Inklusiv von allen Seiten – mein Auftritt in Gundelfingen


Liebe Leserinnen und Leser,
Nein, jetzt kommt kein Artikel über 50 Jahre Mondlandung, aber sie kommt durchaus darin vor. Wieso sollte ich hier wiederholen, was andere schon in Presse, Büchern, Rundfunk, Fernsehen und Podcasts darüber erzählten. Es gibt so wunderbare Quellen zur Mondlandung, die kann man nicht toppen und muss es auch nicht.
Ihr bekommt schon noch was zum Mond, aber heute teile ich etwas anderes mit euch:

Von langer Hand geplant, von der kommunalen Inklusionsvermittlerin Gundelfingen koordiniert und organisiert, von Medien begleitet etc. durfte ich am Vorabend zur Mondlandung einen ganz wunderbaren Vortrag in der Mediathek Gundelfingen halten
Dieses Event lief so beispielhaft inklusiv ab, dass ich darüber schreiben möchte, obwohl ich ansonsten kaum über meine Veranstaltungen schreibe. Das wäre dann auch zu viel Bauchpinselei.
Hier erscheint der Artikel zunächst ohne Bilder. Die werden nach und nach ergänzt. Deshalb lohnt es sich, auch später nochmal auf den Artikel zu gehen.

Aufmerksam wurde die Organisatorin durch eine
Radiosendung die der Evang. Rundfunk im Januar um Dreikönig herum ausstrahlte.
Dank an dieser Stelle an meinen blinden Freund, der Journalist ist und dort arbeitet und mir das ermöglicht hat.
Sie rief mich an und fragte mich, ob ich zu einer Veranstaltung bereit wäre. Sofort sagte ich zu, denn meine Erfahrung ist, dass meine Veranstaltungen im ländlicheren Raum tendenziell besser besucht, und organisiert sind und familiärer ablaufen.
Die Organisatorin des ganzen sitzt selbst im Rollstuhl und arbeitet am Max-Plank-Institut in Freiburg.
Schon im Vorfeld des Vortrages wurde mir klar, dass diese Veranstaltung ein Highlight werden könnte.
Es war selbstverständlich, dass ich vom Gleis in Freiburg abgeholt werden muss, weil ich mit Astrokoffer in einer unbekannten Umgebung nicht öffentlich fahren kann.
Die Mutter der Macherin stand mir hier auch über die ganze Zeit meines Aufenthaltes in Gundelfingen zur Seite.
Nun ging es darum, den Vortrag dort zu bewerben. Hierfür wurde organisiert, dass mich eine freischaffende Journalistin anrief, um mit mir ein Telefoninterview für die Badische Zeitung zu führen.
Natürlich mache ich bei so etwas mit, schraube aber meine Erwartungen über die Qualität und den Inhalt der Presseartikel eher nicht so hoch.
Meist geht Presse so, dass man interviewt wird und dann mit schmerzverzerrtem Gesicht in der Zeitung lesen muss, was man gesagt haben soll, welche Meinung man zu etwas angeblich habe und in meinem Fall konnt dann natürlich die Blindheit und die Astronomie dazu. Da passiert es dann schon mal, dass dem Schreiber die Sache entgleist.
Nicht so bei der Badischen Zeitung.
Die Reporterin war sehr sensibel. Sie stellte hervorragende Fragen, war super vorbereitet, hatte gut im Vorfeld recherchiert und wahrnehmbar in mein Buch geschaut.
Ich schreibe das an dieser Stelle, weil ganz besonders über Menschen mit Behinderungen oft respektlos, falsch, bemitleidend oder sonst wie bevormundend geschrieben wird.
Dieser sehr lange Artikel ist so inklusiv und würdig, wie ich das noch niemals erlebt habe, und ich habe viel erlebt. Meine Pressemappe ist mit den Jahren dick geworden.
Ganz besonders war hier auch, dass ich den Text gegenlesen durfte, und Vorschläge oder Korrekturen einbringen durfte.
Leider steht der Artikel verständlicher Weise hinter der Paywall für die Abonnenten, so dass ich ihn hier nicht bringen kann, aber vielleicht hat ja die eine oder andere Person die Gelegenheit ihn zu lesen.
Kurz vor dem Vortrag gab es dann noch eine Ankündigung für die Veranstaltung, bei der im wesentlichen der Klappentext meines Buches zu lesen war.
Nun zur Veranstaltung selbst.
Es lief schon extrem gut an. Meine Züge waren super pünktlich, die Klimaanlagen funktionierten und die Umsteigehilfe lies mich nicht mit Rucksack und Astrokoffer im Regen stehen.
Sogar die Legorakete hat den Transport und den Vortrag überstanden. Ich habe allerdings nicht die ganze Rakete dabei gehabt, sondern nur Brennstufe drei mit Servicemodul, Mondlandefähre und weils schöner aussieht mit der Rettungsrakete an der Spitze, die zum Zeitpunkt der Abtrennung von Stufe II,  dort nicht mehr hin gehört.
Wenn man die Kleinteile außen abbaut, kann man die einzelnen Brennstufen wie Dosen mit Blasensack-Folie einschlagen. Klappt super gut.
In Freiburg hat mich die Organisatorin der Veranstaltung mit ihrer Mutter abgeholt. Mutter und Tochter haben ein  gemeinsames Auto, was die Rollstuhlfahrerin per Hand lenken, bremsen etc. kann, oder die Mutter auf herkömmliche Art fährt. Ein Roboterarm hilft, den Rollstuhl zu verstauen und auch wieder auszupacken.
Man wünscht sich das nicht, aber es funktioniert richtig cool. Super, dass die Technik heute für die Rollstuhlfahrer so etwas bereit hält.
Zunächst brachten  sie mich in meine kleine Pension, damit ich mich einrichten konnte. Die haben nur zwei Zimmer, die sie vermieten. Die Frau des Hauses fragte mich, was ich gerne frühstücken wolle, denn sie geht jetzt einkaufen.
Naja, ich bin da anspruchslos, aber für hausgemachtes Rührei nach quasi „badischer Hausfrauenart“, habe ich mich dann doch entschieden, weil ich das sonst nie bekomme.
Gegen 16:00 Uhr haben mich dann die beiden Damen ohne Auto abgeholt. Die Mutter schob die Tochter im Rollstuhl und ich hing mit dem Astrokoffer hinten dran.
Ich denke, dass das ziemlich cool ausgesehen haben könnte.
Wir sind dann noch was essen gegangen. Habe mir Schweinelendchen gegönnt.
Danach ging es dann zur Gundelfinger Mediatek. Ein Neubau mit allen Vor- und Nachteilen, die ein Neubau so haben kann. Ich will mal ehrlich einen Architekten sehen, der Gebäude plant, die nachher ihren Zweck optimal erfüllen, die man gut belüften kann, wo die Beschallung stimmt, der Sonnenschutz dann zu geht, wenn Sonne da ist etc.
Wir haben uns darüber amüsiert, weil es bei jedem Neubau irgendwie immer dasselbe ist und es irgendwo klemmt.

Mein Saal war wie ein Treibhaus, aber es war genug zum trinken da.
Nachdem ich aufgebaut hatte, füllte sich der Raum auch schon langsam.
Beim Aufbau und auch beim Abbau musste ich leider den Aktionismus mancher „Landfrauen“ bremsen, die meinten, mir helfen zu wollen.
Mir kann man aber am Astrokoffer nicht helfen, weil sonst die Katastrophe ausbricht und ich den Überblick verliere. Stellt euch vor, jemand hätte die Rakete herunter geworfen.
Die bekommt man ohne Handbuch nicht mehr zusammen.
Das tut mir ja dann immer Leid, dass ich so abweisend sein muss, aber es geht wirklich nicht anders.
Und leider ist es aus gut gemeinten Gründen dann oft so, dass durch das Helfersymdrom leider bei manchen, Entschuldigung, dass ich das jetzt so sage, „das Hirn ausfällt“.
Vom Beschützerinstinkt eines Sehenden dann doch zielsicher in das Hindernis und nicht wie der Plan des Helfers war, darum herum geführt zu werden,
Bis hin zu einem Totalschaden einer Gitarre die ein Guckling mir auf der Bühne reichen sollte,habe ich hier schon viele vermeidbare Katastrophen erlebt…
Deshalb hier meine drei Schritte, für ein erfolgreiches Helfen:
Fragen, denken, helfen. So klappts meistens…
Ich vertröste sie dann immer und sage, dass es schon noch genügend gibt, wo ich gerne Hilfe annehme. Nämlich dann, wenn es nur noch darum geht, die Modelle und Bücher zu drapieren.
Kurz vor dem Vortrag war noch Zeit, um mit den ankommenden einen Sekt zu trinken. Ich liebe Sekt vor Auftritten.
Den gab es in der Pause und danach auch noch.
Die Gundelfinger Gemeinde hat die Sektbar etc. gesponsert. Das hat die Veranstaltung unheimlich aufgewertet und verlieh ihr etwas edles und exklusives und für mich etwas wertschätzendes.
Nun ging es also los.

Einführung

Der Raum war mit etwa 50 Personen voll besetzt.
Wahnsinn, und das an einem heißen Freitag Sommerabend.

Zeigt von hinten, dass der Vortragsraum voller Publikum sitzt.
Bild Raumansicht voller Publikum

Wie immer führte ich provokant mit der Frage ins Thema ein, was es überhaupt für einen Sinn macht, sich mit Astronomie zu beschäftigen, wenn man keine Sterne sehen kann.
Es macht einen Sinn, denn man kann sich hier mit Grundsatzfragen beschäftigen, die uns alle angehen.
Selbst dann, wenn man einen Schöpfer zugrunde legt, kann man sich fragen, wie er alles geschaffen hat.
Dann lieferte ich Thesenartig Gründe, wo auch sehende Astronomen nichts sehen können, z. B. dunkle Materie, schwarze Löcher etc.
Daten von Infrarotteleskopen, wie dem Hubble, müssen auch für sehende Astronomen aufbereitet werden. Wieso dann nicht auch akustisch? Ist in dem Fall fast dasselbe.

Erlebnis Astronomie Inklusiv

Nun stieg ich in die Inklusion ein, indem ich Beispiele aufführte, wie ich Astronomie inklusiv erlebe, z. B.
Die Sonnenfinsternis vom 11.08.1999wie ich derlei mit Universe2Go, dem sprechenden Handplanetarium erlebe und wie ich einmal eine Einführungsveranstaltung darüber hielt, welches Instrument man sich für welche Beobachtung anschaffen könnte. Ja, da fragte mich mal ein Veranstalter, ob ich so einen Vortrag halten würde. Ich fand es spannend und sagte zu. Ist doch nur bissel Optik, die uns übrigens in der Hauptschule vorenthalten wurde, weil wir Licht nicht sehen könnten. Wie unverschämt, denn in meinem Nebenfach Physik, stellte ich fest, dass Optik super logisch und erklärbar ist, auch wenn man das Licht nicht sieht… Vier Wochen später rief er mich wieder an und entschuldigte sich und bedauerte, was ihm da schlimmes peinliches passiert sei, einen Blinden nach derlei zu fragen.
Ich war noch nicht lange dabei und somit hatte er das nicht auf dem Schirm. Er kannte mich wahrscheinlich nicht mal.
Naja, wass sollte ich ihm sagen. Die Sache war noch schlimmer, denn der Vortrag war schon fertig…
Ich machte mir den Spaß und deckte meine Blindheit erst mit der letzten Folie auf. Inklusiv war das allemal.
Klar habe ich für die Erstellung der Folien, wie immer sehende Hilfe benötigt.
In meinem Buch gibt es noch weitere Beispiele für gelebte Inklusion in der Astronomie.

Die Leiterin der Mediathek hält eine taktile Sonnenfinsternis ins Publikum
Taktile Sonnenfinsternis ins Publikum halten

Hörastronomie

Nach diesem Lesungsblog wechselte ich das Medium und wir legten unser Ohr ans Teleskop. Über den Erden- oder Sonnenton der alten Völker, der Kakophonie aller verklanglichten Planetenbahnen, das Radioprogramm von Sonnenwind und Polarlichtern bis hin zum Klang des Jupiter, Pulsaren und verschmelzenden schwarzen Löchern, zeigte ich auf, wie viele Dinge im All hörbar gemacht werden können.
Ich schrieb darüber in
Mit dem Ohr am Teleskop
und in Klingende Planetenbahnen
Weitere Artikel zu Hörastronomie werden folgen.
Nach dem Ohr am Teleskop kam dann ein Novum, was ich so noch nie gemacht hatte, aber künftig immer tun werde.

Aktivpause

Ich setzte das haptische Erlebnis mit meinen Modellen und den Buchverkauf nicht mehr, wie bisher ans Ende der Veranstaltung, sondern machte quasi eine Aktivpause mit den Teilnehmenden. So können mir die Leute nicht so weg rennen, und der Buchverkauf läuft deutlich besser.
Ich verkaufe mein Buch so, dass jeder gibt, was es ihm wert ist. Größer sieben Euro sollte es aber schon sein.
Der Vorteil ist, dass die Leute die Hemmschwelle nicht haben, sich mit mir und Geld etc. einlassen zu müssen.
Viele hält das vom Buchkauf ab, bzw. sie bestellen es dann bei Amazon, oder gar nicht, wenn man wieder im Alltag steckt.
Der Buchverkauf ist ja nicht das primäre Ziel des Abends, aber diesmal habe ich bei 50 Teilnehmern um 20 Bücher verkauft. Der Schnitt ist genial.
Und die Kasse stimmt auch einigermaßen. Viele geben dann halt nur 10 anstelle von 14 Euro, aber andere auch mehr. Das passt schon.
Dieser etwas anarchistische Buchverkauf funktioniert und ist ganz nach meinem Geschmack.

Publikum am Astrotisch beim Tasten und Buchkauf
Publikum vor dem Astrotisch

Und noch einen Vorteil hat diese Aktivpause. Das Eis für Fragen und Gespräche nach der Veranstaltung ist dann schon mal gebrochen. So baut man barrieren ab.
Manchmal müssen wir uns halt mit derlei Tricks inkludieren. Das ist OK so.
Nachdem diese Aktivpause vorbei war, fanden wir uns zu einem letzten Block ein.

Astronomie, Wissenschaft in Inklusion

Jetzt zog ich nochmal alle Register zur Inklusion, indem ich das Auditorium damit verblüffte, dass Astronomie traditionell schon immer auch eine wissenschaft für Menschen mit Einschränkungen war.

Johannes Kepler war stark seheingeschränkt. Hätte er nicht die Daten seines Beobachters Tycho Brahe gehabt, ist es fraglich, ob er zu seinen drei keplerschen Gesetzen gefunden hätte, die bis heute in der Himmelsmechanik grundlegend sind.

John Goodricke, der Entdecker hellichkeitsveränderlicher Sterne (Cepheiden) war taub. Diese Dinger spielen eine erheblich wichtige Rolle als Standardkerzen zur Entfernungsbestimmung in der Astronomie.
Da gehörlose Menschen mit visuellen Gesten kommunizieren, sind sie vielleicht tendenziell generell gute Beobachter, was Goodricke am Sternenhimmel zu gute gekommen sein dürfte.

Stephen Hawking war vollständig gelähmt.
„Eingesperrt“ in diesen Körper blieb seinem Geist vielleicht nur die Flucht in die Physik.
Zum Glück hatte er die Infrastruktur für sein inklusives Leben.

Danach berichtete ich vom Inklusionstag der IAU in Wien. Ich schrieb darüber in Inklusionstag der IAU in Wien
Dort lernte ich beispielsweise Astronomen kennen, die sehend in Astronomie promovierten, dann erblindeten, und einfach weiter machten, nur anders.
Aus jedem anderen Beruf hätte es jemanden raus gehauen, der plötzlich mit so einer Einschränkung konfrontiert wird.
Schrägansicht Astrotisch und Personen dahinter

Astronomie Inklusiv – Fallbeispiele

Als nächstes brachte ich einige Beispiele, wie ich Inklusion am Himmel treibe.

Blinde lesen sehenden Sternenguckern nachts vor,

Rollstuhlfahrer sind der Mittelpunkt, einer Tanzübung, etc.

ADHS-Kinder werden Ruhig auf einer wiese, bzw. derart in den Vortrag eingebaut, dass sie beschäftigt und wichtig sind.

In meinem Buch gibt es ein ganzes Kapitel darüber und für den Blog Lydiaswelt durfte ich über Astronomie für benachteiligte Kinder schreiben.
Frontalansicht

Manchmal möchte ich bewusst blind sein und es leben dürfen

Beendet habe ich die Lesung dann damit, dass für mich zur Inklusion auch mal gehört, dass ich ein Refugium für mich finde, wo ich ganz bewusst meine Einschränkung leben darf.
Im Kapitel „Mein Weg zur Inklusion“ und hier in
Urlaub vor den Sehenden machen
schrieb ich ausführlich darüber.

Nun kamen wirklich viele Fragen. Die neue Struktur mit der Aktivpause, die Grenzen und barrieren überwindet, zeigte ihre volle Wirkung.
An dieser Stelle konnte ich unheimlich vieles einbringen, was Alexander Gerst uns bei seinem
Besuch in Karlsruhe erzählte. Danke @astro_alex. Dein Vortrag bereichert nun auch meine.
Wer mag, kann hier nachlesen, wie eindrücklich diese Veranstaltung für mich war.

So, wie der Vortrag  in Gundelfingen lief. Da kann man keine Schaufel mehr drauf packen.
Nicht mal meine sich im Anmarsch befindende Sommer-Erkältung konnte etwas daran ändern. Die Veranstaltung war großartig und Gundelfingen ist es auch.

Bei meiner Gastfamilie

Am Nächsten Tag verbrachte ich dann noch das Frühstück und einen Teil des Vormittages mit meiner Gastfamilie.
Das sind großartige Menschen. Er auch Informatiker und Physiker, der sogar am Retina-Implantat mit entwickelt hat, der auch Gitarre spielte wie seine Frau, die sogar Lieder schreibt und dazu gab es noch einen wunderbaren Enkelsohn.
Der Gastvater kam auch zum Vortrag.
Wir fanden am Frühstück sofort hunderte Themen, über welche wir reden konnten.
Danach spielte ich der Gastfamilie noch etwas auf der Gitarre vor, weil der Herr des Hauses dieses wünschte.
Mit dem Enkel spielte ich dann noch Mondlandung mit der dritten Brennstufe meiner Legorakete.
Der Opa durfte am Tablet die Bilder von der Legorakete, die auf Blindnerd in
Auf den Mond und zurück mit Lego
zu finden sind,  nicht mehr schließen.
Außerdem war der Opa so begeistert über das Scheeme, das ich bei WordPress für meinen Blog verwende, dass er mich danach fragte.
Ist das alles nicht auch unglaublich inklusion?

So, und dann war es auch schon wieder Zeit. Die Organisatorin des ganzen und ihre Mutter holten mich mit dem Auto ab und fuhren mich nach Freiburg. Dort wurde ich in die Hände des Umsteigeservices der Bahn  übergeben und auch diese Zugfahrt klappte
wunderbar.

Und wer jetzt sagt: Klar, hat das mit der Inklusion so gut geklappt, weil die Organisatorin selbst betroffen sei. Dem sage ich, dass das nur zu einem kleinen Teil vielleicht stimmt. Ich kenne Menschen, die tag täglich beruflich z. B. mit Blinden zu tun haben, und die nicht lernen wollen oder können, wie man mit uns umgeht.
Da nützen auch Dunkelseminare etc. nichts.
Und andere kenne ich, die noch nie einen blinden Menschen gesehen haben, und es durch Emphatie, besonnenes Denken und Handeln einfach hin bekommen.
Inklusion ist oft einfach machen. Wer die Wie-Frage zu oft stellt, der wird über die Integration nicht hinaus kommen.

Alexander Gerst am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – meine Impressionen


Liebe Leserinnen und Leser,

ein großartiges Ereignis liegt nun hinter mir. Vor einigen Wochen erhielt ich über den Mitarbeiter-Verteiler des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT), meinem Arbeitgeber, die Mail, dass man sich zur Verleihung der Ehrendoktorwürde für Alexander Gerst anmelden könne.
Keine Minute später, war ich angemeldet und hatte meinen Platz im Audimax sicher. Als sich meine Arbeitsplatz-Assistenz anmelden wollte, war schon kein Platz mehr frei. Aber das Orgateam der Veranstaltung verstand, dass ich gerne mit Begleitperson kommen würde und machte es möglich, dass wir gemeinsam die Veranstaltung besuchen konnten. Über dieses großartige Erlebnis wird es in diesem Beitrag gehen.

Um eines gleich vorweg zu nehmen. Mein Ziel, @astro_alex mein signiertes Buch zu schenken, habe ich verfehlt. Niemand aus dem Publikum kam an ihn ran, und kaum war die Veranstaltung vorbei, war er auch schon verschwunden. Damit habe ich aber gerechnet, so dass dieses nicht erreichte Ziel den Rest dieser großen Veranstaltung und Sternstunde in meinem Leben, nicht überschatten kann. Ich schicke es ihm einfach mit einem schönen Brief hinterher.

Dann will ich jetzt mal versuchen, meine Eindrücke mit euch zu teilen.
Erwartet hier keinen perfekten Fließtext. Es sind eben Eindrücke, die sich manchmal vielleicht eher so aneinander reihen.

Wir fanden uns um 09:00 Uhr, als der Einlass startete pünktlich ein. Das Audimax alleine schon beeindruckt mich jedes mal neu. Ich bin sehr selten in diesem Gebäude, und als ich hier studierte, war da noch Wiese…
Wir ergatterten einen schönen Platz im vorderen Drittel so ungefähr mit geradem Blick zur Bühne. Was mich an diesem Hörsaal auch immer wieder verblüfft, ist die extrem gut klingende Sound-Anlage. Das Bose-Zeugs kann wirklich was. Die Sprecher klingen richtig natürlich und nicht dosig, und wenn man Videos mit Musik etc. abspielt, dann hat diese Anlage richtig Bass und alles.
Über das Publikum kann ich nicht wirklich viel sagen. Ich glaube, dass eher die Mitarbeiter des KIT anwesend waren und weniger die Studierenden. Mein Eindruck war, dass für unsere technische Universität recht viele Frauen da waren, was ich sehr schön finde. Manche brachten sogar ihre Kinder mit, was am Ende klar wurde, als Fragen gestellt werden durften.
Es hörte sich für mich so an, dass das Publikum sehr gemischt war. Sprachlich hörte ich, dass eindeutig nicht nur Akademiker vor Ort waren. Alexanders Botschaft drang somit auch in Werkstätten, Hausmeistereien, vielleicht auch in die Mensen. Auch das ist sehr schön. Der Weltraum ist für alle da. Und Alex erklärt ihn uns so, dass wir ihn verstehen können und hoffentlich begreifen, dass wir nur ein Raumschiff Erde haben, was wir schützen, bewahren und versorgen müssen.
So baute ich mein Notizgerät auf und wartete.
Plötzlich brandete großer Beifall los. Er hatte offenbar die Bühne betreten.

Der erste Redner war Prof. Dr. Hanselka, der Präsident des KIT.

Er sprach davon, dass die Idee einer Reise zum Mond bis in das alte antike Griechenland zurück geht.
Lukianos von Samosata beschreibt in seinem Buch
Eine wahre Geschichte“ eine Schiffsreise zum Mond – geschrieben im 2. Jahrhundert nach Christus in Ägypten, das damals zu Griechenland gehörte.
In Lukianos‘ Erzählung hält ein Schiff Kurs auf die Meerenge von Gibraltar. Gerade als die Mannschaft die Säulen des Herkules, so die damalige Bezeichnung, passieren will, erfasst ein gewaltiger Wasserwirbel das Schiff.
Es schleudert immer höher und treibt plötzlich durch den Weltraum. Sieben Tage später landet die Mannschaft auf dem Mond.
Dort treffen die Seefahrer auf absonderliche Wesen, die sich auf den Kampf mit den Kriegern der Sonne vorbereiten. Mit denen streiten sie erbittert über die Kolonisierung der Venus.

Diese Geschichte war mir nicht mehr präsent.
Dann schlägt Hanselka sehr schön die Brücke in die Heutzeit, erinnert an die Mondlandung etc.
Er würdigt, dass Alexander Gerst so großartige Wissenschaftskommunikation betreibt, dass er für die Probleme der Umwelt durch die Sicht aus der ISS heraus wunderbar sensibilisiert und uns zeigt, wie ganzheitlich diese Welt funktioniert.
All das soll gleich mit der Überreichung der Urkunde zur Ehrendoktorwürde geehrt werden.
Nun werden noch einige Preise aufgezählt, die Astro_Alex erhalten hat und dass er auf einer Show des DLR mit 16000 Zuschauern sprechen durfte.
Er schließt mit der Tatsache, dass die ISS ein Zeichen des Friedens ist, wenn man bedenkt, dass 110 Länder daran mitarbeiten, unabhängig davon, wie es gerade politisch unter ihnen läuft.
Das war eine sehr schöne, erfrischende und humorvolle Einführung in die Veranstaltung, die der Präsident des KIT hier gehalten hat.

Nun erhält Prof. Weiß, der Dekan der Fakultät für Physik das Wort.
Er erinnerte an die alten Professoren, die Alexander Gerst in den 90er Jahren unterrichteten.

Danach übernahm Prof. Friedemann Wenzel, der Gründer des Klimazentrums.
Bei ihm legte Gerst sein Diplom über Vulkanologie ab. Hierfür forschte er u. A. in Neuseeland und auf Vulkanen in der Antarktis.
Außerdem entwickelte er Messgeräte, die in extremer vulkanischer Umgebung noch funktionierten.
Alexander Gerst war quasi überall. Nun schien es so, dass ihm die Erde zu eng geworden war und er deshalb den Weg zum Astronauten antrat, spekuliert Prof. Menzel.

Jetzt kommt Frank schilling, Dekan Bauingenieurwesen auf die Bühne.
Nach einigen Sätzen über die Raumstation wird nun Alexander Gerst auf die Bühne gebeten.
Alex bekam kurz vor der Urkunde einen Schwabenstein geschenkt. Was der genau ist, habe ich nicht ganz ohne Sicht verstanden. Er muss wohl etwas mit dem Nördlinger Ries zu tun haben, denn das wurde auch erwähnt, weil Astronauten u. A. auch dort trainieren.
Das Nördlinger Ries entstand durch einen Asteroiden-Einschlag. Eine ähnliche Katastrophe ließ die Dinosaurier aussterben und ist auch heute nicht ausgeschlossen, dass sich derlei irgendwann wiederholen könnte.
Dann wurde die Urkunde verlesen und feierlich überreicht.

Nun ergreift Alexander Gerst das Wort und zeichnet ein schönes Bild. Er betrachtet seine heutige Rückkehr an seine Alma Marta als rückkehr, die jedes Abenteuer abschließen muss, denn wenn man aufbricht, wozu auch immer, sollte man die Geschichte mit einer Rückkehr abschließen, um den damals zurückgebliebenen davon zu erzählen.

Er gibt eine Flagge des KIT, die er auf seiner Mission auf der ISS dabei hatte. Als Zertifikat sozusagen mit einem Foto, das ihn und die Flagge im Kolumbus-Modul auf der ISS zeigt, zurück.
Alexander Gerst ist mit der Flagge des KIT sehr weit gereist. Etwa 5 800-mal um die Erde in der Raumstation ISS, die mit der unvorstellbaren Geschwindigkeit von 28 000 Stundenkilometern fliegt, das dürfte insgesamt der Entfernung bis zur Sonne entsprechen.
Die Flagge soll gut sichtbar als Ansporn für die Studierenden aufgehängt werden.
Träume soll man verwirklichen, meint Alex.
Dazu fällt ihm ein Gespräch ein, dass er mit einem Kommilitonen in der Mensa vor vielen Jahren geführt habe. „Wir hatten vereinbart, dass wir uns irgendwann einmal als Astronauten bewerben werden. Ich habe es gemacht, er nicht. Wie schade!“

Nun startet Alex seinen Vortrag mit einem Video. Nach technischen Startschwierigkeiten konnte man es dann doch auch noch hören. Leider war es nur mit Musik unterlegt, so dass ich nicht weiß, was es zeigte. Der Start soll wohl eindrucksvoll zu sehen gewesen sein.
In meinem Artikel über Podcasts
findet ihr beispielsweise den Podcast „Auf Distanz goes Baikonur und viele andere mehr, wo ihr den Start und vieles mehr zur ISS nochmal erleben könnt.

Alex beginnt seinen Vortrag nach dem Video mit einem Bild, dass die Cassini-Raumsonde vom Saturn aus von der Erde photographierte. Sie ist lediglich durch die zehnfache Entfernung Erde-Sonne, ein einziges blaues Pixel auf dem Bild.
Das zeigt, wie wenig die Erde für das ganze Universum ist. Dem Universum ist es egal, wenn wir sie zerstören.

Alex sagt, dass die Hälfte aller Atome in unserem Körper nicht aus der Milchstraße stammen.
Wie er darauf kommt, weiß ich momentan nicht genau. Ich vermute, es hat mit Supernovae und anderen Ereignissen zu tun, bei welchen schwere Atome gebacken werden.

Obwohl er für sein Training um 10.000 Stunden Zeit investierte, relativiert er den Aufwand und meint, dass man das letztlich für ein gutes Studium auch müsse.

Nun hängt er seinen Vortrag an die letzte Mission.
Er zeigt den Start und stellt deutlich heraus, dass das wichtigste an der Raumfahrt die Zusammenarbeit aller beteiligten sei.

Wenn man bedenkt, dass 110 Länder die ISS betreiben, dann mutet es etwas seltsam an, dass ein einziges Land beispielsweise seinen neuen Flughafen nicht in betrieb bekommt.
Er startete von derselben Startrampe aus, von welcher der erste Mensch Juri Gagarin ins All aufbrach.
In der Raumkapsel geht es offensichtlich sehr eng zu.

Man stellt sich das ja alles immer so filigran vor, wie das in schönen Sciencefiction-Filmen in den Raumschiffen so ist.
Viele Bedienelemente sind aber nicht deshalb so klobig, weil es sich um alte russische Technologie handelt, sondern weil man bei vier- oder sechsfacher Erdbeschleunigung keine kleinen Tasterchen drücken oder winzige Hebelchen umlegen kann.
Das war mir so noch nicht klar, ist aber logisch.

Es gibt doch tatsächlich einen Startknopf an einem Raumschiff und keinen Zündschlüssel. Ich meine allerdings mal gehört zu haben, dass die ISS durchaus eine Art Zündschlüssel hat, der immer dem Kommandanten überreicht wird.

Obwohl beim Start die Rakete alles selbst macht, muss man sie im Auge behalten.

Mehrfach betont Alex, dass man beim Start und dann bis zur Rückkehr, auf einen Astronautenmodus im Kopf und mental umschalten muss.
Man nimmt den Bus zur Rakete, alle anderen bleiben zurück, und das war es dann erst mal für sieben Monate mit allen Gewohnheiten und Annehmlichkeiten hier auf Erden.

Er sagt, dass der Start am Anfang mit 1,3 g recht gemütlich beginnt. Da aber nach und nach die Rakete leichter wird, der Schub aber derselbe bleibt, ist man nach 8,5 Minuten der vierfachen Erdbeschleunigung ausgesetzt.
Nach drei Minuten ist man bereits im schwarzen Weltall und hat nach 8,5 Minuten die Geschwindigkeit erreicht, um die Station zu erreichen.
Offenbar verbraucht so ein Raketenstart weniger Treibstoff, als ein Trans-Atlantik-Flug. Dennoch ist man daran interessiert sparsamere Raketen zu bauen.
Immerhin fliegen im Flugzeug hunderte Menschen mit, und in so einer Rakete nur drei, was natürlich die Co2-Bilanz für jeden Astronauten deutlich in die Höhe treibt.

Ein Flugzeug fliegt man. Eine Rakete nicht, weil man sich nur an ihr festhält sagt Gerst.
Bei seiner ersten Mission benötigte er drei Tage zur ISS. In dieser Zeit schafften es die Apollo-Astronauten zum Mond.
Bei seiner zweiten Mission benötigte er nur noch drei Stunden.
Wieso das so unterschiedlich ist, ist mir noch nicht so ganz klar. Wenn jemand hier etwas erhellendes weiß, bin ich dabei.

Nun zeigt er die dünne helle Sichel der Tag-Nacht-Grenze der Erde, die man meist sieht, wenn man zum ersten mal nach dem Start aus dem Fenster scheint. Das ist so ähnlich, wie der Mond kurz nach oder kurz vor Neumond. Dort nennt man diese Grenze den Terminator.
Die Erkenntniss, dass die Erde Rund ist, wird an dieser Stelle, so Alex, nochmal richtig greifbar und neu erlebt.
In diesem Zusammenhang ist es mir unbegreiflich, dass es heute noch Menschen gibt, die glauben, dass die Erde flach sei. Wieviele Beweise brauchen diese Schwachmaten denn noch?

Am Tage erkennt man dann, wie fragil das Raumschif Erde wirklich ist, und dass die Atmosphäre wirklich super dünn ist. Im Flugzeug hat man quasie das meiste davon schon unter sich.
Er betont nochmal die technische Leistung, dass bei der ISS 100.000 Menschen mitgearbeitet hatten. Es musste klappen, denn man konnte die ISS nicht mal eben probehalber auf der Erde zusammenbauen, um zu sehen, ob alles so passt. Das ist schon ein Wunder, wenn man bedenkt, dass häufig kleinere Projekte mit deutlich weniger Menschen und Nationen, nicht funktionieren, obwohl sie hier auf Erden gebaut werden können.

Nun ermutigt er Studierende, indem er darauf hinweist, dass eine gute Crew nicht die besten braucht, sondern viel diversität und unterschiedliche Erfahrungen und Lebenshintergründe.
In diesem Zusammenhang bedauert er, dass sich nach wie vor viel zu wenige Frauen als Astronautinnen bewerben.

Mich hat sehr beeindruckt, wie viel Forschung zu schweren Krankheiten wie Krebs, Parkinson und Alzheimer auf der ISS gemacht werden.
Da werden Kristalle gezüchtet und Zellstrukturen, deren Größe man auf der Erde mit Schwerkrafft nicht hin bekommt. Sind sie dann gezüchtet, kann man sie zur Erde bringen, um Medikamente zu entwickeln.
Wie Wurzeln von Pflanzen in Schwerelosigkeit ohne Orientierung wachsen, bringt Erkenntnisse, die einst zur Züchtung von Pflanzen mit schnellem Wurzelwachstum nach unten hervorbringen kann.
Die könnte man dann in vom Klimawandel betroffene trockene Gebiete bringen, deren Wurzeln würden rasch in die Tiefe in Richtung Wasser wachsen und diese Pflanzen könnten dort eventuell leben.

Natürlich wird auf der ISS viel Erdbeobachtung gemacht.
Umweltkatastrophen, Klimawandel, Abholzung von Wäldern, Kriege mit Bomben und Raketen und all die von Menschen gemachten Katastrophen kann man von dort oben sehen.

107 Länder haben bisher 2800 Experimente auf die ISS gebracht. Die wären einzeln mit kleinen Satelliten so nicht durchführbar. Außerdem benötigt es für viele mindestens 10 % Menschliche Fähigkeiten. Er meint, dass man vieles automatisieren könne, aber nie ganz auf menschliche Fähigkeiten verzichten wird. Durch bessere Robotik wird das ganze System leistungsfähiger, aber Menschen lassen sich auf so einer Station nicht weg rationalisieren.

Nun ging er darauf ein, was Astronauten so in ihrer Freizeit machen, den Fußball spielen etc. funktioniert dort nicht.
Naja, Videos schauen, Spiele spielen, Musizieren und Fitness-Training sind bekannt.
Daneben macht man viel Erdbeobachtung. Zunächst will jeder seine Heimatstadt von oben sehen.
Das wandelt sich aber sehr bald, und man betrachtet die ganze Erde als Heimat.
Vielleicht sollte man Entscheidern dieser Welt am Anfang ihrer politischen Laufbahn erst mal diesen ganzheitlichen Blick von oben auf die Erde ermöglichen.

Nun geht er auf faszinierende Naturphänomene wie Stürme und Gewitter ein. Man kann mit der ISS sogar durch Polarlichter fliegen. Das muss wirklich gigantisch sein.

Nun erzählt er noch von der Landung und beschließt seinen vortrag, indem er nochmal auf die unendlichen Weiten des Universums hinweist. Man sieht dort oben vor lauter Sternen keine Sternbilder mehr.

Das war mein starkes Erlebnis mit Alexander Gerst.
Ich bin zu tiefst dankbar, dass ich diesem Vortrag beiwohnen durfte.

Finstere Erinnerungen – Die Sonnenfinsternis vom 11.08. 1999


Liebe Leserinnen und Leser

wie viele von euch mitbekommen haben, fand gestern, am 02.07.2019 eine Sonnenfinsternis im südamerikanischen Raum statt. Die bilder der drei Teleskope, die im Kernschatten der Finsternis lagen, müssen atemberaubend gewesen sein. Zumindest hörte sich das in den sozialen Medien so an.
Lasst uns diese Finsternis zum Anlass nehmen, und uns erinnern, wie das 1999 so war, als wir eine totale Sonnenfinsternis über Süddeutschland hatten.
Vielleicht hat ja jemand Lust, z. B. über die Kommentarfunktion des Artikels seine Erinnerungen von damals mit mir zu teilen, worüber ich mich sehr freuen würde.
Nun viel Freude mit meinen Erinnerungen. Es war so:

Nicht jedem ist das Glück beschieden, direkt vor seiner Haustüre eine Sonnenfinsternis erleben zu können. In manchen Kulturen und zu anderen Zeiten waren sie eher Symbole des Unglückes und des Schicksals. Ein Krieg zwischen den beiden Völkern der Meder und Lüder wurde durch die Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v.Chr. angeblich beendet, und zwar aus Angst, die Götter zürnten ihnen, da die Sonnenfinsternis direkt in das Kampfgetümmel fiel. Auch in der Bibel liest man Geschichten über Verdunkelungen des Himmels am Tage, die auf Sonnen- oder Mondfinsternisse zurückgehen könnten, z. B. bei den Propheten.

Auf jeden Fall waren wir alle schon Monate vorher aufgeregt, wie das wohl sein würde. Ich machte mir umfangreich Gedanken, ob ich als Mensch mit Blindheit überhaupt etwas davon mitbekommen würde. So las ich im Vorfeld viel darüber, wie eine derartige Finsternis funktioniert, was alles innerhalb der kurzen Verfinsterung entdeckt worden war und wie viele Strapazen etliche Astronomen in der Vergangenheit auf sich genommen hatten, um eine Sonnenfinsternis zu erleben. Diese reichten bis hin zu sehr gefährlichen Seereisen auf Segelschiffen.

Als nun endlich der Tag nahte, war die Enttäuschung zunächst groß. Der August war relativ verregnet, sodass nicht klar war, ob wir mehr als eine kurze Finsternis erleben würden. Somit beschloss ich, in jedem Falle die Zeit der Finsternis im Schlosspark von Karlsruhe zu verbringen, denn ich wollte die Stimmung der Menschen einfangen.
Weil mein Sehrest zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unbedingt zum reellen Erleben der Finsternis ausreichte, nahm ich einen Lichtdetektor mit. Dieses Gerät verwenden blinde Menschen, um in ihrer Wohnung zu erkennen, ob die Lampen aus sind, zum Beispiel wenn sehende Besucher da waren. Je höher das Gerät piepst, desto mehr Licht ist vorhanden. Ich trug ebenfalls eine Finsternisbrille, die ich bis heute aufbewahre und am 20.03.2016 wieder zum Einsatz kam.
Auch bereits funktionsuntüchtige Augen kann man ohne Finsternisbrille noch schädigen.
Außerdem stattete ich mich mit einem mobilen Funkgerät aus. Mit diesem stand ich mit anderen Menschen in Verbindung, die an anderen Orten die Finsternis betrachten und erleben wollten.
So standen wir und warteten. Das Gefühl war weit stärker als bei einem Jahreswechsel.
Und plötzlich ging ein großer Freudenschrei durch die Menge. Der Himmel meinte es gut mit uns. Ungefähr drei Minuten vor der totalen Bedeckung und damit vor der maximalen Finsternis riss die Wolkendecke auf und der Blick auf die Sonne war frei. Sogar ihre wärmenden Strahlen empfing ich noch.
Ich schaltete den Lichtdetektor ein. Dann geschah es: Während die Leute standen und staunten, wurde der Ton des Gerätes langsam tiefer. Die Verdeckung begann. Während der ungefähr zweiminütigen totalen Finsternis blieb jedes Signal aus, als wäre es völlig Nacht. Das Leuchten der Korona war zu schwach für den Sensor des Lichtdetektors. Dies war für mich die akustische Orientierung. Plötzlich hatte auch ich das Gefühl, von Nachtluft umweht zu werden. Das mag allerdings auch durch das intensive Erlebnis gekommen sein. Besonders warm war der Tag auch vor der Finsternis nicht.
Auf jeden Fall war meine Freude, diese totale Sonnenfinsternis erlebt zu haben, unbeschreiblich groß. Ich fühlte mich in diesem Moment stark mit jenen verbunden, die fast ihr Leben dafür ließen, um etwas Derartiges nicht zu verpassen.
Oft stelle ich mir seither aus purer Freude heraus die Finsternis, die Korona, die Protuberanzen und auch die Magnetfeldlinien, die weit in den Weltraum hineinragen, vor. Dazu denke ich dann häufig an das brodelnde Geräusch, das auf der Sonnenoberfläche zu hören sein muss, da die Oberfläche ähnlich wie ein Teekessel
kocht.

Mit dieser Sonnenfinsternis hatte ich im Januar 2015 noch eine ganz interessante Erfahrung:
Anfang Januar 2015 unternahm ich mit meiner sehenden Arbeitsplatzassistenz
eine Dienstreise nach Istambul.
Folgendes ist dort auf dem Hinflug geschehen:
Der Pilot erklärte die Flugroute, indem er wichtige Länder, Städte und Meere aufführte, die wir nacheinander passieren würden.
Da kam mir die Reihenfolge und Aufzählung der Städte gleich irgendwie bekannt vor.
Und dann durchfuhr es mich wie ein Blitz.
Wir flogen fast exakt die Route entlang derer am 11.08.1999 die totale Sonnenfinsternis beobachtet werden konnte.
Ich fand dieses unglaublich schön. Glücklicherweise hatte ich noch das Buch „Schwarze Sonne, roter Mond“ von Rudolf Kippenhahn zur Sofi 1999 auf meinem MP3-Player als aufgelesenes Hörbuch. So konnte ich gleich noch im Flieger meine Vermutung überprüfen. Ein Blick auf den Fahrplan dieser Sf ergab, dass ich im wesentlichen Recht hatte.
Dieses Heureka erlebte glaube ich der halbe Flieger mit, weil es mich unglaublich freute, in welchem Zusammenhang diese alte Sofi nochmal auftauchte.

Und dann stürzte ich in eine tiefe Finsternis-Krise.
Das Schicksal nahm nach der Dienstreise nach Istambul seinen Lauf.
Jemand stellte mir die Frage, wieso eigentlich von West nach Ost, wo die Erde sich doch von Ost nach West dreht, und der Mond tut das um die Erde ebenso.
Sollten dann die Finsternisse nicht auch von Ost nach West verlaufen?

Stellt euch bitte vor. Da weiß ich alles, was es zu Finsternissen, deren Entstehen etc. zu wissen gibt nur dieses eine kleine Detail hinterfragte ich 20 Jahre lang nicht.
Plötzlich merkte ich, dass ich den Verlauf überhaupt noch nicht begriffen hatte.
Das war eine richtige Klatsche.
Desto mehr ich nachdachte, desto verwirrter wurde ich. So viele Bewegungen, Winkel und Abstände, die sich hier überlagern und die berücksichtigt werden müssen.
Nun wendete ich mich mit meiner unbeschreiblichen Not und Verzweiflung an intelligente Menschen, an welche ich in derlei astronomischen Fragen glaube.
Und siehe da. zwei  fanden unabhängig voneinander die Antwort und Erklärung.

Dank an Sebastian und Martin. Ihr seid ja auch Mitglieder unserer kleinen Gemeinde.
Das Problem ist, dass dieses Phänomen sich kaum noch mit Worten beschreiben lässt.
Die adäquate Sprache hierfür ist die Mathematik und keine Prosa.
Deshalb wird die Mail jetzt gleich sehr mathematisch werden. Wer hier aussteigen möchte, dem kann ich das nicht verübeln.
Es ist schwer und kompliziert. Bevor jemand sich darüber ärgert, dass er oder sie untenstehende Mathematik nicht begreift, sollte er oder sie lieber die Finger davon lassen und sich einfach mit kindlicher Freude und Begeisterung an Finsternissen erfreuen.
Wer jedoch die Herausforderung liebt, darf hier gerne weiterlesen.

Und so funktioniert eine Finsternis:
Halten wir den Moment fest, an dem der Mond zwischen Sonne und Erde steht, und der Kernschatten genau auf mittig auf der Erde liegt, und nehmen den Planeten Erde als Bezugssystem für Geschwindigkeit 0km/h.
Die Erde hat am Äquator ca. 12’720km Durchmesser, damit ist der Umfang ca. 40’000km, und die Oberflächengeschwindigkeit durch Rotation beträgt (vereinfacht auf die Sonne bezogen und nicht sidirisch) ca. v_E=1’666km/h.
Der Mond hat einen mittleren Abstand von d_M=384’400km, also eine ungefähre Umlaufbahn von 2’415’256km und eine Umlaufzeit von 27.3d, also bewegt er sich ungefähr mit v_M=3’686km/h in die gleiche Richtung wie die Erde darunter. (Hat natürlich eine viel größere Kreisbahn und überholt deshalb nachts nicht die Erdrotation…)
Die Erde selbst hat einen Abstand von ca. d_S=149’600’000km von der Sonne, also einen Umkreis von ca. 939’965’000km in 365.25 Tagen, bewegt sich also mit 107’228km/h entgegen der Oberflächengeschwindigkeit oben. Da die Erde als 0km/h gewählt ist, bewegt sich also die Sonne scheinbar mit v_S=107’228km/h in Richtung der betrachteten Oberflächengeschwindigkeit der Erde.
Die Geschwindigkeiten von Sonne und Mond superponieren sich, d.h. wir können einzeln die Anteile auf die Kernschattengeschwindigkeit berechnen.
Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die scheinbare Sonnenbewegung v1=(d_M/d_S)*v_S~276km/h.
Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die Mondbewegung v2=d_S/(d_S-d_M)*v_M~3’695km/h.
Da sich Mond und Sonne in die gleiche Richtung bewegen, ist die resultierende Geschwindigkeit des Kernschattens zur Erde v=v2-v1~3’419km/h.
Abzüglich der Geschwindigkeit der mitdrehenden Erdoberfläche erhalten wir in diesem Moment am Äquator die Schattengeschwindigkeit von ca. 1’753km/h. Auf jeden Fall überholt der Schatten die Erdrotation, und damit geht der Schatten tendentiell von Westen nach Osten.
Natürlich wird der Schatten an den Rändern über der Erdoberfläche „viel schneller“- schon alleine wegen der schrägen Projektion und nach Norden und Süden ist die Oberflächengeschwindigkeit geringer. Und da die Bahnen nicht alle in der gleichen Ebene liegen, verläuft der Schatten auch schräg und alles mögliche. Es kann im Extremfall für einen Punkt auf der Erde der Schatten z.B. von Norden oder Süden kommen- der Schatten ist ja nicht ein „Punkt“, sondern die Fläche kann sich bei diesen Kurven auch „reindrehen“, und so scheinbar komplett von Norden oder Süden kommen.
Wenn ich mich nicht verrechnet habe, so ist der Anteil durch die Planetenbewegung v_S nicht sehr ausschlaggebend, und die Beschleunigung der Mondgeschwindigkeit durch die Hebelwirkung durch den Abstand sehr gering, da die Sonne so viel weiter weg ist als der Mond von der Erde.