Eine Torte für die Mathematik – Wir begehen den $\pi$-Tag


Meine lieben,
Immer wieder habe ich das Datum verpasst. Aber diesmal nicht. Es geht um den 14. März eines jeden Jahres. Schreibt man das Datum in englischer Schreibweise, dann ist es March, 14th. oder 03.14. Und diese letzte Schreibweise kommt uns doch irgendwie bekannt vor. Spätestens dann, wenn man den Punkt durch unser deutsches Komma ersetzt. Dann wird daraus nämlich die Zahl 3,14, also die Kreiszahl $\pi$.

Diese Zahl ist den meisten aus der Schule bekannt. Mathematik, Geometrie und damit verbunden auch die Astronomie wäre ohne sie nicht denkbar. Ob dieser Wichtigkeit verwundert es nicht, dass man ihr genau den 14.03. als Gedenktag widmete.
Dann tun wir das doch einfach auch und begehen den $\pi$-Tag.
Bevor es los geht, noch eine kleine Anmerkung:

Wenn ich das Pi-Zeichen $\pi$ hier immer für Sehende schön angezeigt einfüge, dann kann es sein, dass im Fließtext der Lesefluss für unsere Sprachausgabe nutzer:innen etwas beeinträchtigt wird, weil dann immer auf einen mathematischen Modus umgeschaltet wird. Außerdem wird das $\pi$-Zeichen und andere mathematische Ausdrücke auf unseren Punktschriftzeilen leider momentan nur in der englischsprachlich mathematischen Notation für Blinde ausgegeben. Deshalb kann es durchaus sein, dass ich derlei dann und wann als Fließtext setze und nicht so formatiere, wie es mathematisch schön und korrekt auszusehen hätte. An anderen Stellen werde ich einfach zwei Varianten verwenden. Seht mir das also bitte nach.

Die Feier

Als Begründer dieser Tradition gilt Larry Shaw, der den Pi Day 1988 am Exploratorium in San Francisco initiierte, wo er seitdem jährlich begangen wird.

2009 wurde in den USA der 14. März vom US-Kongress zum offiziellen Nationaltag für die Kreiskonstante Pi erklärt.
Der Pi-Tag wird traditionell mit dem gemeinsamen Verzehren von kreisförmigen Kuchen begangen (im Englischen wird der griechische Buchstabe π lautgleich wie das englische Wort pie, Kuchen, ausgesprochen). Ein solcher Kuchen von 20 Zentimetern Durchmesser hat zudem π Quadratdezimeter Grundfläche.
Zur Verbreitung des Gedenktages trägt auch bei, dass zufällig der 14. März auch der Geburtstag Albert Einsteins und (seit 2018) der Todestag Stephen Hawkings ist. Besonders genaue Anhänger feiern um 13:59:26 Uhr und erreichen die Kreiszahl damit bis zur siebten Nachkommastelle
(3/14 1:59:26 pm).
Am Massachusetts Institute of Technology wurden 2015 in Anlehnung an den Pi-Tag einige Termine auf Samstag, den 14. März um 9:26 Uhr ET (3/14/15 9:26 am) gelegt.
Mindestens seit dem Jahr 2000 wird auch ein Pi-Näherungstag (Pi Approximation Day) am 22. Juli gefeiert, mit dem die näherungsweise Darstellung von π durch Archimedes (Archimedischer Algorithmus) als 22/7 ≈ 3,14 geehrt werden soll.
Daran sieht man sofort, dass die Kreiszahl Jahrtausende alt ist, wenn schon der alte Grieche mit ihr arbeitete, der mit seinem Heureka-Ruf aus seiner Wanne sprang.

Ich weiß nicht, ob er sich als er seinen Widersacher bat, seine Kreise nicht zu stören, gerade geometrisch mit der Kreiszahl beschäftigte, aber es soll ja dann quasi leider sein letzter Satz gewesen sein.

Was ist $\pi$
Zur Bezeichnung Pi kam die Zahl durch die Anfangsbuchstaben der beiden griechischen Wörter Perimetrus (Umfang) und Peripheria (Randbereich).

Ein Kreis mit dem Durchmesser 1 hat den Umfang pi.
Die Kreiszahl, auch Ludolphsche Zahl, Ludolfsche Zahl oder Archimedes-Konstante, abgekürzt mit dem griechischen Kleinbuchstaben ($\pi$), ist eine mathematische Konstante, die das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser angibt. Dieses Verhältnis ist für alle Kreise gleich, unabhängig von ihrer Größe. Die dezimale Darstellung der Kreiszahl beträgt 3,14159265… Die PÜnktchen stehen für weitere Ziffern, denn pi reißt nicht ab.
Im Alltag reichen aber oft die ersten beiden Stellen hinter dem Komma aus.

Seit dem 8. Juni 2022 sind 100 Billionen Nachkommastellen der Kreiszahl bekannt.

Ein weiterer Ansatz pi zu definieren führt über den Vergleich der Kreisfläche und des Quadrates seines Radius. So ergibt sich die Kreisfläche als R^2 *pi. Kennt jeder noch aus der Schule.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten pi über Reihen, Kettenbrüche, Winkelfunktionen etc. anzunähern, aber die sparen wir uns an dieser Stelle.
Einige dieser Ansätze durfte ich im Studium der Analysis und der Numerik kennenlernen.

Die Kreiszahl ist transzendent und hat damit unendlich viele Nachkommastellen. Darin sind bislang keine vorhersagbaren Muster erkennbar, die Ziffernfolge erscheint chaotisch.
Die Zahl ist eine irrationale Zahl, also eine reelle, aber keine rationale Zahl. Das bedeutet, dass sie nicht als Verhältnis zweier ganzer Zahlen , also nicht als Bruch , dargestellt werden kann. Das wurde 1761 (oder 1767) von Johann Heinrich Lambert bewiesen.
Dass pi transzendent ist, bedeutet auch, dass es kein vom Nullpolynom verschiedenes Polynom mit rationalen Koeffizienten gibt, das pi zur Nullstelle hat. So ist auch jede Zahl, die durch algebraische Operationen wie Addition und Multiplikation mit sich selbst und mit ganzen Zahlen aus erzeugt wird, wiederum transzendent. Das wurde erstmals von Ferdinand von Lindemann 1882 bewiesen.

Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass es unmöglich ist, pi nur mit ganzen Zahlen oder Brüchen und Wurzeln auszudrücken, und dass die exakte Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal nicht möglich ist.

Geschichte der Annäherung

Die Notwendigkeit, den Umfang eines Kreises aus seinem Durchmesser zu ermitteln oder umgekehrt, stellt sich im ganz praktischen Alltag: Man braucht solche Berechnungen zum Beschlagen eines Rades, zum Einzäunen runder Gehege, zum Berechnen der Fläche eines runden Feldes oder des Rauminhalts eines zylindrischen Getreidespeichers. Daher suchten Buchhalter und Wissenschaftler, vor allem Mathematiker und Astronomen, seit der Antike nach immer genaueren Näherungswerten für die Kreiszahl. Wesentliche Beiträge lieferten etwa ägyptische, babylonische und griechische Wissenschaftler, im Mittelalter vor allem chinesische und persische Wissenschaftler, in der Neuzeit französische, englische, schottische, deutsche und schweizerische Wissenschaftler. In der jüngeren Geschichte gerieten die Bestrebungen zur größtmöglichen Annäherung an phasenweise zu einer regelrechten Rekordjagd, die zuweilen skurrile und auch aufopfernde Züge annahm.
Aber wie schon gesagt, reichen im Alltag oft schon die ersten zwei Nachkommastellen als Näherung aus.
Mit der Näherung der ersten21 Nachkommastellen wäre erst der Umfang eines Kreises von etwa 3,8 Billiarden km Durchmesser (das entspricht der Entfernung zum Polarstern) um einen Millimeter falsch (nämlich zu kurz) berechnet.

Die Kreiszahl und einige ihrer Eigenschaften waren bereits in der Antike bekannt. Das älteste bekannte Rechenbuch der Welt, das altägyptische Rechenbuch des Ahmes aus der Mitte der 16. Jahrhundert v. Chr., erwähnt einen Bruch, der zumindest bis zur dritten Nachkommastelle ungefähr pi ergibt.

Als Näherung für pi benutzten die Babylonier häufig einfach nur 3 +1/8, solange dessen Abweichung von gut 4,5 % nicht ins Gewicht fiel. Den Wert 3 nutzte man auch im alten China, und er findet sich auch in der biblischen Beschreibung des Wasserbeckens, das für den Jerusalemer Tempel geschaffen wurde:

Dann machte er das Meer. Es wurde aus Bronze gegossen und maß 10 Ellen von einem Rand zum anderen; es war völlig rund und 5 Ellen hoch. Eine Schnur von 30 Ellen konnte es rings umspannen.

1. Buch der Könige, Kapitel 7 Ausstattung des Tempels, Vers 23, König Salomo, Hiram aus Tyrus formte das Meer, ein Wasserbecken aus Bronze.

In Indien nahm man für die Kreiszahl in den Sulbasutras, den Schnurregeln zur Konstruktion von Altären, den Wert und wenige Jahrhunderte v. Chr. in der Astronomie den Näherungswert Quadratwurzel aus 10, $\sqrt{10}$.

Handwerker benutzten in Zeiten vor Rechenschiebern und Taschenrechnern die Näherung 22/7 und berechneten damit vieles im Kopf. Der Fehler gegenüber pi beträgt etwa 0,04 %. In den meisten Fällen liegt das innerhalb der möglichen Fertigungsgenauigkeit und ist damit absolut akzeptabel.

Eine andere oft genutzte Näherung ist der Bruch 355/113 , immerhin auf sieben Stellen genau.

Und in dem Zusammenhang fällt mir eine kleine Geschichte zu pi ein.
Vor etwa zwanzig Jahren brachte eine Firma für Hilfsmittel für blinde Menschen einen sog. wissenschaftlichen Taschenrechner mit Sprachausgabe heraus. Auf einer Hilfsmittelmesse und auch danach noch, hatte ich die Gelegenheit, das Gerät zu testen. Noch am Messestand probierte ich gleich mal die Pi-Taste aus. Und obwohl dieser Rechner zehn Stellen anzeigen konnte, gab der Druck auf die pi-Taste lediglich nur 3,14 aus. Das war mir jetzt aber doch zumindest für das interne Rechnen etwas zu ungenau, wenn man bedenkt dass schon alte Handwerker und Astronomen das besser hin bekamen. Also gab ich tatsächlich einfach mal die kleine Aufgabe pi mal 100 ein. Als Ergebnis erhielt ich tatsächlich 314,0. Selbiges probierte ich dann auch noch mit der Euler-Zahl und mit der Quadratwurzel aus zwei aus. Es war dasselbe. Spätestens nach der dritten Nachkommastelle brachen all diese Zahlen ab. Das ärgerte mich dann schon, dass sich so ein Taschenrechner als wissenschaftlich bezeichnete und dazu noch um 500 Euro kosten sollte. Die Aufgabe 10/3*3 ergab übrigens nicht 10, sondern 9,99…
Aber zurück zur Kreiszahl.

Kommt pi vielleicht doch mal zum Abschluss?

Möndchen

Ich habe jetzt nicht ganz das Bild im Kopf, was die im folgenden erwähnten „Möndchen“ genau waren. Ich nehme an, dass hier ein Kreis in ganz viele „Kuchenstückchen“ zerschnitten wurde, und man diese gegeneinander zu einem Rechteck legte. Die Rundungen der Stückchen werden immer kleiner, in desto mehr Teile man den Kreis zerschneidet. Das ganze wird also einem Rechteck immer ähnlicher, dessen lange Kanten eben durch die Teilbögen des Kreises etwas wellig sind.
Somit ist das eine geometrische Annäherung an pi.

Die Flächensumme der Möndchen des Hippokrates entspricht der Fläche eines rechtwinkligen Dreiecks. Ein Beispiel für eine rationale Darstellbarkeit von Kreisausschnitten, weshalb es lange für möglich gehalten wurde, dass auch die Kreiszahl selbst rational ist.

Für den griechischen Mathematiker Archimedes und viele nach ihm war unklar, ob die Berechnung von pi nicht doch irgendwann zum Abschluss käme, ob also eine rationale Zahl sei, was die jahrhundertelange Jagd auf die Zahl verständlich werden lässt. Zwar war den griechischen Philosophen die Irrationalität derartiger Zahlen bekannt, dennoch hatte Archimedes keinen Grund, bei einem Kreis von vornherein eine rationale Darstellbarkeit der Flächenberechnung auszuschließen. Denn es gibt durchaus allseitig krummlinig begrenzte Flächen, die sich als rationale Zahl darstellen lassen, sogar von Kreisteilen eingeschlossene wie die Möndchen des Hippokrates.

Annäherung durch Vielecke

Archimedes gelang es um 250 v. Chr., die Kreiszahl mathematisch einzugrenzen, d. h. eine Ober- und Unterschranke anzugeben. Hierzu näherte er sich wie auch andere Mathematiker mit regelmäßigen Vielecken dem Kreis an, um Näherungswerte für pi zu gewinnen. Mit umbeschriebenen und einbeschriebenen Vielecken, beginnend bei Sechsecken, durch wiederholtes Verdoppeln der Eckenzahl bis zu 96-Ecken, berechnete er obere und untere Schranken für den Kreisumfang.

In den westlichen Kulturen stellten diese Berechnungen von Archimedes über eine sehr lange Zeit – wie in manchen anderen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen auch – den Status quo in Bezug auf die Genauigkeit der Kenntnis von pi dar. Erst im 16. Jahrhundert erwachte das Interesse wieder.

Fortschritte in der Annäherung erzielten in der Zeit des 4. bis 15. Jahrhunderts vor allem chinesische und persische Wissenschaftler:
Im dritten Jahrhundert bestimmte Liu Hui aus dem 192-Eck die Schranken 3,141024 und 3,142704 sowie später aus dem 3072-Eck den Näherungswert 3,1416.
Um 480 berechnete der chinesische Mathematiker und Astronom Zu Chongzhi (429–500) für die Kreiszahl , also die ersten 7 Dezimalstellen. Er kannte bereits einen Näherungsbruch, der in Europa erst im 16. Jahrhundert gefunden wurde (Adriaan Metius, deshalb auch Metius-Wert genannt). Im 14. Jahrhundert berechnete Zhao Youqin die Kreiszahl über ein 16384-Eck auf sechs Dezimalstellen genau.
Der indische Mathematiker und Astronom Aryabhata gibt im Jahre 498 das Verhältnis des Kreisumfangs zum Durchmesser mit an, was nur um rund 0,00023 % zu hoch liegt.
In seinem 1424 abgeschlossenen Werk Abhandlung über den Kreis berechnete der persische Wissenschaftler Dschamschid Masʿud al-Kaschi mit einem 3×228-Eck bereits auf 16 Stellen genau.

In Europa gelang es Ludolph van Ceulen 1596, die ersten 35 Dezimalstellen von pi zu berechnen. Angeblich opferte er dafür 30 Jahre seines Lebens. Van Ceulen steuerte allerdings noch keine neuen Gedanken zur Berechnung bei. Er rechnete einfach nach der Methode des Archimedes weiter, aber während Archimedes beim 96-Eck aufhörte, setzte Ludolph die Rechnungen bis zum einbeschriebenen $2^62$-Eck fort.

Bis heute lässt die Zahl pi die Mathematiker nicht in Ruhe. Es gäbe hier noch viel zu berichten, wie man sich mit neueren mathematischen Verfahren und Algorithmen und Computern der Zahl versuchte anzunähern, aber für deren Verständnis ist viel mathematisches Grundwissen nötig, das ich nur teilweise besitze. Das erspare ich uns jetzt. Wer hier tiefer einsteigen möchte, findet auf Wikipedia tiefe Befriedigung.

Weitere Kuriositäten

  • Freunde der Zahl feiern am 14. März (in US-amerikanischer Notation 3/14) den Pi-Tag und am 22. Juli (in US-amerikanischer Notation 7/22) den Pi Approximation Day.
  • Im Jahr 1897 sollte im US-Bundesstaat Indiana mit dem Indiana Pi Bill die Kreiszahl gesetzlich auf einen der von Hobbymathematiker Edwin J. Goodwin gefundenen Werte festgelegt werden, der sich auf übernatürliche Eingebungen berief. Aus seinen Arbeiten lassen sich unterschiedliche Werte für die Kreiszahl ableiten, unter anderem 4 oder 16⁄5. Nachdem er eine gebührenfreie Nutzung seiner Entdeckungen anbot, verabschiedete das Repräsentantenhaus diesen Gesetzentwurf einstimmig. Als Clarence A. Waldo, Mathematikprofessor der Purdue University, davon zufällig bei einem Besuch des Parlaments erfuhr und Einspruch erhob, vertagte die zweite Kammer des Parlaments den Entwurf auf unbestimmte Zeit.
  • Paragraph 30b der Straßenverkehrszulassungsordnung bestimmt in Deutschland für die Berechnung des (für die Kfz-Steuer relevanten) Hubraums eines Verbrennungsmotors: „Für pi wird der Wert von 3,1416 eingesetzt.“
  • Die Versionsnummer des Textsatzprogramms TeX von Donald E. Knuth wird entgegen den üblichen Konventionen der Software-Entwicklung seit den 1990er Jahren so inkrementiert, dass sie sich langsam annähert.
  • Der Versionsname der freien Geoinformationssystemssoftware QGIS lautet in der Version 3.14 „Pi“. Für Bugfix-Versionen werden zusätzliche Dezimalstellen hinzugefügt.
  • Wissenschaftler senden mit Radioteleskopen die Kreiszahl ins Weltall. Sie sind der Meinung, dass andere Zivilisationen diese Zahl kennen müssen, wenn sie das Signal auffangen können.
  • Der aktuelle Rekord im Pi-Vorlesen liegt bei 108.000 Nachkommastellen in 30 Stunden. Der Weltrekordversuch begann am 3. Juni 2005 um 18:00 Uhr und wurde am 5. Juni 2005 um 0:00 Uhr erfolgreich beendet. Über 360 Leser lasen jeweils 300 Nachkommastellen. Organisiert wurde der Weltrekord vom Mathematikum in Gießen.

Film, Musik, Kultur und Literatur

• Im Roman Der Zauberberg von Thomas Mann schildert der Erzähler im Kapitel Der große Stumpfsinn auf mitleidig-belächelnde Weise, wie die Nebenfigur des Staatsanwalts Paravant den „verzweifelten Bruch“ Pi zu enträtseln versucht. Paravant glaubt, dass die „planende Vorsehung“ ihn dazu bestimmt habe, „das transzendente Ziel in den Bereich irdisch genauer Erfüllung zu reißen“. Er bemüht sich, in seiner Umgebung eine „humane Empfindlichkeit zu wecken für die Schande der Verunreinigung des Menschengeistes durch die heillose Irrationalität dieses mystischen Verhältnisses“, und fragt sich, „ob nicht die Menschheit sich die Lösung des Problems seit Archimedes’ Tagen viel zu schwer gemacht habe, und ob diese Lösung nicht in Wahrheit die kindlich einfachste sei.“ In diesem Zusammenhang erwähnt der Erzähler den historischen Zacharias Dase, der Pi bis auf zweihundert Stellen nach dem Komma berechnet hat.
• In der Science-Fiction-Serie Raumschiff Enterprise bemächtigt sich in Folge 43, Der Wolf im Schafspelz (orig. Titel Wolf in the Fold), ein fremdes Wesen des Bordcomputers. Der 1. Offizier Spock befiehlt darauf dem Computer, die Zahl Pi bis auf die letzte Nachkommastelle zu berechnen. Durch diese Aufgabe wird der Computer so überfordert, dass das Wesen den Computer wieder verlässt.
• 1981 wurde Carl Sagans Buch Contact veröffentlicht. Das Buch beschreibt das SETI-Programm zur Suche nach außerirdischer Intelligenz und damit verbundene philosophische Betrachtungen. Es endet mit der fiktiven Beantwortung der Frage, ob das Universum zufällig entstanden ist oder planvoll geschaffen wurde. Die Zahl spielt für die im Rahmen der Handlung folgerichtige Antwort die zentrale Rolle.
• 1998 veröffentlichte Darren Aronofsky (Requiem for a Dream) den Film Pi, in dem ein mathematisches Genie (Sean Gullette als ‚Maximilian Cohen‘) die Weltformel aus herausfiltern möchte.
• Auf dem 2005 erschienenen Doppelalbum Aerial von Kate Bush ist ein Lied der Zahl Pi gewidmet.
• Die im November 2006 eröffnete Medieninstallation Pi in der Wiener Opernpassage widmet sich unter anderem der Kreiszahl.
• Im Film Nachts im Museum 2 (2009) ist die Kreiszahl die Kombination für die Tafel des Ahkmenrah. Die Kombination wird mit Hilfe von Wackelkopf-Einsteins gelöst und öffnet in dem Film das Tor zur Unterwelt.
• Die progressive Deathcore-Band After the Burial hat auf ihrem Debütalbum Forging a Future Self das Lied Pi (The Mercury God of Infinity) veröffentlicht. Es besteht aus einem Akustikgitarrensolo, auf das ein Breakdown folgt, dessen Rhythmus an die ersten 110 Stellen der Kreiszahl angelehnt ist.

Und was lernen wir aus all dem?

Fange niemals einen Satz an wie:

„Pi ist genau …“
Der wird immer falsch.

Rechnerinnen – zum Weltfrauentag 2023

Prolog

Heute ist der 08.03., Welt-Frauentag. Was liegt näher, so einen Tag zu begehen, als dass ich mir Gedanken über große Frauen in Astronomie und Wissenschaft mache. Das seid ihr ja von mir gewöhnt, dass an jedem 08.03. eine Wissenschaftlerin gewürdigt wird.

Bis heute sind Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen leider noch immer unterrepräsentiert. Die Statistiken sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Trotz Frauenbewegung, Emanzipation, Erziehungsurlaub auch für Männer, gesetzliche Gleichberechtigung und dafür aufgeschlossene Männern, ist es noch nicht gelungen, diesen Missstand in den Griff zu bekommen.
Dennoch hat es immer wieder Frauen gegeben, die trotz Benachteiligung, Unterdrückung, Bildungsverbot und Leben in einer streng patriarchaisch dominierten Gesellschaft, großartiges in Wissenschaft, z. B. der Astronomie, geleistet haben. Sie setzten sich in einer harten Männerwelt durch und waren vielleicht sogar öfter, als man denkt, die schlaueren Köpfe. Zumindest zeugen einige Dokumente davon, dass viele starke kluge Frauen die Fäden ihrer männlichen Professoren in Händen hielten…
Bis in biblische Zeiten hinein, kann man diese Phänomene beobachten. Somit scheint der Satz

Der Mann kann noch so viele Dinge bauen – Es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen.

mehr Wahrheitsgehalt zu besitzen, als manchen lieb ist.

So lasst uns den Weltfrauentag 2023 damit begehen, indem wir die Person und das Lebenswerk von Williamina Fleming würdigen.

Leben

Ihre Eltern waren Robert Stevens und Mary Walker Stevens. Williamina besuchte öffentliche Schulen in Dundee (Schottland) und wurde mit 14 Jahren Lehrerin. Das stelle man sich vor. Also wenn ich mir überlege, wo ich mit vierzehn Jahren war…

Sie heiratete James Orr Fleming. Als sie 21 Jahre alt war, übersiedelte das Paar in die USA nach Boston. Ihr Ehemann verließ sie, als sie mit ihrem Sohn Edward schwanger war. Das muss sehr schwer für sie gewesen sein, in dieser Zeit quasi ein vaterloses Kind als allein erziehende Frau groß zu ziehen. Das war ein großes gesellschaftliches Problem und sicherlich irgendwie auch eine Schande.

So musste sie sich eine Arbeit suchen, um den Lebensunterhalt für sich und ihr Kind zu verdienen.
Sie fand eine Stelle als Angestellte im Haus des Professors Edward Charles Pickering. Pickering, beeindruckt von der Intelligenz Flemings und unzufrieden mit seinen männlichen Assistenten am Harvard-College-Observatorium, erklärte, seine Hausangestellte könne deren Arbeit besser erledigen.

So beauftragte Pickering im Jahr 1881 in dem Observatorium Williamina mit Büroarbeiten und ab 1886 mit der Klassifikation von Sternen.

Lebenswerk

Ihr System basierte darauf, jedem Stern einen Buchstaben zuzuordnen in Abhängigkeit davon, wie viel Wasserstoff in seinem Spektrum beobachtet werden konnte. A-Sterne hatten am meisten Wasserstoff, B-Sterne etwas weniger, und so weiter. Insgesamt gruppierte Fleming die Sterne in 17 Kategorien ein.
Annie Jump Cannon , auch eine Frau, verbesserte später das System und entwickelte eine einfachere Klassifizierung auf Basis der Temperatur.

Wir erinnern uns, dass das, woraus Sterne im wesentlichen Bestehen, Wasserstoff und Helium, auch die Entdeckung einer Frau und Astronomin war. Sie würdigte ich
zum Frauentag 2022 in „Die Frau mit dem Sonnenstoff„.

Fleming beteiligte sich an der Katalogisierung der Sterne, der später als Henry-Draper-Katalog veröffentlicht wurde. In neun Jahren erfasste sie mehr als 10.000 Sterne. Bei ihrer Arbeit entdeckte Williamina Fleming 59 Gasnebel, 310 veränderliche Sterne und 10 Novae. 1907 veröffentlichte sie eine Liste von 222 veränderlichen Sternen, die sie neu entdeckt hatte.
Pickering übertrug ihr die Verantwortung für Dutzende von Frauen, die für die Durchführung mathematischer Klassifikationen angestellt waren, und sie redigierte die Publikationen des Observatoriums.
Frauen wurden häufig als sog. Rechnerinnen angestellt, weil man sie deutlich geringer bezahlte. Solchen Rechnerinnen oder auch Computer genannten Frauen verdanken wir die Mondlandung. denn sie berechneten dafür die Flugbahn der Raketen. An dieser Stelle will ich euch ganz dringend den Film „Hidden Figures“ empfehlen. Dieser handelt genau von diesen Frauen, die den Mondflug berechneten und dazu noch dunkler Hautfarbe waren. Jeder weiß, dass solche Menschen in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts großen Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt wahren. Das ist bis heute noch nicht völlig überwunden. Es gibt diese Geschichte auch als Buch. Auf Deutsch heißt es
Im Kernschatten des Mondes – Die unbekannten Heldinnen der NASA, Taschenbuch von Margot Shetterly, HarperCollins, 9783959674034
Es wurde auch in den Hörbüchereien für blinde Menschen aufgelesen.

Und wir lernten unsere heutige Astronomin im Zusammenhang mit sog. Weißen Zwergen kennen.
Im Jahre 1910 waren Teleskope schon deutlich besser und empfindlicher, so dass diese Objekte langsam beobachtet werden konnten.
In diesem Jahr entdeckten die Astronom*innen Henry Norris Russell, Edward Charles Pickering und Williamina Fleming, dass
40 Eridani B ein sonnennaher schwacher Stern ist, Dieser sollte eigentlich eine rote Zwergsonne sein.
Er leuchtet entgegen aller Erwartungen weiß und muss daher eine sehr hohe Oberflächentemperatur besitzen. Er ist also ein weißer Zwerg, der erste, welcher je erblickt wurde.
Über diese Zwerglein schrieb ich in Station acht auf unserer Reise zu den schwarzen Löchern.

Ihr Appell

Fleming gelangte zu der Überzeugung, dass die Astronomie ein geeignetes Betätigungsfeld für Frauen ist. In ihrem Artikel A Field For Woman’s Work in Astronomy ging sie auf die Tätigkeit von sich und ihren Kolleginnen am Observatorium näher ein und versuchte die Motivation von Frauen zu stärken, sich in die Astronomie wissenschaftlich einzubringen.
Da rennt sie bei mir offene Türen ein. Und außerdem ist die Astronomie eines der inklusivsten Dinge, mit welchen man sich beschäftigen kann.

Würdigungen

1899 erhielt sie den Titel Kurator für Astronomische Fotografien und 1906 wurde sie Ehrenmitglied der Königlichen Astronomischen Gesellschaft von London – die erste Frau, der diese Ehre zuteil wurde. Kurz darauf erhielt sie ein Ehrenstipendiat am Wellesley College. Kurz vor ihrem Tod zeichnete die Mexikanische Astronomische Gesellschaft sie für die Entdeckung neuer Sterne mit der Guadalupe Almendaro Medaille aus.
Nach ihr wurde 1970 der Mondkrater Fleming (zusammen mit Alexander Fleming) benannt, sowie 2022 der Asteroid (5747) Williamina.

Astronomie ohne Sternensicht


Meine lieben,

Abgesehen von meinem Jahresrückblick melde ich mich heute bei euch mit meiner zweiten Veranstaltung, die ich in diesem Jahr bereits hatte bei euch zurück, obwohl es noch so jung.

Vorgeschichte

Seit einiger Zeit veranstaltet die Sternwarte München gemeinsam mit dem Bayrischen Blindenbund astronomische Abende für blinde Menschen. Das machte mich natürlich hellhörig. Auch der Veranstalter fand mich im Netz, und so kamen wir zusammen.

Der verfasst einen ganz wunderbaren Newsletter, der wöchentlich erscheint.
In diesem Newsletter erfährt man viel zum Jahreslauf, z. B. was es gerade am Himmel zu sehen gibt, es erscheinen schöne Geschichten aus der Mytologie, Phänomene werden erklärt und oft gibt es dann noch ein Video zu einem Thema.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist, dass alle Bilder extra für uns beschrieben werden. Das ist dem Macher des Newsletters so wichtig, dass er es sogar ausdrücklich erwähnt.

Sternenkartenselfi
Dieses obige Bild beschreibt er z. B. so:

Das Foto zeigt Gerhard mit tastbarer Sternkarte in der Hand und daneben stehend ein Modell der Saturn-5-Rakete.

Jetzt hoffe ich, dass ich das richtige Bild aus der Mediathek gefischt habe…
Auf jeden Fall ist das von Eberhard so vorbildlich, dass sich viele daran ein Beispiel nehmen können. In den sozialen Netzwerken wird fast kein einziges Bild für uns erklärt. Und wie man am Beispiel sieht, ist das doch gar nicht so schwer. Nur mut. Eine schlechte Beschreibung ist mehr, als gar keine. Der Wille zählt.

Auf diesem Newsletter war ich am letzten Sonntag Gast mit einem Text, der meinen Zugang, den Zugang des Blinden zum All, erklären sollte.

Als ich vor sechs Jahren diesen Blog startete, schrieb ich in Wieso ich Astronomie treibe, bereits aus der Sicht meiner persönlichen Entwicklung darüber. Im heutigen Text orientiere ich mich vor allem an den Tatsachen, welche die Astronomie so zugänglich für alle (inklusiv) sein lassen.
Also los:

Zu meiner Person:

Am 21. Februar 1969 wurde ich als fünftes von sechs Kindern in Schopfheim geboren. Da ich zwei Monate zu früh das Licht der Welt erblickte, musste ich zunächst in den Brutkasten. Nicht selten, so auch bei mir, führte dies zu einer Augentrübung, die der Grund für meine Blindheit ist.
Aufgewachsen bin ich mit meinen zwei Brüdern und drei Schwestern in einer Arbeiterfamilie. Somit führte vor allem mein Vater uns schon als Kinder an technische Dinge heran und lehrte uns den Umgang mit Werkzeug und Werkstoffen wie Holz.
Von meiner Mutter wurden wir schon als Kinder stets zur Arbeit und Mithilfe in Haus, Hof und Garten herangezogen. Jeder musste für alle etwas übernehmen und war dafür verantwortlich.
Dass ich in einer solchen Umgebung aufwachsen durfte, förderte natürlich mein Interesse an technischen Dingen, und führte mich letztlich zu meinem Lieblingshobby, der Astronomie.
Wie alle Kinder meines Alters wuchs auch ich ganz selbstverständlich im Schatten von Captain Kirk und seiner Enterprise auf.
Star Wars, Raumpatrouille und viele andere beeindruckten mich schon immer sehr. Stets mochte ich Handlungen mit viel technischem Bezug.
Außerdem faszinierten mich die futuristischen Geräusche sehr.
Ich habe das große Glück, seit dem Jahr 2000 als diplomierter Informatiker am Institut ACCESS@KIT (A@K) arbeiten zu dürfen, ohne das meine Vorträge zu astronomischen Themen nicht möglich wären.

Ich höre die Sterne nicht und fühle auch den Vollmond nicht. Hätte ich keinen Kalender, wüsste ich gar nicht, wann Vollmond ist.
Und trotzdem ist die Astronomie eines der inklusivsten Hobbys, das ich kenne.

Nagende Zweifel

Was, das glauben Sie nicht? Damit sind Sie nicht alleine. Viele, die in meine Veranstaltungen kommen, sind erstmal skeptisch und werden von
Fragen und Zweifeln getrieben.
Das klingt dann ungefähr so:

Wieso machst Du das? Da hast Du doch eh nichts davon!
Wie willst Du da mitreden? Du siehst das doch gar nicht.

Weil ich das weiß, eröffne ich viele Vorträge ungefähr dann so:

Jetzt Hand aufs Herz. Wer hat momentan diesbezüglich auch berechtigterweise noch Fragezeichen in den Augen? Die oder derjenige möchte bitte die Hand heben. Keine Angst. Ich „schaue“ weg. Es stellt sich also niemand bloß. Bitte zählt mal jemand, der sehen kann, durch.
Am Schluss der Veranstaltung machen wir das Spielchen nochmal. Dann werden wir sehen, ob und wieviel sich bewegt hat.

Das geht natürlich hier in einem Newsletter nicht so gut mit dem Hand heben. Aber ob sich bei Dir ganz persönlich was bewegt und verändert hat, fühlst Du ja dann selbst.
Also liegt es nun bei mir, euch zu zeigen, dass die These, dass Astronomie barrierefrei sei, stimmt.

Das geht uns alle an

Zunächst ist die Astronomie etwas für Alle, weil sie sich mit Fragen beschäftigt, die uns alle umtreiben und angehen.

  • Wo kommen wir her?
  • Wo gehen wir hin?
  • Wie war der Anfang?
  • Wie wird das Ende sein?
  • War es ein Schöpfergott?
  • Wie funktioniert das Universum?

Da ist doch schon einiges dabei, das auch für Menschen interessant ist, die nicht sehen können…

Kommen wir nun aber zu mir und meinen Gründen, wieso ich Astronomie so spannend für mich finde:

Ich habe meine Gründe

  • Die meisten Dinge in der Astronomie spielen sich mittlerweile nicht mehr visuell ab.
  • Ergebnisse zeigen sich häufig als Tabellen über Strahlungsarten und oder Verteilungen.< Diese sind mit heutiger Technologie auch blinden Menschen zugänglich und können von ihnen interpretiert und verstanden werden.
  • Die Sicht auf Sterne ist wegen der nächtlichen Lichtverschmutzung meist unmöglich.
  • Im Vergleich zu der großen Zahl an Sternen, die es alleine in unserer Milchstraße gibt, sind die wenigen, die man selbst bei bester Sicht mit bloßem Auge sehen kann, vernachlässigbar.
  • Dass ein klarer nächtlicher Sternenhimmel eine Augenweide darstellt, ist sicher unbestritten; unter dem Strich ist dies aber relativ
    unwesentlich für die Astronomie als Ganzes.
  • Das Universum besteht nur zu vier Prozent aus dem, was für Augen vermeintlich so interessant ist. Tja, da kann man nichts machen.
    Stellen Sie sich vor, Sie sähen nur noch vier Prozent Ihres Fernsehbildes. Vermutlich würden Sie dann dieses abendliche Vergnügen rasch aufgeben.
  • Dunkle Energie und dunkle Materie weigern sich strickt, gesehen zu werden. Hören lassen sie sich bisher allerdings auch noch nicht,
    und somit besteht hier Chancengleichheit, was die Suche danach angeht.
  • Schwarze Löcher sind – zumindest wenn sie gerade hungern – so schwarz, dass man mit den besten Augen nichts damit anfangen könnte.
    Alles Unsichtbare ist prädestiniert, auch von Blinden erobert zu werden.

Na, jetzt sollten die Zweifel doch schon langsam zu bröckeln beginnen, nicht wahr?
Dann lasst uns doch einige dieser Punkte mal etwas genauer betrachten.

Erstes Beispiel:

Die Idee, dass die Bewegungen von Himmelskörpern, z. B. von Planeten musikalisch- harmonischen Gesetzen gehorchen sollten, geht bis auf Pythagoras und die alten Griechen zurück. Selbst Johannes Kepler versuchte in einem seiner Bücher noch, die Bahnen der Planeten auf Musiknoten abzubilden. Da liegt es doch nahe, dass man diesem Gedanken noch heute, wo wir über Computer und Sound-Systeme verfügen, nochmal auf den Grund gehen wollte.
Und das wurde tatsächlich gemacht. Ich schrieb darüber in Klingende Planetenbahnen

Beispiel zwei

Nehmen wir die Tatsache, dass sich viele Dinge in der Astronomie heutzutage nicht mehr im visuellen Bereich abspielen. Da gibt es die Radioastronomie, die gerade für blinde Hörmenschen par excellence, ein unheimlich reichhaltiges Radioprogramm liefert.
Man kann z. B.

und vieles mehr.
Auf meinem Blog habe ich diesen Themen eine ganze Kategorie gewidmet.
Wer sich dafür interessiert, sollte mal in Mit dem Ohr am Teleskop stöbern.
Selbst alle großen Raumfahrtagenturen haben die Sonifikation, also die Verklanglichung von Himmelsphänomenen mittlerweile für sich entdeckt.
Sogar der aktuelle Rover auf dem Mars, ja, der mit dem Hubschrauber, hat ein Mikrofon dabei.
Hier könnt ihr anhören, was der Rover so hört.

Das liegt ja auch nahe, denn was man nicht sehen kann, z. B. infrarotes Licht, muss auch für Sehende aufbereitet werden. In dem Sinne ist dann die Sonifizierung fast dasselbe. Das kann uns wissbegierigen blinden Astronomen nur recht sein.
Die riesigen Staubwolken, die das Hubble-Teleskop „Die Säulen der Schöpfung“ genannt, entdeckte, sind eine wahre Kinderstube neuer Sternentstehung.
Die optischen Daten wurden verklanglicht und klingen dann so.
Es gibt mittlerweile auch Bilder der Säulen vom JWST, das im infraroten Bereich durch die Staubwolken in die Säulen direkt auf die jungen Sterne blicken kann.
Alles, was für die Augen visualisiert werden muss, ob Infrarot, Röntgenstrahlung oder der ganze Radiobereich, kann auch akustisch aufbereitet werden. Ob ich einer Welle beispielsweise eine Farbe zuordne, oder einen Ton oder Sound, ist fast einerlei.

Podcasts und Sendungen:

Es gibt sie zu den unterschiedlichsten Themen. Podcasts sind Sendungen, die ohne Bilder auskommen müssen, weil sie häufig mobil von unterwegs angehört werden. Was zu beschreiben ist, muss also für alle so erklärt werden, dass man es auch ohne Bildinformation versteht. Das kommt blinden Menschen natürlich sehr zu pass, und ist somit inklusiv.
Welche wichtige Informationsquellen Podcasts für mich mittlerweile geworden sind, beschrieb ich in
Podcasts, ein inklusives Tor zu Bildung und Wissen.

Bücher, Bücher, Bücher

  • Ich stieß Anfang der 90er auf das Hörbuch „Kurze Geschichte der Zeit“ von Steven Hawking. Hierzu gab es auch einen Kinofilm. Interessant ist, dass ich stets gefragt wurde, ob ich die Bücher von Hawking kenne. Allerdings nicht wegen ihrer Inhalte, sondern weil auch Hawking behindert war – wenn auch ganz anders als ich. Ich machte die merkwürdige Erfahrung, dass viele Menschen stets davon ausgehen, alle Behinderten würden sich untereinander kennen – und was noch wichtiger ist: sich gegenseitig ganz lieb haben.
  • In dieser Zeit wurde die Audioausgabe der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ durch den Deutschen Verein für Blinde und Sehbehinderte in Studium und Beruf herausgegeben, die ich sofort abonnierte und bis heute immer wieder verschlinge.
  • Ich stieß auf die Bücher und Sendungen von Joachim Ernst Behrendt, der mir erstmals zeigte, dass alles irgendwie Klang ist.
    Von Radioaufnahmen von Pulsaren, dem Sonnenwind, und vielem mehr, findet sich alles in seinen Sendungen „Nada Brahma“ und „Das Ohr ist der Weg“.
  • In der Blindenhörbücherei entdeckte ich – auf ungefähr 20 Kassetten aufgelesen – das Buch „Der Stern, von dem wir leben – Den Geheimnissen der Sonne auf der Spur“ von Rudolf Kippenhahn, dessen Vortrag ich schon erwähnt habe. Mich faszinierte an diesem Buch vor allem, dass alle darin enthaltenen grafischen Elemente zusätzlich mit einer derart ausführlichen Texterklärung versehen waren, wie ich es selten bei anderen Autoren erlebt habe. Es schien fast so, als würde er auch an blinde Menschen denken, die auf derlei Beschreibungen angewiesen sind.
  • Neben den Roboter-Romanen Isaac Assimovs fesselten mich auch seine populärwissenschaftlichen Werke, z. B. „Explodierende Sonnen“, oder „Die Rückkehr des Halleyschen Kometen“.
  • Und jetzt kommt der Oberhammer:
    1995 erhielt ich mein erstes Vorlesesystem, mit dem man ein Buch einscannen und sich anschließend per Sprachausgabe vorlesen lassen konnte. Dafür opferte ich ein ganzes Studiensemester, in welchem ich täglich viele Stunden vor diesem Gerät verbrachte und manchmal mehrmals wöchentlich Kunde der Stadtbibliothek war. In diesem halben Jahr las ich quasi nur. Es war, als stünde ich am Brunnen des Wassers meines Lebens. Tröpfelte bisher nur wenig Literatur durch unsere Hörbüchereien und noch viel weniger in Blindenschrift zu mir, so ergoss sich nun dieser unerschöpfliche Quell. Ich konnte lesen, was ich wollte. Das war eine Befreiung.
  • Modelle

    Ich lebe genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um „Inklusion am Himmel“ zu treiben. Die Möglichkeiten des 3D-Druckes, etc. eröffneten mir eine ganz neue Welt. Somit setze ich in meinen Veranstaltungen viele Modelle und taktile Materialien ein, die dann herum gehen, und von allen betastet werden dürfen.
    Ein Highlight meines Lebens war in diesem Zusammenhang, dass ich mal mit einem Vortrag und danach mit einem Messestand meine Projekte bei der Jahrestagung der internationalen astronomischen Union in Wien vorstellen durfte. Ihr erinnert euch? Das sind die, die 2006 den Pluto als Planeten heraus geworfen haben…
    Auf jeden Fall habe ich darüber einen schönen bebilderten Artikel gemeinsam mit einem Reporter aus Wien geschrieben.
    Zum bebilderten Teil des Artikels geht es hier lang.
    Dort kommen übrigens auch noch andere blinde Berufsastronom:innen zu Wort. Ja, es gibt sie. Meist wurden die im Laufe ihres Berufslebens blind, und haben einfach weiter gemacht. Man kann ja von der optischen Astronomie in die hörbare Radioastronomie wechseln. Aus den meisten anderen Berufen würde man nach einer Erblindung einfach heraus fallen. So inklusiv ist die Astronomie eben auch.

    Astronomie für benachteiligte Kinder

    Ganz besonders bei meinen Vorträgen an Brennpunkt-Schulen zeigt sich auch wieder, wie inklusiv Astronomie sein kann. Sie holt die Kinder ab, und soziale Benachteiligungen, Migrationshintergründe und sonstige Einschränkungen haben erst mal Pause.
    In meiner Kategorie Inklusion findet ihr zahlreiche Beispiele für sehr inklusive Veranstaltungen.

    Abspann

    So, liebe Leser:innen, ich denke, damit lassen wir es erst mal für heute bewenden. Ich hoffe, ich konnte euch etwas näher bringen, wieso ich die Astronomie so sehr liebe. Ich hoffe, dass ihr verstanden habt, dass es bei mir so ist:
    Außer den Sternenhimmel selbst betrachten zu können, kann nahezu alles, was diese Wissenschaft betrifft, von mir, also Menschen ohne Sehvermögen bewältigt werden.

    Nicht jeder Zugang zur Astronomie ist für jeden geeignet, aber ich versichere euch, dass es für jeden mindestens einen Zugang gibt.

    So, und jetzt wollt ihr bestimmt noch wissen, wie ihr diesen Newsletter abonnieren könnt.
    Da es ein geschlossener Newsletter ist, müsst ihr euch per Mail an
    Eberhard Grünzinger e.gruenzinger@gmx.de wenden. Der nimmt euch gerne auf. Und ich kann euch sagen, es ist immer ein sonntägliches Lesevergnügen vor dem schlafen gehen.