Liebe Leserinnen und Leser,
Bis vor wenigen Jahrzehnten war nicht klar, wo die Sonne ihre Energie für so lange Zeit unerschöpflich her nimmt und uns damit wärmt und Leben spendet. In den nächsten Artikeln wird es genau um diese Geschichte gehen, wie man sich langsam der Wahrheit näherte.
Eigentlich dachte ich, ich könnte dieses Thema in einem Artikel abfrühstücken. Das erwies sich aber schon bei der Stoffsammlung als Ding der Unmöglichkeit.
Deshalb geht es heute erst mal um grundsätzliche Fragen, z. B. wieviel Strahlung und Energie wir überhaupt von unserem Heimatstern erhalten. In weiteren Artikeln werden wir dann alle weiteren Aspekte des Kraftwerks Sonne untersuchen.
Die Strahlkraft der Sonne
Auf jeden Quadratmeter einer im Erdabstand von der Sonne außerhalb der Erdatmosphäre aufgestellten und auf sie ausgerichteten Fläche fällt in jeder Sekunde die Energie von 1360 Joule pro Quadratmeter.
Unser Quadratmeter empfängt somit eine Strahlungsleistung von 1,4 Kilowatt. Auf einen Quadratmeter der Erdoberfläche trifft aber wesentlich weniger. Zum einen bleibt ein Teil der Energie in der Erdatmosphäre stecken, zum anderen kommen die Strahlen nicht immer und überall senkrecht von oben. Die Hälfte der Zeit liegt unser Quadratmeter im Dunkel der Nacht, und bei schlechtem Wetter erreichen ihn die Sonnenstrahlen nur stark geschwächt. Die Wolken reflektieren dann die Sonnenenergie wieder in den Raum zurück. So erhält in Mitteleuropa der Quadratmeter durchschnittlich nur etwa 100 Watt. Immerhin, wollte man die Sonnenenergie, die dieser Quadratmeter im Jahr erhält, mit Heizöl decken, müsste man etwa 100 Liter verbrennen.
Das alles weiß man aber erst, seit bekannt ist, wie weit die Erde von der Sonne entfernt ist, und wie die Größenverhältnisse dieser Körper ist.
Die Vermessung des Sonnensystems
Wir wissen, wieviel die Strahlung der Sonne für uns Menschen bedeutet, was bedeutet sie für die Sonne?
Dazu müssen wir zuerst wissen, wie weit wir von ihr entfernt stehen.
Eine nahe Sonne könnte die Energie von 100 Litern Heizöl pro Jahr und Quadratmeter leichter liefern als eine entferntere. Denn von der nach allen Richtungen gleichmäßig in den Raum gehenden Energie, fängt eine Fläche mehr auf, wenn sie nahe bei der Sonne steht, als wenn sie in großem Abstand von ihr beleuchtet wird. Nahe am Feuer ist es immer wärmer, als davon entfernt zu stehen.
Es gilt das einfache Abstands-Quadrat-Gesetz:
Verdoppelt man den Abstand zwischen strahlendem Körper und empfangender Fläche, dann fängt sie nur ein Viertel auf, bei dreifachem Abstand nur ein Neuntel.
Zu diesem Gesetz muss ich euch unbedingt eine kleine Geschichte erzählen, wie unser Mathematiklehrer uns blinden Schüler*innen die Wirkung beschrieb:
Wie uns Blinden das Abstands-Quadrat-Gesetz und die Strahlensätze veranschaulicht wurden
Unser Mathematiklehrer brachte mal einen Dia-Projektor in den Unterricht mit. Er hatte ein Dia mit einem aufgeklebten Dreieck, kleiner als ein Fingernagel in den Projektor gesteckt. Das Bild ließ er nun auf eine weiße Fläche projizieren. Diese weiße Holzwand war mit kleinen Löchern bedeckt. Mit drei Stiften durfte jetzt jemand, aus der Klasse, der noch einen kleinen Sehrest hatte, die Ecken des dargestellten Dreiecks fixieren. Diese Eckpunkte wurden dann mit einem Hosengummi verbunden. Ich war verblüfft, wie riesig das projizierte Dreieck im Gegensatz zum winzigen Original war.
Das Original hatte, wie gesagt, eine Kantenlänge von wenigen Millimetern. Die Projektion war mindestens 30 cm lang.
Nun aber zurück zu unserem Thema.
Bestimmung der Entfernung Erde-Sonne
Wie weit entfernt zieht nun die Erde ihre Bahn um die Sonne? Wir
haben es erst verhältnismäßig spät erfahren. Obwohl die Griechen die Entfernung des Mondes recht gut kannten, lagen ihre mit raffinierten und im Prinzip korrekten Methoden gewonnenen Sonnenentfernungen nur etwa bei einem Zehntel des richtigen Wertes. Die Wahrheit erfuhren die Menschen erst im Jahre 1672.
Damals kam der Planet Mars der Erde besonders nahe. Diese Gelegenheit wurde in Paris und bei einer Expedition nach Cayenne benutzt, die unter der Leitung des französischen Astronomen jean Richer (1630-1696) stand. Beobachtet man den Mars von zwei Orten auf der Erde gleichzeitig, so steht er für jeden Beobachter vor etwas verschiedenen Stellen des Fixstern-Himmel-Hintergrundes. je kleiner der Abstand Erde-Mars, desto größer der Unterschied.
Allerdings muss man zur Bestimmung des Marsabstandes genau wissen, welche Entfernung zwischen den beiden Mess-Orten liegt.
Kurz zuvor hatte der französische Astronom jean Picard (1620-1682) den Radius der Erdkugel
gemessen. Mit der Größe der Erde war nun auch der Abstand Paris-
Cayenne recht genau bekannt. So konnte man den Abstand Erde-Mars
ermitteln. Das war der Anfang der Vermessung des Planetensystems.
Kennt man den Abstand zweier Planetenbahnen und die Zeiten, in
denen sie von ihren Planeten einmal durchlaufen werden, so kann man die Abstände der Bahnen zur Sonne errechnen. Man benötigt dazu das Dritte Keplersche Gesetz, das aus den beobachtbaren Umlaufzeiten zweier Planeten das Verhältnis ihrer Bahndurchmesser liefert. Da die Umlaufzeiten der Planeten leicht zu bestimmen sind, erfuhr man 1672, dass die Sonne etwa 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist.
„Etwa“ deshalb, weil die Erde eine elliptische Bahn um die Sonne beschreibt.
Inzwischen gibt es bessere Methoden, das System von Sonne und
Planeten auszulosen, und wissen es genau: Im Mittel sind Sonne und Erde 149598000 Kilometer voneinander entfernt. Das Sonnenlicht benötigt etwa acht Minuten, um diese Strecke zurückzulegen. Würde an einem Tag mittags um 12.00 Uhr die Sonne schlagartig verlöschen, wir würden es erst um 12.08 Uhr gewahr.
Nachdem man die Entfernung der Sonne ermittelt hatte, wusste man auch, wie groß sie ist. Am Himmel erscheint sie als eine Scheibe, deren Durchmesser einem Winkel von einem halben Grad entspricht. Mit einer einfachen Dreiecksberechnung erhielt man dann einen Sonnendurchmesser von 1,4 Millionen Kilometern. Das ist etwa das 110fache des Durchmessers der Erde. Setzten wir unseren Planeten in die Mitte der Sonne, so würde der Mond immer noch im Sonneninneren um uns kreisen. Man könnte die Sonnenkugel mit mehr als einer Million Erdkugeln auffüllen.
Aus der hier bei uns auf den Quadratmeter treffenden Strahlungsleistung der Sonne und aus der nunmehr bekannten Entfernung kann man die Strahlkraft der gesamten Sonne bestimmen. In Millionen Watt (Megawatt) ausgedrückt ist es eine 21stellige Zahl!
Was die Sonne in jeder Sekunde an Strahlung in den leeren Raum hinaus verschwendet, könnte eine Million Jahre lang den gesamten Energiebedarf der Menschheit decken.
So, meine lieben, das waren jetzt mal einige Grundlagen zur Strahlkraft der Sonne. Im nächsten Schritt können wir uns dann langsam an das Kraftwerk der Sonne und der Diskussion darüber nähern, wie es funktioniert.
Bis da hin grüßt euch herzlich
Euer Blindnerd.