Ein Eisverkäufer bereitet Kopfzerbrechen

Die Frage

Gestern kam in einer Telko des Arbeitskreises Blautor ein spannendes Thema auf. In einer Show wurde wohl die Frage gestellt, ob heißes oder kaltes Wasser schneller gefriert. Und ja, so seltsam es klingt. Unter gewissen Umständen gefriert das heiße Wasser schneller.
Natürlich hatte ich von diesem Phänomen schon gehört. Ich wusste auch, dass es bis heute nicht eindeutig erklärt ist, und dass ein Eisverkäufer eine Rolle in der Angelegenheit spielt.
ChatGPT lieferte mir hier nur schwache Anhaltspunkte, aber einige Stichworte dann doch.

Nun gut. dann setzen wir die Bruchstücke meiner Erinnerung, das Geschwurbel von ChatGPT und etwas Wiki zusammen, und machen daraus eine erzählbare Geschichte.

Das Phänomen

Das Phänomen, bei dem warmes Wasser schneller zu gefrieren scheint als kaltes Wasser, wird als das Mpemba-Phänomen bezeichnet. Es ist benannt nach dem tansanischen Schüler Erasto Mpemba, der es 1963 wieder entdeckte.

Wieder entdeckt deshalb, weil das Phänomen schon bei den alten Griechen erwähnt wurde.
Von schnellerem Gefrieren erwärmten Wassers berichtete bereits im vierten vorchristlichen Jahrhundert der Philosoph Aristoteles als Beispiel für die von ihm postulierte Antiperistasis, die folgendes beschreibt:
Eine Eigenschaft, z. B. die Temperatur eines Körpers ändert sich, wenn dieser sich in einer Umgebung anderer Temperatur befindet,

Im 13. Jahrhundert diskutierte dies der Mönch und Philosoph Roger Bacon (Opus Majus 6.1).
Im 17. Jahrhundert erwähnten die Philosophen und Wissenschaftler Francis Bacon (Novum Organum 2.50) und René Descartes (Les météores 1) den Effekt.

1775 erschien eine Arbeit von dem schottischen Wissenschaftler Joseph Black, in der er den Effekt anhand von Experimenten sicherstellte.
1788 bemerkte der erste deutsche Professor für Experimentalphysik Georg Christoph Lichtenberg bei eigenen Versuchen einen solchen Vorgang, konnte ihn aber nicht zuverlässig reproduzieren.

1963 stieß also nun der tansanische Schüler und Eisverkäufer Erasto B. Mpemba auf das Phänomen, als er Speiseeis herstellte. Zusammen mit Denis G. Osborne veröffentlichte er 1969 die Ergebnisse zahlreicher Versuche zu diesem Thema. Jedoch dauerte es einige Jahre, bis der Effekt weiter wissenschaftlich untersucht wurde.
2016 erschien ein Übersichtsartikel, der darstellt, dass der Effekt, in der Definition „Abkühlung bis zum Gefrierpunkt“, angeblich nicht existiert.

2022 in „Mpemba Effect Demystified“ wurde der Mpemba-Effekt erklärt, aber eben noch nicht vollständig.

Ein Beispiel aus dem Leben

Hier ein Beispiel eines Naturvolkes, das das Phänomen bis heute zu nutzen scheint.
Wenn die Bewohner der Pontusgegenden auf dem Eis ihre Hütten für den Fischfang aufschlagen, erwärmen sie ihre Angelruten zunächst in der Sonne, oder schütten sogar heißes Wasser darüber, um sie dann rascher vereisen lassen zu können. Sie benutzen das Eis anstelle von Blei, um ihre Ruten zu beschweren.
Dann schlagen sie Löcher in das Eis, um zu fischen.

Erklärungsversuche

Bis heute ist das Mpemba-Phänomen immer noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen und es gibt keine eindeutige Antwort auf die Ursache.
Es gibt mehrere mögliche Erklärungen für das Phänomen, aber keine davon ist allgemein akzeptiert. Hier sind einige der vorgeschlagenen Mechanismen:

1. Verdunstung:

Wenn Wasser verdunstet, entzieht es der verbleibenden Flüssigkeit Wärme, was zu einer Abkühlung führt. Dieser Effekt könnte dazu führen, dass warmes Wasser schneller abkühlt und schließlich gefriert.

Durch Verdunstung kühlen wir unseren Körper, indem wir schwitzen. Wenn man Alkohol, z. für eine Desinfektion auf die Haut gibt, spürt man ganz deutlich, dass es an der Stelle richtig kühl wird. Bei entweichenden Gasen, z. B. aus einer Gasflasche oder aus einem Feuerzeug ist der Effekt noch deutlich stärker zu spüren. So vereisen beispielsweise Heizungsmonteure die Rohrenden, mit Stickstoff oder Trockeneis (CO2), wenn sie verhindern wollen, dass Wasser austritt, ohne einen Pfropfen benutzen zu müssen.
Wenn eine Flüssigkeit verdunstet, dann wechselt sie von flüssig zu gasförmig. Solch ein Zustandswechsel verbraucht deutlich mehr Energie, als einfach nur durch normale Abkühlung frei wird.
Deshalb kühlt heißes Wasser durch den verdunstenden Dampf rascher ab als kaltes.
Ich bin immer wieder davon beeindruckt, wie lange sich Schnee gegen die warme Sonne behaupten kann. Das liegt daran, das ungeheuer viel Energie nötig ist, damit Eis einfach in flüssiges Wasser über gehen kann.

2) Konvektion:

Konvektion erleben wir im Alltag ganz besonders, wenn wir Wasser kochen. Heißes Wasser ist leichter als kaltes. Es steigt auf und bildet Blasen. Das kalte Wasser sinkt dann ab. Dadurch entstehen Konvektionsströme, um Wärmeunterschiede auszugleichen. Wetterphänomene und Meeresströmungen sind ebenfalls Beispiele für Konvektion, wobei diese noch von der Erddrehung überlagert werden. Und ja, betrachtet man unsere Sonne mit speziellen Filtern, dann kann man sehen, dass es auch auf ihrer Oberfläche blubbert und brodelt.

Konvektion verbraucht dann auch dadurch Energie, weil Teilchen der Flüssigkeit in Bewegung versetzt werden. Das könnte eventuell dazu beitragen, dass warmes Wasser tatsächlich schneller erkaltet.

3) Überkühlung:

Bei dieser dritten Idee bin ich fast sicher, dass ChatGPT schwurbelt. Mir sind da zu viele Ungenauigkeiten darin.
Dennoch könnte unter gewissen Umständen die Überkühlung von Wasser eine Rolle spielen.
Ich schreibe hier mal ohne Gewähr, was ich dazu weiß und verstanden habe.

Überkühlt ist eine Flüssigkeit dann, wenn sie noch flüssig ist, obwohl sie bereits eine Temperatur unter ihrem Gefrierpunkt erreicht hat. Für Wasser also unter 0 Grad C.
Hier spielen chemische Verunreinigungen eine Rolle. Wir kennen das im Winter, wenn wir unsere Straßen salzen. Salz bewirkt, dass sich der Gefrierpunkt von Wasser weit in den Minusbereich verschiebt. Deshalb „schmilzt“ unser gesalzenes Eis, obwohl es weit unter 0 Grad kalt ist.
Bedenken wir, dass der Wiederentdecker des Effektes ein Macher von Speiseeis war. Somit hat er eventuell das Phänomen gar nicht nur in reinem Wasser gefunden, sondern in Flüssigkeiten und Säften, die dann zu Speiseeis verarbeitet wurden.

Es wäre an dieser Stelle tatsächlich spannend, ob der Effekt auch mit destiliertem Wasser auftritt. Darüber habe ich aber leider jetzt, so auf die Schnelle nichts gefunden.

Wie auch immer.
theoretisch kann es wärme- und energietechnisch schon zu einer Situation kommen, dass warmes Wasser seine Energie auf eine Weise schneller los wird, als kaltes Wasser.
Um derlei zu beschreiben, benötigt man dann aber sehr komplizierte mathematische Gleichungen.
Solche Wärmegleichungen, auch Adiabaten-Gleichungen genannt, werden sehr schnell unübersichtlich, enthalten sehr viele Variablen und können sogar unlösbar in chaotische Zustände geraten.

Die Thermodynamik, wie man diese Spielart in der Physik nennt, ist mit ihrem Hauptsätzen und der Entropie eine sehr schmerzhaft zu erlernende Disziplin, wie ich in meinem Studium erleben durfte.
Sie ist so mächtig, dass die Verletzung eines ihrer Gesetze das ganze Universum aus den Angeln heben könnte.

Das war sie, die Sommergeschichte vom Eisverkäufer und dem neu entdeckten alten Phänomen.

Fazit:

Es ist wichtig zu beachten, dass das Mpemba-Phänomen nicht immer auftritt und von verschiedenen Faktoren wie der Qualität des Wassers, dem verwendeten Gefäß, der Umgebungstemperatur und anderen Variablen abhängen kann. Wissenschaftliche Studien haben unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht, und es bedarf weiterer Forschung, um das Phänomen vollständig zu verstehen.

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