Ein Feiertag, blutendes heiliges Brot und ein Bakterium


Meine lieben,

heute greife ich der Zeit etwas voraus. Der heutige Artikel soll mal um den kommenden Feiertag des Fronleichnam gehen. Da ich aber zu dieser Zeit auf einer wunderbaren Chorfreizeit sein werde, an einem Ort, wo man nicht so einfach auf das solide deutsche Internet vertrauen kann, veröffentliche ich etwas früher. Und ach ja, den Chor kennen viele aus meinen Adventskalendern, wo unsere Weihnachtslieder bereits erklangen.
Ich traue es mich jetzt einfach mal, euch auch in der Sommerzeit auf unsere Weihnachtslieder zu schicken. Immerhin nahmen wir unsere Weihnachtslieder im Hochsommer auf, und eine ganz liebe Mutter einer wunderbaren Alt-Stimme backte sogar trotz brüllender Hitze Weihnachtskekse für uns. Das war ein Spaß.
Also, zur Sommerweihnacht bitte hier lang.

Wenn ihr euch jetzt fragt, was dieser Fronleichnams-Feiertag mit Astronomie zu tun hat, dann fragt ihr euch das absolut mit Recht. Heute führt uns unsere Geschichte tatsächlich nicht in die Astronomie, sondern in die Mikrobiologie. Bevor wir aber damit beginnen, sollten wir erst mal für alle klären, was Fronleichnam überhaupt ist, und weshalb er gefeiert wird.

Was ist Fronleichnam

Fragen wir doch dazu mal wieder unsere künstliche Intelligenz, und stoppen sie, wenn sie es zu bunt treiben möchte.

Fronleichnam ist ein katholischer Feiertag, der in einigen Ländern, insbesondere in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden und einigen Teilen der Schweiz, gefeiert wird. Der Name „Fronleichnam“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet wörtlich „Leib des Herrn“.
Der Feiertag findet immer am zweiten Donnerstag nach Pfingsten statt und wird zur Feier der leiblichen Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie begangen. Es ist eine Möglichkeit für die Gläubigen, ihre Verehrung für das Sakrament der Eucharistie auszudrücken, bei dem Brot und Wein als Symbol für den Leib und das Blut Christi betrachtet werden.
Während des Fronleichnamsfestes findet eine Prozession statt, bei der der Priester die geweihte Hostie in einer Monstranz, einem speziellen Behältnis für die Darstellung der Hostie, durch die Straßen trägt. Die Gläubigen begleiten die Prozession, beten und singen religiöse Lieder.
Fronleichnam ist ein gesetzlicher Feiertag in den meisten Bundesländern Deutschlands, was bedeutet, dass an diesem Tag Schulen und viele Unternehmen geschlossen sind. Es ist auch ein Tag, an dem viele Menschen an Gottesdiensten und Prozessionen teilnehmen, um ihren Glauben zu feiern.

Wann ist Fronleichnam – Wir erinnern uns

Wir erinnern uns:
Fronleichnam hängt durchaus von astronomischen Gegebenheiten ab. Der Tag findet stets zehn Tage nach Pfingstmomtag statt. Somit fällt dieser Tag immer auf den übernächsten Donnerstag nach Pfingstmomtag.
Pfingsten hängt davon ab, auf welchen Sonntag der Ostersonntag fällt. 50 Tage nach Ostern ist Pfingsten.
Der Ostersonntag fällt meistens auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Dieser wiederum ist der erste Vollmond nach dem astronomischen Frühlingsbeginn, der kalendarisch am 21.03. stattfindet.
Wie sich das alles genau berechnet, beschrieb ich beispielsweise in dem Artikel Wieso ist Ostern manchmal so früh, und manchmal so spät.

Und nun zu unserer Frage und Geschichte:

Was hat Fronleichnam eigentlich mit Mikrobiologie zu tun …?

Das beantworte ich euch lieber selbst, weil die hölzerne KI das nicht so schön kann, damit daraus eine Geschichte wird.

Dazu müssen wir zurückreisen ins tiefste und blutige Mittelalter…in einen Mikrobenzirkus-

Im Jahre 1264 ereignete sich ein bemerkenswertes „Blutwunder“ in der Kirche der heiligen Christina in Bolsena (Italien).
Der böhmische Mönch, Peter von Prag, bereitete, wie gewohnt, Hostien für das Abendmahl vor. Er gehörte zu denjenigen, die bis dato an der „Transsubstantation“ zweifelten, welche erst 1215 als Dogma in der Kirche eingeführt worden war. Dieses Dogma der Transsubstantation besagt, dass die geweihte Hostie, die beim Abendmahl gereicht wird, der tatsächliche Leib Jesus Christus ist (und nicht nur, wie vorher, ein Symbol dessen).
Dieser zweifelnde Mönch entdeckte nun blutrote Verfärbungen auf den Hostien. Die Deutung in der damaligen Zeit war klar:

Die Hostien haben angefangen zu bluten, um ihm, dem zweifelnden Mönch und allen anderen zu zeigen, dass alle Zweifel falsch sind. Sind die Hostien geweiht für das Abendmahl, sind sie keine gewöhnlichen Oblaten mehr, sondern zweifelsohne der wahrhaftige Leib Jesus Christi.

Zufälliger Weise verweilte Papst Urban IV. zur gleichen Zeit nur wenige Kilometer entfernt auf seinem Sommersitz. Er hörte von diesem „Blutwunder“ und war selbst davon so beeindruckt, dass er festlegte, von nun an sei das Festum Corporis Christi am Donnerstag nach Trinitatis zu halten, welches wir heute als den Feiertag Fronleichnam in den überwiegend katholischen Regionen kennen.

Das Blutwunder

Aus heutiger Sicht weiß man, dass es einen Erreger gibt, welcher auf kohlenhydrathaltigen Nährböden einen markanten, leuchtend roten Farbstoff bildet. Dabei handelt es sich um Serratia marcescens, einem Stäbchenbakterium, welches zur Familie der Enterobacteriaceae gehört. Aus modernen, wissenschaftlichen Betrachtungen geht man heute rückblickend davon aus, dass viele historische Schilderungen über blutrote Verfärbungen auf Brot, Polenta und vor allem geweihten Hostien diesem Erreger zuzuschreiben sind.

Im Mittelalter wurden leider auch viele Menschen aufgrund von Fehldeutungen von Hostienerscheinungen ermordet. Dabei handelte es sich vor allem um jüdische Pfandleiher, bei denen zu damaliger Zeit Hostien als Pfand hinterlegt wurden. Wurden diese später wieder ausgelöst und zeigten sich danach blutrote Verfärbungen, war aus damaliger Sicht die Deutung klar: Der jüdische Pfandleiher hatte den Leib Jesus Christi mit einem heißen Messer gemartert, so dass dieser anfing zu bluten. Folglich landete der Pfandleiher (und oftmals auch viele weitere Juden aus seiner Umgebung) auf dem Scheiterhaufen. So geschehen z.B. 1492 in Sternberg (Mecklenburg), wenig später wird dort die heilige Blutkapelle errichtet.
Im Mittelalter entwickelte sich ein wahrer „Hostienboom“. Zu den Orten, wie Sternberg oder auch Wilsnack (Brandenburg), wo nach einem Kirchenbrand in den Trümmern des massiven Altars „blutende Hostien“ gefunden wurden, entwickelten sich große Wallfahrten. Dort zeigten sich fortan seltsame Wunderheilungen, die mit der Anbetung der blutenden Hostien in Verbindung gebracht wurden. Lahme konnten wieder laufen oder Totgeglaubte wurden geheilt. Die Kirche verdiente durch einen regen Ablasshandel sehr gut daran mit. Erst 1517, durch Martin Luther, endete dieser „Teufelsspuk“, wie er ihn nannte, zumindest dort, wo sich die Reformation durch setzte. Die wissenschaftliche Aufklärung begann dann im Jahre 1819:

In der Nähe von Padua in Italien zeigten sich wieder blutrote Verfärbungen, diesmal auf Polenta. Durch wissenschaftlich-analytisches Vorgehen konnte in diesem Fall aber sehr schnell eine „göttliche Mahnung“ ausgeschlossen werden. Der Erreger Serratia marcescens wurde isoliert, die Übertragbarkeit durch die Hände demonstriert und u.a. wurde die Alkohollöslichkeit der roten Farbstoffs Prodigiosin gezeigt.

Der ursprüngliche Name des Erregers Bacterium prodigiosum und die Bezeichnung des von ihm gebildeten Farbstoffs Prodigiosin gehen auf den Zusammenhang mit diesen scheinbaren Blutwundern in Bolsena zurück: lateinisch prodigium, „Wunderzeichen“. Damit verknüpft wurden auch bereits die ersten rückblickenden, wissenschaftlichen Betrachtungen zu „blutenden Hostienerscheinungen“ im Mittelalter angestellt.

Schlussbemerkungen

  • Als geborenes Mitglied der evangelischen Kirche hatte ich zu diesem Feiertag keinen besonderen religiösen Bezug. Meine Großmutter erzählte mir nur immer, dass die evangelischen Christen auf dem einen Berge an diesem Feiertag ganz bewusst als Provokation ihre weiße Wäsche wuschen und aufhängten. Das war weit hin sichtbar, bis zum katolischen Berge. Diese taten dann dasselbe am evangelischen Buß und Bettag im November, den es ja heute nur noch in manchen Bundesländern als evangelischen Feiertag gibt.
  • Mitte der 90er Jahre wohnte ich gegenüber einer katholischen Kirche. Ich genoss es, von meinem Bette aus die evangelischen Posaunenchöre zu hören, die man sich für diesen heiligen Tag ausgeliehen hatte.
  • Was ich mit diesem Beitrag auf keinen Fall möchte, ist jemandem die Wichtigkeit dieses Tages zu nehmen. Die Verwandlung von Brot und Wein lassen wir hier mal ganz außen vor. Aber die Verwandlungsmöglichkeiten von uns Menschen Durch die Worte, Ideen, das Leben und das Wirken Jesu, sollte uns unabhängig von Wundern, Heilungen etc. durchaus interessieren. Es geht um seine Person und um das geistige Erbe, das er uns hinterließ. Ob er nun Gottes Sohn ist, oder wie es sich ansonsten mit der Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist, verhält, mag jeder für sich selbst entscheiden.
  • Übrigens gibt es ein wunderbares Buch von dem von mir schon erwähnten und hoch geschätzten Autor @Florian @Freistetter. Durch sein Buch „Das Universum in einhundert Sternen“ wurde ich auf diese Geschichte aufmerksam.

Ich wünsche uns allen einen schönen Fronleichnams-Feiertag.

3 Gedanken zu „Ein Feiertag, blutendes heiliges Brot und ein Bakterium“

  1. Lieber Gerhard,
    vielen Dank dafür, dass du diese spannende Verbindung zwischen Wundern und einem Bakterium aufgezeigt hast. Eine kleine formale Ergänzung erlaube ich mir: den Buß- und Bettag im November gibt es natürlich auch weiterhin, er ist nur bei uns in Baden-Württemberg kein Feiertag mehr, in Sachsen hingegen schon.
    Viele Grüße und dir ein tolles Chorwochenende (meines kommt eine Woche später),
    Michael

  2. Hallo Gerhard,
    erst nach unserer Chorfreizeit kam ich dazu, deinen Fronleichnams-Aufsatz zu lesen. In Kürze: Neue Erkenntnisse für mich – spannend geschrieben. Schön auch deine Gedanken zu den religiösen und konfessionellen Aspekten. Mein Kompliment!
    Herzliche Grüße
    Dietmar

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