Eine Revolution für blinde Menschen


Meine lieben,

heute möchte ich gerne mit euch ein Jubiläum feiern, das vor allem für uns blinde Menschen eine Revolution in der Hilfstechnologie ausgelöst hat, die ihresgleichen sucht.
Ich persönlich empfinde sie als mindestens so einschneidend, wie die Erfindung der Punktschrift oder die Verbreitung intensivem Trainings in Orientierung, Mobilität und sonstiger lebenspraktischer Fertigkeiten.

Fangen wir also mit einer Geschichte an, wie ich das gerne tue.

Der Auftritt

Am Morgen des 3. April 1973 sollte der Ingenieur Martin Cooper eigentlich in einer Morning Show im US-Fernsehen auftreten. Der Motorola-Ingenieur war nach New York geflogen, um die neue Entwicklung seiner Firma vorzustellen.
Scheinbar war aber dann dem Fernsehsender seine neue Erfindung doch nicht so wichtig, und man hat ihn wieder ausgeladen.
Daraufhin suchte und fand man einen Radiosender, der großes Interesse an dem hatte, was hier erstmals präsentiert werden sollte.
Cooper sagte ein Interview draußen im freien zu, denn schließlich wollte er zeigen, welche Freiheit sein neues Gerät der Menschheit bringen könnte. Die Freiheit nämlich, ganz mobil und ohne Kabel telefonieren zu können.

Und so stand Cooper also an jenem 03.04. vor 50 Jahren vor dem Hilton-Hotel auf der 6th Avenue in New York und zeigte dem Reporter den grauen, 25 Zentimeter langen Kasten mit Antenne.
Das Telefon wog mehr als ein Kilogramm. Und man konnte gerade mal 25 Minuten telefonieren, länger hielt die Batterie nicht durch. Cooper meinte, dass das nicht so schlimm sei, weil man ob seines Gewichtes von über einem Kilogramm das schwere Gerät ohnehin kaum länger in der Hand halten könne.

Cooper ist heute 94 Jahre alt und erinnert sich noch genau an den Anruf, den er mit diesem Monstrum von Telefon damals tätigte.
Und so zückte Cooper sein Telefonbuch, um seinen Kollegen, der bei der Konkurrenz, den Bell Labs arbeitete, anzurufen, wo ebenfalls an derlei Erfindungen geforscht wurde. Er wollte ihm zeigen, dass seine Firma das Rennen offensichtlich gewonnen hatte.

Überraschenderweise ging dieser Kollege sogar selbst ans Telefon und nicht seine Sekretärin. Coper sagte:

Hi, Joel! Hier ist Marty Cooper. Ich rufe Dich von einem Mobiltelefon an, einem richtigen Mobiltelefon – einem persönlichen tragbaren Telefon.

Das mag ein Schlag für Bell gewesen sein, aber längst kein Untergang. So viel also zu dieser Geschichte.

Das erste

Das erste Mobiltelefon, das Motorola DynaTAC 8000X, war ein wahrer Pionier seiner Zeit. Es war zwar groß und sperrig, wog rund ein Kilogramm und hatte eine begrenzte Akkulaufzeit, aber es markierte den Anfang einer Ära, die die Kommunikation überall und jederzeit ermöglichte. Das DynaTAC 8000X war ein Luxusgut, das sich nur wenige leisten konnten, aber es legte den Grundstein für die Entwicklung und Verbesserung dieser Technologie.

Die Konkurrenz-Firma Bell setzte auf die Weiterentwicklung der Autotelefone, die es damals schon gab und für die in einigen US-Großstädten bereits Mobilfunknetze vorhanden waren. Auf die griff auch das Motorola-Gerät zurück.

Wie es weiter ging

Es sollte noch weitere zehn Jahre dauern, bis die Technologie tatsächlich auf den Markt ging. Zuvor musste noch die Politik überzeugt werden und sich die Industrie auf einen einheitlichen Mobilfunkstandard einigen, der zunächst auch nur in einigen Großstädten funktionierte. September 1983 war das erste System in Chicago fertig, danach folgte Washington DC. Erst dann konnte man die Mobiltelefone auch kaufen. Sie waren anfangs auf das Netz in einer Stadt beschränkt.
In den darauf folgenden Jahren wurden Mobiltelefone kleiner, leichter und erschwinglicher. Die Einführung der zweiten Generation (2G) in den 1990er Jahren brachte digitale Übertragungstechnologien wie GSM (Global System for Mobile Communications) mit sich, die eine bessere Sprachqualität und zuverlässigere Verbindungen ermöglichten. Dies führte zu einem Massenmarkt für Mobiltelefone und einem sprunghaften Anstieg der weltweiten Mobilfunknutzer.
Mit dem Aufkommen der dritten Generation (3G) in den frühen 2000er Jahren begann das Mobiltelefon seine Funktionen zu erweitern. Internetzugang, mobile Datenübertragung und Multimediafunktionen wie das Abspielen von Musik und Videos wurden zur Norm. Die vierte Generation (4G) brachte noch schnellere Datenübertragungsraten und ermöglichte das nahtlose Streaming von Inhalten mit.
In den letzten Jahren hat die fünfte Generation (5G) des Mobilfunks Einzug gehalten und verspricht eine noch schnellere und zuverlässigere Konnektivität. Mit 5G werden nicht nur Mobiltelefone, sondern auch das Internet der Dinge (IoT) und neue Technologien wie autonomes Fahren und Augmented Reality revolutioniert.
Jeder weiß, dass sich mittlerweile auch Design und Bedienkonzepte weiterentwickelt haben.
Touchscreens ersetzten physische Tasten weitgehend und Smartphones bieten eine Vielzahl von Funktionen und Apps, die das tägliche Leben erleichtern. Von der Kommunikation über Anrufe und Textnachrichten bis hin zur Fotografie, Navigation, sozialen Medien und mobilem Banking haben Smartphones unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu interagieren verändert.
Darüber hinaus hat das Mobiltelefon eine neue Ära der globalen Vernetzung geschaffen. Menschen können über große Entfernungen hinweg in Echtzeit kommunizieren, Informationen teilen und sich mit anderen auf der ganzen Welt verbinden. Soziale Medien und Messaging-Dienste ermöglichen es uns, unser Leben mit anderen zu teilen und Verbindungen zu knüpfen, die sonst nicht möglich wären.
Und obige ‚Sätze treffen eben auch ganz besonders für uns Menschen mit Blindheit zu. Dies würdige ich in folgendem Fazit.

Mein Lebenshelfer

Ich glaube, es war so 2007. Da verabschiedete sich über Nacht mein alter sprechender Nokia-Knochen mit Tastatur. Ein neues Handy musste her. Sollte ich mir jetzt für relativ viel Geld noch einen quasi schon veralternden neuen Knochen und dann noch das teuere Sprachpaket, das man extra kaufen musste, besorgen, oder sollte ich es mit der Neuheit eines Iphones versuchen, das zwar teuer, aber die Sprachausgabe schon integriert hatte?

Als begeisterter Technik-Nerd entschied ich mich für letzteres. Es gab damals in meinem Bekanntenkreis keine blinden Menschen, die schon so ein Smartphone besaßen. In Deutschland gab es nur wenige blinde Menschen, die schon Erfahrung mit der Bedienung eines Touchscreen-Handys hatten. Somit musste ich mir das alles aus dem Netz fischen und es selbst versuchen und lernen.
Und ich kann euch sagen. Das erste Wochenende mit diesem Gerät war furchtbar. Ich sehnte mich sehr nach meinem Tastentelefon zurück und fragte mich, wer denn um Himmels Willen diese Fensterputzerei erfunden hatte.
Aufgeben kam nicht in Frage. Dafür war das Teil dann doch zu teuer. Also hielt ich durch. Die Lernkurve ging steil nach oben und als der Groschen dann endgültig gefallen war, besetzte das Teil bald all meine Lebensbereiche.

Mehr und mehr entdeckte ich Erweiterungen, die mir das Leben als blinder Mensch in einer bis dato unbekannten Weise erleichtern.
Von der einfachen Eieruhr,
der Wetteransage,
Vorlesen von Post,
als Kochhelfer,
als Navigator und Fahrplanfinder,
von Hörbuchleser bis Radio, Fernsehen und Podcasts,
und seit ich auch noch die dazu passende Uhr am Handgelenk trage auch als Sportbegleiter,
mache ich fast nichts mehr, wo das Gerät nicht auf die eine oder andere Weise zum Einsatz kommt. Ganz besonders in den Zeiten des Lockdowns und der Pandemie war und ist es mir zu einer unverzichtbaren Kommunikationshilfe in allen Lebensbereichen geworden.
Sogar der Sternenhimmel lässt sich damit blind erkunden.
Für manche von euch mag sich das jetzt nach einer unglaublichen Abhängigkeit von einem Gerät anfühlen, und das stimmt leider auch. Ich wüsste nicht, was ich tun sollte, würde es mir von jetzt auf gleich ausfallen. Aus diesem Grunde behalte ich nach einem Wechsel auf ein neueres Modell stets das Vorgängermodell als Ersatz zurück. Außerdem bin ich dankbar dafür, mir eine Versicherung für dieses so unverzichtbare Hilfsmittel leisten zu können.

Ich weiß, dass es bis heute noch blinde Menschen gibt, die dieser Technologie misstrauisch gegenüber stehen, bzw. sie aus anderen Gründen nicht nutzen können. Aber all jenen, die es können, rufe ich zu, sich darauf einzulassen. Und für die anderen stehen mittlerweile glücklicherweise Geräte zur Verfügung, die eventuell besser bedienbar sind, und dennoch einige dieser neuen Funktionen und Hilfsmittel in sich vereinen.
Ich bin sehr dankbar, genau in dieser Zeit zu leben. Ich weiß noch genau, wie es ohne all das war, und darf jetzt erleben, wie es jetzt mit allen diesen tollen Erfindungen ist.

2 Gedanken zu „Eine Revolution für blinde Menschen“

  1. Lieber Gerhard, ich wusste gar nicht, dass Du unter den ersten iPhone Nutzern gewesen bist. Da bist Du mir jedenfalls einige Jahre voraus. Inzwischen bin ich aber genauso abhängig davon wie Du. Ich gehe wirklich nie ohne mein Smartphone aus dem Haus, könnte mir nicht vorstellen ohne den DB Navigator mit dem Zug zu fahren oder ohne Apple Karten zu Orten zu finden, die ich bisher nicht kenne.
    Also auch bei mir, das Ding darf nicht kaputt gehen, genauso darf aber auch bitte das Netz nicht ausfallen!

  2. Wie recht Du hast. Ich fing ja glaube ich. 2013 mit dem iPhone an.

    Das war für. mich auch ein steiniger Weg zuerst. Aber. ich gab auch nicht auf. Danke für diese schöne Geschichte. Ubrigens kannte ich. Jemand, der so ein großes Mobiltelefon besessen hat. Das war ja der einste. Koffer. Daran kann ich mich erinnern.. Jetz …

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