Sich blind auf dem Mond orientieren, geht das?


Aber sicher doch geht das. Man braucht nur die richtige Karte dafür.
in meinem letzten Blogbeitrag beschrieb ich meine neue Errungenschaft, die taktile Mondkarte.

heute geht es um mein erstes konkretes Erlebnis, wie ich mittels dieser Karte nachvollziehen konnte, was sehende Astronomen beschrieben haben.
All Monatlich gibt es so kurz nach Halbmond (59 % Sichtbarkeit in Karlsruhe), also bei zunehmendem Mond, herum ein astronomisches Phänomen, welches ein sehr begehrtes Objekt für ein eigenes Mondfoto unter Astrofotografen darstellt.
Da wird dann über Kameras, Brennweiten, Teleskope, Öffnungswinkel, Nachführtechnik und vieles mehr gefachsimpelt, wenn das Foto dann etwas geworden ist, und der glückliche Astronom etwas zum Zeigen hat. Dieser Begeisterung kann man sich nicht entziehen.
Es geht um das Phänomen des Hesiodusstrahls. An diesem Beispiel möchte ich veranschaulichen, dass sich auch auf dem Mond die Astronomie mal wieder als äußerst inklusives Hobby darstellt. Auf Twitter erinnerte uns einer meiner Folger daran, dass wir uns am 25.01. gegen 21.00 Uhr mit Teleskop ausgerüstet, nach draußen begeben sollten, um das Phänomen des Hesiodusstrahls zu beobachten.
Ich fragte mich, was das wohl besonderes sein könnte, wenn jemand daran extra erinnert. Hesiodus hatte ich schon mal gehört. Das ist ein Krater auf dem Mond. Wo er liegt, wie groß er ist und was das für ein Strahl sein soll, wusste ich nicht. Normalerweise interessieren mich derlei Phänomene auch nicht so sehr, obwohl hier in der Runde auch schon einige wichtigere, wie z. B. Finsternisse, oder solche, worüber es schöne, auch für mich als blinden Astronomen, interessante Geschichten zu erzählen gibt, angesprochen und erklärt wurden.

 

Das Phänomen:
Zu bestimmten Zeiten liegt der Krater Hesiodus am Terminator, der Tag-Nacht-Grenze des Mondes.
Je nach Mondstand sieht der Terminator sehr unterschiedlich aus. Er verläuft bei Nicht-Vollmond immer entlang der Linie, die das fehlende Mondstück markiert. Je nach dem, ob zunehmender oder abnehmender Mond herrscht, ist sie nach rechts oder links gebogen. Denn der Mond nimmt nicht so zu und ab, wie man sich das Zerschneiden eines Kuchens vorstellt.
Ein fast voller Mond sieht nicht, wie eine Pizza aus, bei der ein Stück (abgerundetes Dreieck) fehlt. Er ist eher mit dem Logo der Firma mit dem abgebissenen Obst, vergleichbar.
Wenn man zwei gleichgroße Pappscheiben nimmt und die eine langsam über die andere gleiten lässt, dann kann man den verlauf des Terminators ertasten.

Es ist jetzt so, dass bei einem gewissen Mondstand die Sonne für den Mond so aufgeht, dass der Kraterwall des Hesiodus-Kraters von der Sonne beleuchtet wird. Diese leuchtet dann durch eine Spalte im Krater zum Nachbarkrater Pitatus herüber.
Die Sonnenstrahlen bilden dort einen Lichtstrahl auf dem noch dunklen Boden von Pitatus. Zuerst ist er sehr schmal, wird aber im Laufe von Stunden immer breiter, bis der Kraterboden von Pitatus vollständig ausgeleuchtet wird.
Mich hat jetzt natürlich, wenn ich die Sache schon nicht sehen kann, brennend interessiert, wo diese beiden Krater überhaupt auf der Mondscheibe zu finden sind.

Nun bat ich im ersten Schritt eine sehende Person, dass sie prüft, ob diese Krater auf meiner Karte eine Beschriftung tragen, denn nicht alle Krater und Berge haben ein Label. Das wäre zuviel. Im wesentlichen sind diejenigen beschriftet, die für die Menschheit eine besondere Bedeutung hatten, bzw. haben. So ist natürlich das Meer der Ruhe im Nordosten der Mondscheibe beschriftet, weil dort Apollo11 landete.
Jetzt, was tun. Ich recherchierte im Netz und fand heraus, dass Hesiodus ein Krater im Südwesten zu sein scheint, der ziemlich groß ist.
Auf der Mondscheibe ist Norden oben, und Süden unten.
Ich tastete und fand einige Kandidaten, die in die engere Wahl genommen werden konnten. Mit meiner sehenden Assistenz besorgten wir uns nun ein Bild des Phänomens aus dem Netz, in der Hoffnung, wir können den Krater durch den Vergleich des Bildes mit der taktilen Karte, finden. Um das an dieser Stelle abzukürzen:

Ganz sicher sind wir uns nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ich Hesiodus gefunden habe. Die Verbindungsrinne zu Pitatus ist bei der Auflösung der Karte vermutlich nicht zu ertasten.
Für mich ist es sehr schön, wenn ich mit der taktilen Karte vieles nachvollziehen kann, das Sehende am Mond fasziniert. Viel wichtiger dabei ist aber,

dass ich zum einen überhaupt etwas nachvollziehen kann und zum andern,

dass ich mitmachen kann.

Ich kann mitreden,

fragen stellen,

mir zeigen lassen, worum es geht,

das Eis der Sehenden brechen, weil sie von der Karte fasziniert sind und vieles mehr. In einem Wort gesagt.
Damit kann ich „Mondinklusion“…
Und um zu beweisen, wie ernst mir das ist, schicke ich hier für die Sehlinge unter uns noch einen Link mit, der zu einem wunderbaren Bericht über die Entstehung eines Hesiodusstrahl-Fotos führt. Dort sind dann auch Bilder drin. Somit kommt der wunderbare Sehsinn auch nicht zu kurz.
Artikel mit Fotos
Das war mein Hesiodusstrahl. Ich hoffe, er leuchtet auch etwas für euch.
Beste Grüße
Euer Gerhard.

 

 

Ein Gedanke zu „Sich blind auf dem Mond orientieren, geht das?“

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