Dazwischen ist Dämmerung etc.

Nachdem der Mondhase um den 17. Dezember 2013 einen kurzen Mittagsschlaf gehalten hatte, war die erste Aufgabe, die Jadehase bis zum 22. Dezember 2014 erfüllte, den Lander von verschiedenen Blickwinkeln aus zu fotografieren, während er selbst umgekehrt auch vom Lander aus gefilmt und fotografiert wurde. Eine Anzahl dieser Bilder wurde veröffentlicht. Anschließend, am 22. Dezember 2013 um 21:00 Uhr UTC, wurde erstmals der mechanische Arm an der Vorderseite des Gehäuses entfaltet und der Sensor des Alphapartikel-Röntgenspektrometers nahe an den Mondboden gebracht. Der Positionierungsvorgang dauerte etwa eine halbe Stunde, dann wurde die Funktionalität des Instruments an einer mitgeführten Kalibrierungsprobe überprüft. Danach wurde der Arm wieder in seine Ruheposition am Gehäuse gebracht. Die erste tatsächliche Messung der Bodenzusammensetzung mit Hilfe des Röntgenspektrometers fand am 25. Dezember 2013 statt.
Die erste Mondnacht verbrachte der Rover etwa 40 Meter südlich des Landers. Er drehte sich mit der Vorderseite nach Süden, sodass das unbewegliche, in Fahrtrichtung linke Solarmodul nach Osten zeigte. Dann klappte der Rover den Mast mit der Parabolantenne und den Kameras nach hinten in sein Gehäuse und klappt den beweglichen Solarzellenflügel darüber, um das Gehäuse zu verschließen und sich vor der nächtlichen Kälte zu schützen. Am 25. Dezember gingen der Lander und am 26. Dezember der Rover in den Schlafmodus über.

Zweiter Mondtag

Als die aufgehende Sonne nach dem Ende der Mondnacht auf das östliche Solarmodul schien, erwachte der Rover am 11. Januar 2014 aus seinem Standby und führte bis zur Mittagspause am 16. Januar eine weitere Inspektion des Mondbodens aus. Am 25. Januar 2014, sechs Wochen nach Beginn des Rover-Einsatzes und nahe dem Ende des zweiten Mondtages, stellten die Techniker im Raumfahrtkontrollzentrum Peking fest, dass sich eines der Räder des Rovers nicht mehr bewegte. Dadurch konnte sich Jadehase nicht nach Süden drehen und seine korrekte „Schlafposition“ einnehmen.

Dritter Mondtag

Als die Sonne am 10. Februar 2014 wieder über der Landestelle aufgegangen war, konnte das Raumfahrtkontrollzentrum zunächst keine Kommunikation mit dem Rover aufnehmen und erklärte ihn deshalb für dauerhaft inoperativ. Nach zweitägigen unermüdlichen „Weckrufen“ der Tiefraumstation Giyamusi konnte jedoch am späten Abend des 12. Februar der Kontakt wiederhergestellt werden. Zunächst wurde nur die Trägerwelle empfangen, später dann auch Telemetriesignale. Es gelang jedoch nicht, das Fahrwerk wieder in Gang zu setzen. Als am 22. Februar 2014 die dritte Mondnacht begann, war klar, dass der Rover zwar unbeweglich war, dass jedoch das Bodenradar, die Panoramakamera und das Infrarotspektrometer normal betriebsfähig waren.

Weiterer Verlauf

Am 18. April 2014 erläuterte Wang Jianyu (王建宇, * 1959) von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften,[29] dass gewisse Komponenten möglicherweise Frostschäden erlitten hätten. Dadurch, dass das rechte Solarmodul nicht in die „Schlafposition“ gefaltet werden konnte, konnte es nicht wie vorgesehen zur Wärmeisolierung der Elektronik während der Mondnacht dienen. Obwohl die wissenschaftlichen Instrumente noch funktionierten – sie waren an sich nur für eine Lebensdauer von drei Monaten ausgelegt – war ihr Nutzen deutlich begrenzt, da der Rover seine Position nicht mehr verändern konnte.
Am 1. August 2016, während der 33. Mondnacht, gab die Nationale Raumfahrtbehörde Chinas bekannt, dass Jadehase am 31. Juli 2016 nach 972 Tagen, also mehr als 31 Erdenmonaten seinen Betrieb endgültig eingestellt hatte. Während dieser Zeit hatte der Rover auf dem Mond insgesamt 114 Meter zurückgelegt.

Abspann

Und hiermit wünsche ich uns allen ein frohes Osterfest. Mögen sich die Zeiten bald wieder bessern.

Alles Gute zum 450 Geburtstag, Johannes Kepler


Es erfüllt mich als blinden Menschen mit einem gewissen Stolz, dass wir quasi den größten deutschen Astronomen in „unserer“ Gemeinschaft haben: Johannes Kepler sah sehr schlecht. Seine Seheinschränkung beruhte auf einer Pockenerkrankung. Niemand kann heute sagen, wie viel oder wie wenig Kepler vom Sternenhimmel letztlich mit seiner Seheinschränkung gesehen hat.
Seine Situation verbesserte er selbst, indem er Teleskope mit Sammellinsen entwickelte (Keplerteleskop). Eigentlich wollte Kepler beweisen, dass die Planeten sich auf kreisförmigen Bahnen bewegen und dass diese Bahnen einer kosmischen Harmonie gehorchen. Da dies insbesondere mit der Marsbahn, deren Exzentrizität doch sehr stark von der Kreisbahn abweicht, nicht klappen wollte, schloss er letztendlich, dass Planeten sich auf elliptischen Bahnen um ihre Gestirne bewegen. Die drei von ihm gefundenen Gesetze sind:

  1. Keplersches Gesetz:
    Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.
  2. Keplersches Gesetz:
    Eine von der Sonne zum Planeten gezogene Verbindungslinie, genannt „Fahrstrahl“, überstreicht in gleichen Zeiten gleich große Flächen.
  3. Keplersches Gesetz:
    Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen (Kuben) der großen Bahnhalbachsen.

Im Zusammenhang mit Johannes Kepler muss leider auch die Tragödie erwähnt werden, dass seine Mutter mit der Inquisition in Konflikt kam und nur mit Keplers Hilfe einem Hexenprozess entgehen konnte.
Kepler hatte in Tycho Brahe einen ganz hervorragenden Beobachter des Himmels. Tycho kannte den Himmel so gut, dass ihm am Abend des 11. November 1572 die Supernova im Sternbild Kassiopeia auffiel. Er prägte auch den Begriff der „Stella Nova“, da er sie für einen neuen Stern hielt. Von da an war klar, dass die Fixsterne gar nicht so unveränderlich sind wie immer angenommen.
Tycho hatte auch eine leichte Einschränkung. Er verlor in einem Duell seine Nase und trug deshalb eine metallene Nasenprothese.
Der Podcast Radiowissen des Bayrischen Rundfunk hat gestern zu ehren des 450 Geburtstages von Johannes Kepler eine sehr schöne Sendung veröffentlicht, die sehr gut zusammenfasst, was Keplers Leistungen waren.
Ihr könnt sie hier herunterladen und anhören.
Ich erwähnte schon oben, dass Keplers Mutter nur knapp einem Hexenprozess entrinnen konnte. Johannes Kepler setzte sich mit all seinen Netzwerken für sie zum Glück erfolgreich ein.
Wer sich für diese Geschichte interessiert, findet hier mehr Informationen.
Wir hatten im Adventskalender in Türchen 21 erfahren, wie er trotz der Tatsache, dass er völlig mittellos war, seinem Unterstützer ein Geschenk machen konnte, dass die Mathematiker noch über vierhundert Jahre beschäftigen sollte. Alles über deren Kopfzerbrechen, über Schneeflocken und gestapelte Orangen findet ihr in diesem Artikel.
In Türchen 22 konnten wir uns einen akustischen Eindruck davon machen, wie Johannes Kepler sich das vorstellte, dass alle Bahnen der Planeten harmonisch musikalischen Gesetzen gehorchen sollten.
Nicht zuletzt war Kepler ein großartiger Vordenker, was die Reise zum Mond betraf.
Vor langer Zeit schrieb ich über diese Keplersche Mondfahrt.
Wünschen wir Johannes Kepler alles gute. Sein Lebenswerk ist bis zum heutigen Tag unverzichtbar in Raumfahrt und Weltraumforschung.

Grund zum Feiern – der einhundertundfünfzigste Artikel auf Blindnerd


Seid herzlich gegrüßt,

Prolog

heute feiern wir den 150sten, in Worten, den einhundertfünfzigsten Artikel auf Blindnerd. Den hundertsten Artikel feierten wir letztes Jahr im Lockdown1.
Was soll man da für ein Thema nehmen, dass etwas festlich ist und der Sache irgendwie gerecht wird.
Zum einhundertsten Artikel beschrieb ich euch, wie ich in die Schreibsucht geraten bin und bot euch einige Artikel aus allen Kategorien des Blogs zur Abstimmung an. Leider hat das offenbar obwohl ein Preis hätte winken sollen, nicht bei euch eingeschlagen. Wen wundert es. Wir hatten alle mit dem Lockdown zu kämpfen und damit andere Dinge im Kopf. Ich für meinen Teil kann sagen, dass die Astronomie und dieser Blog oft das einzige waren, was mich durch die Einsamkeit der Lockdowns trug. Keinem hat diese Zeit so gut getan, wie meinem Blog. 56 Artikel sind seit dem Ausbruch der Pandemie entstanden.
Nun aber genug der düsteren Zeiten. Wir wollen doch feiern…

Lasst uns einen Rückblick wagen auf das, was seit dem hundertsten Artikel hier auf Blindnerd.de so los war.

Die letzten Fünfzig

An den letzten Artikel, die Einhundertneunundvierzig, erinnern sich bestimmt noch viele. Wir begaben uns auf Entdeckungsreise zu den Monden des Uranus und wie die Protagonisten aus Williams Shakespeares Stücken als Namensgeber der sehr zahlreichen Saturnmonde her halten mussten. Also ich fand die Geschichte sehr spannend und aufregend.
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Davor hielt mich fast ein halbes Jahr ein Projekt in Atem. Ihr wisst schon. Die Reise zu den schwarzen Löchern. Hier wurde aus einem etwa dreistündigen Vortrag eine elfteilige Serie. Von Archimedes über Johannes Kepler, Isaac Newton, Cavendish und anderen bis hin zu Albert Einstein durchliefen wir alle Stationen, wie die Gravitation entdeckt, Masse und Volumina zusammen hängen, mit welcher Kraft die Erde alles anzieht, wir wogen den Mond, die Erde und andere Himmelskörper. Nach und nach lernten wir über Einstein, Eigenschaften des Lichtes und des Vakuums dann die heimliche Herrscherin über Raum und Zeit kennen, die Gravitation, die schwächste der vier Grundkräfte des momentan gültigen Standardmodells der Physik. Am Ende mussten wir uns mit sterbenden Sternen beschäftigen, wie sie zu weißen Zwergen, zu Neutronensternen oder gar als schwarze Löcher enden können. Diese untersuchten wir genauer, denn sie waren das Ziel dieser Reise. Nie hätte ich erwartet, dass diese Serie so umfangreich würde, so dass ich eventuell in Betracht ziehe, daraus ein Büchlein zu schreiben. Der Anfang hierzu ist gemacht. Wir werden sehen, wie das sich entwickelt und anläuft. Euch danke ich, dass ihr beim Lesen dieser Serie mehr oder weniger durchgehalten habt, denn an manchen Stellen ging es leider nicht ohne Mathematik und sprengte auch sonst das ein oder andere mal die Vorstellungskraft unserer Spezies.
Ich habe für diese Serie extra eine weitere Kategorie auf dem Blog eingeführt, so dass die betreffenden Artikel besser gefiltert werden können, wenn man nach ihnen sucht.
Sie heißt Den Schwarzen Löchern entgegen.
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Unterbrochen wurde die Serie lediglich durch ein astronomisches Ereignis, welches ich nicht unerwähnt gelassen haben wollte. Es ging um die ringförmige Sonnenfinsternis vom 10.06.2020.
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Ein wichtiges Anwendungsgebiet der Astronomie ist die Navigation auf hoher See. Den Breitengrad konnte man anhand der Sonne, des Horizonts und des Mondes einigermaßen mit Sextanten als Instrument bestimmen. Für den Längengrad brauchte man genaue Uhren. Wir beschäftigten uns also mit der berühmteste Schiffsuhr, deren Erfinders und dessen tragischen Lebens.
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Vor allem von blinden Menschen wurde und werde ich immer mal wieder darüber befragt, wie es sich denn genau mit Tag und Nacht verhält, ab wann die Sterne zu sehen sind und wie sie wieder verschwinden. Somit griff ich die Frage einer guten Freundin auf und wir taten die Reise durch den
Verlauf von Tag und Nacht.
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Wer länger schon hier mitliest weiß, dass ich in meinen Artikeln auch immer wieder den Jahreslauf mit seinen astronomischen Ereignissen und natürlich seinen Feiertagen aufgreife. „Querbeet durch das Jahr“ meinte einmal mein alter Freund und Chorleiter zu mir, wäre ein schönes Motto und ein schöner Inhalt für ein weiteres Buch. Vielleicht wird da mal etwas daraus. Wer weiß. Auf jeden Fall tastete ich mich diesmal ganz anders an Ostern heran, denn den Frühlingsanfang und wie sich daraus Ostern ableitet, hatte ich schon früher ausführlich beschrieben. Diesmal ging es im Zeichen von „Respekt und Toleranz um andere Religionsgemeinschaften, insbesondere um deren Fastenzeiten und was die Astronomie damit zu tun hat. In Zeiten von Querdenkern und Polarisierung sind solche Zeichen wichtig.
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Wie Sonnwend abläuft hatte ich auch längst schon abgearbeitet, aber nicht, wie der Sonnenlauf als ganzes funktioniert und welche Figur die Sonne im Laufe eines Jahres an den Himmel zeichnet. All das schilderte ich zur
Der Jahreslauf unserer Sonne.
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Was ich mir auch in jedem Jahr nicht nehmen lasse ist, den Weltfrauentag am 08.03. zu würdigen. Noch immer sind Frauen in vielen Belangen und ganz besonders in naturwissenschaftlichen Fächern unterrepräsentiert und benachteiligt. Deshalb widmeten wir uns 2021 der im Schatten ihres berühmten Astronomen Tycho Brahe stehenden Schwester, die unerkannt eine große Himmelskundlerin war.
Zu diesem Artikel geht es bitte hier lang.
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Bis dato wusste ich überhaupt nicht, dass es am 10.02. eines jeden Jahres den „Women Science Day“ gibt. Da ich für mehr Frauen in der Wissenschaft brenne, würdigte ich an diesem Tag die ersten Astronautinnen im All.
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Und nun stand Weihnachten 2020 vor der Tür. Zu dieser Gelegenheit erhielt ich von meinem geliebten Freund, Chorleiter und Mentor ein unglaublich schönes und astronomisches Weihnachtsgeschenk, eine taktile Sternenkarte.
Sie war in der tat mein schönstes Weihnachtsgeschenk 2020.
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Selbstverständlich durfte mein obligatorischer Jahresrückblick 2020 zu meinen Veranstaltungen zum Jahreswechsel ebenfalls nicht fehlen.
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Immer und immer wieder stellt sich die Frage zur Weihnachtszeit, was denn der Stern von Bethlehem genau gewesen sein könnte. Mitte Dezember 2020 trat ein recht seltenes Astronomisches Ereignis auf, das ein guter Kandidat für diesen Stern abgeben könnte.
Diesen Kandidaten könnt ihr hier kennenlernen.
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Die Vorweihnachtszeit hat sehr viel mit Lichtern und auch mit Sternen zu tun. Außerdem empfängt man, zwar nicht in 2020, Gäste und wird auch selbst eingeladen. Auch am Himmelszelt erscheinen dann und wann Sterne, also Himmelsgäste, wo eigentlich keine hin gehören.
Einige dieser Himmelsgäste könnt ihr hier antreffen.
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Der letzte Sonntag des Kirchenjahres vor dem ersten Advent ist der Totensonntag. Leider hatte ich in dieser Zeit tatsächlich einen Wegbegleiter, ein Vorbild, einen großartigen Autoren und einen wunderbaren Professor verloren. Rudolf Kippenhahn und seine Bücher waren mir stets ein Wegbereiter und begleiten mich bis heute über dreieinhalb Jahrzehnte hindurch.
Würdigen wir ihn erneut in diesem, meinem Nachruf.
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Nun verlassen wir die Chronologie der Artikel etwas, weil ich eine Serie, auf die ich später noch zu sprechen komme, dafür unterbrechen musste.

Obwohl ich nicht wollte, ließ ich mich kurz vor Lockdown2 dazu breit schlagen, einen Corona-Report zu schreiben. Das tat ich dann, aber den lesen wir heute zur Feier des Tages besser nicht, aber er ist für die Historie wichtig.
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Lesenswerter für den Moment dürfte da mein Artikel zu Halloween sein. Immerhin hatten wir an Halloween 2020 sogar Vollmond, so dass alle Werwölfe pünktlich zum Gruselfest verwandelt waren und ihr Unwesen trieben.
Zum Gruselfest bitte hier lang.
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Jetzt wird es schwierig, die weitere Reihenfolge der Artikel einzuhalten, denn ich begann quasi zwei Serien parallel, von denen ich mal die eine, und mal die andere mit Artikeln bediente und noch bedienen werde, denn beide Serien verlangen noch nach weiteren Artikeln.

Mein verehrter Professor Rudolf Kippenhahn war ein großer Erforscher der Sonne. Somit war es gut und recht, eine Serie über die Sonne zu beginnen. Alle Sonnen-Artikel sind in der Kategorie Der Sonne entgegen zu finden.

Ein Schlüsselerlebnis wieso ich im Herzen Astronom wurde, waren Kometen. Wer mein Buch gelesen hat weiß, wie fasziniert ich 1986 am Fernseher verfolgte, als die Raumsonde Giotto durch den Schweif des Halleyschen Kometen flog. Die Nachfolgemission Rosetta ist ebenfalls so ein Meilenstein auf meinem Weg, der hier erwähnt werden muss. Ich schrieb über diese Mission an anderer Stelle.
Grund genug also eine Serie über Kometen zu beginnen. Sechs Kometengeschichten befinden sich bereits momentan in der Kategorie
Kometen.
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Nun befinden wir uns zeitlich Anfang Juli 2020. Ich meine, dass da die Frage durch Twitter zischte, wie viele Freitage der dreizehnte es eigentlich so gibt. Interessant dachte ich. Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber das brachte uns direkt über unseren Ggregorianischen Kalender mit der Astronomie in Verbindung. So griff ich das Thema auf, suchte etwas herum und verarbeitete das gefundene in meinen Gedanken zu Freitag, 13..
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Viele von uns haben sicher in diesen Zeiten mehr als vorher sich dann und wann mit Pizza ernährt. Pizza gibt es auch im Weltraum.
Schon seit dreißig Jahren fliegt die internationale Raumstation über unseren köpfen in 400 km Höhe hinweg. Das ist schon ein technisches Wunder, dass diese komplexe Maschine den Gefahren des Weltalls bisher immer trotzte. Die Hauptgefahr sind harte Teilchen, kleinste Asteroiden oder Weltraummüll. Um die Raumstation davor zu schützen, packt man sie in eine gedachte Pizzaschachtel. Nähert sich ein Teilchen dieser gedachten Box, dann wird die Raumstation angehoben, so dass das Teilchen an ihr vorbei fliegt.
Das Raumschiff in der Pizzaschachtel erzählt von der astronomischen Verbindung zu diesem wunderbaren Italienischen Essen.
Übrigens hat Italien das durchaus verdient, weil Italien eine großartige astonomische Tradition besitzt.
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Ich weiß jetzt nicht mehr genau wann, wie und wo.
Es gab wohl Mitte 2020 eine Sonnenfinsternis. Da ich Finsternisse schon beschrieb, näherte ich mich ihnen diesmal Literarisch. Kindererinnerungen werden wach, wenn man die Namen der Autoren liest, um welche es in Dieser Abhandlung geht.
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An dieser Stelle wurde es Zeit, eine weitere Serie oder Kategorie einzuführen. In „Dem Mond entgegen“ sammle ich alle Artikel, die zum Thema Mond und dessen Erforschung entstanden und noch entstehen werden. So meine Abhandlung zum Thema „Hat der Mond Einfluss auf uns Menschen“.
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Besonders von Kindern bekomme ich immer wieder ganz interessante und spannende Fragen gestellt. So schrieb ich nachdem ich von einem virtuellen Kindergeburtstag zurück kam, auf welchem ich als Gast vortragen durfte, einen Artikel über die wunderschöne Kinderfrage:
Wie sieht der Himmel woanders aus“.
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Passend zu dieser Himmelsfrage stellte ich ein romantisches Plätzchen in unserem Sonnensystem, genauer auf dem Merkur vor. Wäre es dort nicht so unvorstellbar heiß, dann wäre dieses Liebesnest vielleicht von Weltraumtouristen überlaufen. Wer diese Liebeslaube kennenlernen möchte, bitte hier lang.
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Apropos Weltraumtourismus und Liebeslaube. Wer so wo hin möchte, wird nicht zu Fuß unterwegs sein. Man braucht schon einen Parkplatz für sein Weltraum-Gefährt.
Parken im all sagt ihr ginge nicht? Dann lest mal hier, wie und wo man im All parken kann.
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Der Sonntag des Gesanges, Kantate, fiel bekanntlicher Weise im Jahre 2020 ganz besonders anders aus. Dem wollte ich mit meinen Sonnengesängen unbedingt etwas freudiges entgegen halten.
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Neben weiteren Sonnen-Artikeln erschien zum Tag der Arbeit, 01.05.2020 einer, der es tatsächlich fertig bringt, die Astronomie mit der Arbeiterbewegung zu verbinden.
Er heißt „ein Stern der Arbeiterbewegung“.

Epilog

und damit sind wir am Ende unserer kleinen Feier, die hoffentlich nicht als Bauchpinselei meinerseitz empfunden wurde. Was mir auf dieser Feier besonders gefallen hat. Man sieht wieder mal sehr genau, wie vielfältig die Astronomie ist. Es ist möglich, sich ihr auf so unterschiedliche Weisen zu nähern, dass ganz viele verschiedene Zugänge entstehen.
Nicht jeder Zugang ist für jeden Menschen geeignet, wie beispielsweise das Teleskop für mich nicht, aber es gibt einen Zugang für jeden Menschen. Das ist meine tiefste überzeugung. Diese wird stets durch weitere Artikel, Vorträge und alles, was ich so mache, rundum erneuert und bestärkt.
Der Himmel ist für alle da.

Nun hoffe ich, dass ihr mir für weitere fünfzig Artikel gewogen bleibt.

Gratulationen, Glückwünsche, oder, was ich natürlich nicht offe, eine Äußerung in die Richtung, dass ich endlich mal wieder mit diesem Astrokram aufhören sollte, sind in den Kommentaren gerne gesehen. Gerne dürft ihr natürlich auch in euren Kreisen Werbung für diesen Blog machen, wenn es dafür auch keine neue Waschmaschine geben wird…

Die ringförmige Sonnenfinsternis vom 10.06.2021


Liebe Mitlesenden

aus aktuellem Anlass unterbrechen wir unsere Serie zu den Schwarzen Löchern für einen Moment.
Morgen, 10.06.2021 findet eine ringförmige Sonnenfinsternis statt, die in Deutschland mit geeigneter Ausrüstung in den Mittagsstunden als partielle Sonnenfinsternis zu sehen sein wird, wenn das Wetter mitspielt.

Schon viel habe ich über Sonnenfinsternisse geschrieben und festgestellt, dass ich auf diesem Blog in keinem Artikel mal richtig erklärt habe, wie die unterschiedlichen Spielarten eigentlich funktionieren.
Das hole ich jetzt nach, indem ich Texte recycle, die ich zu anderen Sonnenfinsternissen schrieb, als mein Blog nur eine Mailingliste war.

Wie funktionieren Sonnenfinsternisse

Beginnen wir also am Anfang und erklären erst mal generell, wie so eine Finsternis überhaupt entsteht.

  1. Eine Sonnenfinsternis kann nur bei Neumond stattfinden. Es ist verrückt, aber Neumond ist, wenn der Mond direkt zwischen Erde und Sonne steht. Man sollte meinen, dass er dann doch gleißend hell von ihr beschienen wird und gut sichtbar sein sollte. Tja, genau das ist das Problem. Unser Mutterstern überstrahlt den Mond. Er ist so klein, dass wir ihn so in dieser Position nicht sehen können.
  2. Vollmond ist immer dann, wenn der Mond auf der anderen Seite der Erde ist als die Sonne.
    Berechtig gefragt ist, wieso das dann keine Mondfinsternis ist. Anders herum könnte man auch fragen, wieso nicht jeder Neumond zu einer Sonnenfinsternis führt.
  3. Die Mondbahn um die Erde verläuft nicht parallel zum Äquator und leider auch nicht parallel zur Ekliptik, der Bahn, auf der alle Körper des Sonnensystems sich bewegen.
    Der Äquator ist um etwa 23 Grad gegen unsere Ekliptik geneigt. Diesem Winkel verdanken wir unsere Jahreszeiten.
    Die Mondbahn ist um etwa 5 Grad gegen die Ekliptik geneigt. Noch schlimmer. Dieser quasi gekippte Teller dreht sich noch um eine gewisse Achse. Das soll aber hier mal keine Rolle spielen.
    Es kommt also vor, dass sich unser Mond manchmal etwas unterhalb und manchmal etwas oberhalt des Tellers, der Ekliptik bewegt. Das bewirkt, dass er in diesem Fall nicht ganz in den Erdschatten gerät, wenn er sich auf der anderen Seite der erde, als die Sonne befindet. Aus diesem Grund wird er dann auch von der Sonne beleuchtet und wir nehmen den Vollmond wahr.
  4. Finsternisse können immer nur dann entstehen, wenn sich Neumond oder Vollmond auf dem Schnittpunkt der Mondbahn mit der Ekliptik befinden. Diese Punkte nennt man Knotenpunkte. Sticht der Mond quasi von unten her durch die Ekliptik, so sprechen Astronomen von einem aufsteigenden, in andern Fall von einem absteigenden Mond.
    Neben der gekippten Perspektive des Äquators zur Mondbahn ist auch diese Tatsache mit dafür verantwortlich, dass die Mondsichel manchmal eher stehend, oder liegend, fast als Schiffchen, wahrgenommen wird.

Spielarten von Finsternissen

Nun kommen wir dazu, welche verschiedenen Arten von Sonnenfinsternissen es gibt.

  1. Je nach Sonnenstand, Erdenstand und Mondstand ist der Mond perspektivisch ungefähr so groß, wie wir auch die Sonnenscheibe wahrnehmen. Die Sonne ist zwar unvergleichlich viel größer, als der Mond, aber dafür ist sie auch viel weiter von uns weg, 150 Mio Kilometer, wo hingegen der Mond grob nur 380.000 Kilometer von der Erde entfernt ist.
    Schafft es die Mondscheibe, die Sonne zu verdecken, spricht man von einer totalen Sonnenfinsternis. Die gleißend helle Sonne wird vom schwarzen Mond bedeckt. Nun tritt die wunderbare schwach leuchtende Korona hervor, Blüten schließen ihre Kelche, Vögel stellen ihren Gesang ein, bzw. stimmen ihr Morgenlied an, Nachtluft scheint zu wehen
    und Protuberanzen am Rand der Mondscheibe werden sichtbar. So ein Spektakel kann niemals länger als 8 Minuten dauern, weil die gegenseitige Drehung der Körper, deren Abstände zueinander und deren Größenverhältnisse bezüglich des Schattenwurfs nicht mehr zulassen.

    Die Corona kann man bei unverdeckter Sonne nur mit speziellen Instrumenten erblicken, weil sie vom Licht der Sonne überstrahlt wird. Dieser Lichtkranz entsteht durch Plasma-Ballen, die in den Magnetfeldern der Sonne hängen. Wie genau, wäre ein extra Artikel wert.

  2. Die Erde bewegt sich elliptisch um die Sonne. Das bedeutet, dass sie im Jahreslauf mal der Sonne etwas näher (149 Mio km) und mal etwas weiter (152 Mio km) steht.
    Somit erscheint sie uns leicht größer bei nahem Abstand und etwas kleiner bei fernem Abstand.
    Der Mond tut das ebenso. Er bewegt sich elliptisch um die Erde. Auch er erscheint uns bei größerer Entfernung etwas kleiner und bei Erdnähe etwas größer.
    Nun überlegen wir uns die Kombination dieser Tatsachen.
    Ist die Sonne eher fern von uns, also kleiner, und der Mond eher nahe bei uns, also größer, kann er ganz wunderbar die Sonnenscheibe abdecken. Eine totale Sonnenfinsternis findet statt.
    Ist die Sonne erdnah und der Mond erdfern, vermag der perspektivisch kleinere Mond es nicht, die ganze Sonnenscheibe zu verdecken. Er erzeugt lediglich ein Loch in der Sonnenscheibe. Eine ringförmige Finsternis ist entstanden.
  3. Ich schrieb oben über die Tatsache mit der leicht gekippten Mondbahn. So kommt es vor, dass der Mond etwas oberhalb oder unterhalb der Sonne steht. Auch hier vermag er nicht, die ganze Scheibe abzudecken. Er beißt nur quasi ein Stück ab, wie man das ungefähr vom Logo des Apfels her kennt. Das ist dann eine partielle Finsternis. Und so eine dürfen wir am 10.06. erwarten.

Jede Sonnenfinsternis beginnt und endet als partielle Finsterniss. Ob sie dann totalitär oder ringförmig im Kern wird, hängt, wie beschrieben von den Abständen, Erde, Sonne Mond, ab.
Kurz vor der totalen Bedeckung bei einer totalen Finsternis tritt ein Phänomen auf, das man Perlenkette nennt. Der Mond als Scheibe gedacht ist etwas leicht ausgefranst, weil er ja auch Berge und Täler hat und nicht Rund, wie ein Kreis ist.
Das bedeutet, dass zwischen den Bergen am Rand der Mondscheibe kurz vor der totalen Bedeckung der Sonne perlenartig noch die Sonne durchscheinen kann, bis sich dann der ganze Mond davor schiebt.

Wo die Finsternisse Stattfinden hängt vom Jahreslauf und der Kipprichtung der Erdachse und dem Zeitpunkt, bei dem Neumond beginnt ab. Das ist ohne Simulation kaum zu erklären.

Auch ich habe viele Jahre nicht wirklich verstanden, wieso Finsternisse so verlaufen, wie sie es eben tun.
Sie verlaufen in der Regel von West nach Ost. Lange dachte ich, es wäre umgekehrt. Man kann das nur verstehen, wenn man sich mathematisch die Geschwindigkeiten von Erde und Mond betrachtet. Ich hänge diese Herleitung als Anhang ganz unten für interessierte Mathe-Nerds hier dran.

Finstere Geschichten

Nun waren die Astronomen stets daran interessiert, vorher zu wissen, wann eine Finsternis ins Haus steht. Wurden sie doch häufig mit Unglück und Verderben in Verbindung gebracht. In alter Zeit wurden die beiden chinesischen Hofastronomen, Hi und Ho, geköpft, weil sie vergaßen, eine Finsternis vorauszusagen. Somit konnten die Menschen nicht rechtzeitig mit Trommeln und Geschrei den Himmelsdrachen vertreiben, der von Zeit zu Zeit die Sonne zu verschlucken, bzw. sie mit seinem Schwanz einzufangen versuchte.
Dass die Sonne wenige Minuten später wieder voll am Himmel stand, half den beiden leider auch nicht mehr.

Geschichten werden um so besser, desto öfter sie erzählt werden. Aus diesem Grunde sind in der Bibel beschriebene Finsternisse, z. B. beim Propheten Amos dann plötzlich stundenlang. Auch zeitlich passen die Beschreibungen nicht immer zu den tatsächlich stattgefundenen Finsternissen. Oft werden sie mit der Zeit günstig hin zu einer Regierungszeit eines bestimmten Imperators oder Königs verschoben, oder mit einem Unglück, z. B. einer Epidemie oder einem Krieg in Verbindung gebracht.

Ein Krieg zwischen den beiden Völkern der Meder und Lüder wurde durch die Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v.Chr. angeblich beendet, und zwar aus Angst, die Götter zürnten ihnen, da die Sonnenfinsternis direkt in das Kampfgetümmel fiel.

Nicht zuletzt fanden Finsternisse sogar in die Literatur hinein. Dazu darf ich euch meinen Artikel „Finsternisse in der Literatur“ wärmstens empfehlen. Ihr glaubt ja gar nicht, welchen Autoren ihr dort begegnen werdet. Außerdem findet ihr dort die wohl schönste und eindrucksvollste Beschreibung einer Sonnenfinsternis, die wahrscheinlich je im deutschsprachigen Raum niedergeschrieben wurde.

Finsternisse können letztlich auch Lebensretter sein. Dazu empfehle ich meinen Artikel „Eine Mondfinsternis als Lebensretterin“.

Wann geschehen sie und wieviele?

Tatsächlich geschehen Finsternisse nicht einfach zufällig. Die Astronomen fanden mehr als eine Regelmäßigkeit bei der Durchsicht alter historischer Finsternisse.
Eine heute ganz verbreitete Regelmäßigkeit ist der Saros-Zyklus.
Betrachtet man eine Sonnen- oder Mondfinsternis, so sagt dieser Zyklus eine weitere Finsternis in 18 Jahren und 11 Tagen voraus. Es gibt natürlich öfter welche, denn verschiedene Zyklen laufen parallel und gleichzeitig ab. Es gibt Jahre mit keiner und maximal Jahre mit bis zu fünf Finsternissen, wobei in diesem Falle nicht alles Sonnenfinsternisse oder Mondfinsternisse sein können. Außerdem ist auch nicht jede Reihenfolge, wie Sonnen- und Mondfinsternisse innerhalb eines Jahres aufeinander folgen, möglich.
Wie funktioniert dieser Saros-Zyklus?

Hierfür müssen wir erst einmal definieren, was ein Monat überhaupt ist.

  • Die älteste Definition eines Monat ist die Zeitspanne zwischen einem und dem darauf folgenden Neumond. Das sind grob vier Wochen. Diesen Mond nennt man den synodischen Monat.
  • Eine weitere Definition erhält man, indem man den Umlauf des Mondes vor dem Sternenhintergrund betrachtet. Man nimmt sich einen Stern und definiert den Monat als die Zeit, bis der Mond wieder auf den Stern zeigt. Diesen Monat nennt man den Siderischen Monat. Er ist zeitlich etwas unterschiedlich zu unserem gewohnten Synodischen Monat.
  • Eine dritte Definition hängt mit der gekippten Mondbahn zur Ekliptik zusammen.
    Die Knotenpunkte, Schnittpunkte der Mondbahn mit der Ekliptik, haben wir schon erwähnt.
    Durchsticht der Mond von unten her kommend an einem Knotenpunkt die Ekliptik, spricht man von einem aufsteigenden Mond, denn er bewegt sich jetzt etwas oberhalb der Erdbahn, bis er am anderen Knotenpunkt die Ekliptik wieder durchsticht, um seine Bahn unterhalb der Erdbahn bis zum anderen Knotenpunkt zu vollenden.
    In Anlehnung an obige Geschichte mit dem Drachen, nennt man diesen Umlauf den Drakonitischen Monat.

Wer aufmerksam gelesen hat, dem fällt sofort ein, dass ich vom Zusammenhang der Finsternisse mit den Knotenpunkten sprach. Das riecht doch förmlich danach, dass man den Drakonitischen Monat mit in die Voraussage von Finsternissen einbeziehen muss.
Außerdem sprach ich davon, dass Sonnenfinsternisse nur bei Neumond und Mondfinsternisse nur bei Vollmond stattfinden. Dieses wiederum schmeckt nach Synodischem Monat.
Wenn beides gegeben ist, sowohl Neumond, als auch Mond auf dem Knotenpunkt, dann findet eine Sf statt.
Das gleiche gilt auch für gleichzeitigen Vollmond und Mond auf Knotenpunkt istgleich Mondfinsternis.

Nehmen wir nun als Startpunkt eine beliebige Sonnenfinsternis und lassen wir den Mond seine Bahn ziehen. Drakonitischer Monat und Synodischer Monat sind nicht gleich lang. Das bedeutet, dass der eine immer etwas früher zu Ende geht, als der andere. Diese Lücke wird zunächst immer größer, bis sie dann von hinten her gesehen wieder kleiner wird und beide Monatsanfänge wieder einmal zusammenfallen.
Wäre der eine Monat genau doppelt so lange, als der andere, würde dies alle zwei Monate geschehen. So kann man sich alle möglichen Zahlenverhältnisse 1/2, 1/4, 3/4 etc. vorstellen.
So einfach macht es uns die Natur nicht. Der Längenunterschied ist ein ganz unschöner Bruch mit vielen Nachkommastellen.
Es müssen 12 * 18 Monate und 11 Tage vergehen, bis wieder beide zu einer Sonnenfinsternis nötigen Bedingungen zusammentreffen.
Alle anderen Finsternisse dazwischen gehören nicht zu unserem beobachteten Zyklus.

Finsternisse als Klang

Wann Sonnenfinsternisse auftreten und wann es sich um normale Neumonde handelt, kann man sich akustisch vielleicht so vorstellen:

Jeder weiß, dass Kirchenglocken sehr chaotisch und unregelmäßig durcheinander klingen. Das liegt daran, dass die großen Glocken langsamer in ihrem Turm schwingen, als das kleine Betzeit-Glöckchen, das ganz aufgeregt auch noch mitbimmeln darf.
Manchmal hört man auch, dass zwei Glocken ab und zu gleichzeitig erklingen, um dann wieder auseinander zu driften.
Im Grunde genommen ist das genau, wie mit den unterschiedlichen Monatslängen, die mehr und mehr auseinander driften, um irgendwann mal wieder für eine Finsternis zusammen zu kommen, gemeinsam zu erklingen, Wer noch die alten Wecker mit Federwerk kennt, konnte das auch erleben.
Ich war stets fasziniert, wie die beiden Wecker meiner Eltern gegeneinander tickten, wie der Abstand zwischen ihnen immer größer wurde, dann wieder kleiner und schließlich hatten die Wecker immer wieder mal ein oder zwei aufeinander folgende Ticks gemeinsam, um sich dann wieder voneinander zu entfernen.

Was passiert also morgen am Himmel über Deutschland

Am 10. Juni 2021 findet eine Sonnenfinsternis statt, die auch aus Deutschland zu sehen ist. Allerdings kann man hierzulande nicht die spektakuläre ringförmige Sonnenfinsternis sehen, die hoch oben im Norden am Himmel bewundert werden kann. Im Gegenteil. Wer nicht weiß, dass gerade eine Sonnenfinsternis (Sofi) stattfindet, wird mit bloßem Auge nichts bemerken.
Doch mit einer geeigneten Ausrüstung kann man das Himmels-Phänomen beobachten und genießen. Ohne bitte nicht versuchen. Das kann zur Erblindung führen.

Die Sonnenfinsternis kann am 10. Juni 2021 hauptsächlich in der nördlichen Polarregion beobachtet werden. In Teilen Kanadas, Grönlands und über dem Nordpol ist die ringförmige Finsternis zu sehen, auch Teile Russlands liegen in der Zone der ringförmigen Sonnenfinsternis. Je weiter südlich man sich beim Blick zum Himmel befindet, desto geringer wird die Bedeckung der Sonne. In Deutschland kann man – ganz im Norden, auf der Insel Sylt – maximal eine Sonnenbedeckung von 21,3 Prozent sehen, bereits in München ist der Prozentsatz der Bedeckung nur noch einstellig (6,3 Prozent).
Hier kommt ein kleiner Fahrplan, was wann zu sehen sein wird.

Ort Bedeckung Zeit Maximale Bedeckung
List (auf Sylt) 21,3 Prozent 11.25-13.43 Uhr 12.33 Uhr
Hamburg 17,3 Prozent 11.28-13.41 Uhr 12.33 Uhr
Berlin 13,4 Prozent 11.36-13.43 Uhr 12.38 Uhr
Frankfurt 11,3 Prozent 11.27-13.27 Uhr 12.25 Uhr
München 6,3 Prozent 11.37-13.22 Uhr 12.28 Uhr

Um die Sonnenfinsternis am 10. Juni 2021 zu beobachten, benötigt man zwingend eine geeignete Schutzausrüstung. Ein Blick in die Sonne ohne passenden Schutzfilter ist gefährlich – Augenschäden bis hin zur Erblindung drohen. Eine Sonnenfinsternisbrille ist die Mindestausstattung für die sichere Beobachtung einer Sonnenfinsternis.

Wer zur Beobachtung der Sonne weitere Hilfsmittel wie ein Fernglas oder Teleskop nutzt, muss eine spezielle Filterfolie vor der Öffnung des Geräts anbringen, oder die Sonne auf einen weißen Schirm projezieren. Da die Vergrößerung auch die Strahlenintensität verstärkt, genügt eine Sonnenfinsternisbrille auf der Nase in diesem Fall nicht. Man kann die Sonne auch durch eine Lochkamera auf einen Schirm werfen. Manchmal hat man beispielsweise unter Bäumen Glück, und es entstehen auf dem Boden durch die Blätter hindurch kleine Kopien der Sonnenscheibe. Vielleicht kann man auch mit dieser Methode kleine vom Mond abgebissene Sönnchen erspähen.

Wann ist die nächste Sonnenfinsternis in Deutschland zu sehen?

Nach der partiellen Sonnenfinsternis vom 10. Juni 2021 kann man in Deutschland in den kommenden Jahren mit mehreren Sonnenfinsternissen rechnen:

  • 25. Oktober 2022: Partielle Sonnenfinsternis (22,9 Prozent Bedeckung in Frankfurt)
  • 29. März 2025: Partielle Sonnenfinsternis (sehr geringe Bedeckung – maximal 25 Prozent auf Sylt)
  • 12. August 2026: Totale Sonnenfinsternis in Spanien (88 Prozent Bedeckung in Frankfurt)
  • Erst diese Finsternis ist wieder richtig beeindruckend. Dann wird ein Großteil der Sonnenscheibe von Deutschland (88 Prozent in Frankfurt) aus bedeckt sein, in Teilen Spaniens kann man sogar eine totale Sonnenfinsternis sehen.

In Teilen Deutschlands konnte man dieses seltene Himmels-Spektakel einer totalen Sonnenfinsternis zuletzt am 11. August 1999 bewundern. Wer diese auch erlebt hat und mit mir etwas alten Erinnerungen nachhängen möchte, bitte hier lang. In meinem Buch habe ich dieser Finsternis ein ganzes Kapitel gewidmet. Wie ich die partielle Sonnenfinsternis von 2015 erlebte, könnt ihr hier nachlesen.
die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland wird erst am 3. September 2081 zu sehen sein. Wenn es gut läuft, kann ich diese vielleicht noch sehr hoch betagt erleben.

Mathematischer Anhang

Da es in Worten sehr schwer ist, den Verlauf einer Sonnenfinsternis zu beschreiben, muss man sich hier, wie so oft, der Mathematik bedienen.
Im Vorfeld zur Sofi von 2015 beantworteten zwei Freunde, die bis heute hier mitlesen mir die Frage nach dem Verlauf, indem sie mir die Mathematik dazu erklärten. Erst danach habe ich das wirklich verstanden.
Hier nun die beiden Ansätze:

  1. Martins Ansatz:
    Betrachtet man nur die Umlaufraten:

    Sonne 360 Grad in 365 Tagen = 0.041 Grad pro Stunde (bezogen auf Himmelshintergrund) 

    Mond 360 Grad in 29 Tagen = 0.54 Grad pro Stunde  (bezogen auf Himmelshintergrund)

    Erde 360 Grad in 24 Stunden = 15 Grad pro Stunde  (bezogen auf Himmelshintergrund; eigentlich 23h56m)

    Da gewinnt die Erde ganz klar das Rennen und der Schatten sollte sich tatsächlich von Ost nach West bewegen. 

    Das wäre aber nur der Fall, wenn der Mond plötlich auf seiner Bahn eingefroren wäre.
    Die Sichtweise / der Standpunkt dieser Betrachtung ist aber irreführend.

    Ein Mensch am Äquator bewegt sich mit ca. 40.000 km / 24 Stunden = 1666 Kilometern pro Stunde von Ost nach West.

    Der Schatten des Mondes bewegt sich in einer Stunde etwas mehr als der Monddurchmesser ca. 3500 Kilometer pro Stunde von West nach Ost. (Etwas mehr, da man eigentlich den überstrichenen Winkel von Sonne-Mond betrachten müsste. Das ist quasi wie ein optisches Hebelgesetz. Je näher der Mond an der Sonne wäre umso größer wäre sein Schatten und umso schneller wäre der Schatten. Da aber dieser Winkel ziemlich klein ist, kann man vereinfachen) Auf jeden Fall ist die Untergrenze der „Schattengeschwindigkeit“ ca. 3500 Kilometer pro Stunde.

    Also bewegt sich der Schatten mit mindestens ca. 1800  (3500 – 1700) Kilometern pro Stunde von West nach Ost. Im hohen Norden und Süden müsste der Schatten noch schneller sein. Habe aber noch nix gefunden, ob das wirklich so ist.

  2. Sebastians Ansatz:
    Vorweg: Ich wollte mir selbst die Lösung überlegen, und habe mir daher den Weg von Martin nicht angeschaut- ich sehe aber, dass wir am Ende auf das gleiche Ergebnis kommen. Sollte also ungefähr passen.

    Halten wir den Moment fest, an dem der Mond zwischen Sonne und Erde steht, und der Kernschatten genau auf mittig auf der Erde liegt, und nehmen den Planeten Erde als Bezugssystem für Geschwindigkeit 0km/h.
    Die Erde hat am Äquator ca. 12’720km Durchmesser, damit ist der Umfang ca. 40’000km, und die Oberflächengeschwindigkeit durch Rotation beträgt (vereinfacht auf die Sonne bezogen und nicht sidirisch) ca. v_E=1’666km/h.
    Der Mond hat einen mittleren Abstand von d_M=384’400km, also eine ungefähre Umlaufbahn von 2’415’256km und eine Umlaufzeit von 27.3d, also bewegt er sich ungefähr mit v_M=3’686km/h in die gleiche Richtung wie die Erde darunter. (Hat natürlich eine viel größere Kreisbahn und überholt deshalb nachts nicht die Erdrotation…)
    Die Erde selbst hat einen Abstand von ca. d_S=149’600’000km von der Sonne, also einen Umkreis von ca. 939’965’000km in 365.25 Tagen, bewegt sich also mit 107’228km/h entgegen der Oberflächengeschwindigkeit oben. Da die Erde als 0km/h gewählt ist, bewegt sich also die Sonne scheinbar mit v_S=107’228km/h in Richtung der betrachteten Oberflächengeschwindigkeit der Erde.

    Die Geschwindigkeiten von Sonne und Mond superponieren sich, d.h. wir können einzeln die Anteile auf die Kernschattengeschwindigkeit berechnen.

    Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die scheinbare Sonnenbewegung v1=(d_M/d_S)*v_S~276km/h.
    Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die Mondbewegung v2=d_S/(d_S-d_M)*v_M~3’695km/h.

    Da sich Mond und Sonne in die gleiche Richtung bewegen, ist die resultierende Geschwindigkeit des Kernschattens zur Erde v=v2-v1~3’419km/h.

    Abzüglich der Geschwindigkeit der mitdrehenden Erdoberfläche erhalten wir in diesem Moment am Äquator die Schattengeschwindigkeit von ca. 1’753km/h. Auf jeden Fall überholt der Schatten die Erdrotation, und damit geht der Schatten tendentiell von Westen nach Osten.

    Natürlich wird der Schatten an den Rändern über der Erdoberfläche „viel schneller“- schon alleine wegen der schrägen Projektion und nach Norden und Süden ist die Oberflächengeschwindigkeit geringer. Und da die Bahnen nicht alle in der gleichen Ebene liegen, verläuft der Schatten auch schräg und alles mögliche. Es kann im Extremfall für einen Punkt auf der Erde der Schatten z.B. von Norden oder Süden kommen- der Schatten ist ja nicht ein „Punkt“, sondern die Fläche kann sich bei diesen Kurven auch „reindrehen“, und so scheinbar komplett von Norden oder Süden kommen.

    Wenn ich mich nicht verrechnet habe, so ist der Anteil durch die Planetenbewegung v_S nicht sehr ausschlaggebend, und die Beschleunigung der Mondgeschwindigkeit durch die Hebelwirkung durch den Abstand sehr gering, da die Sonne so viel weiter weg ist als der Mond von der Erde.

    Die jeweiligen Richtungen der Erde, Mond und Rotationen musste ich nachschlagen, ich hoffe, dass ich da nichts verwechselt habe.

Vielen Dank euch beiden nochmal für diese erhellenden mathematischen Überlegungen.

Zum Vollmond an Halloween 2020


Liebe Leser*innen,

heute möchte ich euch einen weiteren Zyklus am Himmel vorstellen. Ich wurde auf ihn aufmerksam, als 2015 der Vollmond auf den 24.12., Heilig Abend, fiel. Ich war neugierig, wie oft sich das wiederholt und forschte nach.

Heute ist zwar kein Heilig Abend, aber der Vollmond fällt auf Halloween. Halloween, wo alle sich verkleiden und alle Geister Hochkonjunktur haben hat in so fern mit dem Mond zu tun, dass dieser durch alle Kulturen hindurch entweder von Göttern bevölkert, aber auch als Auslöser für Böses und Gruseliges steht.
Außerdem ist dieser Vollmond heute ein Bluemoon. Hat ein Monat, wie in diesem Fall der Oktober 31 Tage, und fällt der Vollmond direkt z. B. auf den 01.10., dann fällt ungefähr 29 Tage später ein zweiter Vollmond in den selben Monat. Wir haben also einen Monat mit zwei Vollmonden. Diesen zweiten Vollmond nennt man dann den blauen Mond…
Und noch etwas ist an diesem Halloween-Vollmond 2020 besonders. Wir hatten hier an anderer Stelle schon häufiger den sog. Supermond erwähnt. Das ist ein Vollmond, der dann stattfindet, wenn sich der Mond auf seiner Bahn am erdnächsten Punkt befindet. Weil der Mond uns dann um etwa 13 % größer erscheint, was mit bloßem Auge niemand sehen kann, nennt man diesen „Riesenmond“ einfach Supermond. Wir haben heute aber das Gegenteil von Supermond, „Minimond“ oder „Sub Moon“. Der Mond befindet sich heute auf seinem erdfernsten punkt auf seiner Bahn, dem Apogäum. Das soll uns aber nicht stören. Seine Wirkung auf Halloween-Geister wird er trotzdem haben..

Findet ihr nicht auch, dass ein Vollmond an Halloween, der gleichzeitig noch ein Bluemoon und ein „Minimond“ ist, ein guter Grund ist, sich mal darüber Gedanken zu machen, wie oft ein bestimmtes Datum, kann auch euer Geburtstag sein, auf einen Vollmond fällt?
Ich finde schon, und außerdem kann ich dann endlich meinen Text zum Weihnachtsvollmond 2015, als es diesen Blog noch nicht gab hervor kramen, ihn geschwind umschreiben und euch schenken.

Es wurde schon bei den alten Griechen ein Zyklus gefunden, ab welchem z. B. der Vollmond wieder auf einen bestimmten Tag des Jahreslaufes fällt. Da diese Regelmäßigkeit mehrere hundert Jahre vor Christus gefunden wurde, suchte der Grieche Meton sicherlich nicht danach, wann der Vollmond wieder auf Halloween fallen würde.
Welches Jahresereignis des damals gültigen Kalenders hier mit dem Vollmond in Verbindung gebracht wurde, ist mir nicht bekannt, die Literatur geht von einer Sonnenwende aus. Muss auch gar nicht, denn man kann diesen Zyklus auf jeden beliebigen Tag des Jahres anwenden, z. B. gehorcht dem Zyklus auch die Frage, wann denn mal wieder Vollmond am Neujahrstag sein wird, oder meinetwegen auch am Tag der Deutschen Einheit.
In einem alten Griechischen Text wird erwähnt:

Diodor schreibt, dass Meton im gleichen Jahr, als Apseudes in Athen das Amt des Archon eponymos bekleidete, auf den 13. Tag des Monats Skirophorion den Beginn seines berechneten neunzehnjährigen Kalendersystems legte.

Dieser Monat war der letzte des vierten Jahres der 86. Olympiade, das von 433 bis 432 v. Chr. reichte. Claudius Ptolemäus bemerkte, dass Meton und Euktemon in diesem Zusammenhang die Sommersonnenwende im Jahre 432 v. Chr. beobachteten. Im gleichen Text gibt er als Tag dafür den 21. Phamenoth im ägyptischen Kalender an. Dieser ist im julianischen Kalender der 27. Juni (22. Juni im gregorianischen Kalender) und gilt auch aus heutiger Sicht als verlässliches Datum für die Sommersonnenwende im Jahre 432 v. Chr.

Auf jeden Fall ist dieser Zyklus immer eine gute Möglichkeit, den Mondkalender mit dem Sonnenjahr neu in Übereinstimmung zu bringen. Man darf sich hier von den verschiedenen Kalendern und den anderen Monatsnamen nicht ins Bochshorn jagen lassen, denn es ist leicht verwirrend.
Dieser Zyklus wiederholt sich alle 19 Jahre. Das bedeutet, dass wir im Jahre 2039 wahrscheinlich wieder einen Halloween- und im Jahre 2034 einen Weihnachtsvollmond haben werden.
Wahrscheinlich sage ich deshalb, weil durch Schalttage etc. der Zyklus auch mal 38 Jahre, also das doppelte, betragen kann.
Bei der Bestimmung des jährlich im julianischen (heute im gregorianischen) Kalender anderen Oster-Termins spielt die 19-Jahre-Periode eine wesentliche Rolle.
Die Mathematik dazu erspare ich uns jetzt. Wer es genauer wissen möchte, kann bei
Wikipedia hervorragend seinen Wissensdurst stillen. Hab ich auch so gemacht.

Und jetzt lade ich euch ein, euch diesen Zyklus sogar akustisch vorzustellen.
Starten wir heute, an Halloween 2020 ein Glockengeläut mit zwei Glocken, von denen die eine immer wieder am 31.10. eines jeden Jahres und die andere immer bei Vollmond erklingt.
Dann wird die rasche Vollmondglocke ungefähr alle 29 Tage erklingen und die Halloween-glocke immer am 31.10. eines jeden Jahres. Die sich zwischen durch ergebenden Fehltöne durch Schalttage, lassen wir hier außen vor, da das sich immer wieder alle vier Jahre korrigiert.
Nun werden sich die beiden Glocken am 31.10.. um einige Tage darum verschieben, wie man das Phänomen hören kann, wenn kleine und große Kirchenglocken sich klanglich zeitlich voneinander entfernen, sich dann wieder annähern und plötzlich mal wieder einen Schlag gemeinsam tun dürfen.
Das geschieht nun im Meto-Zyklus alle 19 Jahre.
Für unser Beispiel bedeutet das, dass die Vollmond-Glocke und die Halloween-Glocke heute ihren gemeinsamen Schlag getan haben und den nächsten 2039 tun werden, spätestens aber 2058.

Wäre mal spannend, wie lange die Seile sein müssten, an welchen diese Glocken hängen, bzw. wie hoch der Glockenturm. Ob der dann schon zum Mond reichte? Diese Pendel-Berechnungen sind bei mir verdammt lang her, dass ich das gelernt habe, aber vielleicht mag ja von euch das mal jemand versuchen. Es wäre ein Juvel in unseren Kommentaren…

Wem das Hörbeispiel hier zu abstrakt erscheint, kann es täglich ausprobieren. Hört einfach mal auf zwei Glocken eines Geläutes und beachtet die anderen dabei nicht. Nehmt die höchste und die tiefste Glocke, dann versteht ihr, was ich meine.

Und hier noch ein akustisches Beispiel:
Kann sich jemand von euch noch an die schönen alten Tick-Tack-Wecker erinnern, die man aufziehen musste?
Wenn man sie auseinander baute, und selbstverständlich nimmermehr wieder ans laufen brachte, dann blieben einem immerhin schöne Zahnräder als Kreisel, die Federn und das leuchtende Ziffernblatt.
Ich war stets fasziniert davon, wie die beiden Wecker auf den Nachttischen meiner Eltern gegeneinander tickten, wie der Abstand zwischen ihnen immer größer wurde, dann wieder kleiner und schließlich hatten die Wecker immer wieder mal ein oder zwei aufeinander folgende Ticks gemeinsam, um sich dann wieder voneinander zu entfernen.
Man stelle sich vor. Ich im „Gräble“ zwischen Mama und Papa höre diese Wecker. Schön, nicht wahr?

Und mit diesem weiteren akustischen Beispiel endet mein heutiger Artikel zum Halloween-Vollmond.

Sonnenfinsternisse in der Literatur


Liebe Leserinnen und Leser,
Heute,21.06.2020 ist Neumond und es findet Vom Kongo bis in den Pazifischen Ozean eine ringförmige Sonnenfinsternis statt. Außerdem ist Sommeranfang. Wie Finsternisse ungefähr funktionieren, beschrieb ich u. A. in Eine Kinderfrage.
Somit betrachten wir heute Sonnenfinsternisse mal aus literarischer Sicht:

Drei Autoren sollen hier zur Sprache kommen, an zumindest derer zweien wohl niemand von uns in der Kindheit vorbei gekommen sein dürfte:
Zum Glück nicht, denn Tom Sawyer von Marc Twain, 20000 Meilen unter dem Meer, in 80 Tagen um die Welt, Reise zum Mittelpunkt der Erde und Der Flug zum Mond von Jules Verne wollte ich nicht missen.

Sonnenfinsternis bei Marc Twain

In einer Erzählung ließ Marc Twain einen Amerikaner durch einen Blitzschlag einen Zeitsprung vollführen. Dieser Mensch taucht nun am 19.06. des Jahres 528 in der Zeit des sagenhaften König Artus wieder auf. Durch zahlreiche Verwicklungen gerät dieser Mann schließlich in das Gefängnis und wurde zum Tode verurteilt.
Er verfügt jedoch über ein Wissen der besonderen Art.
Er sagt für den 21.06.528 eine totale Sonnenfinsternis voraus. Hierdurch erlangte er die Gunst des Königs und letztlich dann auch seine Befreiung. Er wird zum astronomischen Berater des Königs ernannt.

So weit, so gut, aber fand an diesem Tage überhaupt eine Sonnenfinsternis statt, die Atus und seine Mannen hätten sehen können?

Um dieses herauszufinden, müssen wir ein Verzeichnis oder einen Katalog bemühen, in welchem alle Finsternisse der letzten 2000 Jahre verzeichnet sind. Am besten eignen sich hier die Kataloge von Opolzer oder der von Mucke. Selbstverständlich kann man heutzutage auch kostenlose Software, wie Stellarium verwenden, obwohl die je früher man in der Zeit zurückgeht, ihre Grenzen hat.
Im Jahre 528 gab es vier Sonnenfinsternisse, am 06.02, 06.03, am 01.08. und am 30.08. Alle waren partieller Natur.
Da am 01.08. neumond geherrscht haben muss, denn ohne Neumond keine Sf war dies auch einen synodischen Monat vorher, also Anfang Juli der Fall. Der 21.06. war somit kurz nach Vollmond. Ein unmöglicher Zeitpunkt für eine Sf. Vermutlich erfand Twain das Datum einfach.
Schön und spannend bleibt diese Erzählung dennoch.

Jules Vernes Sonnenfinsternis

In dem zweibändigen Roman „Im Land der Pelze“ beschreibt Jules Vern, der Vater der Science Fiction Literatur, die Abenteuer einer Reisegruppe, die nach Alaska kommt.
Unter den Mitreisenden befindet sich ein Astronom. Verne beschreibt ihn als Menschen, der außer seine Sternbeobachtungen nichts zuwege bringt. Dieses jedoch macht ihm keiner gleich. Dieser Astronom, Namens Black, schließt sich der Reisegruppe an, um eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten. Diese soll am 18.06.1860 stattfinden. Gegen 09:30 beginnt die totale Phase der Finsternis. Black und seine Reisegefährten sehen die Sichel des Mondes immer dünner werden. Jeden Moment muss die totale Bedeckung anbrechen. Doch dann geschieht etwas ganz anderes. Black sieht, dass die Mondsichel plötzlich wieder breiter wird und somit die Phase der totalen Bedeckung überhaupt nicht stattfand. Was war hier geschehen? Waren die Kataloge und Voraussagen der Astronomen falsch? Keines Wegs. Die Lösung des Problems war entsätzlich.
Die Gruppe befand sich gar nicht an dem Orte, an welchem sie sich wähnte.
Die Reisegruppe hatte nicht bemerkt, dass die Eisscholle, auf welcher sie sich befand, sich vom Festland gelöst hatte und in südlicher Richtung in wärmere Gewässer durch die Beringsee trieb. Diese Drift brachte die Scholle außerhalb des Streifens der Totalität.
Der Rest des Romans handelt dann davon, wie die Gruppe auf dem Eis um ihr Überleben kämpfte.

Was hat es nun tatsächlich mit der Sonnenfinsternis von Verne auf sich?
Tatsächlich gab es an besagtem Tage eine Sonnenfinsternis, deren Streifen der Totalität sich, wie bei Jules Verne beschrieben, von Alaska, über Kanada und den Atlantik ins Mittelmeer erstreckte.Es ist aber nicht verwunderlich, dass Verne im Gegensatz zu Twain eine tatsächlich stattgefundene Finsternis beschrieb. Der Roman erschien 1873, also 13 Jahre nach der Finsternis. Verne musste sich somit nicht auf Vorausberechnungen stützen, sondern konnte sich auf sicher fundamentiertes gewesenes verlassen.

Sonnenfinsternis bei Adalbert Stifter

Wenn man Sonnenfinsternisse literarisch betrachtet, dann kommt man an Adalbert Stifters Beschreibung einer von ihm selbst beobachteten Sonnenfinsternis nicht vorbei. Für mich stellt sie die schönste deutschsprachige Beschreibung einer Sonnenfinsternis dar, die ich kenne. Sie zu lesen ist etwas viel Text, aber ich garantiere für ein absolutes literarisches und lyrisches Erlebnis.

Der Aufsatz erschien zuerst in der „Wiener-Moden-Zeitung und Zeitschrift für Kunst, schöne Literatur und Theater“ 1842 III. Quartal in drei Folgen.
Ihr findet seinen Text direkt hier unter der Grußformel.

Beste Grüße und viel Lesefreude mit Stifters Beschreibung wünscht euch
euer Blindnerd.

Adalbert Stifters Sonnenfinsternis:
Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842

Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchtbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten. Da ich die Sache recht schön auf dem Papiere durch eine Zeichnung und Rechnung darstellen kann, und da ich wußte, um soundso viel Uhr trete der Mond unter der Sonne weg und die Erde schneide ein Stück seines kegelförmigen Schattens ab, welches dann wegen des Fortschreitens des Mondes in seiner Bahn und wegen der Achsendrehung der Erde einen schwarzen Streifen über ihre Kugel ziehe, was man dann an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten in der Art sieht, daß eine schwarze Scheibe in die Sonne zu rücken scheint, von ihr immer mehr und mehr wegnimmt, bis nur eine schmale Sichel übrigbleibt, und endlich auch die verschwindet – auf Erden wird es da immer finsterer und finsterer, bis wieder am andern Ende die Sonnensichel erscheint und wächst, und das Licht auf Erden nach und nach wieder zum vollen Tag anschwillt – dies alles wußte ich voraus, und zwar so gut, daß ich eine totale Sonnenfinsternis im voraus so treu beschreiben zu können vermeinte, als hätte ich sie bereits gesehen.
Aber, da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand und die Erscheinung mit eigenen Augen anblickte, da geschahen freilich ganz andere Dinge, an die ich weder wachend noch träumend gedacht hatte, an die keiner denkt, der das Wunder nicht gesehen.
Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauer und Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens.
Es war ein so einfach Ding. Ein Körper leuchtet einen andern an, und dieser wirft seinen Schatten auf einen dritten: aber die Körper stehen in solchen Abständen, daß wir in unserer Vorstellung kein Maß mehr dafür haben, sie sind so riesengroß, daß sie über alles, was wir groß heißen, hinausschwellen – ein solcher Komplex von Erscheinungen ist mit diesem einfachen Dinge verbunden, eine solche moralische Gewalt ist in diesen physischen Hergang gelegt, daß er sich unserem Herzen zum unbegreiflichen Wunder auftürmt.
Vor tausendmal tausend Jahren hat Gott es so gemacht, daß es heute zu dieser Sekunde sein wird; in unsere Herzen aber hat er die Fibern gelegt, es zu empfinden. Durch die Schrift seiner Sterne hat er versprochen, daß es kommen werde nach tausend und tausend Jahren, unsere Väter haben diese Schrift entziffern gelernt und die Sekunde angesagt, in der es eintreffen müsse; wir, die späten Enkel, richten unsere Augen und Sehrohre zu gedachter Sekunde gegen die Sonne, und siehe: es kommt – der Verstand triumphiert schon, daß er ihm die Pracht und Einrichtung seiner Himmel nachgerechnet und abgelernt hat – und in der Tat, der Triumph ist einer der gerechtesten des Menschen – es kommt, stille wächst es weiter – aber siehe, Gott gab ihm auch für das Herz etwas mit, was wir nicht vorausgewußt und was millionenmal mehr wert ist, als was der Verstand begriff und vorausrechnen konnte: das Wort gab er ihm mit: „Ich bin – nicht darum bin ich, weil diese Körper sind und diese Erscheinung, nein, sondern darum, weil es euch in diesem Momente euer Herz schauernd sagt, und weil dieses Herz sich doch trotz der Schauer als groß empfindet“. – Das Tier hat gefürchtet, der Mensch hat angebetet.
Ich will es in diesen Zeilen versuchen, für die tausend Augen, die zugleich in jenem Momente zum Himmel aufblickten, das Bild und für die tausend Herzen, die zugleich schlugen, die Empfindung nachzumalen und festzuhalten, insofern dies eine schwache menschliche Feder überhaupt zu tun imstande ist.
Ich stieg um 5 Uhr auf die Warte des Hauses Nr. 495 in der Stadt, von wo aus man die Übersicht nicht nur über die ganze Stadt hat, sondern auch über das Land um dieselbe, bis zum fernsten Horizonte, an dem die ungarischen Berge wie zarte Luftbilder dämmern. Die Sonne war bereits herauf und glänzte freundlich auf die rauchenden Donauauen nieder, auf die spiegelnden Wasser und auf die vielkantigen Formen der Stadt, vorzüglich auf die Stephanskirche, die fast greifbar nahe an uns aus der Stadt, wie ein dunkles, ruhiges Gebirge, emporstand.
Mit einem seltsamen Gefühl schaute man die Sonne an, da an ihr nach wenigen Minuten so Merkwürdiges vorgehen sollte. Weit draußen, wo der große Strom geht, lag ein dicke, langgestreckte Nebellinie, auch im südöstlichen Horizonte krochen Nebel und Wolkenballen herum, die wir sehr fürchteten, und ganze Teile der Stadt schwammen in Dunst hinaus. An der Stelle der Sonne waren nur ganz schwache Schleier, und auch diese ließen große blaue Inseln durchblicken.
Die Instrumente wurden gestellt, die Sonnengläser in Bereitschaft gehalten, aber es war noch nicht an der Zeit. Unten ging das Gerassel der Wägen, das Laufen und Treiben an – oben sammelten sich betrachtende Menschen; unsere Warte füllte sich, aus den Dachfenstern der umstehenden Häuser blickten Köpfe, auf Dachfirsten standen Gestalten, alle nach derselben Stelle des Himmels blickend, selbst auf der äußersten Spitze des Stephansturmes, auf der letzten Platte des Baugerüstes stand eine schwarze Gruppe, wie auf Felsen oft ein Schöpfchen Waldanflug – und wie viele tausend Augen mochten in diesem Augenblicke von den umliegenden Bergen nach der Sonne schauen, nach derselben Sonne, die Jahrtausende den Segen herabschüttet, ohne daß einer dankt – heute ist sie das Ziel von Millionen Augen, aber immer noch, wie man sie mit dämpfenden Gläsern anschaut, schwebt sie als rote oder grüne Kugel rein und schön umzirkelt in dem Raume.
Endlich zur vorausgesagten Minute – gleichsam wie von einem unsichtbaren Engel – empfing sie den sanften Todeskuß, ein feiner Streifen ihres Lichtes wich vor dem Hauche dieses Kusses zurück, der andere Rand wallte in dem Glase des Sternenrohres zart und golden fort – „es kommt“, riefen nun auch die, welche bloß mit dämpfenden Gläsern, aber sonst mit freien Augen hinaufschauten – „es kommt“, und mit Spannung blickte nun alles auf den Fortgang.
Die erste, seltsame, fremde Empfindung rieselte nun durch die Herzen, es war die, daß draußen in der Entfernung von Tausenden und Millionen Meilen, wohin nie ein Mensch gedrungen, an Körpern, deren Wesen nie ein Mensch erkannte, nun auf einmal etwas zur selben Sekunde geschehe, auf die es schon längst der Mensch auf Erden festgesetzt.
Man wende nicht ein, die Sache sei ja natürlich und aus den Bewegungsgesetzen der Körper leicht zu berechnen; die wunderbare Magie des Schönen, die Gott den Dingen mitgab, frägt nichts nach solchen Rechungen, sie ist da, weil sie da ist, ja sie ist trotz der Rechnungen da, und selig das Herz, welches sie empfinden kann; denn nur dies ist Reichtum, und einen andern gibt es nicht – schon in dem ungeheuern Raume des Himmels wohnt das Erhabene, das unsere Seele überwältigt, und doch ist dieser Raum in der Mathematik sonst nichts als groß.
Indes nun alle schauten und man bald dieses, bald jenes Rohr rückte und stellte und sich auf dies und jenes aufmerksam machte, wuchs das unsichtbare Dunkel immer mehr und mehr in das schöne Licht der Sonne ein – alle harrten, die Spannung stieg; aber so gewaltig ist die Fülle dieses Lichtmeeres, das von dem Sonnenkörper niederregnet, daß man auf Erden keinen Mangel fühlte, die Wolken glänzten fort, das Band des Wassers schimmerte, die Vögel flogen und kreuzten lustig über den Dächern, die Stephanstürme warfen ruhig ihre Schatten gegen das funkelnde Dach, über die Brücke wimmelte das Fahren und Reiten wie sonst, sie ahneten nicht, daß indessen oben der Balsam des Lebens, Licht, heimlich versiege, dennoch draußen an dem Kahlengebirge und jenseits des Schlosses Belvedere war es schon, als schliche eine Finsternis oder vielmehr ein bleigraues Licht, wie ein wildes Tier heran – aber es konnte auch Täuschung sein, auf unserer Warte war es lieb und hell, und Wangen und Angesichter der Nahestehenden waren klar und freundlich wie immer.
Seltsam war es, daß dies unheimliche, klumpenhafte, tief schwarze, vorrückende Ding, das langsam die Sonne wegfraß, unser Mond sein sollte, der schöne sanfte Mond, der sonst die Nächte so florig silbern beglänzte; aber doch war er es, und im Sternenrohr erschienen auch seine Ränder mit Zacken und Wulsten besetzt, den furchtbaren Bergen, die sich auf dem uns so freundlich lächelnden Runde türmen.
Endlich wurden auch auf Erden die Wirkungen sichtbar und immer mehr, je schmäler die am Himmel glühend Sichel wurde; der Fluß schimmerte nicht mehr, sondern war ein taftgraues Band, matte Schatten lagen umher, die Schwalben wurden unruhig, der schöne sanfte Glanz des Himmel erlosch, als liefe er von einem Hauche matt an, ein kühles Lüftchen hob sich und stieß gegen uns, über die Auen starrte ein unbeschreiblich seltsames, aber bleischweres Licht, über den Wäldern war mit dem Lichterspiele die Beweglichkeit verschwunden, und Ruhe lag auf ihnen, aber nicht die des Schlummers, sondern die der Ohnmacht – und immer fahler goß sich’s über die Landschaft, und diese wurde immer starrer – die Schatten unserer Gestalten legten sich leer und inhaltslos gegen das Gemäuer, die Gesichter wurden aschgrau – – erschütternd war dieses allmähliche Sterben mitten in der noch vor wenigen Minuten herrschenden Frische des Morgens.
Wir hatten uns das Eindämmern wie etwa ein Abendwerden vorgestellt, nur ohne Abendröte; wie geisterhaft ein Abendwerden ohne Abendröte sei, hatten wir uns nicht vorgestellt, aber auch außerdem war dies Dämmern ein ganz anderes, es war ein lastend unheimliches Entfremden unserer Natur; gegen Südost lag eine fremde, gelbrote Finsternis, und die Berge und selbst das Belvedere wurden von ihr eingetrunken – die Stadt sank zu unsern Füßen immer tiefer, wie ein wesenloses Schattenspiel hinab, das Fahren und Gehen und Reiten über die Brücke geschah, als sähe man es in einem schwarzen Spiegel – die Spannung stieg aufs höchste – einen Blick tat ich noch in das Sternrohr, er war der letzte; so schmal wie mit der Schneide eines Federmessers in das Dunkel geritzt, stand nur mehr die glühende Sichel da, jeden Augenblick zum Erlöschen, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, daß bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten – sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders als wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück – es war ein überaus trauriger Augenblick – deckend stand nun Scheibe auf Scheibe – und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte – das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges „Ah“ aus aller Munde, und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.
Hatte uns früher das allmähliche Erblassen und Einschwinden der Natur gedrückt und verödet, und hatten wir uns das nur fortgehend in eine Art Tod schwindend gedacht: so wurden wir nun plötzlich aufgeschreckt und emporgerissen durch die furchtbare Kraft und Gewalt der Bewegung, die da auf eimmal durch den ganzen Himmel ging: die Horizontwolken, die wir früher gefürchtet, halfen das Phänomen erst recht bauen, sie standen nun wie Riesen auf, von ihrem Scheitel rann ein fürchterliches Rot, und in tiefem, kaltem, schwerem Blau wölbten sie sich unter und drückten den Horizont – Nebelbänke, die schon lange am äußersten Erdsaume gequollen und bloß mißfärbig gewesen waren, machten sich nun geltend und schauerten in einem zarten, furchtbaren Glanze, der sie überlief – Farben, die nie ein Auge gesehen, schweiften durch den Himmel.
Der Mond stand mitten in der Sonne, aber nicht mehr als schwarze Scheibe, sondern gleichsam halb transparent wie mit einem leichten Stahlschimmer überlaufen, rings um ihn kein Sonnenrand, sondern ein wundervoller, schöner Kreis von Schimmer, bläulich, rötlich, in Strahlen auseinanderbrechend, nicht anders, als gösse die obenstehende Sonne ihre Lichtflut auf die Mondeskugel nieder, daß es rings auseinanderspritzte – das Holdeste, was ich je an Lichtwirkung sah!
Draußen weit über das Marchfeld hin lag schief eine lange, spitze Lichtpyramide gräßlich gelb, in Schwefelfarbe flammend und unnatürlich blau gesäumt; es war die jenseits des Schattens beleuchtete Atmosphäre, aber nie schien ein Licht so wenig irdisch und so furchtbar, und von ihm floß das aus, mittels dessen wir sahen. Hatte uns die frühere Eintönigkeit verödet, so waren wir jetzt erdrückt von Kraft und Glanz und Massen – unsere eigenen Gestalten hafteten darinnen wie schwarze, hohle Gespenster, die keine Tiefe haben; das Phantom der Stephanskirche hing in der Luft, die andere Stadt war ein Schatten, alles Rasseln hatte aufgehört, über die Brücke war keine Bewegung mehr; denn jeder Wagen und Reiter stand und jedes Auge schaute zum Himmel.
Nie, nie werde ich jene zwei Minuten vergessen – es war die Ohnmacht eines Riesenkörpers, unserer Erde.
Wie heilig, wie unbegreiflich und wie furchtbar ist jenes Ding, das uns stets umflutet, das wir seelenlos genießen und das unseren Erdball mit solchen Schaudern zittern macht, wenn es sich entzieht, das Licht, wenn es sich nur kurz entzieht.
Die Luft wurde kalt, empfindlich kalt, es fiel Tau, daß Kleider und Instrumente feucht waren – die Tiere entsetzten sich; was ist das schrecklichste Gewitter, es ist ein lärmender Trödel gegen diese todesstille Majestät – mir fiel Lord Byrons Gedicht ein: Die Finsternis, wo die Menschen Häuser anzünden, Wälder anzünden, um nur Licht zu sehen – aber auch eine solche Erhabenheit, ich möchte sagen Gottesnähe, war in der Erscheinung dieser zwei Minuten, daß dem Herzen nicht anders war, als müsse er irgendwo stehen.
Byron war viel zu klein – es kamen, wie auf einmal, jene Worte des heiligen Buches in meinen Sinn, die Worte bei dem Tode Christi: „Die Sonne verfinsterte sich, die Erde bebte, die Toten standen aus den Gräbern auf, und der Vorhang des Tempels zerriß von oben bis unten.“
Auch wurde die Wirkung auf alle Menschenherzen sichtbar. Nach dem ersten Verstummen des Schrecks geschahen unartikulierte Laute der Bewunderung und des Staunens: der eine hob die Hände empor, der andere rang sie leise vor Bewegung, andere ergriffen sich bei denselben und drückten sich – eine Frau begann heftig zu weinen, eine andere in dem Hause neben uns fiel in Ohnmacht, und ein Mann, ein ernster fester Mann, hat mir später gesagt, daß ihm die Tränen herabgeronnen.
Ich habe immer die alten Beschreibungen von Sonnenfinsternissen für übertrieben gehalten, so wie vielleicht in späterer Zeit diese für übertrieben wird gehalten werden; aber alle, so wie diese, sind weit hinter der Wahrheit zurück. Sie können nur das Gesehene malen, aber schlecht, das Gefühlte noch schlechter, aber gar nicht die namenlos tragische Musik von Farben und Lichtern, die durch den ganzen Himmel liegt – ein Requiem, ein Dies irae, das unser Herz spaltet, daß es Gott sieht und seine teuren Verstorbenen, daß es in ihm rufen muß: „Herr, wie groß und herrlich sind deine Werke, wie sind wir Staub vor dir, daß du uns durch das bloße Weghauchen eines Lichtteilchens vernichten kannst und unsere Welt, den holdvertrauten Wohnort, einen fremden Raum verwandelst, darin Larven starren!“
Aber wie alles in der Schöpfung sein rechtes Maß hat, auch diese Erscheinung, sie dauerte zum Glücke sehr kurz, gleichsam nur den Mantel hat er von seiner Gestalt gelüftet daß wir hineingehen, und Augenblicks wieder zugehüllt, daß alles sei wie früher.
Gerade, da die Menschen anfingen, ihren Empfindungen Worte zu geben, also da sie nachzulassen begannen, da man eben ausrief: „Wie herrlich, wie furchtbar“ – gerade in diesem Momente hörte es auf: mit eins war die Jenseitswelt verschwunden und die hiesige wieder da, ein einziger Lichttropfen quoll am oberen Rande wie ein weißschmelzendes Metall hervor, und wir hatten unsere Welt wieder – er drängte sich hervor, dieser Tropfen, wie wenn die Sonne selber darüber froh wäre, daß sie überwunden habe, ein Strahl schoß gleich durch den Raum, ein zweiter machte sich Platz – aber ehe man nur Zeit hatte zu rufen: „Ach!“ bei dem ersten Blitz des ersten Atomes, war die Larvenwelt verschwunden und die unsere wieder da: und das bleifarbene Lichtgrauen, das uns vor dem Erlöschen so ängstlich schien, war uns nun Erquickung, Labsal, Freund und Bekannter, die Dinge warfen wieder Schatten, das Wasser glänzte, die Bäume waren wieder grün, wir sahe uns in die Augen – siegreich kam Strahl an Strahl, und wie schmal, wie winzig schmal auch nur noch erst der leuchtend Zirkel war, es schien, als sei uns ein Ozean von Licht geschenkt worden – man kann es nicht sagen, und der es nicht erlebt, glaubt es kaum, welche freudige, welche siegende Erleichterung in die Herzen kam: wir schüttelten uns die Hände, wir sagten, daß wir uns zeitlebens daran erinnern wollen, daß wir das miteinander gesehen haben – man hörte einzelne Laute, wie sich die Menschen von den Dächern und über die Gassen zuriefen, das Fahren und Lärmen begann wieder, selbst die Tiere empfanden es; die Pferde wieherten, die Sperlinge auf den Dächern begannen ein Freudengeschrei, so grell und närrisch, wie sie es gewöhnlich tun, wenn sie sehr aufgeregt sind, und die Schwalben schossen blitzend und kreuzend hinauf, hinab, in der Luft umher.
Das Wachsen des Lichtes machte keine Wirkung mehr, fast keiner wartete den Austritt ab, die Instrumente wurden abgeschraubt, wir stiegen hinab, und auf allen Straßen und Wegen waren heimkehrende Gruppen und Züge in den heftigsten, exaltiertesten Gesprächen und Ausrufungen begriffen. Und ehe sich noch die Wellen der Bewunderung und Anbetung gelegt hatten, ehe man mit Freunden und Bekannten ausreden konnte, wie auf diesen, wie auf jenen, wie hier, wie dort die Erscheinung gewirkt habe, stand wieder das schöne, holde, wärmende, funkelnde Rund in den freundlichen Lüften, und das Werk des Tages ging fort.
Wie lange aber das Herz des Menschen fortwogte, bis es auch wieder in sein Tagewerk kam, wer kann es sagen? Gebe Gott, daß der Eindruck recht lange nachhalte, er war ein herrlicher, dessen selbst ein hundertjähriges Menschenleben wenige aufzuweisen haben wird. Ich weiß, daß ich nie, weder von Musik noch Dichtkunst, noch von irgendeiner Naturerscheinung oder Kunst so ergriffen und erschüttert worden war – freilich bin ich seit Kindheitstagen viel, ich möchte fast sagen, ausschließlich mit der Natur umgegangen und habe mein Herz an ihre Sprache gewöhnt und liebe diese Sprache, vielleicht einseitiger, als es gut ist; aber denke, es kann kein Herz geben, dem nicht diese Erscheinung einen unverlöschlichen Eindruck zurückgelassen habe.
Ihr aber, die es im höchsten Maße nachempfunden, habet Nachsicht mit diesen armen Worten, die es nachzumalen versuchten, und so weit zurückgeblieben. Wäre ich Beethoven, so würde ich es in Musik sagen; ich glaube, da könnte ich es besser.

Zum Schlusse erlaube man mir noch zwei kurze Fragen, die mir dieses merkwürdige Naturereignis aufdrängte:

Erstens: Warum, da doch alle Naturgesetze Wunder und Geschöpfe Gottes sind, merken wir sein Dasein in ihnen weniger, als wenn einmal eine plötzliche Änderung, gleichsam eine Störung derselben geschieht, wo wir ihn dann plötzlich und mit Erschrecken dastehen sehen? Sind diese Gesetze sein glänzendes Kleid, das ihn bedeckt, und muß er es lüften, daß wir ihn selber schauen?

Zweitens: Könnte man nicht auch durch Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge von Lichtern und Farben eben so gut eine Musik für das Auge wie durch Töne für das Ohr ersinnen? Bisher waren Licht und Farbe nicht selbstständig verwendet, sondern nur an Zeichnung haftend; denn Feuerwerke,Transparente, Beleuchtungen sind doch nur zu rohe Anfänge jener Lichtmusik, als dass man sie erwähnen könnte. Sollte nicht durch ein Ganzes von Lichtakkorden und Melodien eben so ein Gewaltiges, Erschütterndes angeregt werden können, wie durch Töne? Wenigstens könnte ich keine Symphonie, Oratorium oder dergleichen nennen, das eine so hehre Musik war, als jene, die während der zwei Minuten mit Licht und Farbe an dem Himmel war, und hat sie auch nicht den Eindruck ganz allein gemacht, so war sie doch ein Teil davon.

Finsterniskataloge dienen eigentlich nicht dazu, Schriftstellern auf die Finger zu schauen, was ihre Finsternisse betrifft. Aber für die Historie sind sie unverzichtbar. Viele Finsternisse oder Ereignisse wurden mit der Zeit von einem zum anderen Erzähler oder Schreiber derart verschoben, dass Katastrophen, Krisen, verlorene Kriege etc. gerne mit Finsternissen zusammen gelegt wurden.

Mensch und Mond – Hat der Mond Einfluss auf uns Menschen?


Liebe Leserinnen und Leser,

jeder von uns kennt jemanden, der sein Leben in der ein oder anderen Weise am Mond ausrichtet. Manche schlafen schlecht bei Vollmond, andere pflanzen, sähen und ernten nur bei zunehmendem oder abnehmendem Mond, manche schneiden die Haare nach dem Mond und wieder andere putzen ihre Fenster nach ihm. Vielleicht richtet sich ja von euch auch jemand in irgend einer Weise nach dem Mond, oder hat Erfahrungen mit ihm gemacht, z. B. schlecht Schlafen bei Vollmond, oder so. Es geht mir in diesem Artikel ganz gewiss nicht darum, euch davon zu überzeugen, dass der Mond keinen Einfluss auf den Menschen hat. Dazu kenne ich viel zu viele sehr realistisch und wissenschaftlich denkende Menschen, die mir von ihren Erfahrungen berichteten. So sagte mir vor vielen Jahren beispielsweise unser Trainer, dass er sehen könne, wenn Vollmond ist, an der Art, wie wir spielen. Er meinte, dass wir härter spielten, wenn Turniere zufällig auf einen Vollmond fielen. Er ist ein Mensch, der absolut nicht esoterisch unterwegs ist. Selbiges gilt auch für meine Großeltern. Meine Oma richtete ihre Gartenarbeit zumindest ansatzweise nach dem Mond aus. Neulich unterhielt ich mich mit einem sehr alten und erfahrenen Förster und Landwirt, der mir von seinem Mondholz erzählte. Es wird um Weihnachten herum bei abnehmendem Mond geschlagen und soll resistenter gegen Schädlinge sein, bessere Brennwerte und auch sonst bessere Eigenschaften haben. Auch dieser Mensch ist ein sehr bodenständiger Mann und ein hervorragender Beobachter von Wetter, Sternen, Mond und Natur.

Wissenschaftlich ist scheinbar all diesen Phänomenen nicht bei zu kommen. Deshalb bleibt mir in diesem Artikel nur, das zusammen zu tragen, was die Wissenschaft über die Wechselwirkung des Mondes und über unsere Beziehung zum Mond zu sagen hat. Ich selbst fühle und sehe den Mond nicht. Dennoch kenne ich so viele glaubwürdige Menschen, die irgendwie Monderfahrung machten und machen. Was dran ist, weiß ich nicht, aber ich habe keinen Grund und kein Recht, ihre Erfahrungen in Abrede zu stellen, oder sie für dumm oder abergläubisch zu erklären. Belassen wir es also in diesem Artikel vielleicht bei der Tatsache, dass es viele Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wir wissenschaftlich noch nicht begriffen haben und dass,was ein Mensch fühlt und erlebt, ein anderer bezogen auf den Mond nicht unbedingt auch erleben kann oder soll.
Also, nun zur Wissenschaft:

Verbrechen und Selbstmorde bei Vollmond

Immer wieder hört man, dass bei Vollmond die Selbstmordrate und die Anzahl der Verbrechen steigen würde. Dass viele nicht schlafen können, sagte ich schon. Es lohnt sich also, der Frage nachzugehen, ob es nicht vielleicht doch eine rationale Erklärung für die scheinbar periodischen Verhaltensänderungen der Menschen geben könnte. Zunächst mal gehe ich davon aus, dass niemand wirklich glaubt, dass das Mondlicht dem Menschen etwas böses antun kann. Da ist die Sonne mit ihrer Strahlung deutlich gefährlicher. Niemand bekommt im Mondlicht einen „Mondbrand“ auf der Haut und Hautkrebs löst dieses schwache und wunderbare Licht sicher auch nicht aus. Mondlicht ist ja sowieso vom Mond reflektiertes Sonnenlicht, das lediglich etwas polarisiert ist. Somit handelt es sich zumindest für Sonnenanbeter um etwas durchaus vertrautes. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die seltsamen Geschehnisse nur bei Vollmond passieren und nur genau in der Vollmondnacht. Das ist seltsam, weil der Mond doch schon ein zwei Nächte vor Vollmond und danach sehr hell ist. Sollte es dann nicht so sein, dass beispielsweise die Verbrechen langsam schon wenige Tage vor Vollmond ansteigen, und wenige Tage nach ihm, wieder sinken? Nein, nur an Vollmond steigt die Rate. Das Argument, die Nacht sei gerade bei Vollmond besonders hell, was zu vermehrter Aktivität, also auch zu mehr Verbrechen führe, ist somit wegen des obigen Argumentes schon hinfällig. Die nächte sind davor oder danach ganz ähnlich hell. Allerdings kenne ich schon auch Menschen, die genau das sagen, dass sie nicht nur bei Vollmond, sondern auch einige Nächte um Vollmond herum schlecht schlafen. Man kann sich natürlich an dieser Stelle auch fragen, ob die scheinbare Wirkung des Mondlichts auch bei bedecktem Himmel oder hinter verschlossenen Läden funktioniert. Nicht zuletzt sollte das Licht unserer Städte eine weitaus größere Wirkung auf uns Menschen haben. Wäre dem so, dann würde man endlich entschiedener und konsequenter gegen die zunehmende Lichtverschmutzung unseres Nachthimmels vorgehen.
Zum Licht wäre noch zu sagen, dass die Menschheit vor 1901 die ultraviolette Strahlung der Sonne noch nicht kannte, und dennoch einen Sonnenbrand bekommen konnte. Vor dieser Entdeckung wussten die Menschen sicherlich, dass man einen Sonnenbrand bekommt, wenn man sich zu lange in ihrem Licht aufhält, ohne die Haut zu bedecken, aber dass es das Sonnenlicht direkt ist, konnte man nur vermuten. Wahrscheinlicher ist an dieser Stelle, dass die Menschen den Sonnenbrand wohl eher ihrer Hitze zuschrieben, als ihrem Licht. In so fern ist es möglich, dass es wie heute beim Mond Menschen gegeben haben mag, die sagten, das Sonnenlicht würde den Sonnenbrand verursachen und andere, die meinten, dass das nicht sein könne, weil bei anderem Licht die Haut schließlich auch nicht verbrenne.
Abschließend ist zum Licht noch anzumerken, dass es nur „Licht“ gibt. Mondlicht ist physikalisch reflektiertes Sonnenlicht…
Wie auch immer. Ich habe die Verbrechens-Statistik nicht studiert. Somit kann es durchaus sein, dass die Rate vor Vollmond langsam zu nimmt und danach wieder langsam abfällt. Ich persönlich bezweifle das zwar, aber lassen wir es mal dabei und sehen weiter.

Fernwirkung des Mondes

Wenn es also möglicherweise nicht das Mondlicht ist, das Menschen bei Vollmond zu Werwölfen macht, dann muss es etwas sein, das subtilerer Art als das Mondlicht ist und auch durch Wolken wirkt. Und ja, da gibt es tatsächlich etwas, das vom Mond her auf die Erde und uns Menschen wirkt und durch alle Wolken und sonstigen Barrieren hindurch geht. Es ist seine Gravitation. Jeder weiß, dass sie für Flut und Ebbe, für die Gezeiten verantwortlich ist. Da die Erde sich unter dem Mond hindurch dreht, wandert die Flut entgegen der Drehrichtung. Ein Wasserberg befindet sich stets ungefähr unter dem Mond und ein weiterer auf der gegenüberliegenden Seite der Erde. Ebbe und Flut hängen auch von der Stellung von Mond und Sonne ab, da auch die Sonne natürlich eine Gravitation auf die Erde ausübt und somit können sich beide Kräfte, die von Sonne und Mond, addieren oder subtrahieren. Bei ersterem kommt es zu Springfluten. Wie die Gezeiten im einzelnen funktionieren, erspare ich uns an dieser Stelle, denn der Artikel wird ohne hin schon etwas länglich werden.

Die Gezeiten sind an den Stränden unserer Weltmeere zu erkennen. Der Mond wirkt also auf riesige Mengen von Salzwasser. Der Mensch besteht auch zu über 70 % aus Salzwasser. Da kann man sich schon die Frage stellen, ob der Mond vielleicht nicht auch „Gezeiten“ in unserem Körper bewirkt. Es könnte doch sein, dass in uns auch eine kleine Ebbe oder Flut stattfindet, die dann unser Verhalten und Leben beeinflussen.

Allerdings erreichen die Gezeiten auch bei Neumond ihren Höchststand. Dann sollten sich die Menschen vielleicht doch auch bei Neumond zumindest tagsüber merkwürdig verhalten, denn nachts gibt es bei Neumond bekanntlich kein Mondlicht. Es wird aber immer nur vom Vollmond gesprochen.

Lasst uns ungeachtet dessen trotzdem mal erforschen, welche Wirkung die Gezeiten auf den menschlichen Körper aus physikalischer Sicht haben.
Die Gezeiten werden durch die Anziehung von Mond und Erde auf der ganzen Welt, also auch in uns im Laufe des Tages hervorgerufen. Die Stärke der Anziehung ist proportional abhängig vom Quadrat des Abstandes, in unserer Betrachtung vom Abstand Erde-Mond. Das bedeutet, dass wenn der Mond doppelt so weit von der Erde entfernt wäre, würde nur noch ein viertel der jetzigen Gravitation wirken. Dann wären auch die Gezeiten deutlich schwächer.
Für die Erde bedeutet das, dass sie der Gravitation des Mondes auf der ihr zugewandten Seite stärker ausgesetzt ist, als die gegenüber liegende. Die Erde hat immerhin einen Durchmesser von etwa 12700 km. Da wirkt sich das im Vergleich Erde-Mond-Abstand von ungefähr 350.000 km schon aus.
Die Erde wird quasi in die Länge gezogen, so dass auf beiden Seiten eine Ausbuchtung entsteht.
Da das Wasser das beweglichste sichtbare Medium auf Erden ist, sehen wir diese Beulen anhand der Flutberge. Es gibt sie auch in der Atmosphäre und sogar das Land hebt und senkt sich nach den Gezeiten. Die Erde wird quasi durchgeknetet, weil sie sich unter dem Mond hindurch dreht. Werden wir auch durchgewalgt, wie ein Teig?

Nehmen wir für die folgende Überlegung einen Menschen von 1,8 m Größe an, der unter dem Mond steht. Seine füße werden somit um eins geteilt durch (Erd-Mondabstand) zum Quadrat weniger vom Mond angezogen als sein Kopf. Der wird um (Erd-Mondabstand minus Körperlänge) zum Quadrat mehr vom Mond angezogen. Die Erde ist über sieben Millionen mal dicker als der Mensch. Wir kommen somit zum Ergebnis, dass die Gezeitenwirkung auf einen Menschen nur ein Fünfzigstel Trillionstel mal so stark ist, wie die, welche für die Dehnung der Erde sorgt.

Bezieht man nun die Erdmasse, die Mondmasse und die Gravitationskonstante mit in die Rechnung ein, so wird aus dem Bruch der Rechnung eine Kraft. Das erspare ich uns jetzt. Auf jeden Fall ist sicher, dass diese Gezeitenkraft extrem winzig ist. Sie reicht sicher nicht aus, um uns zu beeinflussen.
Wer mag, kann das ja mal nachrechnen und das Ergebnis in die Kommentare dieses Artikels posten. Ganz ehrlich. Ich müsste jetzt auch kurz in die Newtonschen Gravitationsgleichungen schauen. Ich erinnere mich aber, dass wir derlei in meinem Fall vor ungefähr 35 Jahren mal im Physikunterricht berechnen mussten. Ich erinnere mich auch noch, dass ich 15 Punkte für diese Physikarbeit bekam. Da ich kein Genie in Mathe bin, kann ich sagen, dass die Berechnung machbar ist. Also, ran ans Werk.

Welch ein Jammer. Das Mondlicht und die Gravitation scheinen also aus wissenschaftlicher Sicht für die Mondfühligkeit und der damit einher gehenden Verhaltensänderungen der Menschen auszuscheiden. Was ist es denn dann?

Die Innere Uhr

Kann es vielleicht sein, dass uns die Evolution eine innere Uhr für den Vollmond mitgegeben hat?

Ich kenne niemanden, der nach Gefühl den Vollmond ansagen kann. Da ich mich viel unter blinden und sehr sensiblen Menschen bewege, sollte mir, wenn es diesen Sensor gäbe, mindestens schon ein Mensch begegnet sein, der den Mond ansagen hätte können. Ich wähle meine blinden Mitmenschen, weil damit die visuelle Wahrnehmung ausgeschlossen ist. Das ist für unsere wissenschaftlichen Betrachtungen äußerst wichtig, damit man sich nicht auf den Sehsinn zurück ziehen kann. Selbst Menschen, die am Meer leben, können Ebbe und Flut ohne Sichtkontakt zur See und ohne Kalender nicht exakt voraussagen. Man könnte erwägen, dass die Evolution uns dennoch einen Mondsensor mitgegeben hat. Sicher ist es so, dass der Mond für die Urmenschen eine wichtige Rolle spielte. Konnte man doch in seinem Licht Früchte sammeln und nachts jagen. Außerdem konnte man eventuell die Dunkelheit bei Neumond für nächtliche überraschende Angriffe nutzen. Am Wasser lebende Menschen könnten eventuell ein Gefühl für Ebbe und Flut ausgebildet haben. Schließlich besitzen wir ja auch noch das Ende unserer Wirbelsäule, was einst ein Schwanz war und den Wurmfortsatz (Blinddarm), den wir schon seit Millionen von Jahren nicht mehr benutzen. Wieso sollte uns dann nicht auch ein Sonnen- oder Mondsensor geblieben sein, obwohl unser Leben heutzutage von ganz anderen Zyklen getaktet werden?

Eine Tatsache ist, dass für ein Leben nach Sonne und Mond der Sehsinn ausreichen sollte, was ein derartiges evolutionäres Überbleibsel einer Sonnen- oder Monduhr in Form eines Organs vermutlich unnötig macht, und dass sich derlei je entwickelt haben soll.
Es braucht wahrscheinlich kein spezielles Organ zur Mondfühlung. Gegen solch eine innere „Monduhr“ spricht auch, dass die Evolution dem Menschen nicht mal eine innere Sonnenuhr verpasst hat. Dabei ist der Tag-Nacht-Rhythmus doch viel entscheidender für uns, als der Lauf des Mondes bei Nacht. Es ist wissenschaftlich hervorragend belegt, dass die biologische Uhr des Menschen auseinander driftet und vom Tag-Nacht-Rhythmus abweicht, wenn man Menschen ständiger Helligkeit oder Dunkelheit aussetzt. Bei manchen läuft die innere biologische Uhr etwas länger als ein Tag, bei anderen etwas kürzer.
Wir synchronisieren uns täglich mit den Augen neu. Bei manchen blinden Menschen, die das nicht können, kommt die Innere Uhr derart durcheinander, dass sich ihre Wach- und Schlaf-Phasen über Tage hinweg verschieben, je nach dem, ob ihre innere Uhr einen längeren oder kürzeren Tag vorgibt. Manche werden krank davon. Diese Menschen muss man dann medikamentös synchronisieren. Glücklicherweise gibt es seit kurzem eine Behandlung und einen Namen, Non-24, für diese Krankheit.
Dass die innere Uhr anders läuft, hat die Evolution sinnvoll eingerichtet, denn nur so sind wir in der Lage, mal wach zur Stelle zu sein, wenn es sein muss und eigentlich nicht in den normalen Rhythmus passt. Kinder müssen nachts gesäugt werden, was den Rhythmus und die biologische Uhr unterbricht.
Und damit sind wir bei unseren Frauen.

Der Mond und unsere Frauen

Man hört oft, dass der monatliche Zyklus unserer Frauen mit den Phasen unseres Mondes verläuft. Ist das wirklich so?

Der weibliche Zyklus ist tatsächlich auffallend nahe am Zyklus unseres Mondes. Immerhin steckt im Wort „Menstruation“ das lateinische Wort „Mensis“ für Monat. Das heißt aber gar nicht viel, wenn es derlei Ähnlichkeiten zweier Wörter gibt. Schließlich nennen wir die Ureinwohner Amerikas auch Indianer, weil Kolumbus glaubte, in Indien gelandet zu sein.
Die Menschenfrau ist eine von ganz wenigen Spezies, die in dieser Weise menstruiert. Einzig Primaten haben eine vergleichbare Regel. Allerdings ist diese bei verschiedenen Arten von Primaten sehr unterschiedlich lang. Alleine bei den Menschenfrauen entspricht der Zyklus der Regel ungefähr einem Monat.
Als erstes fällt beim Vergleich von Mond- und Menstruationskalendern auf, dass bei vielen Frauen zwar der Zyklus von ungefähr 28 Tagen regelmäßig stattfindet, aber alle mit ihrer Menstruation zu verschiedenen Zeitpunkten beginnen und enden. Ein Baum blüht, wenn die Jahreszeit danach ist, und mit ihm tun das dann in einer Gegend alle seine Artgenossen ungefähr zur gleichen Zeit. Das ist seltsam, denn bei den Frauen ist das scheinbar nicht so. Wäre es nicht praktisch, sie würden beispielsweise alle bei Vollmond menstruieren? Das ist aber längst noch nicht alles, was es zu dieser „Seltsamkeit“ zu sagen gibt.
Der Mond umrundet die Erde einmal in ungefähr siebenundzwanzig Tagen. Das kann man messen, indem man beobachtet, wie lange der Mond benötigt, wenn man die Zeit stoppt, bei welcher der Mond vor einem gewissen Stern steht, und beispielsweise voll ist und abwartet, bis er wieder dort angekommen ist. Diese Zeitspanne nennt man den siderischen Monat. Und der ist ungefähr 27 Tage lang. Ja, stimmt. die Erde dreht sich um die Sonne, und somit sollte sich der Winkel zum beobachteten Stern auch ändern. Tut er auch, aber der Abstand Erde-Stern ist so groß, dass man das ohne Hilfsmittel nicht sehen kann.

Von Vollmond zu Vollmond, also auch von Neumond zu Neumond, vergehen etwas mehr als neunundzwanzig Tage. Diese Zeitspanne nennt man den synodischen Monat. Synodisch steht für Zusammenkunft von Erde, Mond und Sonne. Wieso sind diese beiden Monats-Definitionen so unterschiedlich lang? Das ist ganz einfach zu erklären. Indem der Mond einmal um die Erde läuft, also in etwa 27 Tagen, bewegt sich die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne etwa um 30 Grad weiter nach links. Das bedeutet, wenn der Mond wieder bei unserem Stern angekommen ist, mit welchem wir die Zeit des siderischen Monats starteten, ist der Mond durchaus noch nicht wieder voll. Er muss dafür der Sonne hinterher laufen. Das verlängert die Zeit des synodischen Monats auf ungefähr 29 Tage.
Irgendwo dazwischen liegt die Dauer des Zyklus der Frauen und die fangen, wie gesagt, sehr unterschiedlich und durchaus nicht bei einem bestimmten Mondstand an. Es gibt keinen Tag im Jahr, an dem nicht ungefähr vier Prozent der Frauen mit ihrer Mensis beginnen.
Ich habe davon gehört, dass sich die Mensis von Frauen, die gemeinsam in einem Haushalt wohnen, manchmal angleicht. Das hat aber nichts mit dem Mond zu tun. Möglicherweise ist für dieses Phänomen ein schwacher „Menstruations-Duft“ verantwortlich. Vielleicht ist dieses etwas ganz altes, was die Evolution einrichtete, um die in Horden lebenden Urmenschen zu bevorteilen. Ich bin zu wenig Biologe, um beantworten zu können, nach welcher Frau eines solchen Haushaltes sich die anderen orientieren.
Nun, ich bin ein Mann und habe im Grunde nichts zu dieser Erfahrung beizutragen. Allerdings bin ich Beobachter genug, um erlebt zu haben, wie überrascht Frauen sein können, wenn ihre Regel zu früh einsetzt, bzw. wie entzückt oder erschreckt sie sind, wenn dies um einige Tage zu spät passiert. Der Mond ist aber stets pünktlich. Alleine diese Tatsache drängt die Überlegung auf, dass der weibliche Zyklus vermutlich auch nicht vom Lauf des Mondes abhängt.
Dass er ungefähr mit dem Mondlauf im Gleichschritt geht, ist wahrscheinlich reiner Zufall.

Fazit

Ich möchte an dieser Stelle zum Schluss nochmals betonen, dass ich niemandem seinen Mondglauben nehmen möchte. Eingangs sagte ich, dass ich Monderfahrungen von sehr intelligenten, gebildeten und naturerfahrenen Menschen hören durfte. Ich sage nochmal, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde geben mag, die wir nicht verstehen, bzw. noch nicht verstanden haben. Es sei jeder und jedem ungenommen, weiterhin sein Leben nach dem Mond auszurichten. Es schadet nicht.

So, das war mal wieder ein etwas längerer Artikel. Ich konnte hier nur zusammentragen, was ich wissenschaftlich über die Beziehung „Mond -> Mensch“ finden konnte. Es mag sein, dass ich nicht alles berücksichtigt habe. Sollte ich jemandem zu nahe getreten sein, der sich stark am Lauf des Mondes orientiert, so bitte ich aufrichtig um Entschuldigung. Ich habe diesen Artikel nicht aus missionarischen Gründen gegen den Mondeinfluss geschrieben, sondern weil mich das Thema und die Menschen, die Monderfahrungen haben, schon immer faszinierten.

Es grüßt euch ganz herzlich
euer Blindnerd.

Parken im All


Liebe Leserinnen und Leser,

Vor sechs Jahren hatte ich mit meinem Freund Volker, der Pfarrer ist und auch hier mitließt, eine ganz interessante Unterhaltung über Weltraum-Missionen, Satelliten für Navis und auf welche Bahnen man verschiedene Missionen oder Satelliten schicken sollte, damit sie ihre Aufgabe möglichst gut erfüllen können.
Da wir neulich wieder darauf kamen und das Thema auch durch Twitter rauschte, möchte ich meine Ausführungen gerne hier mit euch teilen.

Tanz mit der Erde

Bei Aufgaben, wo es wichtig ist, dass man von der Erde aus stehts von der gleichen Stelle aus Sicht auf den Satelliten hat, schickt man sie auf eine geosynchrone Umlaufbahn. Der Satellit umläuft die Erde synchron zur Erddrehung ein mal täglich. Die einfachste Bahn dieser Art ist die geostationäre Umlaufbahn.
Die liegt ungefähr 36.000 Kilometer über dem Äquator. Es gibt noch weitere geosynchrone Bahnen.
Diese Bahnen eignen sich gut für Satelliten zur Kommunikation, Navigation und zur Wetterbeobachtung.

Welch ein Gezerre

Für andere Aufgaben aus Erdnähe wird es dann mit den Bahnen etwas kompliziert.
Ein Hauptproblem ist die Tatsache, dass immer mehrere Körper mit ihren Gravitationskräften an unserer gedachten Raumsonde ziehen.
Da zieht die Sonne mit ihrer ungeheuren Masse, die Erde, in deren Nähe sich unsere Sonde befindet, der Mond zieht, wenn er gerade mal vorbei kommt und auch die riesigen Gasplaneten, wie unser Jupiter ziehen an der Sonde.
Als erstes dürfte den Menschen aufgefallen sein, dass Kometen, deren wiederkunft vorausberechnet war, sich verspäten können, weil sie unterwegs von anderen Körpern, wie dem Jupiter abgelenkt wurden.
Dieses Spiel der Kräfte wird dann schnell chaotisch und die Sonde muss mittels Treibstoff ihre Bahn korrigieren.
Das ist bei mehr als zwei Körpern, die sich gegenseitig beeinflussen, nicht mehr mit einer geschlossenen Formel, wie den Newtonschen Bewegungsgleichungen oder den Keplerschen Gesetzen zu lösen. Es gibt jedoch numerische Verfahren, wie man die Bahnen von derartigen Drei-Körper-Systemen, z. B. Erde-Sonne-Raumsonde, Stück für Stück berechnen kann.

Bei einigen Missionsaufgaben lässt sich aber enorm Treibstoff sparen, weil es für zwei größere Körper, z. B. Erde und Sonne die einen für ihre Verhältnisse sehr kleinen Körper, eine Raumsonde, beeinflussen Punkte gibt, bei denen man quasi kostenlos mitreisen kann. Treibstoff braucht man dann nur noch, damit man in der Nähe dieser Lagrange-Punkte, benannt nach dem Mathematiker Joseph-Louis Lagrange bleibt. Etwas korrigieren muss man schon, denn zum einen wird unser Drei-Körper-System ja auch von anderen Massen gestört, und zum anderen gibt es an den Lagrange-Punkten nichts, worum man kreisen könnte.
Es sind Punkte, bei denen sich die Zugkräfte auf unsere Sonde der im system befindlichen großen Massen, addieren, subtrahieren oder ergänzen.

Der Parkplatz an der Sonne

Nehmen wir das System bestehend aus Erde, Sonne und einer Sonde zur Sonnenbeobachtung an.
Nun ist man natürlich daran interessiert, möglichst viele Sonnenstunden zu haben, am bessten immer. Kein Tag-Nacht-Rhythmus oder ein Mondschatten soll die Beobachtung stören, und wenig Treibstoff soll die Sonde natürlich auch verbrauchen, denn wir wollen sie ja lange nutzen.
Der beste Parkplatz für so eine Sonde ist der Lagrange-Punkt eins. Er liegt zwischen Erde und Sonne.
An diesem Punkt ziehen in unserem Beispiel Erde und Sonne gleich stark von gegenüberliegenden Seiten an der Sonde, und halten sie auf diesem Punkt fest. Da die Erde deutlich weniger Masse als die Sonne besitzt, liegt dieser Punkt näher an der Erde.
Er liegt ungefähr 1,5 Mio Kilometer von der Erde aus gesehen in Richtung Sonne. Das ist gerade mal ein Prozent der ganzen Strecke Erde-Sonne.
Und was an dem Punkt noch praktisch ist, die Erde zieht unsere Sonde mit sich auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne. Somit hat die Sonde den Stern stets im Blick und die Antenne für die Daten zeigt immer brav in Richtung Erde. Klar, die dreht sich natürlich einmal täglich unter der Sonde hindurch, das stört aber nicht, weil es Empfangsantennen für die Daten um den ganzen Erdball verteilt gibt, oder man speichert die Daten und schickt sie dann zur Erde, wenn sich die Heimat-Antenne unter der Sonde vorbei bewegt. Und wenn nicht gerade eine Sonnenfinsternis stattfindet, dürfte nicht mal der Mond mit seinem Schatten störend durch den Datenstrahl zur Erde laufen. Wir merken also: Der LagrangePunkt L1 Erde-Sonne ist ein idealer Parkplatz für Beobachtungen unseres Sterns.
Es sei denn, man möchte auch die Pole der Sonne sehen, dann ist L1 nicht geeignet.
Tatsächlich befinden sich Raumsonden zur Sonnenbeobachtung in Lagrange-Punkt eins des Erde-Sonne-Systems.

Der Punkt ohne Rückkehr

Natürlich gibt es auch im System Erde-Mond einen eigenen L1. Dieser könnte interessant sein, wenn man nicht die Erde, sondern den Mond beobachten möchte. Da der Mond uns aber stets die gleiche Seite zeigt, wäre hier vermutlich nicht viel spannendes zu sehen. Ich glaube, es gibt derzeit keine Sonde in diesem Punkt.
Der Abstand zu L1(Erde-Mond) ist für Mondfahrer interessant. Er liegt etwa 326.000 Kilometer in Richtung Mond. Der Abstand Erde-Mond beträgt im Mittel 384.400 Kilometer. Da der Mond deutlich weniger Masse als die Erde besitzt, liegt dieser L1 natürlich näher bei ihm. Befindet man sich näher als dieser Abstand beim Mond, dann wird man von ihm angezogen. Das bedeutete für die Apollo-Missionen, dass es von da ab nicht mehr möglich war, ohne Triebwerk zur Erde zurück zu fallen (Point of no return).

Im Schatten

Wer wünscht sich im Sommer keinen Parkplatz unter einem schattigen Baum.
Bei vielen Missionen ist es auch so, dass gerade die Sonne mit ihrer Wärme und ihrem Licht stört. Aus diesem Grunde parkte man die beiden WeltraumteleskopeHerschel und Planck, die u. A. Beobachtungen im Infrarot-Bereich, also Wärme, machen sollten, in L2(Erde-Sonne). Dieser liegt von der Sonne aus gesehen 1,5 Mio Kilometer hinter der Erde auf einer Linie mit Erde, L1 und der Sonne.
Aktuell befindet sich dort Das Weltraumteleskop Gaia, das im Schatten der Erde Sterne zählt und katalogisiert.
Das astronomisch teure und viel verspätete Teleskop, James Webb, soll auch im L2-Punkt des Erde-Sonne-Systems geparkt werden.

Die dunkle Seite

L2(Erde-Mond) liegt auf der Rückseite des Mondes, die uns stets abgewandt ist.
Vom Erdmittelpunkt aus gemessen, liegt der Punkt 449 km entfernt knapp hinter dem Mond auf der Verbindungslinie Erde-Mond, auf welcher sich auch L1 dieses Systems befindet. Bis vor kurzem war dieser Punkt für die Raumfahrt nicht sehr spektakulär. Das änderte sich jedoch, seit China einen Rover und eine Sonde auf der Rückseite des Mondes landete.
Der Kommunikationssatellit von Chang’e-4 ist am L2-Punkt geparkt (genauer umkreist L2). Somit stellt er Funkkontakt vom Lander und Rover zur Erde her.

Wo liegt die „Gegenerde“?

Im Fall Sonne-Erde liegt der dritte Lagrange-Punkt auf der uns gegenüberliegenden Seite der Sonne, knapp 190 km weiter weg von der Sonne als die Erde. In diesem Punkt bewirken die (gleichgerichteten) kombinierten Anziehungskräfte von Erde und Sonne wieder eine Umlaufdauer, die gleich der der Erde ist.
Schwurbler vermuten hier eine „Gegenerde“ die man nie zu sehen bekommt.
Meines Wissens kann man mit diesem Punkt in der Raumfahrt nicht viel anfangen, weil kein Funkkontakt zur Erde möglich wäre. Die risige Sonne mit ihrem eigenen Radio-Programm wäre immer störend im Wege.
Leben sollte man dort aber schon können.

L3 Erde-Mond liegt auf der Verbindungslinie Erde-Mond, etwa 382,500 Kilometer hinter der Erde vom Mond aus betrachtet.

Trojaner und blinde Passagiere

L4 und L5 solcher Systeme sind für Asteroiden-Forscher interessant.
Sie bilden jeweils ein gleichseitiges Dreieck mit den beiden massereichen Körpern eines derartigen Systems. Beim System Erde-Sonne läge dann die Sonne auf einer, die Erde auf der zweiten und die Sonde auf der dritten Ecke dieses gleichseitigen Dreiecks.
Im Falle Erde-Sonne liegt in Bewegungsrichtung der Erde um die Sonne gedacht, L4 60 Grad vor und L5 60 Grad hinter der Erde.
Wer mag, kann ja mal mit dem Abstand Erde-Sonne von 150 Mio Kilometern das Dreieck aufspannen und berechnen.

Manchmal kommt es vor, dass sich ein kleiner Asteroid als blinder Passagier in L4 oder L5 eines solchen Systems parkt. Unsere Erde führt einen sog. Trojaner in einem dieser Punkte mit. Auch bei Jupitermonden hat man schon Trojaner gefunden.
Selbstverständlich sind auch Trojaner in den anderen Lagrange-Punkten (L1, L2 und L3) denkbar.

Zusammenfassung

Also, nochmal zusammengefasst:

  • Wir haben ein System von zwei massereicheren und einem im verhältnis sehr leichten und kleinen Körper.
  • Insgesamt gibt es in solchen Systemen fünf Lagrange-Punkte.
  • Die ersten drei liegen auf der Verbindungslinie der beiden massereichen Körper, in unserem Beispiel Erde-Sonne.
  • L1 befindet sich dabei zwischen Erde und Sonne an dem Punkt, wo sich deren Schwerkräfte aufheben.
  • L2 befindet sich auf der Verbindungslinie hinter dem masseärmeren Körper (Erde im Beispiel). An ihm addieren sich beide Massen der körper und gleichen sich mit der Masse der Sonde aus.
  • L3 liegt auch auf der Verbindungslinie, doch hinter dem massereicheren Körper (sonne).
    Hier subtrahiert sich die Masse des kleineren Körpers (Erde) von der des größeren (Sonne).
  • Der vierte und fünfte Lagrange-Punkt bilden mit den beiden Körpern jeweils die Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks
    (also mit einem Winkel von je 60 Grad).
  • Der Vollständigkeit halber muss hier unbedingt nochmal erwähnt werden, dass die Abstände zwischen den Körpern stets von deren Mittelpunkten aus gemessen werden, da ihre Volumina nichts damit zu tun haben.
  • Also nochmal: Auf einer Linie liegen im Erde-Sonne-System von links nach rechts
    L2, Erde, L1, Sonne, L3.
    L4 und L5 spannen mit Erde und Sonne dann jeweils ein gleichseitiges Dreieck auf.
    L4 läge dann in unserem Beispiel 60 Grad oberhalb vor der Erde in Richtung Sonne und L5 60-Grad unterhalb.
  • Allen fünf Lagrange-Punkten ist gemeinsam, dass man auf ihnen mit dem kleineren Körper, der um den größeren kreist, kostenlos mitreisen kann.

Epilog

So, jetzt hoffe ich, dass ich das einigermaßen anschaulich auch ohne Bild beschreiben konnte.
Mir ist das immer ganz wichtig, dass ich auch von sehenden Menschen Rückmeldungen bekomme, ob meine Erklärungen stimmen.
Es könnte ja sein, dass ich als Blinder zu manchen Dingen eine ganz falsche Vorstellung habe.
Andererseits muss ich mir die Sachen irgendwie auch so klar machen, dass ich sie erklären kann. Ich kann nicht einfach mal etwas einfach so hin zeichnen. Allerdings tue ich das im Kopf trotzdem.
Ich stelle es mir ungefähr so vor:
Wenn ich über Gaia in L2 erzähle, dann ist es in meiner Vorstellung so, dass ich mit der Sonde fliege, fast, dass ich die Sonde bin.
Ich höre dann quasi hinter mir die Erde mit ihrem Schatten und schaue mit meinem Kopf dorthin, wo gaia hin sehen soll.
Sie beschreibt eine Lissajous-Figur um L2, wofür sie Treibstoff benötigt.
Das mit der Lissajous-Figur ist zwar etwas theoretischer, aber ich weiß, dass Gaia immer so fliegen muss, damit ihre Sonnenpaddel aus dem Erdschatten kommen, um Sonnenenergie zu tanken.
Gaja vollführt noch eine Drehung um sich selbst. Die lassen wir hier mal in der Vorstellung besser weg, um jegliche Raumkrankheit zu vermeiden.

So, meine lieben, das war jetzt wieder etwas länger. Ich hoffe, es hat etwas gefallen und war interessant.
Wenn ja, dann lesen, liken, teilen und oder kommentieren. Ach ja, das Gewinnspiel läuft noch. Wer einen Beitrag kommentiert, könnte einen Ende August einen kleinen astronomischen Preis von mir erhalten…

Gehabt euch wohl,
tragt fleißig eure Masken,
passt auf euch und andere auf und bleibt gesund.

Es grüßt euch
Euer Blindnerd.