Wenn Sehende blinde Menschen fragen


Liebe Leserinnen und Leser,

nicht selten kommt es vor, dass ich als blinder astronomisch interessierter Mensch Dinge gefragt werde, die ich selbst noch nie gesehen habe. Wen wunderts. Im all hat fast niemand noch viel gesehen. Außer einigen Sternen hat auch der Mensch mit den besten Augen und Messinstrumenten nicht viel auf dem Konto. Etwa vier Fünftel des Universums sind für Licht-Augen nicht sichtbar. Und von dem Fünftel, was wir sehen, verbirgt sich noch so einiges hinter Staubwolken. Die Astronomen haben mittlerweile zwar Tricks, auch für Augen unsichtbare Dinge sichtbar, und auch hörbar zu machen, aber sehen ist das halt nicht.

Vor einigen Jahren, als ich gerade neu in einen Astronomie-Verein eingetreten war, wollte dieser im Rahmen eines Tag der offenen Türs einen Workshop für Neueinsteiger anbieten. Hier sollte in einem Vortrag erklärt werden, was man mit verschiedenen Messinstrumenten, Fernglas, Linsenteleskop, Spiegelteleskop etc. sehen kann und womit man finanziell tragbar einsteigen könnte.

Der Macher dieses Workshop fiel leider aus. In seiner Not rief der Organisator der Veranstaltung mich an. Er fragte mich, ob ich diesen Workshop und Vortrag übernehmen würde. Spontan sagte ich zu und bereitete mit meiner sehenden Assistenz die Folien für den Vortrag vor.
Einige Wochen später rief er mich bestürzt an und entschuldigte sich überschwänglich und herzzerreißend dafür, dass er mich als blindes Mitglied um so einen visuellen Gefallen gebeten hatte. Ich war noch so neu im Verein, dass er meine Blindheit einfach nicht auf dem Schirm hatte. Dann musste ich diesem sehr netten Menschen leider sagen, dass das Kind quasi schon in den Brunnen gefallen sei, weil der Vortrag mit seinen Folien und allem schon fertig war. Ich tröstete ihn, indem ich ihm sagte, da wir den Vortrag am hellichten Tage halten, kann niemand etwas von dem ausprobieren, was ich erzähle. Wie auch immer. Ich hielt den Vortrag unter einer sehr dunklen Sonnenbrille und verriet erst auf der vorletzten Folie, dass ich blind bin. Das war äußerst inklusiv und großartig.

In der Hauptschule sparte man das Thema Optik aus, weil wir blind sind und viele von uns mit Licht nichts anfangen könnten. Außerdem wäre es dann auch zu kompliziert für uns, meinten die Lehrer*innen. Zum Glück hatte ich später Anfang der 90er Jahre im Rahmen meines Physik-Nebenfachs im Studium nochmal die Möglichkeit, Optik zu lernen. Ich fand Optik eines der leichtesten Themen in diesem Studium. Wenn ich da an die Thermodynamik oder die Quantenmechanik mit ihren vielen langen Gleichungen denke, dann bin ich heute noch froh, die Klausuren bestanden zu haben.

Ich erzähle euch das alles, weil es immer wieder vorkommt, dass ich über an sich nur sehbare Phänomene befragt werde. Und wisst ihr was, das ist überhaupt nicht ungewöhnlich. Ich lebe ja in unserer gemeinsamen Welt, die nun mal einfach eine Welt des Sehens ist, mit allen vor- und Nachteilen, die das mit sich bringen kann. Im Gespräch darf ich immer wieder feststellen, dass unsere Welten gar noch so weit voneinander entfernt liegen. Es geschieht quasi nie, dass ich völlig daneben liege, wenn ich mir etwas visuelles vorstelle.

Deshalb schreibe ich heute mal über Seh-Fragen, die Sehende an den Blinden stellen.

Wie sieht der Himmel anderswo aus, fragte mich neulich eine blinde wunderbare Freundin. Gute Frage dachte ich. Wie sieht der Himmel denn bei uns aus?
Auf der Erde haben wir die helle Sonne, manchmal Wolken, die sehr unterschiedlich aussehen können, z. B. Regenwolken, Schäfchen, Gewitterwolken etc. Und Dann ist da irgendwo überuns der Himmel, der blaue Himmel. Und wenn man in die Ferne blickt, dann stößt der Himmel an der Horizont-Linie mit der Erde zusammen.
Und es ist bei uns auch an bewölkten Tagen, wo man keine Sonne sieht, überall ungefähr gleichmäßig hell.
Und nachts haben wir natürlich unseren Mond, der zu und abnimmt und manchmal einen Hof hat, wenn ein Vulkan gerade mal wieder viel Staub und Asche in die Atmosphäre geblasen hat.
Und dann sind da natürlich unsere Planeten, die ihre Stellungen zueinander ändern und gemeinsam mit unseren Sternen viel Raum für astrologische Schwurbelei bieten.
Manchmal huscht die internationale Raumstation durchs Bild und die vielen hunderte Kleinsatelliten verschmutzen unseren Nachthimmel und unsere Stadtbeläuchtungen etc. tun das auch, so dass der Himmel nachts an manchen Orten gar nicht mehr ganz dunkel wird.

Es ist noch gar nicht lange her, als man noch nicht wusste, dass die galaktischen Nebel auch Gebiete mit Sternen sind, die aber unser Sehsinn nicht einzeln auflösen kann.

Manchmal haben wir Glück und es ereignen sich Sonnen- und Mondfinsternisse. Nicht selten kann man auch Kometen erspähen, die von weit her kommen und u. U. tausende Jahre zu uns unterwegs waren.
Manche Haarsterne waren vielleicht da, als es uns Menschen noch gar nicht gab.

Zum Leidwesen aller Astronomen flackern und romantischer ausgedrückt funkeln die Sterne. Schuld daran ist die wabernde störende Atmosphäre, deren Dichte und Dicke sich dauernd blubbernd ändert. Sie ist halt nicht ganz durchsichtig. Sie ist der Grund dafür, dass unser Himmel blau ist. Wenn morgens und abends das Sonnenlicht in flachem Winkel durch dickere Luftschichten dringen muss, wird der blaue Anteil des Lichtes ausgefiltert, weshalb wir Morgenrot und Abendrot wahrnehmen. Ja, in Wirklichkeit haben wir dauernd nahezu alle Farben des Lichts. Das verrät sich in der Wunderbaren Ansicht eines Regenbogens. Kleine Wassertropfen in der Atmosphäre wirken wie Prismen und fächern das weiße Licht in seine einzelnen Farben auf.
So sieht grob der Himmel auf der Erde aus.

Wie sieht er aber woanders aus?
Die ersten, die ein Blick durch dieses Fenster hatten, waren unsere Mondfahrer. Da ist zunächst der Mondtag. Er dauert einen Monat lang. Das bedeutet, dass es ungefähr 14 Tage lang hell, und 14 Tage lang dunkel auf dem Mond ist. Der Mond hat keine Atmosphäre. Das hat weitreichende Konsequenzen, was den Anblick des Himmels vom Mond aus betrifft. Auffällig ist, dass der Himmel auf dem Mond nicht mehr blau, sondern schwarz ist. Man sieht die gleißende Sonne oder nachts auch Sterne. Diese flackern auf dem Mond nicht mehr, weil man nicht durch eine wabernde Atmosphäre blicken muss, um sie zu sehen. Es ist auf dem Mond auch nicht gleichmäßig hell, wie bei uns, da er keine Atmosphäre besitzt, an deren Teilchen das Tageslicht gleichmäßig gestreut wird. Das bedeutet, dass es in Blickrichtung dunkel ist, wenn man die Sonne im Rücken hat. Schattenwürfe auf dem Mond sind viel klarer und deutlicher. Selbstverständlich gibt es auf dem Mond durch die fehlende Atmosphäre und Wasserdampf auch kein Wetter. Der Mond hat kein Magnetfeld. Das bedeutet, dass jeder Kompass dort nicht funktioniert. Auch Polarlichter gibt es aus diesem Grunde auf dem Mond nicht zu sehen.

Astronauten berichten, dass man dort alles ganz nah sieht, weil keine Atmosphäre vorhanden ist. Man kann also Entfernungen nicht mehr so einschätzen. Bemerkenswert ist auf dem Mond der nahe Horizont. Der Mond ist viel kleiner als die Erde. Das bedeutet, dass sich seine Krümmung (Kugelform) deutlich früher bemerkbar macht, wenn man den Blick in die Ferne schweifen lässt. Man hat also auf dem Mond immer das Gefühl, gleich am Rande der „Scheibe“ zu stehen. Wo auf dem Mond keine Sonne hin kommt, z. B. in einen Krater, dort ist es auch dunkel, weil es kein Zwielicht auf ihm gibt. Das macht sich auch in den Temperaturen auf dem Mond bemerkbar.

Es ist natürlich klar, dass man auf dem Mond keinen Mond sieht, weil man sich ja auf ihm befindet. Ein Foto ging um die Welt, dass ein Astronaut von Apollo8 aus schoss. Dort ist die Erde in ihrer blauen Luftblase zu sehen. Man sieht Wolken, Wasser und Kontinente. Auch Wüsten und große Städte kann man sehen. Das Foto zeigt, wie zerbrechlich unser Raumschiff Erde ist. Vergleicht man sie mit einem Apfel, so ist die Atmosphäre nicht dicker als seine Schale. Mondfinsternisse sollten ein beeindruckendes Schauspiel bieten. Ohne die helle Sonne würde man auf der der Erde zugewandten Seite beleuchtete Städte sehen, die sich langsam am Mond vorbei drehen. Sonnenfinsternisse dürften sich auf dem Mond kaum von normalen monatlichen Neumond-Ereignissen unterscheiden. Die sehen auf Erden deutlich spektakulärer aus.

Und naja, hören kann man auf dem Mond auch nichts. weil es keine Luft dort gibt, die den Schall transportieren würde. Die Astronauten hörten dort ihre eigenen Schritte nicht. Wahrscheinlich hörten sie schon etwas, weil ihr Raumanzug voll Luft gepumpt war. Vielleicht ein Rascheln, ein Klopfen, ein Rauschen der Überlebenssysteme etc. Aber etwas vom Mond hörten sie leider sicher nicht. Ich denke, es sollte sich im Mondstaub ungefähr so anhören, wie wenn man durch guten Schnee läuft, wenn es dort eben eine schalltragende Atmosphäre gäbe.

Physisch muss es auf dem Mond aber genial sein. Man wiegt dort nur ein sechstel seines normalen Körpergewichtes. Das bedeutet, dass unsere Muskeln, die zur Fortbewegung unseres Körpers auf Erden ausgebildet sind, ganz viel Kraft haben. Damit können wir beispielsweise sehr hoch springen. Auch wenn man hin fällt, tut es vermutlich auf dem Mond nicht mehr so weh. Also, bei allem wunderlichen Anblick auf dem Mond. Man kann dort nicht leben.
Interessant ist es aber schon mal, sich Gedanken darüber zu machen, wie dort so die Perspektive ist. Der erste, der das versuchte, war Johannes Kepler in seiner Mondgeschichte, über die ich vor Jahren schon schrieb.

Auf unserem inneren Planeten, dem Merkur, über dessen Mysterium mit den zwei Sonnenaufgängen ich schon schrieb, sind die Verhältnisse ähnlich. Keine Atmosphäre, große Hitze und sehr lange Tage. Der Merkur hat keine Monde. Was man allerdings interessantes sehen könnte ist, dass die Sonne unterschiedlich groß erscheint. In seinem sonnennächsten Punkt ist der Merkur etwa nur ein Drittel so weit von ihr entfernt, wie die Erde. Das bedeutet, dass man die Sonne dann neun mal so groß wahrnehmen sollte. Selbst in seinem sonnenfernsten Punkt ist der Merkur noch so nahe an der Sonne, dass man sie vierfach so groß sehen sollte, wie auf der Erde, da sein Abstand von ihr ungefähr die Hälfte des Erdabstandes beträgt.
Natürlich könnte man auf dem Merkur auch sehen, wie die anderen Planeten kreisen. Hören kann man auf dem Merkur natürlich auch ohne Atmosphäre nichts. Vielleicht kleinere beben, wenn man das Ohr an ihn legte. Ein Ruf in das Vakuum würde auf Merkur leider auch ungehört verhallen.

Auf der Venus wäre es ganz davon abgesehen, dass es an ihrem Boden um 400 Grad heiß ist, ziemlich interessant. Sie hat eine Atmosphäre, die 100 mal schwerer ist, als die bei uns. Das bedeutet, dass ein laues Lüftchen, das wir auf Erden angenehm empfinden würden, uns auf der Venus glatt umhauen würde. Die Venus erlebt momentan einen unglaublichen Treibhauseffekt. CO2, Schwefelsäure und andere unschöne und lebensfeindliche Gase würden uns das leben schwer machen. Die Sonne würde man vermutlich in dieser dicken und wolkigen Atmosphäre nie sehen. Man hätte nur ein fahles rötliches Zwielicht. An Sterne und den Mond ist auf der Venus nicht zu denken. Immer wolken verhindern den Blick auf die Sterne und einen Mond hat die Venus leider nicht.

Allerdings dreht sich die Venus falsch herum. Sie steht quasi auf dem Kopf. Vermutlich hat ein Einschlag sie auf den Kopf gekippt und möglicherweise auch den Treibhauseffekt auf ihr ausgelöst, weil z. B. alle Vulkane auf ihr gleichzeitig hoch gegangen sein könnten. Die Sonne auf Venus zieht also von West nach Ost.

Klingen würde in dieser dicken Atmosphäre alles viel tiefer wie bei uns. Helium, davon hören wir später, macht eine Micky Maus Stimme. Die dicke Venus-Luft macht alles tiefer.

Wo momentan jeder hin will, na klar, auf dem Mars.
OK, wirklich gut leben kann man auf dem Mars auch nicht. Die Luft dort ist sehr dünn und ihr fehlt das für uns wichtige Gas, der Sauerstoff. Ohne Treibhaus ist es auf dem Mars auch recht kühl. Immerhin hat der Mars zwei Monde, die Angst und Schrecken heißen, (Phobos und Deimos).
Auf dem Mars wögen wir auch ungefähr nur 1/3 unseres Gewichtes auf der Erde und durch die dünne Atmosphäre würden wir alles ganz leise hören. Es gab in der Vergangenheit schon Mars-Missionen, die ein Mikrophon dabei hatten, aber die sind leider dort nie angekommen.
Naja, momentan gibt es eine große Diskussion, ob es tatsächlich Metan auf dem Mars geben könnte. Metan wäre ein Bioindikator für eventuelles Leben. Tja, wie es aussieht, hat der Rover auf dem Mars seine eigenen Abgase gemessen. Das übertrage ich jetzt mal besser nicht auf menschliche Ausdünstungen…

Jetzt überschreiten wir die Schneegrenze unseres Sonnensystems und überlegen uns, wie das alles auf einem unserer großen Gasplaneten sein könnte.

Zunächst mal ist es schwierig, bei einem Gasplaneten die Atmosphäre zu bestimmen. Er besteht ja aus fast nichts anderem. Naja, da orientiert man sich an der Erde. Bei einem Gasplaneten, wie dem Jupiter, Saturn Uranus und Neptun definiert man einfach den Boden der Atmosphäre dort, wo auf der Erde Normaldruck herrschen würde. Boden hat man bei einem Gasplaneten zwar dann noch nicht unter den Füßen, weil es noch viele Kilometer weiter gasförmig weiter geht, aber man kann dann die Situation einfach vergleichen. Also der Jupiter hat viele Wolken und es herrschen häftige Stürme auf ihm. Die Wolken zeigen sich als sichtbare Bänder. Er dreht sich sehr schnell. Einer der großen Stürme auf Jupiter bilden den roten Fleck in der Nähe des Südpols. Das ist ein unglaublicher Sturm, wie er hier auf Erden vermutlich nie stattfinden kann. Jupiter hat ein enormes Magnetfeld. Das bedeutet, dass auf ihm enorme Polarlichter herrschen sollten. Das Wetter sollte viele Gewitter mit großartigen Blitzen und Gewittern erzeugen. Selbiges haben Raumsonden wohl auch schon gesehen. Die Sonne auf Jupiter wirkt schon deutlich kleiner als bei uns auf der Erde. Das wird natürlich nach außen hin zum Saturn, wo die Sonne nur noch die Größe eines Stecknadelkopfes hat, noch dramatischer. Ein Gasplanet und unsere Sonne auch rotiert nicht gleichmäßig, wie ein Starrer Körper. Die Sonne rotiert beispielsweise am Äquator rascher, als in ihrem Polregionen. So etwas geschieht bei Gasplaneten auch. Das bedeutet, dass die Lebewesen auf so einem Gasplaneten unterschiedliche Tageslängen hätten. OK, beim Jupiter-Jahr könnte man dann alle wieder einfangen, weil sich dieses durch seinen Umlauf um die Sonne definiert. Naja, auf einem Planeten wie Jupiter oder Saturn hätte man schon Probleme mit dem Mondkalender. Nach welchem Mond soll man ihn denn schreiben? Io, Europa, Ganymed und Kallisto.

Die Monde dieser Planeten sind durchaus interessant. Jupiters Europa oder Saturns Titan geben schon interessante rätselhafte Aufgaben auf. Es gäbe hier noch viel zu schreiben. Ich wollte in diesem Artikel einfach mal zeigen, wie interessant es ist, sich auch als blinder Mensch damit zu beschäftigen, was normalerweise einfach nur zu sehen ist.

Es kann gut sein, dass dieser Artikel sich noch weiter entwickeln wird. Ich stelle jetzt einfach mal die erste Version davon online.

Gehabt euch wohl, tragt fleißig eure Schnutendeckel und bleibt gesund.

Es grüßt euch herzlich

Euer Blindnerd.

Merkur – ein romantischer Ort


Liebe Leserinnen und leser,

in diesen Tagen, Mitte Mai 2020, soll bei guten Bedingungen der Merkur neben der Venus und der Mondsichel sogar bei uns gut zu sehen sein. Das ist nicht so einfach, weil der Merkur sehr klein ist und meistens wie der Mond bei Neumond von der Sonne überstrahlt wird. Deshalb sieht man ihn, wenn überhaupt nur am Morgen- oder Abendhimmel nahe bei der Sonne. Der große Astronom Kopernikus soll einer Legende nach auf seinem Sterbebett gesagt haben, dass es ihm zu Lebzeiten nie vergönnt gewesen wäre, den Merkur zu sehen. Aber der Merkur war schon in der Antike bekannt, weil man ihn eben manchmal mit bloßem Auge sehen kann. Merkur machte auch wegen seiner merkwürdigen elliptischen Bahn auf sich aufmerksam. Erst durch die Relativitätstheorie konnte die sog. Periheldrehung des Merkur erklärt werden. Damit ist gemeint, dass sich die ganze Merkurbahn langsam um die Sonne dreht. Somit verschiebt sich dann auch sein Perihel, sein sonnennächster Punkt. Die Newtonsche Himmelsmechanik reichte nicht aus, diese zu beschreiben.
Heute wollen wir uns mal mit einer Merkwürdigkeit befassen, die es so in unserem Sonnensystem nur auf dem Merkur zu beobachten gibt.

Der Lauf der Sonne auf Merkur

Man würde sich dort sehr über den Lauf der Sonne wundern, wenn man sich denn dort aufhalten könnte. Von einem Sonnenaufgang zum nächsten vergehen auf dem Merkur 176 Tage. Außerdem scheint die Sonne auf dem Merkur bei Sonnenauf- und Untergang aus dem Gang zu geraten. Am Äquator bleibt sie zur Mittagszeit kurz stehen, läuft dann etwas rückwärts, dann hält sie erneut an, um dann wieder ihren normalen Lauf von Ost nach West wieder aufzunehmen. Noch merkwürdiger wird alles, wenn man sich 90 Grad links oder rechts vom Mittagspunkt befindet, wo die Sonne gerade im Begriffe ist, auf- bzw. unter zu gehen. Man würde dort einen doppelten Sonnenauf- oder Untergang erleben. Also wenn die Sonne am Merkur-Morgen erscheint, verschwindet sie nochmal kurz unter dem Horizont, um dann endgültig richtig aufzugehen. Ebenso am Abendhimmel. Dort geht sie zunächst unter, erscheint dann nochmals kurz über dem Horizont, um sich dann zur Nacht zu begeben.
Dieses Kuriosum gibt es nur auf dem Merkur in unserem Sonnensystem. Was geht da vor.

Auf erden ist alles, wie es sein soll

Jeder weiß, dass sich die Erde links herum gegen den Uhrzeigersinn dreht, weshalb die Sonne von Ost nach West über den Himmel zu laufen scheint. Es ist auch bekannt, dass die Erde ungefähr 24 Stunden für eine Umdrehung benötigt. Für ihren Umlauf um die Sonne benötigt sie ein Jahr, ungefähr 365 Tage. Beim Merkur ist das alles anders.

Wie denn?

Bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts dachte man, dass der Merkur uns stets dieselbe Seite zeigt. So ist das bei unserem Mond. Dessen Drehung um sich selbst entspricht genau seiner Umlaufzeit um die Erde, einem synodischen Monat. Deshalb sehen wir seine Rückseite nie. So dachte man sich das eben auch von Merkur. Mit Teleskopen, Radar und Raumsonden, als man Struktur auf dem Merkur ausmachen konnte, fand man heraus, dass er sich doch etwas schneller um sich selbst dreht, als ein Umlauf um die Sonne dauert.
Er zeigt uns eben doch nicht immer dieselbe Seite.

Für eine Umdrehung benötigt Merkur 58,646 Tage. Für einen Umlauf um die Sonne benötigt er 87,969 Tage. Das bedeutet, dass wenn Merkur zweimal die Sonne umrundet, dreht er sich dreimal um sich selbst. Und damit nicht genug. Merkurs bahn ist extrem elliptisch. An seinem sonnenfernsten Punkt, dem Aphel, beträgt sein Abstand zur Sonne rund 70 Millionen Kilometer. In seinem sonnennächsten Punkt, dem Perihel ist er nur noch knapp 46 Millionen Kilometer von ihr entfernt. Dagegen verglichen laufen Erde und Venus fast auf Kreisbahnen.
Das bedeutet, dass Merkurs Winkelgeschwindigkeit auf seiner Bahn sehr stark variiert. Keplers zweites Planetengesetz besagt, dass der Fahrstrahl eines Planeten stehts gleiche Flächen zu gleicher Zeit überstreicht. Der Fahrstrall ist die gedachte Hilfslinie zwischen Stern und Planet. Ist nun unser Merkur an seinem entferntesten Punkt von der Sonne, ist sein Fahrstrahl länger. Wenn der zu gleicher Zeit eine gleiche Fläche überstreichen soll, bedeutet das, dass Merkur sich langsamer auf seiner Bahn bewegen muss, um diese Bedingung zu erfüllen. Das „Kuchenstück“ ist dann zwar länger, aber deutlich schmaler. In Sonnennähe beschreibt der Fahrstrahl dann zur selben gegebenen Zeit ein kürzeres, aber breiteres „Kuchenstück“, ganz davon abgesehen, dass der Kuchenrand keinen Kreis beschreibt, weil es sich um eine elliptische Bahn handelt, aber als Bild geht es so.

Nun haben wir alle Fakten beieinander, um Merkurs Sonnen-Wunder zu erklären.

Von Winkeln und Verhältnissen

Zunächst ist es so, dass ein Beobachter auf dem Merkur die Sonne im Laufe eines Merkur-Jahres immer größer wahrnimmt, so lange Merkur sich auf sein Perihel zubewegt. Entfernt er sich dann wieder von ihr, erscheint die Sonne wieder kleiner. Bei dieser starken Exzentrizität der Merkurbahn würde man das deutlich sehen. Den Effekt hätten wir gern bei unserem Supermond…

Wir haben oben gefunden, dass Merkur drei Umdrehungen innerhalb zweier Merkur-Jahre (Lauf um die Sonne) vollführt.
Die Geschwindigkeit, mit welcher Merkur sich um sich selbst dreht, bleibt konstant. Bei Drehungen spricht man gerne von Winkelgeschwindigkeiten, also von der Änderung des Winkels pro Zeit. Für die Eigendrehung des Merkur ist die konstant.
Beim Lauf um die Sonne auf merkurs extrem elliptischer Bahn ist das durchaus nicht so, denn sonst wäre keplers Gesetz mit den Flächen und dem Fahrstrahl nicht erfüllbar. Man kann also sagen, dass die Winkelgeschwindigkeit der Eigenrotation des Merkur ungefähr 1,5 mal größer ist, als die durchschnittliche Winkelgeschwindigkeit seines Laufes um die Sonne. Betrachtet man aber nun die Position des Merkur auf seiner Bahn, ändert sich dieses Zahlenverhältnis sehr stark. Im sonnenfernsten Punkt ist die Winkelgeschwindigkeit um 0,68 mal kleiner als die mittlere Winkelgeschwindigkeit und im Perihel um den Faktor 1,53 größer. Somit stehen im Aphel die beiden Winkelgeschwindigkeiten 1,5 (Eigendrehung konstant) zu 0,68 und im Perihel 1,5 (Konstante Eigendrehung) zu 1,53 (Bahnumlauf).
Was fällt hier auf:
Je näher der Merkur seinem sonnennächsten Punkt kommt, desto größer wird seine Bahngeschwindigkeit. Das Verhältnis zur konstanten Winkelgeschwindigkeit der Eigendrehung steigt also vom Aphel mit 0,68 bis zum Perihel mit 1,53 an. Nun ist das Verhältnis plötzlich anders herum.

Konsequenzen

Die Winkelgeschwindigkeit der Eigendrehung ist im Verhältnis zur Umlauf-Winkelgeschwindigkeit plötzlich kleiner. Das bedeutet, dass die Sonne für den Beobachter plötzlich rückwärts läuft, denn negatives Geschwindigkeitsverhältnis bedeutet entgegengesetzte Richtung.

Und was passiert an dem Punkt, wo das Verhältnis 1,5 zu 1,5 ist? Dort steht die Sonne kurz still und kehrt ihre Richtung von einem Beobachter aus gesehen entweder wieder in die richtige Richtung um, dass sie wieder von Ost nach west läuft, oder in die falsche.

Und was bedeutet das für den Beobachter an einer der Tag-Nacht-Grenzen? Genau. Die Sonne läuft rückwärts und tut nochmal, was sie schon tun wollte, nämlich auf- oder unterzugehen.

Und wie kommen wir auf die Tageslänge von über 180 Tagen, obwohl die Sonne sich in 54 Tagen um sich selbst dreht? Das liegt am Verhältnis von Merkurtag zu Merkurjahr. Hat die Sonne von ihrer Umdrehung her den Merkurtag beendet, hat sie sich erheblich auf ihrer Bahn weiter gedreht, Wir Erinnern uns Drei Umdrehungen in zwei Umläufen. Deshalb dauert die Zeitspanne so lange.

Liebesurlaub auf dem Merkur

Puh, das war jetzt kompliziert, oder?
Aber für Verliebte wäre das doch wirklich super romantisch mit den zwei Sonnenauf- und Untergängen.
Auch für Sonnenanbeter gibt es auf dem Merkur ein Plätzchen. Sie sollten die Caloris Planitia besuchen. Es ist das Becken der Hitze auf Merkur. Dieser Einschlagskrater hat einen Durchmesser von 1,500 km. Es ist der Ort, bei dem zum Zeitpunkt jedes zweiten Perihel-Durchgangs die Sonne im Zenit steht. Und sie verlängert das Sonnenbad noch etwas, denn sie wandert ja am Perihel kurz rückwärts. Näher kommt man der Sonne so wohl nicht und bei molligen mehreren Hundert Grad und ohne schützende Atmosphäre, dürfte sich die erwünschte Bräune rasch einstellen.

Und eins noch zur Urlaubs-Saison auf Merkur:
Jahreszeiten in dem Sinne, wie wir sie durch unsere um 23 Grad geneigte Erdachse auf der Erde haben, gibt es auf Merkur nicht, da seine Achse nur um 0,01 Grad gekippt ist. Man kann sagen, er steht aufrecht. Seine sehr elliptische Bahn bewirkt aber, dass die Sonneneinstrahlung variiert. Dieser Effekt hat auf Erden wegen der fast kreisförmigen Bahn keine Auswirkung. Allerdings bewirkt die Exzentrizität der Erdbahn, dass unser Sommer ungefähr vier Tage länger als der Winter ist. Es ist noch nicht ausgemacht, ob an den Polem von Merkur Skiurlaub möglich sein könnte. Kann sein, dass es Eis in Kratern an den Polen gibt, wo nie Sonne hin kommt. Möglicherweise muss man dann selbst die Piste beleuchten.
Und auch Kunstkenner kommen auf Merkur durchaus auf ihre Kosten. Besuchen sie doch Rembrandt, den größten Krater des Merkur. Bedenken Sie, dass die Kleiderordnung hierfür durchaus einen veritablen Raumanzug verpflichtend vorsieht. Und ob Sie dort Gemälde finden werden, ist äußerst fraglich. Wie dem auch sei. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.
Naja, ob aber jemals Menschen in diese heiße Wüstenwelt ohne Atmosphäre reisen möchten, sei dahin gestellt.

Jetzt warten wir erst mal, bis in einigen Jahren die Raumsonde BepiColombo am Merkur ihre Forschungsarbeit aufnimmt. Apropos Merkur und Missionen:
Folge 43 des Podcasts Raumzeit beschreibt die Mission sehr hörenswert und in Folge 44 dieses Podcast geht es um den Merkur an sich.
Inspiriert zu diesem Artikel hat mich das Buch Sternstunden des Universums von Harald Lesch, das es bei Audible auch als Hörbuch gibt.
Wie auch immer:
Bis Bepicolombo am Merkur ist, wird es aber noch viele neue Artikel auf Blindnerd geben.

Es grüßt euch herzlich
Euer Blindnerd.

Sonnengesänge und Gedichte zu Kantate 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

Heute 10.05.2020 ist im Kirchenjahr der Sonntag Kantate. Das ist immer der 04. Oder 05. Sonntag nach ostern, je nach dem, auf welches Datum Ostern fällt.
Übrigens ist heute auch Muttertag. Gerade in der Krise sind vor allem Mütter über alle Maßen belastet und werden nun erst sehr zögerlich von der Politik unterstützt. Man muss hier wirklich diskutieren, welches Gesellschaftsbild das dokumentiert.
Die Frauen in unserer Gesellschaft tragen momentan die Hauptlast der Corona-Krise. Seien wir uns dessen bewusst.
Ich möchte diese Problematik nicht unerwähnt lassen, obgleich dieser Artikel nicht Gegenstand dieses Problems sein kann.
Also, kehren wir zurück zu Kantate.

Kantate ohne Kantaten

Ab heute dürfen in Baden-Württemberg wieder Gottesdienste mit Besucherbegrenzung und genügend Abstand stattfinden. Allerdings darf die Gemeinde nicht singen. Das ist insbesondere an Kantate, wo normalerweise viel gesungen wird, eine Situation, mit der man erst mal fertig werden muss. Hier ist nun wirklich viel Phantasie der Pfarrer*innen, Liturg*innen, Chorleiter und allen, die Gottesdienste gestalten, gefragt.
Hautnah erlebe ich es durch meinen Mitbewohner, der Kirchenmusiker und Chorleiter ist, wieviel Arbeit er in den letzten Wochen in die Gestaltung von Online-Gottesdiensten stecken musste. Unglaublich, welche Kreativität hier zutage kam. Zum Glück ist unser Haushalt mit ausreichend hochwertiger Tontechnik ausgestattet, so dass derlei möglich ist.
Gerade in Krisenzeiten ist Gesang und Musik etwas ganz wichtiges. Und gerade dieses darf man jetzt nicht gemeinsam praktizieren. Leider finden in meinem Wohnort bisher noch keine Balkongesänge nach dem Vorbild Italiens statt.
Deshalb habe ich mir, wie soll es anders sein, mal überlegt, welche Gesänge es so mit astronomischem Bezug gibt. Heute wenden wir uns zu Kantate mal Gesängen zu, die das offensichtlichste astronomische Objekt, unsere Sonne, besingen. Manche dieser „Gesänge“ sind auch Gedichte, aber oft werden aus Gedichten oder deren Teilen später Lieder komponiert.

Motivation für Sonnengesänge

Gründe, die Sonne zu besingen, gibt es reichlich. Zunächst verdanken wir ihr unser Leben. Sie spendet Wärme und Licht. Durch ihren Auf- und Untergang erlebte die Menschheit Tag und Nacht. Es kann sein, dass die runde Sonnenscheibe die Erfinder des Rades inspirierte. Schon in der Antike fuhr sie als Sonnenwagen über den Himmel. Erst seit 100 Jahren ungefähr wissen wir, was sie für ein Kraftwerk ist und wie sie funktioniert. Dieses tritt aber in den Hintergrund, wenn man die Gesänge betrachtet, in denen Menschen ausdrückten, wie sie den Stern von dem wir leben empfinden.

Die liebe Sonne

Man könnte sagen, dass die Sonne unsere erste Liebe ist.
In meinem vorigen Artikel „Die Strahlkraft der Sonne“ wird die Solarkonstante erwähnt, die Auskunft über die Intensität der Sonnenbestrahlung der Erde gibt. Daneben könnte man durchaus auch von einer poetischen Solarkonstanten sprechen, einen Heliozentrismus der Begeisterung, eine Anbetung aus hymnischer Sprache.
Durch alle Zeiten hindurch von der Antike bis heute hat die Menschheit nicht davon abgelassen, die Sonne zu besingen, zu loben, ihr zu danken oder sie gar anzubeten.
Die Liebe zur Sonne, das extatische Bekenntnis zu unserem Zentralgestirn, die hymnische Hinwendung zum wärmenden Kern unserer Welt verbindet Völker und Erdteile.

Sonnengesänge

Die Sonnengesänge aller Zeiten bilden quasi einen großen Choral.
Es ist ganz erstaunlich, dass die Sonnengesänge durch alle Epochen hindurch nahezu dieselben sprachlichen Wendungen benutzen.
Hören wir nun etwas in Sonnengesänge hinein, wie sie einander zurufen:

So dichtete Ingeborg Bachman, Dichterin des 20. Jahrhunderts in ihrem Hymnus an die Sonne:

Nichts schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein.

Hier ein Artikel dazu.

Wie ein Echo von vor 3000 Jahren erklingt die Stimme Echnatons, des ägyptischen Sonnengottes:

Schön erscheinst Du im Lichtland des Himmels, Du lebende Sonne, die das Leben bestimmt.

Zum Echnatons Sonnenhymnus

Der wohl bekannteste Sonnengesang des Mittelalters dürfte derjenige des Heiligen Franz von Assisi für viele sein. Es ist ein Lobpreis auf den „Bruder Sonnenstern, der uns den Tag herauf führt und Licht mit seinen Strahlen, der schöne, spendet“.
Entstanden ist dieser Sonnengesang im 12. Jahrhundert, als Franz von Assisi schon krank dem Ende seines Lebens nahe war. Es wird hier nicht die Sonne angebetet, aber sie wird als Bruder bezeichnet.
Hier gehts zum Sonnengesang.
Bis heute werden Teile dieses Gesangs beispielsweise in Taizé gebetet und gesungen.

Der aufgeklärte Skeptiker des 16. Jahrhunderts Michel de Montaigne, beginnt seinen Sonnengesang so:

Dies große Sonnenlicht, dies Auge aller Welten

der frühchristliche Mystiker Melito von Sar- des, der die Sonne mit großer Andacht untergehen sieht, schreibt:

„Sich badend in geheimnisvolle Tiefe jauchzt sie auf gar sehr. Das Wasser ist ihre Nahrung…

Anderthalb Jahrtausende später beklagt Charles Baudelaire den Sonnenuntergang:

Wie ist die Sonne schön, die in ganz frischem Steigen, wie eine Explusion aus gutem Morgen schickt.
Glückselig der, der noch voll Liebe nach ihr blickt.
Sieht er sie wunderbarer als ein Traum sich neigt

Ungeachtet seiner absolutistischen Herrschaft, darf an dieser Stelle neben Echnaton, der oben erwähnt wurde, der Sonnenkönig Ludwig XIV nicht unerwähnt gelassen werden. Er nimmt sich die Sonne als Vorbild und stimmt ein:

Als Bild wählte ich die Sonne. Sie ist ohne Zweifel das lebendigste und schönste Sinnbild eines großen Fürsten. Sowohl deshalb, weil sie einzig in ihrer Art ist, als auch durch den Glanz, der sie umgibt. Durch das Licht, das sie den anderen Gestirnen spendet, die gleichsam ihren Hofstaat bilden
Durch die gerechte Verteilung des Lichts über die verschiedenen Himmelsgegenden der Welt, durch die Wohltaten, die sie überall spendet, durch das Leben, die Freude und die Tätigkeit, die sie überall weckt, durch ihre unaufhörliche Bewegung, bei der sie trotzdem stets in Ruhe zu schweben scheint, durch ihren ständigen und unveränderlichen Lauf, von dem sie niemals abweicht.

Friedrich Leopold Graph zu Stollberg beginnt seinen Sonnengesang mit Jauchzen und loben aus Sicht des Lebens und der Erde. Dann nimmt dieser Gesang eine interessante Wendung. Er lässt, wie in der Schöpfungsgeschichte Gott dem Menschen seine Aufgaben zu wieß, Gott zur Sonne sprechen. Sie soll Leben spenden und muss menschengleich mit dem jüngsten Gerichte rechnen, mit allen Konsequenzen, die das haben könnte. Die Sonne könnte mit anderen Sternen bei Nichtgefallen mückengleich in einen Teich stürzen. Sie wird hier im Grunde vermenschlicht…

Bei Emanuel Kant ist die Sonne ein glühendes Inferno. Ja, solche Sonnengesänge gibt es auch.

Sonnengesänge in der europäischen Klassik

Der englische Komponist Gustav Holst schuf in den Jahren 1914 – 1916 sein Opus 32 „Die Planeten“ suite für Orchester. Hier werden in mehreren Sätzen nahezu alle Körper des Sonnensystems auskomponiert und gehuldigt.
Etwas vergleichbares ist mir von anderen Komponisten so nicht bekannt. Weder Haydns Merkur, noch Mozarts Jupiter hatten etwas vergleichbares versucht.

Unerwähnt darf ich an dieser Stelle unbedingt den gewaltigen C-Dur-Akkord aus Haydns Oratorium Die Schöpfung lassen. Nachdem Gott in der Genesis „Es werde Licht“ sprach, heißt es weiter „und es ward Licht“. Bei diesem Wort „Licht“ bricht dieser Akkord mit einer Gewalt und Klarheit hervor, dass es mir jetzt, wo ich das niederschreibe kalt den Rücken herunter läuft.

Nicht zuletzt dürften einige von uns noch einige Morgenlieder aus der Schule oder dem Kirchengesangbuch kennen, in welchem die Sonne oft gehuldigt wird.

Für all das gibt es Klangbeispiele auf Youtube. Da ich aber nicht beurteilen kann, welche am besten gespielt sind, lasse ich euch an dieser Stelle selbst forschen.

Die Sonne in moderner Musik

Die Gruppe Schiller brachte vor einigen Jahren ein Album Namens Sonne heraus. Somit wird ihrer sogar in heutiger sehr moderner Musik, in Rock, Pop, Tecno etc. gedacht. Ach ja, den Ohrwurm der Beatles „Here comes the Sun“ und das Lied aus dem Film „Hair“ „Let the Sunshine in“ fallen mir da auch noch spontan ein.

Es gibt noch unzählige Sonnengesänge, Gebete an die Sonne und Gedichte über sie. Damit könnte man Bücher füllen.
Ein Buch, was mich zu diesem Artikel inspirierte, war das Buch „Die Sonne“ von Dieter Hildebrandt.
Deshalb schließe ich nun mit einem ganz wunderbaren Sonnengesang von Andreas Gryphius:
Bis zum nächsten Mal grüßt euch
Euer Blindnerd.
——————–

Andreas Gryphius – Morgensonett

Die ewighelle Schar will nun ihr Licht verschließen;
Diana steht erblaßt; die Morgenröte lacht
Den grauen Himmel an, der sanfte Wind erwacht
Und reizt das Federvolk, den neuen Tag zu grüßen.
Das Leben dieser Welt eilt schon die Welt zu küssen
Und steckt sein Haupt empor; man sieht der Strahlen Pracht
Nun blinkern auf der See. O dreimal höchste Macht!
Erleuchte den, der sich jetzt beugt vor deinen Füßen!
Vertreib die dicke Nacht, die meine Seel umgibt,
Die Schmerzensfinsternis, die Herz und Geist betrübt!
Erquicke mein Gemüt und stärke mein Vertrauen!
Gib, daß ich diesen Tag in deinem Dienst allein
Zubring! und wenn mein End und jener Tag bricht ein,
Daß ich dich, meine Sonn! mein Licht! mög ewig schauen!

hier ist noch eine Version in der Orthografie der Barockzeit:

DIe ewig helle schar wil nun jhr licht verschlissen /
Diane steht erblaßt; die Morgenrötte lacht
Den grawen Himmel an / der sanffte Wind erwacht /
Vnd reitzt das Federvolck / den newen Tag zu grüssen.
Das leben dieser welt / eilt schon die welt zu küssen /
Vnd steckt sein Haupt empor / man siht der Stral? pracht
Nun blinckern auf der See: O dreymal höchste Macht
Erleuchte den / der sich jtzt beugt vor deinen Füssen.
Vertreib die dicke Nacht / die meine Seel vmbgibt /
Die Schmertzen Finsternüß die Hertz vnd geist betrübt /
Erquicke mein gemüt / vnd stärcke mein vertrawen.
Gib / daß ich diesen Tag / in deinem dinst allein
Zubring; vnd wenn mein End‘ vnd jener Tag bricht ein
Daß ich dich meine Sonn / mein Licht mög ewig schawen.

Die Strahlkraft der Sonne


Liebe Leserinnen und Leser,

Bis vor wenigen Jahrzehnten war nicht klar, wo die Sonne ihre Energie für so lange Zeit unerschöpflich her nimmt und uns damit wärmt und Leben spendet. In den nächsten Artikeln wird es genau um diese Geschichte gehen, wie man sich langsam der Wahrheit näherte.
Eigentlich dachte ich, ich könnte dieses Thema in einem Artikel abfrühstücken. Das erwies sich aber schon bei der Stoffsammlung als Ding der Unmöglichkeit.
Deshalb geht es heute erst mal um grundsätzliche Fragen, z. B. wieviel Strahlung und Energie wir überhaupt von unserem Heimatstern erhalten. In weiteren Artikeln werden wir dann alle weiteren Aspekte des Kraftwerks Sonne untersuchen.

Die Strahlkraft der Sonne

Auf jeden Quadratmeter einer im Erdabstand von der Sonne außerhalb der Erdatmosphäre aufgestellten und auf sie ausgerichteten Fläche fällt in jeder Sekunde die Energie von 1360 Joule pro Quadratmeter.
Unser Quadratmeter empfängt somit eine Strahlungsleistung von 1,4 Kilowatt. Auf einen Quadratmeter der Erdoberfläche trifft aber wesentlich weniger. Zum einen bleibt ein Teil der Energie in der Erdatmosphäre stecken, zum anderen kommen die Strahlen nicht immer und überall senkrecht von oben. Die Hälfte der Zeit liegt unser Quadratmeter im Dunkel der Nacht, und bei schlechtem Wetter erreichen ihn die Sonnenstrahlen nur stark geschwächt. Die Wolken reflektieren dann die Sonnenenergie wieder in den Raum zurück. So erhält in Mitteleuropa der Quadratmeter durchschnittlich nur etwa 100 Watt. Immerhin, wollte man die Sonnenenergie, die dieser Quadratmeter im Jahr erhält, mit Heizöl decken, müsste man etwa 100 Liter verbrennen.
Das alles weiß man aber erst, seit bekannt ist, wie weit die Erde von der Sonne entfernt ist, und wie die Größenverhältnisse dieser Körper ist.

Die Vermessung des Sonnensystems

Wir wissen, wieviel die Strahlung der Sonne für uns Menschen bedeutet, was bedeutet sie für die Sonne?
Dazu müssen wir zuerst wissen, wie weit wir von ihr entfernt stehen.
Eine nahe Sonne könnte die Energie von 100 Litern Heizöl pro Jahr und Quadratmeter leichter liefern als eine entferntere. Denn von der nach allen Richtungen gleichmäßig in den Raum gehenden Energie, fängt eine Fläche mehr auf, wenn sie nahe bei der Sonne steht, als wenn sie in großem Abstand von ihr beleuchtet wird. Nahe am Feuer ist es immer wärmer, als davon entfernt zu stehen.
Es gilt das einfache Abstands-Quadrat-Gesetz:
Verdoppelt man den Abstand zwischen strahlendem Körper und empfangender Fläche, dann fängt sie nur ein Viertel auf, bei dreifachem Abstand nur ein Neuntel.

Zu diesem Gesetz muss ich euch unbedingt eine kleine Geschichte erzählen, wie unser Mathematiklehrer uns blinden Schüler*innen die Wirkung beschrieb:

Wie uns Blinden das Abstands-Quadrat-Gesetz und die Strahlensätze veranschaulicht wurden

Unser Mathematiklehrer brachte mal einen Dia-Projektor in den Unterricht mit. Er hatte ein Dia mit einem aufgeklebten Dreieck, kleiner als ein Fingernagel in den Projektor gesteckt. Das Bild ließ er nun auf eine weiße Fläche projizieren. Diese weiße Holzwand war mit kleinen Löchern bedeckt. Mit drei Stiften durfte jetzt jemand, aus der Klasse, der noch einen kleinen Sehrest hatte, die Ecken des dargestellten Dreiecks fixieren. Diese Eckpunkte wurden dann mit einem Hosengummi verbunden. Ich war verblüfft, wie riesig das projizierte Dreieck im Gegensatz zum winzigen Original war.
Das Original hatte, wie gesagt, eine Kantenlänge von wenigen Millimetern. Die Projektion war mindestens 30 cm lang.
Nun aber zurück zu unserem Thema.

Bestimmung der Entfernung Erde-Sonne

Wie weit entfernt zieht nun die Erde ihre Bahn um die Sonne? Wir
haben es erst verhältnismäßig spät erfahren. Obwohl die Griechen die Entfernung des Mondes recht gut kannten, lagen ihre mit raffinierten und im Prinzip korrekten Methoden gewonnenen Sonnenentfernungen nur etwa bei einem Zehntel des richtigen Wertes. Die Wahrheit erfuhren die Menschen erst im Jahre 1672.

Damals kam der Planet Mars der Erde besonders nahe. Diese Gelegenheit wurde in Paris und bei einer Expedition nach Cayenne benutzt, die unter der Leitung des französischen Astronomen jean Richer (1630-1696) stand. Beobachtet man den Mars von zwei Orten auf der Erde gleichzeitig, so steht er für jeden Beobachter vor etwas verschiedenen Stellen des Fixstern-Himmel-Hintergrundes. je kleiner der Abstand Erde-Mars, desto größer der Unterschied.
Allerdings muss man zur Bestimmung des Marsabstandes genau wissen, welche Entfernung zwischen den beiden Mess-Orten liegt.
Kurz zuvor hatte der französische Astronom jean Picard (1620-1682) den Radius der Erdkugel
gemessen. Mit der Größe der Erde war nun auch der Abstand Paris-
Cayenne recht genau bekannt. So konnte man den Abstand Erde-Mars
ermitteln. Das war der Anfang der Vermessung des Planetensystems.
Kennt man den Abstand zweier Planetenbahnen und die Zeiten, in
denen sie von ihren Planeten einmal durchlaufen werden, so kann man die Abstände der Bahnen zur Sonne errechnen. Man benötigt dazu das Dritte Keplersche Gesetz, das aus den beobachtbaren Umlaufzeiten zweier Planeten das Verhältnis ihrer Bahndurchmesser liefert. Da die Umlaufzeiten der Planeten leicht zu bestimmen sind, erfuhr man 1672, dass die Sonne etwa 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist.
„Etwa“ deshalb, weil die Erde eine elliptische Bahn um die Sonne beschreibt.
Inzwischen gibt es bessere Methoden, das System von Sonne und
Planeten auszulosen, und wissen es genau: Im Mittel sind Sonne und Erde 149598000 Kilometer voneinander entfernt. Das Sonnenlicht benötigt etwa acht Minuten, um diese Strecke zurückzulegen. Würde an einem Tag mittags um 12.00 Uhr die Sonne schlagartig verlöschen, wir würden es erst um 12.08 Uhr gewahr.

Nachdem man die Entfernung der Sonne ermittelt hatte, wusste man auch, wie groß sie ist. Am Himmel erscheint sie als eine Scheibe, deren Durchmesser einem Winkel von einem halben Grad entspricht. Mit einer einfachen Dreiecksberechnung erhielt man dann einen Sonnendurchmesser von 1,4 Millionen Kilometern. Das ist etwa das 110fache des Durchmessers der Erde. Setzten wir unseren Planeten in die Mitte der Sonne, so würde der Mond immer noch im Sonneninneren um uns kreisen. Man könnte die Sonnenkugel mit mehr als einer Million Erdkugeln auffüllen.

Aus der hier bei uns auf den Quadratmeter treffenden Strahlungsleistung der Sonne und aus der nunmehr bekannten Entfernung kann man die Strahlkraft der gesamten Sonne bestimmen. In Millionen Watt (Megawatt) ausgedrückt ist es eine 21stellige Zahl!

Was die Sonne in jeder Sekunde an Strahlung in den leeren Raum hinaus verschwendet, könnte eine Million Jahre lang den gesamten Energiebedarf der Menschheit decken.

So, meine lieben, das waren jetzt mal einige Grundlagen zur Strahlkraft der Sonne. Im nächsten Schritt können wir uns dann langsam an das Kraftwerk der Sonne und der Diskussion darüber nähern, wie es funktioniert.
Bis da hin grüßt euch herzlich
Euer Blindnerd.

Ein „Stern“ der Arbeiterbewegung


Liebe Leserinnen und Leser,
So, die Feier zum einhundertsten Artikel ist vorbei. Heute erscheint nr. 101.
Eines ist aber noch nicht vorbei. Das Gewinnspiel.
Wer mag, darf gerne noch nachfeiern auf
Hundert Artikel auf Blindnerd mit Gewinnspiel
Nun aber zum heutigen zum Tag der Arbeit passenden Thema:

Einleitung

wer mich besser kennt weiß, dass ich immer in meinem Herzen für Freiheit und Gerechtigkeit brenne. Somit stehe ich bis heute für jemanden, dem sozialdemokratisches Gedankengut ein großes Anliegen sind.
Ganz besonders jetzt zeigt sich, dass es im Krisenfall vielleicht nicht die beste Idee war, alles, aber auch wirklich alles, dem Neoliberalismus und einem wildgewordenen Kapitalismus zu überlassen.

Ich bin davon überzeugt, dass ein System, das uns und unserer Welt nachhaltig dienlich sein soll, eher ein sozialdemokratisches linkes System sein muss, denn Kapitalismus betreibt immer Raubbau an der Schöpfung, wird immer in Ausbeutung, Krieg und Ungerechtigkeit münden.
Vielleicht finden wir ja gerade durch die Krise zurück zu wahrer Menschlichkeit, zu einer gesunden nachhaltigen Sozialdemokratie und zurück zu humanistischen Werten. Und vielleicht dient das dann alles auch der Rettung unseres Klimas.
Nun ist dieses Blog aber alles andere als ein politisches Blog. Das können andere besser.
Da aber die Astronomie etwas ganzheitliches ist, lässt sich das nie ganz vermeiden, was auch gut so ist.
So machte ich mich mal auf die Suche nach Astronomen, die sich auch, passend zum Tag der Arbeit, neben ihrer Forschung auch politisch im linken Spektrum engagierten.
Zugegeben. Viel habe ich nicht gefunden, aber das wenige, werde ich nun mit euch teilen.

Die Fundgrube Namens Florian

Jahrelang lese ich schon die Bücher des Astronomen, Buchautors und Science Busters, Florian Freistetter. Er führt auch das Blog Astrodicticum Simplex und publiziert auf allen Medien. Ganz herausragend ist sein Podcast Sternengeschichten.
In der Spektrum der Wissenschaft schreibt er die Serie „Freistetters Formelwelt“. Nicht zuletzt, und das dürfte vor allem den Hörbuchleser*innen die es ja unter uns Menschen mit Sehbeeinträchtigung reichlich gibt, gefallen;
Ganz viele Bücher von ihm gibt es ungekürzt auf Audible, meist sogar von ihm selbst gelesen. Ich kann alle empfehlen.
Gebt einfach seinen Namen auf Audible ein, und ihr werdet fündig.

Aber nicht er ist der gesuchte linke Astronom, oder vielleicht doch auch einer, so wie ich?
Es geht aber hier um einen Facebook-Artikel von ihm.
Zum 01.05.2015 veröffentlichte er einen großartigen Artikel zu einem kommunistischen Astronomen auf Facebook.

Zugänge zum gemeinten Artikel

Da Dokumente auf Facebook für viele von uns mit Hilfstechnologie nicht flüssig zu lesen sind,
folgt nun zunächst der Link zu Florians Artikel in zwei Versionen.
Einmal so, dass sich die große Facebook-seite mit Bildern und allem für Sehende öffnet, und einmal so, dass die mobile FB-Seite erscheint, die für uns Blinde besser zu lesen ist.

Zur großen Facebook-Seite
Zur mobilen Facebook-Seite

Ganz unten im Artikel, unter die Grußformel, kopiere ich den unveränderten und unbebilderten Text rein, damit ihn auch alle, die nicht Facebook machen, ohne Probleme mit ihrer Hilfstechnologie lesen können.

Ich wünsche euch, dass ihr mit mir empfindet, wie großartig die Astronomie hier uns wieder über den Tellerrand blicken lässt.
Wer noch mer über den Astronomen Pannekoek wissen möchte, findet alles auf
Dem Wiki-Eintrag.
Wenn es heute keine Maibummel geben kann, so wenigstens ein zum Anlass passender Artikel mit dem Wunderbaren Text von Florian Freistetter.
Und wenn es heute auch nur Online-Kundgebungen gibt, dann lasst mich jetzt dem Blog zum Trotze doch noch kurz persönlich politisch werden:
Wir müssen darauf achten, dass wir nach der Krise wirklich alle Freiheiten auch wieder zurück bekommen und vor allem, dass wir nicht aufgrund von Überkonsum aufgrund des langen Verzichtes, in unsere alten egoistischen, neoliberalistischen und Kapitalistischen Grundhaltungn und Gewohnheiten verfallen.
Die Hoffnung hege ich durchaus auch, dass unser Staat beispielsweise erkennt, dass es vielleicht doch nicht ganz klug war, alles zu privatisieren, um das Geschehen einem sinnlosen wildgewordenen Neoliberalismus und Kapitalismus zu überlassen. Es wird nun Zeit für eine neue Generation von Politikern. Gefühlte 40 Jahre Konservativismus reichen jetzt wirklich. Wer konservativ in der Vergangenheit lebt, kann nicht in die Zukunft denken. Weg mit diesem ganzen gescheiterten Leerer- und Juristenpack im Bundestag. Für Corona und Klimawandel bräuchten wir ein Drittel Ingenieure und Naturwissenschaftler im Parlament. Es reicht jetzt wirklich. Tragt Masken in der Farbe eurer wahl, aber rot in euren Herzen…

Auf gehts, Genossinnen und Genossen.

In diesem Sinne,
gehabt euch wohl,
passt auf euch und andere auf,
tragt brav eure „roten“ masken
und bleibt gesund.
Euer Blindnerd.

———————————

Anton Pannekoek: Zwischen Astronomie und Kommunismus
Von Florian Freistetter / 1. Mai 2015

Eigentlich muss man sich ja gar keine große Mühe geben um nach Anlässen für Artikel über Astronomie zu suchen. Jeden Tag veröffentlichen Forscherinnen und Forscher neue Erkenntnisse über das Universum. Teleskope, Raumsonden und Satelliten sammeln mehr Daten, als man auswerten oder verstehen kann und wenn man wollte, könnte man rund um die Uhr neue Texte über neue Forschung schreiben. Aber ich lasse mich bei der Recherche nach den Themen für mein Blog auch gerne mal vom Zufall treiben. Und probiere, Verbindungen zu finden, nach denen man normalerweise nicht sucht. Das ist vielleicht nicht immer unbedingt sinnvoll – aber man entdeckt dabei meistens Themen, auf die man sonst nie gestoßen wäre! Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass man von Zwiebelkuchen zur Entstehung des Lebens auf der Erde gelangen kann? Oder vom Tag des deutschen Biers zum Begründer der Mond-Kartografie? Es lohnt sich also (das ist zumindest meine Meinung) auch den absurden Verknüpfungen zu folgen. Das habe ich mir auch an diesem Morgen gedacht und weil ja heute der erste Mai, der “Tag der Arbeit” bzw. “Kampftag der Arbeiterbewegung” ist, habe ich mich mal umgesehen, was das Thema “Astronomie und die Arbeiterbewegung” so hergibt. Und bin dabei auf Anton Pannekoek gestoßen.
Maifeier_Volksstimme_Frankfurt_1901
Pannekoek wurde 1873 in den Niederlanden geboren. Er studierte Astronomie an der Universität Leiden und wie das oft so ist während eines Studiums, begann er sich dabei für Politik zu interessieren. Pannekoek beschäftigte sich um 1900 herum nicht mehr nur mit Astronomie, sondern auch immer mehr mit Marxismus und Sozialismus. Er machte nicht nur seinen Doktor in der Astronomie, sondern entwickelte sich auch zu einem anerkannten marxistischen Theoretiker, dessen Schriften in deutschen und niederländischen Zeitungen publiziert wurden. 1906 ging Pannekoek nach Deutschland, trat in die SPD ein und wurde Dozent an deren Parteischule. Das durfte er aber nur kurz tun; dann wurde es ihm verboten – mit der Drohung, ihn aus Deutschland auszuweisen, wenn er weiter dort unterrichten würde. Pannekoek engagierte sich weiter in der sozialistischen Bewegung, musste bei Ausbruch des ersten Weltkriegs aber zurück in die Niederlande gehen. Dort begann er sich für den Rätekommunismus einzusetzen (das ist – einfach gesagt – eine Gesellschaft, die weder von einem Parlament, noch einer einzigen Partei regiert wird, sondern sich nach basisdemokratischen Prinzipien kollektiv selbstverwaltet und in vielen kleinen Räten organisiert). Damit stand Pannekoek nicht mehr nur im Widerspruch zum Kapitalismus und der parlamentarischen Demokratie, sondern auch zum Marxismus-Leninismus (und zu Stalin sowieso). Er trat verschiedensten linken Vereinigungen und Parteien bei; ebenso oft wieder aus und publizierte seine Theorien zum Rätekommunismus, die in den 1920er Jahren durchaus großen Einfluss auf die politisch linke Szene hatten. In den 1930er Jahren und dann nach dem zweiten Weltkrieg zog er sich aus der politischen Theorie aber immer weiter zurück und veröffentlichte nur noch selten etwas (privat arbeitete und korrespondierte er aber weiter zu diesen Themen).
Seine astronomische Arbeit vernachlässigte Pannekoek bei all der Politik aber keineswegs. In seinen frühen Arbeiten beschäftigte er sich vor allem mit veränderlichen Sternen und publizierte Beobachtungen zu ihren Helligkeitsänderungen. Später ging er dann auch fundamentalere Themen an. 1919 erschien zum Beispiel eine Arbeit mit dem Titel “The Distance of the Milky Way”. Darin ging er der Frage nach, wo sich die Sonne (und mit ihr die Erde) in Bezug auf den Rest der Milchstraße befindet. Das war damals ein wichtiges und vor allem ungeklärtes Problem! Weder wusste man zu Beginn der 1920er Jahre, ob es neben der Milchstraße noch andere Galaxien im Universum gibt oder die Milchstraße das Universum ist, noch war man sich über die Struktur der Milchstraße im klaren. Erst die nächsten Jahre brachten hier Aufklärung, als Edwin Hubble und seine Kollegen zeigen konnten, dass es neben der Milchstraße tatsächlich noch viele andere Galaxien gibt und das wir uns in unserer Galaxis am Rand befinden.

Das war zur Zeit Pannekoeks noch alles andere selbstverständlich. In seinem Artikel schreibt er über Beobachtungen des Astronomen Harlow Shapley, die nahelegen, dass sich die Sonne nicht im Zentrum der Milchstraße befindet:
“Now, Shapley’s result, that in the universe of globular clusters the sun occupies a very eccentric position, is contrary to the common view, which places the sun in our galactic system not far from the center.”
Die Beobachtungen, nach denen die Sonne also eher am Rand der Milchstraße sei, würden – so Pannekoek – der “allgemeinen Ansicht” widersprechen, dass wir in der Nähe des Zentrums beheimatet wären. Pannekoek ist aber von der Korrektheit der Messungen überzeugt und kommt in seiner Arbeit ebenfalls zu dem Schluss, dass wir uns am Rand befinden:
“The sun must then be situated near to the limit of the system in the direction of Perseus.”
Später wechselte Pannekoek von der reinen Beobachtung der Sterne zur Erforschung ihrer Eigenschaften und Entwicklung und war maßgeblich daran beteiligt, diese damals noch neue Disziplin der “Astrophysik” in den Niederlanden zu etablieren. Noch später begann er sich dann auch für die Geschichte der Astronomie zu interessieren und sein Buch auf diesem Gebiet gehörte lange Zeit zur Standardlektüre (und ist immer noch erhältlich*!). Zu seinen vielen Veröffentlichungen über historische Astronomie gehört auch ein interessanter Artikel aus dem Jahr 1930 mit dem Titel “Astrology and its Influence upon the Development of Astronomy”. Darin stellt Pannekoek die Sonderstellung der Astronomie heraus, als Wissenschaft, die im Gegensatz zu den meisten anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen eine viel längere Geschichte hat. Wo die anderen Wissenschaften quasi erst vor ein paar Jahrhunderten in den Universitäten entstanden, so Pannekoek, stammt die Astronomie noch aus einer viel älteren Zeit, in der die Suche nach Erkenntnis von deutlich unwissenschaftlicheren Motiven gesteuert wurde. Die Astronomie musste sich erst mühsam davon lösen und dabei die Astrologie abschütteln. Gleichzeitig betont er aber auch, dass die Astrologie den Babyloniern und später auch noch einmal in der Renaissance als Motivation diente, jede Menge Daten über die Himmelskörper zu sammeln, die dann zur Grundlage großer astronomischer Erkenntnisse wurden. Sein Text endet mit folgenden Worten:
“Astrology did not at once disappear, but its practice and theory are now only possible as a superstition, outside of science and beneath it. The astronomers now see new and other larger aims before them. The principle of which it once was the expression, the conception of the unity of the whole world, had now to take a new form; to find not the connection of universe and man – for man is now only a small and accidental attribute to one small planet – but to find the laws of the universe itself. On this new path astronomy has gone upward during the following centuries.”

Nach Pannekoek wurden ein Krater auf dem Mond und ein Asteroid benannt, er bekam die Goldmedaille der Royal Astronomical Society und das Astronomische Institut der Universität Amsterdam trägt heute seinen Namen.
Pannekoek starb am 28. April 1960 und auch wenn er mit seinen politischen Überzeugungen die Welt nicht verändert hat: Mit seinen wissenschaftlichen Leistungen hat er auf jeden Fall dazu beigetragen, dass wir sie besser verstehen können!
————————————

Hundert Artikel auf Blindnerd – Feiert mit und gewinnt…

Jubiläum zum einhundertsten Artikel auf Blindnerd.de
Liebe Leserinnen und Leser,
Kleine Anmerkung vorweg:
Dieser Artikel enthält die Vorlesefunktion nicht, weil sie hier keinen Sinn macht. Der Artikel enthält so viele Links, dass diese Vorlesefunktion zu wenig Möglichkeiten bietet, zu navigieren. Deshalb lasse ich sie hier weg.
Ende der Anmerkung.

Es kann sein, dass dieser Artikel heute etwas länglich wird, aber das hat durchaus seinen Grund.
heute wird auf blindnerd.de gefeiert.
Dieser Artikel ist der einhundertste Beitrag auf Blindnerd. Das ist der Grund, weshalb wir feiern. Dazu lade ich euch ganz herzlich ein. Dieser Artikel ist eine kleine Zeitreise. Bitte seht den Artikel nicht als Selbstbeweihräucherung meinerseits an. Es geht mir darum, einfach mal etwas zurück zu blicken und demutsvoll vor diesem Werk zu stehen, das mir sehr ans Herz gewachsen ist. Wenn es das euch auch ist, dann lasst uns starten.
Wenn ihr den Artikel lest, dann ist das astronomische Ereignis, das ich zum Anlass der Veröffentlichung genommen habe, schon wieder vorbei.
Um 04:27 am 23.04.2020 hatten wir Neumond. Das ist an sich nichts Besonderes, aber ich denke, die einhundert ist schon ein großer Abschnitt, den mit einem Neumond begehen kann. Außerdem wird der Mond ja danach auch wieder voll. Dieser stetig nicht innehaltende Lauf des Mondes soll symbolisieren, dass es nach der einhundert auch eine einhundert und eins, zwei, usw. geben soll. Sicher kann ich den Blog nicht so lange füllen, wie der Mond sich um die Erde dreht, aber vielleicht findet sich ja nach mir jemand, der diesen Blog erbt und weiterführen möchte.
Nicht zuletzt muss man Feste feiern, wenn sie fallen. Da muss halt dann auch mal ein gewöhnlicher Neumond reichen, wenn der Himmel gerade nix anderes anbietet.
Also, wer mag, hole sich ein Getränk seiner Wahl, dass einer Feier oder dem Wohlbefinden würdig erscheint, vielleicht noch was zum Knabbern dazu, lehne sich zurück und genieße meine kleine Reise.

Wie alles begann

Ich bin ganz langsam in die Schreibsucht geraten. Angefangen hat alles mit einem Mailverteiler auf meinem Rechner, der Schöngeister hieß. Hier waren Freunde und Bekannte drin, von denen ich weiß, dass sie sich für meine Dinge interessieren, die ich schön finde. Dort ging es dann um Literatur, Musik und oft auch um Astronomie. Ich glaube, das war so um 2008. Das plätscherte so völlig stressfrei und entspannt vor sich hin. Ich schrieb meine Artikel und chattete mit meinen Freunden darüber. 2013 hatte ich eine schwere berufliche Krise. Ich wusste nicht, ob ich arbeitslos werde, hatte einen neuen Vorgesetzten, alles strukturierte sich um, so dass ich viele Aufgaben verlor und in ein psychisches Loch geriet. Ich wusste das schon aus vergangenen Krisen, dass Schreiben meiner Psyche sehr gut tut. Und diesmal war die Krise offenbar so groß, dass ich mich in ein Schreibprojekt stürzte, das mich zwei Jahre lang beschäftigen sollte. Ich schrieb mein buch „Blind zu den Sternen“, ein autobiographisches Büchlein, das meinen Weg zur Astronomie beschreibt, obwohl ich vollblind bin. Das Buchprojekt war meine Therapie. Es war zu dieser Zeit das einzige, wo ich mich geistig ausgelastet und gefordert fühlte.

Von nun an ging es aufwärts. Das Buch stimmte mich deutlich positiv, was vielleicht auch dazu führte, dass ich positives anzog. Meine Stelle wurde entfristet, ich fand neue Aufgabenfelder und die Umstrukturierungen und Beben waren vorbei.
Hier geht’s zu meinem Buch.
Zu dieser Zeit schrieb ich eine Initiativbewerbung an die Deutsche Astronomische Gesellschaft, wo ich gerne Mitglied werden wollte. Da kann man nicht einfach eintreten. Man muss für gut befunden werden. Man muss seine Arbeit und Projekte vorstellen, und man muss mindestens zwei Personen davon überzeugen, die für einen bürgen.
Naja, etwas altbacken und freimaurerisch das ganze, aber so ist das halt.
Ich schickte einiges, was meine Vorträge etc. betraf und später dann auch in das Buch eingang fand, und habe da überzeugt.
Mein Konzept der „Inklusion am Himmel“ kam an.
Und so bin ich seit Mai 2013 das erste und einzige blinde Mitglied der Deutschen Astronomischen Gesellschaft.
Nun reichte natürlich auf einen Schlag mein kleiner Mailverteiler nicht mehr aus. Im nächsten Schritt, hob ich den Verteiler in eine richtige ausgewachsene Mailingliste auf einem Mailserver mit allen Sicherheitsmaßnahmen etc.
Die hat derzeit so um 240 Mitglieder und läuft aus historischen Gründen noch parallel zu meinem Blog https://blindnerd.de.
Das reichte irgendwann auch nicht mehr aus. Emails kann man nicht aktualisieren, z. B. zur Fehlerbehebung oder richtigstellung einer astronomischen Fehlinformation.
Und so begann ich im Oktober 2017 meinen Blog. Ich kämpfte bis an die Tränen mit WordPress, denn das ist am Anfang wirklich super komplex. Und wenn man niemanden hat, der sich gut damit auskennt und einem die Kniffe zeigt, dann tut man sich als Blinder damit so schwer, dass ich manchmal aufgeben wollte.
Zum Reinschnuppern begann ich meinen Blog direkt mit der kostenlosen Version von WordPress auf deren Server. Das war der https://blindnerd.wordpress.de.
Nun kann man verständlicherweise auf dieser kostenlosen Version nicht einfach schalten und walten. Ich wollte Dinge, z. B. aHochladen von Audiofiles, was nicht ging, verschiedene Punkte der Barrierefreiheit ließen sich nicht umsetzen etc.
Außerdem störte mich das „WordPress“ im Namen des Blogs.
So mietete ich mir einen eigenen Webspace, richtete mein eigenes WordPress ein und exportierte den Blog.
Jetzt habe ich alles, was ich brauche. Ich liebe meinen Blog. Ich hege und pflege ihn und ja, ich bekenne hier feierlich, dass ich schreibsüchtig und Keyboardabhängig bin.

Spoiler Alarm

Lasst uns nun einige Highlights betrachten, die ich zumindest subjektiv so einordne. Am Schluss werdet ihr dann eingeladen, eure Meinung, z. B. in den Kommentaren, zu hinterlassen, welcher Artikel euer persönliches Highlight war. An dieser Stelle kommt ein kleiner Spoiler Alarm. Für jede Einsendung wird es einen kleinen Preis geben. Dazu aber nachher mehr. Es lohnt sich, auf jeden Fall dran zu bleiben.
Ich werde aus manchen, meiner Kategorien ein, zwei vielleicht manchmal auch drei Highlights nominieren. Die Preise gibt es allerdings dann allgemein für eure geschätzten Beiträge, unabhängig der Kategorie, aus welchem euer Favorit stammt.

Kategorie 1, Allgemeines – Artikel für alle

In diese Rubrik ordne ich Artikel, die z. B. nicht nur für Astronomen interessant sind. Sie haben oft gesellschaftlichen Bezug und gehen somit meist auch Nichtastronomen an.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Artikel über die Wichtigkeit, dass digitale Dokumente barrierefrei sein sollten.
Barrierefreie Dokumente nützen allen

Einen großen Teil meines Wissens schöpfe ich aus Podcasts. Sie haben uns blinden Menschen wirklich großes Tor zu Wissen und Bildung geöffnet. Um die Macher all dieser wunderbaren Podcasts zu würdigen, kommt hier:
Podcasts, ein Tor zu Bildung und Wissenschaft

Ganz besonders für uns Menschen mit Blindheit, ist es unerlässlich, dass wir uns schon relativ früh mit viel Technik herumschlagen müssen. Vieles, was ich heute nutze, gab es in meiner Kindheit so noch nicht. Dazu schrieb ich in:
Wie Technik mein Leben veränderte

Kathegorie 2: Astronomie

Eigentlich bräuchte ich hier für die Entscheidung eine Jury von Astronomen, die das auch wirklich beruflich treiben. Ich mache das nur als Hobby. Somit kann es theoretisch sein, dass ausgerechnet die Artikel, für welche ich mich jetzt gleich entscheide, das meiste Halbwissen enthalten. Vielleicht sehen wir ja nach eurer Beurteilung klarer.

Eine der größten Mysterien für mich ist, dass unser All und auch wir quasi aus nichts bestehen. Schon seit alters her beschäftigte man sich mit dem Vakuum. So auch ich auf Blindnerd:
Nichts ist auch was

Dass wir jetzt Gravitationswellen nachweisen können, ist ein wahrhaftiger Durchbruch in der Astronomie. Einige dieser Ereignisse wurden sogar hörbar gemacht.
Gravitation – Schwächste Kraft und heimlicher Herrscherin über Raum und Zeit

Kathegorie 3: Inklusion am Himmel

Eine Hauptmotivation zu diesem Blog und meinem Buch ist, dass ich immer wieder erleben darf, wie inklusiv Astronomie ist. Egal wann, wie und wo. Es bewahrheitet sich immer und immer wieder.
So wichtig Inklusion für Menschen mit Einschränkung auch ist. Eines wird oft vergessen. Eine Gruppe erfährt bis heute Benachteiligungen und knallt gegen Barrieren, die wir nicht als Menschen mit Behinderung einstufen würden. Es geht um unsere Frauen. Deshalb würdige ich jedes Jahr eine zum Weltfrauentag.
Zum Frauentag 2018

Gerade jetzt in der Krise erweist sich die Astronomie z. B. mit ihren zahlreichen Online-Angeboten für Kinder als äußerst inklusiv.
Astronomie für benachteiligte Kinder

Obwohl ich eigentlich keine Artikel hier mit in die Auswahl nehmen wollte, bei denen ich eine wichtige Rolle spiele, muss ich es nun doch tun, weil der Inklusionstag bei der Internationalen Astronomischen Union eines der prägendsten Ereignisse meines astronomischen Lebens war.
Inklusionstag der IAU 2018 in Wien
Ob eine Veranstaltung inklusiv sein kann, hängt nicht nur von mir ab. Auch die Veranstalter müssen hier im Vorfeld die Inklusion mit denken, was im folgenden Beitrag in einer Weise geschah, die ihres gleichen sucht.
Inklusion am Himmel in Gundelfingen

Der dunkelste Ort Deutschlands dürfte auch einer der stillsten Orte sein. Außerdem leben dort unglaublich engagierte Menschen, die ihr ganzes Urlaubsangebot auf Inklusion ausrichten möchten. So muss ein Artikel über sie hier unbedingt mit als Meilenstein ins Jubiläum rein.
Inklusion im Sternenpark
Sie haben es einfach begriffen, was Sport und Inklusion bedeutet, die Studenten eines inklusiven Sportangebotes. Ein kluger Schachzug, die Stunde an Astronomie zu hängen, meine ich.
Astrosport am Sportinstitut des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT)

Kategorie 4: Mit dem Ohr am Teleskop

Was die Astronomie u. A. für blinde Menschen so inklusiv macht ist, dass man vieles aus dem All auch hörbar machen kann. Deshalb darf diese Rubrik hier natürlich auch nicht fehlen.
Die Idee, dass unsere Planeten bei ihrem Lauf um die Sonne klingen sollten, ist sehr alt.
Klingende Planetenbahnen

Sogar wir Menschen mit Sehbeeinträchtigung werden von Sternschnuppen nicht vom Glückwunsch ausgeschlossen. Sehende benutzen ihre optischen Hilfsmittel, um welche zu erspähen, und wir bedienen uns einer Antenne…
Sternschnuppen Hören

Wenn Johann Wolfgang von Goethe im Faust I die Sonne tönen lässt, dann tun wir das natürlich auch.
Die Sonne Tönt

Kategorie 5: Dem Mond entgegen.

Aktuell hatte ich ein schönes Erlebnis während eines Online-Vortrages, den ich gemeinsam mit einem sehenden Hobbyastronomen für seine und seiner Bekannten Kinder halten durfte, um den Kindern etwas für die lange Zeit ohne Schule, anzubieten.
Aus einer der zahlreichen Kinderfragen, habe ich einen Artikel gegossen.
Kinderfrage

Für mich war ein ganz großes Erlebnis, als meine Lego-Rakete zusammengebaut vor mir stand. In meinem Buch beschrieb ich, dass Dinge, wie der Ablauf des Mondfluges für uns eher unzugänglich waren, weil es keine Modelle gab.
Das ist nun anders:
Auf den Mond und zurück mit Lego

Blind zum mond zu fliegen ist das eine. Geht jetzt mit Lego. Sich dann aber auf dem Mond zu orientieren, ist eine andere Sache. Hier mein Ansatz dazu:
Sich blind auf dem Mond orientieren; geht das?

Kategorie 6: Der Sonne entgegen

Wer mein Buch kennt weiß, dass ich Feuer für die Astronomie fing, durch einen gewissen heißen Ball, der kein Feuer ist, durch unsere Sonne. Kein Blindnerd wäre denkbar ohne den Stern, von dem wir leben.

Zum Thema Sonnenforschung und wie die Menschheit der Sonne entgegen geht, sind noch längst nicht alle Artikel geschrieben, die ich gerne schreiben würde.
Mich faszinieren all diese Abenteuer.
Hier, wie man sich langsam der Sonne näherte:
Der Aufbruch zur Sonne

Wie wichtig der Menschheit die Sonnenforschung ist, zeigt sich auch, wieviel Geld man dafür bereit ist, auszugeben, aber auch welche Risiken und Abenteuer Astronauten im All bestehen müssen, damit Sonnenforschung getrieben werden kann.
Die Reparatur des Sonnenobservatoriums SMM im All

Der Preis ist Heiß

So, meine lieben. Das soll es mal an meiner Auswahl gewesen sein. Natürlich verstecken sich noch mehr Schätze auf dem Blog, aber die dürft ihr selbst entdecken.
Ich bin mir dessen völlig bewusst, dass eine Jury vermutlich andere Artikel in die Auswahl genommen hätte. Das dürft ihr, wenn ihr mögt, gerne tun, denn wer einen hier nicht aufgeführten Artikel schön bewertet, bekommt auch einen Preis.
Bitte habt Verständnis dafür, dass jemand, der mehrere Artikel kommentiert, trotzdem nur einen Preis bekommen kann. Das hier ist also nix für Preisjäger, weil das dann meine Möglichkeiten und mein Budget sprengen würde.

Jetzt zu den Preisen:
Es geht mir nicht darum, eure besten Kommentare, also die, welche mich eventuell am meisten loben, zu küren. Deshalb gibt es auch keine Preisklassen. Alle, die sich hier beteiligen, werden eine kleine Anerkennung erhalten. Wie das im Einzelnen ablaufen wird, hängt auch etwas von dem Ansturm ab, der hier entstehen wird. Außerdem könnte die Krise die Beschaffung, Verpackung und Versendung der Preise etwas verlangsamen.

Die Aufgabe ist denkbar einfach, könnte allerdings je nachdem, wie ernst man sie nimmt, etwas Zeit in Anspruch nehmen, bis alle Artikel gelesen sind. Aber zum einen haben ja vielleicht viele von euch sowieso bereits einen Favoriten, den sie irgendwann mal gelesen haben, und zum anderen haben viele von uns ja jetzt eventuell etwas mehr Zeit.
Für diejenigen, die keine Zeit haben, weil Kinder zu betreuen sind, die können ja einfach die Kinder mit einbeziehen. Viele meiner Artikel sind auch für Kinder interessant. Außerdem habe ich die wissenschaftlich anspruchsvollsten Artikel hier nicht einbezogen, so dass mehr Chancengleichheit besteht.
Wer einen Favoriten hat, der nicht hier erwähnt wird, kann sich natürlich trotzdem gerne beteiligen. Kommentiert einfach dann euren Favoriten, auch wenn er hier nicht aufgeführt ist.

Schön wäre auch, wenn ihr den Blog an sich kommentiert. Geht einfach auf den Artikel
Willkommen auf Blindnerd
und hinterlasst einen Kommentar, z. B.
• Ob euch der Blog gefällt
• Wieso ihr ihn lest
• Wem ihr ihn empfehlen würdet

Das überlasse ich ganz euch.
Und wenn ihr dann zum Schluss, wenn ihr den Blog gut findet, ihn dann noch in euren Netzwerken teilt, dann hilft das auch mir etwas weiter.

Ja, ich gebe zu, dass ich das ganze hier auch etwas aus Eigennutz mache. Der Blog macht viel Arbeit und verlangt viel Herzblut und Zeit. Ich hätte gerne mal etwas mehr Folger, damit die Arbeit nicht umsonst ist.

Ach ja, eins noch.
Ich lasse das Rätsel bis zum Sternschnuppen-Maximum der Leoniden Mitte August laufen. Wenn es Sternschnuppen regnet, kann es ja dann auch Preise regnen. Nicht wahr?

So, ich denke, jetzt sollte alles klar sein. Auf, ans Werk. Ich bin sehr gespannt.

Bis dahin
Gehabt euch wohl,
passt auf euch und andere auf,
bastelt fleißig masken
und bleibt gesund.

Es grüßt euch ganz herzlich
Euer Blindnerd.

Die Radiosonne


Liebe Leserinnen und Leser,

heute stelle ich euch mal ein weiteres Gesicht unseres Muttersterns vor.
Schon in vorigen Beiträgen fiel immer mal wieder das Wort „Radiosonne“, bzw. dass bei Missionen auch Instrumente zur Messung von Radiostrahlung der Sonne mit an Bord waren. Die Entdeckung, dass die Sonne Radioprogramm sendet, wurde aber bereits hier auf Erden gemacht.
Die Radiostrahlung der Sonne gehört zum sog. Weltraumwetter.
In Droht Gefahr durch unsere Sonne beschrieb ich, dass es durchaus für uns aus verschiedensten Gründen gefährlich sein kann, wenn uns ein von einem Radiosturm begleiteter Ausbruch der Sonne erreicht.

Folgende Geschichte, die sich 1942 im zweiten Weltkrieg zugetragen hatte, markiert eindeutig den Beginn der Erforschung der Radiosonne. Was war geschehen:

Die Geburt der Radio-Astronomie

Der große Radiosturm von der Sonne im Februar 1942 markiert den
Anfang der modernen Entwicklung der Radioastronomie.
Gegen 7 Uhr mitteleuropäischer Zeit bewegt sich der Verband auf der Höhe von Cherbourg. Vizeadmiral Otto Ciliax ist zufrieden. Bald werden sie die zwei Stunden Verspätung aufgeholt haben. Aber der schwerste Teil der Wegstrecke steht den drei Schlachtschiffen noch bevor. Erst vier Stunden nach dem Auslaufen in Brest war den Besatzungen der Scharnhorst, der Gneisenau und der Prinz Eugen das Ziel der von
Hitler angeordneten Operation bekanntgegeben worden. Das war vor
fünf Stunden. Die drei Schlachtschiffe sind auf ihrem Weg durch den
englischen Kanal nach Wilhelmshaven, um in der Nordsee zum Schutz der Erztransporte von Norwegen nach Deutschland eingesetzt zu werden. Noch hat sie das englische Radarsystem nicht bemerkt. Tatsächlich
wird der Verband erst um 13.18 Uhr ausgemacht. Da hat er bereits die
engste Stelle des Kanals passiert. Die dann folgenden Angriffe können
nicht mehr verhindern, dass die Operation, die unter dem Decknamen
„Cerberus“ läuft, erfolgreich beendet werden kann. Die Schiffe erreichen planmäßig ihre deutschen Bestimmungshäfen. Das englische Radar hatte am 12. Februar 1942 versagt.

Die Deutschen rühmten danach die sorgfältige Vorbereitung, bei der man schon vorher regelmäßig Störsendungen ausgestrahlt hatte, damit die Engländer bei einer starken RadarstÖrung während der Stunden, auf
die es am 12. Februar ankam, keinen Verdacht schöpften. War das Unternehmen gelungen, weil die Deutschen das englische Radar gestört hatten? Winston Churchill hatte schon kurze Zeit nach dem Durchbruch der Schiffe durch den Kanal »atmosphärische Störungen« für das
Versagen verantwortlich gemacht. Einige Wochen danach wurde das
englische Radarsystem wieder gestört. Wollten die Deutschen angreifen? Alles war in Alarmbereitschaft, doch kein Angriff erfolgte. Inzwischen hatte sich ein junger Physiker, j. Stanley Hey, der Sache angenommen. Bald hatte er herausgefunden, dass die Störungen nicht deutschen Ursprungs waren, sondern von der Sonne kamen.

Inzwischen weiß man, dass die Sonne nicht nur Licht und Wärme aussendet, dass von ihr nicht nur die den koronalen Löchern entweichenden Gasmassen an der Erde vorbei strömen. Die Sonne beliefert
uns auch mit einem reichhaltigen Radioprogramm. Den Entdecker der
Radiostrahlung der Sonne aber, der sich vorher mit der Physik von
Kristallen befaßt hatte, ließ das neue Thema nicht mehr los. Stanley Hey
wurde ein angesehener Radioastronom.

Wie wird die Sonne zum Radiosender?

Woher kommen die Radiowellen der Sonne? Sie entstehen nicht anders als in einer Rundfunkstation. Die Antenne eines Rundfunksenders ist ein elektrischer Leiter. In ihrem Metall sind die den Raum zwischen den Ionen des Metalls ausfallenden Elektronen frei beweglich. Der Sender zwingt sie, längs des Antennendrahtes rhythmisch vor und zurückzuschwingen. Die bewegten Elektronen erzeugen einen
elektrischen Strom, der mit ihrer wechselnden Bewegung ständig seine Richtung ändert. Wie jeder Strom ist auch der Wechselstrom in der Antenne von einem Magnetfeld begleitet. Mit der wechselnden Stromrichtung polt sich das Feld ständig um. Radiowellen sind nichts anderes als Lichtwellen, nur sind ihre Wellenlängen größer. Statt bei zehntausendstel Millimetern liegen sie bei Millimetern bis zu Hunderten von Metern. Die in der Antenne entstehenden Radiowellen bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum.
Normalerweise sorgen die starken anziehenden Kräfte zwischen den negativen Elektronen und den positiven Ionen des Sonnenplasmas dafür, dass das Plasma stets neutral ist. Sind irgendwo die positiven Ladungen im Überschuß,
dann ziehen sie aus der Nachbarschaft Elektronen herbei, die mit ihren negativen Ladungen den positiven Überschuss neutralisieren. Wenn ein Plasma sich selbst überlassen bleibt, dann wird es elektrisch neutral.
Zu derartigen Ladungsverschiebungen kommt es schon alleine dadurch, dass die Sonne brodelt, wie ein Kessel mit kochendem Wasser und dass sie in verschiedenen Schichten sogar unterschiedlich rasch rotiert.

Werden aber die Elektronen und Ionen gegeneinander bewegt, etwa durch äußere Einflüsse, dann kann dieses Ladungsgleichgewicht gestört werden. Versuchen die starken elektrischen Kräfte die Neutralität wiederherzustellen, so beginnen die Elektronen gegen die Ionen zu schwingen. Da sie mit Bewegungen von Ladungen verknüpft sind, rufen sie Ströme und Magnetfelder hervor. Die Frequenz des Hin- und Her schwingens der Elektronen nennt man die Plasmafrequenz. Sie liegt
um so höher, je dichter die Elektronen stehen. In der Sonnenkorona liegt
die Plasmafrequenz bei zehn Millionen Schwingungen in der Sekunde.
Dabei entstehen Radiowellen mit Wellenlängen von 30 Metern. In der
Nähe der Sonnenoberfläche liegt die Plasmafrequenz wegen der höheren Elektronendichte bei hundert Milliarden Schwingungen in der Sekunde. Die dazugehörenden Radiowellen liegen bei Wellenlängen von MilliMetern und weniger.
Wenn in unterschiedlichen Schichten der Sonne, bzw. Tiefen Wellenlängen unterschiedlicher Länge entstehen, bedeutet das, dass man je nach dem, in welcher Welle man die Sonne betrachtet, unterschiedlich tief in sie hinein schauen, bzw. hinein hören kann.

Aber nicht nur bei regelmäßigen Schwingungen strahlen Elektronen Radiowellen aus, sondern auch wenn sie unregelmäßig bewegt, etwa an einem Hindernis in ihrem Flug gebremst werden. Das kann zum Beispiel geschehen, wenn ein Elektron in die Nähe eines Ions, also eines Atoms, kommt, dem ein oder mehrere Elektronen fehlen. Die Anziehung, die das positive Ion auf das negative Elektron ausübt, lenkt es von seiner geraden Bahn ab. je nachdem, wie nahe die beiden Teilchen aneinander vorübergehen und wie rasch sie sich aneinander vorbeibewegen, wird das Elektron mehr oder weniger gebremst. Bei jeder Änderung seines Fluges sendet es einen kleinen Strahlungsblitz aus. Bald begegnet es dem nächsten Ion oder einem anderen Elektron. Wieder
wird es abgelenkt. Ständig sendet es daher Radiowellen aus. In jedem
Gramm des heißen Sonnengases gehen in jeder Sekunde von Milliarden und Abermilliarden Elektronen Strahlungsblitze aus. Doch wegen der schlechten Durchlässigkeit des Gases der Sonnenatmosphäre erreicht uns nicht alle Strahlung, die dort erzeugt wird.

Die Sonne als Radiospiegel

Eine wichtige Eigenschaft des Plasma-Zustandes, in welchem sich die Sonnenmaterie befindet ist, dass man nicht so einfach von außen magnetische Felder in ein Plasma einbringen kann. Das bedeutet, dass von außen kommende Radiowellen von der Sonne reflektiert werden, wie von einem Spiegel. Somit sollte sich das Weltall in ihr spiegeln, wie das Wohnzimmer in einer Christbaumkugel.
Ob dem so sei, wurde im September 1958 in folgendem Versuch ausprobiert.
Es ging darum, Radioechos von der Sonne zu empfangen.
Das Areal der Radaranlage der Universität in Stanford in Kalifornien bestand damals aus vier Einzelantennen, die über eine rechteckige Fläche von etwa fünf Hektar verteilt waren. Da die Anlage nicht bewegt werden kann, stand die Sonne fast nie in ihrer Blickrichtung. Nur für wenige Tage im Jahr, jeweils im April und im September wies der nach Osten gerichtete Radarstrahl fÜr etwa 30 Minuten auf die Sonne. Diese Gelegenheit wurde im September 1958 zum ersten Mal genutzt. Bei
einer Wellenlänge von 11.7 m wurden Radarsignale zur aufgehenden Sonne geschickt. Die Botschaft war denkbar einfach. Für 30 Sekunden wurde ein gleichförmiges Signal gesendet. Danach folgten 30 Sekunden Funkstille, wieder 30 Sekunden Signal und wieder 30 Sekunden Schweigen. Das wurde 15 Minuten lang fortgesetzt. Dann wurde die
Antenne vom Sender abgekoppelt und mit dem Empfänger der Anlage verbunden.
Die Zeitdauer von 15 Minuten war nicht zufällig gewählt. Ein Signal, das sich wie eine Radarwelle mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, benötigt etwa acht Minuten, um von der Erde zur Sonne zu gelangen. Die gleiche Zeit braucht es für den Rückweg. Etwa eine Minute nach dem Umschalten war also – wenn alles gutging – das erste Radarecho von der Sonne zu erwarten. Im Prinzip hätte man die gesamte Sendung der letzten Viertelstunde im Echo wieder hören müssen: 30 Sekunden Signal, dann Stille, Signal, Stille usw.
So einfach ging es nicht. Die Sonne sendet ja selbst Radiowellen aus,
auch solche im Bereich der Betriebsfrequenz der Anlage. Diese Störstrahlung lässt die Echos nur schwer erkennen. Man erhielt in erster Linie die Radiowellen der äußersten Koronaschichten. Das schwache Echo der von Menschen erzeugten Signale war darin nur schwer auszumachen. Die Schwierigkeit gleicht der eines Mannes, der aus dem Lärm eines Münchner Oktoberfestzeltes den Zuruf eines mehrere Tische entfernt sitzenden Bekannten herauszufiltern versucht.
Mit Hilfe von modernen statistischen Methoden gelang es aber nicht nur, das Echo wirklich zu erkennen, sondern auch herauszufinden, wie die Sonne die Signale bei der Reflexion verändert hat. Wenn sich die
reflektierende Materie bewegt, dann ändert der Doppler-Effekt die
ursprüngliche Frequenz. Kommt der das Signal zurückwerfende Stoff auf die Radaranlage zu, so ist das Echo kurzwelliger als die ursprünglich ausgesandte Welle. Bewegt er sich weg, ist das Echo langwelliger. Die
Echos von der Sonne kommen aber von der mit der Sonne rotierenden Korona. Die Drehung bewirkt, dass das Radarsignal sowohl auf die Stellen der Korona trifft, die sich infolge der Rotation von uns wegbewegen,
wie auch auf den Teil, der sich gerade auf uns zu dreht. Ein Teil des
Echos zeigt also eine größere Wellenlänge, der andere Teil eine kleinere als das Ausgangssignal. Das Echo enthielt also auch Information über die Rotation der Sonnenkorona.
Zum anderen gelang es, aus dem Echo etwas über die Bewegungen in der Korona selbst zu erfahren. Wir wissen bereits, dass Materie in der Korona längs der magnetischen Feldlinien von der Sonne nach außen
fliegt und zum Sonnenwind wird. Deshalb herrscht in der Korona eine einheitliche Windrichtung, von innen nach außen. Die Radarechos wurden auch durch diese Bewegung beeinflußt.
Sie waren im Mittel kurzwelliger, ein Zeichen, dass Materie, die sich auf
uns zu bewegt, die irdischen Signale zurückgeworfen hat. So gelang es, die Geschwindigkeit des Sonnenwindes in der Korona zu messen. Man fand, dass er mit mindestens 20 km/s nach oben bläst.

Misst man die Radiostrahlung bei Sonnenausbrüchen, geben sie viel Information über den Ausbruch selbst. Man hat hier beispielsweise zur Kathegorisierung der Flares die Radioausbrüche in verschiedene Typen eingeteilt, aber das ist richtig komplizierte Sonnenphysik und Radioastronomie.

Heute hat sich die Radioforschung an der Sonne längst zur Radioastronomie entwickelt, da es noch deutlich mehr Radioquellen als nur die Sonne oder andere Sterne in unserem Universum gibt. Über diese werden wir uns sicher noch in anderen Artikeln unterhalten.

Nun zum Schluss noch eine Ankündigung einer kleinen Feier auf Blindnerd. Der nächste Beitrag wird der hundertste Artikel sein. Dafür überlege ich mir, wie ich das mit euch zelebrieren kann.

Bis dahin
Alles gute

Euer Blindnerd.

Der Sonne entgegen – Das ungebrochene Interesse


Liebe Leserinnen und Leser,

auch heute geht es nochmal um Raumsonden, welche die Sonne erforschten. Bis heute ist das Interesse der Menscheit an unserem Stern ungebrochen.

Die beiden Deutsch-Amerikanischen Planeten

Die Instrumente von SKYLAB und des späteren SPACELAB haben die
Sonne von einer Umlaufbahn um die Erde aus untersucht. Die beiden
HELIOS-Sonden dagegen sind direkt auf die Sonne zugeflogen. Sie
waren keine künstlichen Erdmonde, sondern künstliche Planeten.
HELIOS war ein amerikanisch-deutsches Gemeinschaftsunternehmen. Im Dezember 1974 hob von Cape Canaveral eine fünfstufige Titan-Centaur-Rakete ab. Sie trug an ihrer Spitze die 371 Kilogramm schwere Sonde HELIOS 1. Außerhalb der Erdbahn angelangt, wurde das Gerät in eine Umlaufbahn in Richtung Sonne geschossen. War die Sonde im Augenblick des Abschusses ebenso weit von der Sonne entfernt wie die Erde, also 150 Millionen Kilometer, so sollte sie sich dem
Stern bis auf 46 Millionen Kilometer nähern. Das ist näher als der Planet Merkur, der die Sonne in einem mittleren Abstand von 58 Millionen Kilometern umkreist.
Am 15. März 1975 erreichte HELIOS 1 zum ersten Mal den sonnennächsten Punkt ihrer Umlaufbahn. Die Strahlung war zehnmal so stark wie in Erdnähe. An Bord herrschten Temperaturen um 150 Grad. Trotzdem
arbeitete nahezu alles einwandfrei. Nur eine Antenne, die niedrigfrequente Wellen in dem von der Sonne ausströmenden Plasma messen sollte, war durch einen Fehler unempfindlicher geworden als man erwartet hatte. An Bord waren insgesamt zwölf Messeinrichtungen. Sieben stammten von Arbeitsgruppen aus der Bundesrepublik, drei von Teams aus den USA und zwei weitere betrieb man gemeinsam. Die Messdaten wurden per Funk zur Erde übertragen, wo Radioantennen der NASA mit Durchmessern von 64 Metern und das Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radio-astronomie in Effelsberg in der Eifel mit seinem Antennenspiegel von 100 Metern Durchmesser die Signale des amerikanisch-deutschen Planeten empfingen. Während seines 190tägigen Umlaufes gab es zwei Phasen, in denen die Verbindung zusammenbrach: Wenn die Sonde von der Erde aus gesehen vor oder hinter der Sonne stand, störte deren
Radiostrahlung den Empfang für Tage oder Wochen. Im Januar 1976 wurde die Schwestersonde HELIOS 11 gestartet und auf eine ähnliche Bahn gebracht. Sie kam bei jedem ihrer Umläufe der Sonne sogar bis auf 43,4 Millionen Kilometer nahe. Eigentlich sollten die HELIOS-Sonden ihre Aufgaben nach etwa drei Monaten Flug erfüllt haben. Für einen längeren Zeitraum waren sie nicht ausgelegt. Doch sie arbeiteten weiter und wurden noch lange genutzt. Nach drei Jahren traten bei HELIOS II Temperaturprobleme auf; am 3. März 1980
wurde die Sonde aufgegeben. Zu Beginn des Jahres 1986, also zwölf Jahre nach ihrem Start, wurde die Verbindung mit HELIOS 1 schwierig. Die Sonde reagierte nicht mehr auf Kommandos von der Erde. War es bisher gelungen, die Orientierung von HELIOS 1 mittels Düsen aufrechtzuerhalten, dass die Bordantenne immer auf die Erde wies, so gelang das nun nicht mehr. Obwohl die meisten Experimente noch liefen, driftete die Antenne langsam von der Erde weg. Von HELIOS 1 kam keine Nachricht mehr.

ULYSSES und SOHO

Die HELIOS-Sonden haben uns Daten über die Gasmassen geliefert, die von der Sonne in den Raum geblasen werden und die auch die Erde erreichen. Doch die Erdbahn und die Bahnen der von ihr gestarteten Satelliten, wie auch die Bahnen der HELIOS-Sonden lagen nicht allzu weit von der Äquatorebene der Sonne entfernt. Deshalb wussten wir bis dato nichts von den Gasmassen, die von der Sonne in Richtung ihrer Pole abgestoßen werden. Dem sollte ULYSSES abhelfen, ein Gemeinschaftsunternehmen der NASA und der europäischen Weltraumorganisation ESA.

Der Start war für Mai 1986 mit der Mission STS-61-F auf einer Centaur-Oberstufe vorgesehen, doch aufgrund des Absturzes der Raumfähre Challenger am 28. Januar 1986 rutschte der Start schließlich auf den 6. Oktober 1990 und wurde dann mit der Mission STS-41 auf einer IUS/PAM-S-Oberstufenkombination durchgeführt.

Ihre Bahn war so ausgerichtet, dass sie in weitem Bogen über die
Pole der Sonne flog. Wissenschaftler aus 44 Instituten waren mit Messgeräten an ULYSSES beteiligt.

Radioantennen maßen Plasmawellen,
von der Sonne kommende Teilchen wurden nach Anzahl und Geschwindigkeit registriert,
Magnetometer untersuchten die im Plasma enthaltenen Magnetfelder,
Detektoren hielten nach den von Flares kommenden Röntgenstrahlen Ausschau.
Beinahe wäre schon vor dem Start ein Fehlschlag vorprogrammiert gewesen. Erst kurz vor dem Start wurde bemerkt, dass eine Anzahl von Chips, die man eingebaut hatte, fehlerhaft waren und ersetzt werden mussten.

Der Start war so geplant, dass die Sonde genau zum Zeitpunkt des Sonnenflecken-Maximums 1990/91 über den Südpol der Sonne flog.
Und damit noch nicht genug der Sonnenforschung.

Das Sonnenobservatorium SOHO

1995 wurde das Sonnenobservatorium SOHO gestartet.
Der Name ist aus Teilen von Solar und Helio-spheric Observatory zusammengebastelt. Vorschergruppen aus Finnland, Frankreich, Großbritannien, Deutschlands, aus der Schweiz und den USA waren mit Instrumenten an dieser Mission beteiligt.

Die Sonde überwachte in einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern von der
Erde, dort, wo sich die Schwerkraft von Sonne und Erde die Waage halten, dem Sog. Lagrange-Punkt 1, die Sonne.
Neben zahlreichen Messgeräten, die nicht nur die von der Sonne ausströmenden Gase untersuchten, sondern auch die von ihnen mitgebrachten magnetischen und elektrischen Felder, wurde von den Bordinstrumenten die Oszillation der Sonnenoberfläche registriert.

Gelingt es zwar vom Südpol der Erde aus, die Sonne tagelang lückenlos zu überwachen, so begrenzt dort das Wetter die Zeitdauer langer Beobachtungsreihen.
Weit innerhalb der Bahn der Erde um die Sonne, wurde SOHO von keiner Sonnenfinsternis, sei sie nun durch die vor die Sonne tretende MondScheibe, sei sie durch den Erdball hervorgerufen, gestört.

Das ist nun für den Moment der letzte Artikel zu sonnenforschenden Raumsonden.
Aktuell erforscht die Sonde Parker die Sonne und der Solar-Orbiter ist unterwegs.
Somit ist das Interesse an ihr bis heute ungebrochen.

Wir werden dann in den nächsten Artikeln einen zeitlichen Sprung in die Vergangenheit machen und werden gewisse Aspekte der Sonnenforschung einzeln herausgreifen, die dann letztlich als Konsequenz diese vielen Raumsonden zur Erforschung des Sternes von dem wir leben, zur Folge hatten.

Bis da hin

Gehabt euch wohl,

passt auf euch und andere auf und bleibt gesund.

euer Blindnerd.

Das Kosmische Ei


Liebe Leserinnen und Leser,

lange habe ich nach einem Osterthema gesucht. Wie man Ostern berechnet, hatte ich schon geschrieben.
Ich dachte auch über einen Artikel nach, der von jemandem handelt, der für seine moderne Weltanschauung hingerichtet wurde, z. B. Giordano Bruno. Dann hätte man gewisse Parallelen zur Hinrichtung Jesu herstellen können.
Aber irgendwie wollte ich gerade für diese schwierigen Zeiten etwas frölicheres finden. So suchte ich und fand…

Es gibt sie in allen formen. Aus Zucker, Schokolade, mit und ohne Füllung, gekochte, bunte, ausgeblasene und gebastelte. Die Rede ist vom Ei.
Keine Angst. Ich stelle jetzt die Frage nicht, was zuerst da war, das Huhn oder das Ei. Mein Vater stellte sie uns Kindern gefühlt bei jedem Osterfest mindestens ein mal…

Das Ei steht für den Anfang des Lebens, für Fruchtbarkeit und neues. Deshalb ist es für uns ein so wichtiges österliches Zeichen. Jesus überwindet den Tot, ein Symbol für neues und ewiges Leben.
So verwundert es nicht, dass sich zahlreiche Schöpfungsmythen um das Ei ranken. Selbst heutige rational denkende Naturwissenschaftler ziehen gelegentlich das „Kosmische Ei“ als Vergleich heran, wenn die Entstehung des Universums beschrieben werden soll.
Hier nun zunächst einige Mythen zur Entstehung der Welt aus einem Ei von Wikipedia. Danach gehen wir dann noch auf unser Thema, dem modernen kosmischen Eies ein.

Hinduismus

Das Gesetz des ersten indischen Gesetzgebers beginnt mit einem Schöpfungsmythos: „Er (Prajapati) hatte den Wunsch, Wesen aller Art aus seinem eigenen Körper hervorgehen zu lassen. Zu diesem Zweck erschuf er durch einen bloßen Gedanken das Wasser und legte seinen Samen darein. Der Same wurde zu einem goldenen Ei (Hiranyagarbha), leuchtend wie die Sonne, und in diesem Ei wurde er selbst geboren als Brahman, der Schöpfer der Welt … Der Göttliche wohnte ein Jahr lang in diesem Ei, dann teilte er es Kraft seines Gedankens in zwei Hälften, und aus den beiden Hälften formte er Himmel und Erde … Indem er seinen eigenen Körper teilte, wurde er halb männlich und halb weiblich …

Chinesische Mythologie

In einem chinesischen Weltentstehungsmythos enthielt das Urchaos in der Form eines Hühnereis das kosmische Prinzip Yin und Yang (zwei sich ergänzende Pole, die sowohl Ursprung als auch das Wesen aller Dinge sind). Aus diesem Ei wurde Pangu geboren.
Pangu steht als Weltachse im Mittelpunkt von Himmel und Erde. Seine Gestalt muss anfangs zwergenhaft gewesen sein. Nach 18.000 Jahren lichtete sich das Chaos und zerteilte sich in Yin und Yang (Erde und Himmel). Jeden Tag wuchs der Himmel nach oben und die Erde verfestigte sich und sank nach unten. Im selben Maß wuchs Pangu, bis er nach weiteren 18.000 Jahren zu einem Riesen geworden war, dessen Körper von der Erde bis zum Himmel reichte.
Er beschloss sein Leben durch eine Selbstopferung und bildete aus seinem Körper in einer Kosmogonie das Universum. Sein Odem wurde zum Wind, seine Stimme zum Donner, das linke Auge zur Sonne, das rechte bildete den Mond, aus seinem Leib bildeten sich die vier Pole und die fünf heiligen Berge, sein Blut ergab die Flüsse, Zähne und Knochen ergaben die Metalle, sein Haar die Pflanzen, sein Speichel den Regen und das an ihm haftende Ungeziefer die Menschheit. Aus Samen und Knochenmark wurden Perlen und Jade.

Japanische Mythologie

Der japanische Mythos der Weltentstehung ist in den frühesten japanischen Chroniken Kojiki (712) und Nihonshoki (720) festgehalten und besitzt chinesische Wurzeln, die auf die Einführung der chinesischen Kultur wie auch auf Einwanderer zurückgehen. Dem Nihonshoki gemäß war die Welt anfangs ein Chaos in Gestalt eines Ur-Eies, in dem Himmel und Erde (bzw. Yin und Yang) noch nicht getrennt voneinander existierten. Nachdem diese Trennung vollzogen war, trieben fisch- oder quallenartige Gebilde auf dem Wasser umher; aus diesen entstanden schilfartige Sprosse und diese wurden zu den ersten Gottheiten[6]. Es gab sechs Generationen von sehr unbestimmt beschriebenen Urgöttern und erst mit der siebten Generation, dem Geschwisterpaar Izanagi und Izanami, setzt die eigentliche mythologische Erzählung ein.

Griechische und römische Antike

In Griechenland gehört der Mythos vom Welten-Ei zum Dionysoskult. Die heiligen Geschichten dieses Kultes berichten, dass der – mehr oder weniger mit Dionysos identische – Schöpfergott aus einem Ei schlüpfte. So geheimnisvoll sein Wesen ist, so unsicher ist auch sein Name, er heißt Phanes, Protogonos, Eros oder Kronos. Da er selbst unerzeugt ist und vielmehr alles erzeugt, ist er – wie Brahman und wie Amun – mann-weiblich. Als Eigeborener hat er Flügel. In einem orphischen Hymnos wird er angerufen:„ Urwesen, doppelgestaltiger, ätherdurchfliegender Riese, / der du dem Ei entschlüpftest, prangend mit goldenen Schwingen, / brüllend so laut wie ein Stier, du Ursprung der Götter und Menschen …/ seliger, Kluger, an Samen Reicher, besuche voll Freude/ uns, die Kenner der Feiern, zur heiligen, leuchtenden Weihe“ Ähnlich wie der ägyptische Amun gilt auch der orphische Protogonos/Phanes als eine besonders „geheimnisumwitterte Gottheit“. Er zieht den „Kennern der Feier“ den „Schleier der dunstigen Finsternis fort von den Augen“.[9]
Im römischen Mithraskult taucht Mithras in der Erscheinungsform des orphischen Phanes auf. Geflügelt und schlangenumwunden, umgeben von den zwölf Sternbildern des Tierkreises und den aus den vier Himmelsrichtungen blasenden Winden steht er zwischen der unteren und der oberen Hälfte des Welteneies. In der Rechten hält er den herrschaftlichen Donnerkeil, in der Linken die Weltachse.

Das moderne Kosmische Ei

Der Kirchenmann und Astronom Georges Lemaître veröffentlichte 1927 die Idee, dass sich der Kosmos aus einem Uratom entwickelt habe.
Dieser Entstehungsprozess, wenn also quasi die Schale des Eis aufspringt, und das junge Universum frei gibt, nennt man seither in der Kosmologie Urknall oder Big Bang.

Etwas genauer ausgedrückt wird in der Kosmologie der Beginn des Universums, also der Anfangspunkt der Entstehung von Materie, Raum und Zeit als Urknall bezeichnet. Nach dem kosmologischen Standardmodell ereignete sich der Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren. Urknalltheorien beschreiben nicht den Urknall selbst, sondern das frühe Universum in seiner zeitlichen Entwicklung nach dem Urknall.
„Urknall“ bezeichnet keine Explosion in einem bestehenden Raum, sondern die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit aus einer ursprünglichen Singularität. Diese ergibt sich formal, indem man die Entwicklung des expandierenden Universums zeitlich rückwärts bis zu dem Punkt betrachtet, an dem die Materie- und Energiedichte unendlich wird.

Eine Singularität ist ein Zustand, ein Ort, wo unsere physikalischen Gesetze aufhören zu existieren. Masse wird unendlich, Zeit unendlich langsam etc. Weder die Gesetze der Relativitätstheorie, noch diejenigen der Quantenphysik und die Newtonsche Mechanik, greifen hier nicht mehr. Das sog. Standard-Modell, das diese Gesetze und Theorien zu vereinen sucht, versagt an so einem Ort.

Es wird krampfhaft nach einer Theorie, der Quantengravitation gesucht, die alles miteinander verbindet.

Die Bezeichnung des „kosmischen Eis“ wurde von der modernen Wissenschaft in den 1930er Jahren wieder entdeckt. Nach modernen kosmologischen Modellen war vor 13.8 Milliarden Jahren die gesamte Masse des Universums in einer gravitativen Singularität komprimiert, dem sogenannten Kosmischen Ei, von dem aus sich das Universum bis zu seinem heutigen Zustand entwickelte.

So, das waren also jetzt mal einige Mythen über das Ei und die Entstehung von allem bis in die heutige Zeit.

Jetzt wünsche ich euch trotz allem schöne viele bunte Ostereier. Und Vorsicht, daran kann man sich auch überfressen… Ist mir als Kind regelmäßig passiert.

Also, gehabt euch wohl,
feiert schön im Rahmen eurer Möglichkeiten,
passt auf euch auf
und bleibt gesund.
Frohe Ostern wünscht euch

euer Blindnerd.

Kinderfrage: Gibt es auch einen Supermond bei Neumond?


Liebe Leserinnen und Leser,
Das folgende und wirklich rührende Erlebnis muss ich unbedingt mit euch teilen.
Ein Familienvater, der mal in einem meiner Vorträge war, fragte mich, ob ich nicht mal für seine Kinder und für Kinder von Freunden zum Zeitvertreib im Rahmen einer Videokonferenz mal etwas zum Thema Astronomie erzählen könnte.

Schwierig, denn meine Modelle sind alle im Büro und ich sitze hier fest in Isolation. Also überlegten wir Thema und Ablauf. Modelle ergänzten wir, indem der Vater es irgendwie schaffte, Fotos und Grafiken aus dem Netz für alle sichtbar einzuspielen. Das Thema moderierte ich.

Es ging zum einen um die Frage, wieso Ostern manchmal so früh, und manchmal so spät sei. Zum anderen durften die Kinder dann frei ihre Fragen zu Weltraumthemen stellen.

Ein kind hatte in dem Medien aufgeschnappt, dass heute, am 08.04. nicht nur Ostervollmond, sondern auch Supermond sei. Es wollte zunächst wissen, was der Supermond eigentlich ist.
Unterstützt von einem Vater, der einen Globus und einen Tennisball in seine Kamera brachte, erklärte ich den Supermond und er bewegte seinen Tennisball um seinen Globus. Ich glaube, er hatte noch was als Sonne im Hintergrund, ein Wasserball oder so. Das weiß ich nicht mehr genau.
Allen, die nochmal genau wissen möchten, was der Supermond ist, und wie er entsteht, darf ich meinen schon gut abgehangenen Artikel, Was ist der Supermond, wärmstens ans Herz legen.

Ich teile mit euch jetzt die Frage, die das Kind stellte, nachdem der Supermond erklärt und verstanden war.

„Wenn Supermond immer bei Vollmond ist, gibt es dann auch einen Super-Neumond?“

Da musste ich erst mal kurz schlucken und nachdenken. Stimmt eigentlich. Wieso haben die Medienmacher nicht auch den Neumond so schön tituliert.

„Ist doch klar“, kann man hier sofort anbringen. Den Neumond sieht man ja nie. „Was sollen wir Journalisten mit etwas anfangen, das niemand sehen kann. Das ist langweilig und bringt keine Verkaufs- oder Einschaltquoten“.

Aber stimmt das wirklich immer?
Wir erinnern uns. Super-Vollmond ist immer dann, wenn der Mond auf seiner elliptischen Bahn um die Erde gleichzeitig zum Vollmond seinen erdnächsten Punkt das Perigäum, durchläuft. Dann zeigt sich uns der Vollmond etwas größer, also super. Dieses „super“ ist aber mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar….

Das kann man sich natürlich jetzt auch für den Neumond denken. Gut, wir sehen ihn zwar nie, aber es spricht ja nichts dagegen, dass es gleichzeitig, wenn der Mond das Perigäum passiert, auch mal Neumond sein kann. So weit, so gut.
Die Frage ist damit beantwortet. Es gibt auch einen langweiligen Super-Neumond, den niemand sieht und der deshalb uninteressant ist.

Ist er das wirklich?
Ich sage entschieden nein!!! Er ermöglicht uns den Blick auf das spannendste Phänomen, das unsere Sonne uns zu bieten hat. Manche menschen stürzen sich in Abenteuer, reisen um die ganze Welt, investieren ein imenses vermögen, nur um den Super-Neumond für wenige Sekunden bis Minuten zu erleben. Sie sind süchtig davon. Es gibt in den USA ein Wort für diesen Menschenschlag. Man nennt sie dort „Eclipse Chasers“.
OK, alle haben es mittlerweile erraten. Es hat mit Finsternissen zu tun.
Der Super-Neumond wird nur selten sichtbar, obwohl er eigentlich eben so oft stattfindet, wie der Super-Vollmond. Er zeigt sich bei einer totalen Sonnenfinsternis.
Es ist schon ein Wunder, dass die Größenverhältnisse und der Abstand zwischen Sonne und Mond gerade so sind, dass der Mond in der Lage ist, die helle Sonnenscheibe abzudecken, damit uns die wunderbare Korona offenbar werde.
Wäre unser Mond der Erde näher, oder wäre er größer, dann würde er mehr als nur die helle Sonnenscheibe verdecken. Dann könnten wir die Korona vermutlich nur sehr kurz vor der totalen Bedeckung oder kurz nach der Bedeckung erhaschen, wie wir jetzt die sog. Perlenschnur erhaschen, wenn die Sonne kurz vor der Totalität noch am Rande der Mondscheibe zwischen einigen Mondgebirgen hindurch lukt.

Unser Mond deckt die Sonnenscheibe vor allem dann so wunderbar ab, wenn Neumond und der Durchgang des Mondes durch sein Perigäum gleichzeitig stattfinden.
Das ist im Grunde dasselbe, wie beim Super-Vollmond. Man muss nur das Voll durch Neu ersetzen.
Ich sagte vorhin, dass man die Super-Eigenschaft des Vollmondes, etwas größer, mit bloßem Auge nicht schauen kann, weil 13 % Unterschied bei der kleinen Mondscheibe nicht wahrgenommen werden können.
Das ist beim Super-Neumond durchaus anders.
Findet der Neumond gleichzeitig mit dem Durchgang des Mondes durch seinen erdfernsten Punkt, das Apogäum statt, dann kann, bei einer Sonnenfinsternis, das Mondscheibchen nicht mehr die ganze Sonne abdecken, weil er für uns kleiner erscheint. Es entsteht eine ringförmige Finsternis. Der Mondschatten bohrt ein Loch in die Sonnenscheibe. Ein heller Rand bleibt stehen, und die Korona bleibt verborgen, weil sie davon überstrahlt wird.
Was einen Neumond zur Sonnenfinsternis, und einen Vollmond zur Mondfinsternis macht, beschrieb ich ausführlich beispielsweise in Finstere Erinnerungen.

Fazit:
Es gibt auch einen Super-Neumond. Der zeigt sich uns bei seltenen Sonnenfinsternissen. Naja, so selten sind die gar nicht, aber man muss halt hin kommen, wo sie stattfindet.
Und es gibt auch das Gegenteil. Der Sub-Vollmond, der uns in Erdferne, dem Apogäum, etwas kleiner als der Supper-Vollmond in Erdnähe erscheint. Fällt nicht ins Gewicht.
Anders beim Sub-Neumond.
Der ist bei ringförmigen Sonnenfinsternissen für das Loch verantwortlich.

Der Vollständigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass in dem Fall auch eine Rolle spielt, wo sich die Erde gerade auf der Umlaufbahn um die Sonne befindet. Denn auch dieser Abstand variiert und lässt die Sonne im Perihel etwas größer erscheinen, als im ihrem Aphel. Davon merken wir aber ohne die optischen Schattenwürfe von Finsternissen im alltag nichts.

So, meine lieben, das war der Super-Neumond. Lassen wir ihn auch mitmachen und behandeln wir ihn künftig nicht mehr so stifmütterlich neben seinem Bruder, dem Supermond…
Gehabt euch wohl,
passt auf euch auf
und bleibt gesund.

Es grüßt euch österlich
Euer Blindnerd.