Kometengeschichten 4 – Sag beim Abschied leise servus


Liebe Leserinnen und Leser,

Sag beim Abschied leise servus

, sang Karl Moik in seinem Musikantenstadel, den ich als Kind ertragen musste, weil meine Eltern und Großeltern diese Sendung sehr liebten. Naja, zugegeben. Ich fand das damals gar nicht so schlimm und war auch sehr von der Sehnsuchtsmelodie ergriffen, die der damals zehnjährige Walter Scholz glasklar auf seiner Trompete blies, so dass Karl Moik weinen musste. Es kann auch der kleine Stephan Ross gewesen sein. Das weiß ich nicht mehr so genau. Ergreifend kitschig war es auf jeden Fall.

Sehnsucht kommt oft nach einem Abschied und der Hoffnung auf ein Widersehen. Abschied müssen wir so langsam vom Kometen Neowise nehmen, der in den letzten Wochen so viele Astronom*innen im Bann hielt. Ich war sehr beeindruckt, wie viele Fotos hier durch das Internet zischten. OK, ich konnte sie nicht sehen, aber mich faszinierten ganz besonders diejenigen, die auch noch mit Erklärungen versehen waren, welche Tricks, welche Teleskope, welche Kameras oder welche Smartphones dazu benutzt wurden, den Kometen einzufangen. Es gab auch richtige Zauberer, denen es beispielsweise gelungen ist, den Kometen mit Landschaft, mit der ISS, oder sonst wie abzulichten. Aber wie das so im Leben ist. Was für die einen ein trauriger Abschied ist, lässt andere erleichtert aufatmen. Heute geht es mal um die Angst, die die Menschen schon seit alter Zeit vor Kometen hatten.

Kometen haben die Menschen offenbar schon immer erschreckt. Das liegt sicher auch daran, das sie sich über die himmlischen Gesetze hinWeg zu setzen scheinen. Alle anderen Himmelskörper, Sterne, Sonne, Mond und Planeten bewegen sich nämlich auf regelmäßigen Bahnen. Bei den Sternen ist diese Regelmäßigkeit besonders offenkundig. Sie ziehen jede Nacht mit stets gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Himmel und behalten dabei ihre Positionen zueinander unverändert bei. Bei Sonne und Mond ist die Regelmäßigkeit schon schwerer zu erkennen. Die Mittags Höhe der Sonne ändert sich mit dem Laufe des Jahres und der Mond nimmt zunächst zu und dann wieder ab, und verändert seine Phasen Gestalt von Nacht zu Nacht. Bei den Planeten schließlich beobachten wir sogar Veränderungen der Geschwindigkeit und eine gelegentliche Umkehrung der Bewegungsrichtung. all diese Veränderungen sind aber so regelmäßig, dass man daraus die Positionen der Himmelskörper weit in die Zukunft hinein Voraus bestimmen kann. Anders bei den Kometen. Sie erscheinen plötzlich und ohne Vorwarnung am nächtlichen Himmel zumeist als LichtSchwache Objekte und kommen aus nicht vorhersehbaren Richtungen. Bis zum nächsten Kometen können 50 oder mehr Jahre vergehen. Einer kann aber auch schon im nächsten Monat auftauchen. Die Astronomen des klassischen Altertums kannten die Gesetzmäßigkeiten für die Bewegung der anderen Himmelskörper, mussten aber bei den Kometen leider passen. Sie konnten nicht voraussagen, wann ein Komet auftauchen würde, geschweige denn an welcher Stelle des Himmels er erscheinen werde und auch über seine Sichtbarkeitsdauer konnte man keine Prognosen anstellen. Dies ist von besonderer Bedeutung angesichts des damals weit verbreiteten Aberglaubens, man könne aus den Positionen von Sonne Mond und Planeten vor dem Hintergrund der Sterne die Zukunft voraus sagen. Aufgrund der Bewegung dieser Himmelskörper veränderte sich der Anblick von Nacht zu Nacht und von Jahr zu Jahr. Ein Geheimcode, so glaubte man. Und die weisen Astrologen versuchten daraus Entscheidungshilfen für die Menschen ableiten zu können. Dieser Irrglaube, die so genannte Astrologie, hat seine Anziehungskraft auf abergläubische Zeit genossen leider bis heute nicht verloren. Wenn aber die Kometen völlig unerwartet auftauchen, mussten sie etwas ungewöhnliches ankündigen.
Und da etwas ungewöhnliches von den meisten Menschen Katastrophen gleichgesetzt wird, galt die Erscheinung eines Kometen stets als Schreckensnachricht. Diese Deutung wurde durch das Aussehen der Kometen noch verstärkt.

Sonne und Mond zeigen sich immer als kreisförmige Scheiben. Sterne sind für das bloße Auge stets Lichtpunkte, die über den Himmel wandern. Der Mond nimmt im Laufe des Monats zu und wieder ab.
Planeten, auch als Scheibchen sichtbar, zeigen zwar manchmal merkwürdige Bewegungen, indem sie rückwärts zu laufen scheinen, was allerdings nur eine Frage der Perspektive und ihrer Geschwindigkeiten zueinander ist, aber dennoch sehr periodisch und regelmäßig. Kein Grund zur Beunruhigung also.

Ein Komet hingegen hat die Gestalt eines leuchtenden Dunstkreises, von dem eine schmale leicht gekrümmte und schwach leuchtende Struktur, seine Schweife ausgehen. Diese zeigen stets weg von der Sonne, da der Sonnenwind die Schweife immer von der Sonne weg bläst.
Kometen erscheinen unangekündigt und scheinbar ohne Regelmäßigkeit. Bis zum nächsten Erscheinen eines Kometen können Jahre vergehen, aber es kann auch schon einer im nächsten Monat erscheinen. Alles sehr ungewiss. Auch die Richtung, aus welcher ein Komet erscheint, ist nicht vorhersehbar. So kam der Komet Neowise, von dem wir uns langsam verabschieden müssen, von der Bahnebene der Planeten her gesehen, eher von oben, also Norden herein. Man sah ihn stets in der Nähe des großen Wagens und des Bären. Ich denke, Menschen auf der Südhalbkugel hatten nicht viel bis gar keine Gelegenheit, ihn zu sehen. Kometen verhalten sich auf jeden Fall nicht so, wie man es von der unverrückbaren Regelmäßigkeit der Himmelsmechanik, die man damals zugrunde legte, erwartete.
Und weil die Sterne, die Sonne, die Planeten und der Mond so präzise ablaufen, entstand die Astrologie, in welcher man bis heute versucht, die Zukunft voraus zu sagen. Noch immer gibt es Menschen, die daran glauben und ihr Leben danach ausrichten. Wem das gut tut, der mache ruhig so weiter. Es schadet nichts, so lange ihr das ganze nicht zu einer Weltanschauung aufblast.

Heute verfügen wir über bessere Instrumente. Wir wissen, dass Kometen sich auf sehr elliptischen Bahnen bewegen können, so dass ihre Wiederkehr Tausende von Jahren dauern kann, etwa 7000 Jahre beim aktuellen Kometen Neowise. Es kann gut sein, dass es langperiodische Kometen gibt, die das letzte Mal sichtbar waren, als es die Menschheit noch nicht gab, bzw. erst sichtbar sein werden, wenn es uns vielleicht nicht mehr gibt. Langperiodische Kometen sind solche, deren Umlaufzeit um die Sonne länger als 200 Jahre dauert.
Das Thema „Kometenbahnen“ ist so komplex, dass ich ihm einen eigenen Artikel widmen muss.
Zurück zur Kometenangst.

Das Wort Komet leitet sich vom Griechischen Wort für Haar ab.
im Altertum galt es als Zeichen der Trauer, wenn eine Frau ihr Haar offen über die Schultern trug. Sie war so betroffen, dass sie keine Zeit fand, sich um ihre Haartracht zu kümmern. was also lag näher, als in einem Kometen ein schlechtes Omen zu erkennen, wenn sein Aussehen dem Haupt einer Frau gleicht, die aus Trauer ihr Haar vom Winde zerzausen lässt.
und wie anders sollte man das Erscheinen eines Kometen interpretieren, denn als Vorboten eines kommenden Unheils. nachdem sich die Verknüpfung von Kometen und Unglück erst einmal bei den Menschen festgesetzt hatte, entdeckten sie in der Gestalt des Kometen noch ganz andere Dinge.
Den Schweif hielt man häufig für ein Schwert, oder einen Säbel und sein Kopf für ein abgeschlagenes Haupt.
Und so nahm die Kometen Angst ständig zu.

Immer, wenn Kometen auftauchten, achteten die Menschen ganz besonders auf irgendwelche schrecklichen Ereignisse, die sie dann in Verbindung mit dem Auftauchen des Kometen brachten. Solche Zusammenhänge Galten dann als Beweis für schlechte Nachrichten und Ereignisse. Oft wurden diese Zusammenhänge auch erst im nachhinein mit historischen Ereignissen verknüpft. Da kam es schon vor, dass man, wie bei Finsternissen auch, die Daten der Geschehnisse etwas anpasste. Immer gab es schon stets Schreckensmeldungen von Kriegen, Unwettern, Seuchen etc, ob ein Komet am Himmel stand, oder nicht. So war es nicht schwer, eine Schreckensbotschaft einem Kometen zu zu ordnen, wenn denn einer erschien.

  • So tauchte beispielsweise im Jahre 44 v. Chr. ein Komet am Himmel auf, der später als Vorbote der Ermordung Caesars angesehen wurde.
  • Ebenso musste ein Komet aus dem Jahre elf v. Chr. für die Ermordung des römischen Staatsmannes Marcus Agrippa, im Jahr zuvor her halten.
  • Ein weiterer Komet, der 837 n. Chr. erschien, wurde nachträglich als Ankündigung des Todes von Ludwig dem frommen drei jahre später gedeutet.
  • So sollte der Komet, der 66 n. Chr. erschien, die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. prophezeit haben.
  • Der Komet des Jahres 1066 n. Chr. sollte dem englischen König Harald die Niederlage gegen Willhelm, den Normannen, ⠀im Herbst gleichen Jahres offenbaren.
  • Ein Komet aus dem Jahre 1456 galt als himmlische Reaktion auf die Eroberung Konstantinopels durch die Türken, Drei Jahre zuvor.
  • Ich schrieb schon im vorigen Artikel, dass man 1910 Blausäure im Schweif des Halleyschen Kometen fand. Viele glaubten damals, dass nun alles Leben auf Erden ausgelöscht würde, wenn die Erde durch diesen Schweif flöge. Wenn dem so gewesen wäre, gäbe es diesen Artikel wohl eher nicht.

⠀Diese Beispiele zeigen deutlich, dass man leicht Ereignisse Kometen zuordnen kann.
Was des einen Freud, ist des anderen Leid.
Es ist aber durchaus nicht so, dass es hier nur um schlechte Prophezeiungen geht. Die Normannen freuten sich ebenso über die Eroberung Englands, wie die Türken über die Erstürmung Konstantinopels.

Was unnseren Kometen, den Neowise betrifft, so konnte ich keinen Schwurbel dazu finden, was aber nicht heißen soll, dass es keinen geben wird. Man sieht an obigen Beispielen, dass die Zuordnung von Kometen zu historischen Ereignissen auch erst später erfolgen kann. „Nachher ist man immer schlauer.“

Kometen scheinen immer Bringer von etwas zu sein. Die einen bringen Sieg, andere Leid, vielleicht kam das Wasser und das Leben durch sie auf die erde, und nicht zuletzt wird der Stern von Betlehem oft als Komet mit Schweif dargestellt. In dem Fall bringt er den Messias und Erlöser…

Wie auch immer. Ich wünsche Neowise eine gute Reise und dass wir mit unserer Welt künftig so umgehen werden, dass ihn in weiteren 7000 Jahren weitere menschliche Astronom*innen fasziniert erblicken können und ihre Fotos über welche Kanäle auch immer, untereinander teilen mögen.

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