Eine Astronomische Ostergeschichte für Respekt, Verständnis und gegenseitiger Toleranz und Achtung


Liebe Leser*innen,

heute Nacht war die Zeitumstellung auf die Sommerzeit und wir starten in die Karwoche 2021. Heute ist Palmsonntag und gleichzeitig der erste Frühlingsvollmond, der für die Berechnung unseres Osterfestes grundlegend ist.
Nur noch eine Woche lang durchhalten, für all jene, welche die Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag nutzten, um auf die eine oder andere Art zu fasten, auf Dinge zu verzichten usw.
Alle Achtung für jene, die es trotz allen sonstigen Widrigkeiten in diesen Zeiten durchgezogen haben.

Um Fasten an sich wird es aber in diesem Artikel nicht gehen, aber es geht darum, wann überhaupt Ostern z. B. auch in anderen Glaubensgemeinschaften gefeiert wird und wie sich andere Feiertage daraus ableiten. Wie Ostern bei uns berechnet wird, beschrieb ich ja schon in „Wieso ist Ostern manchmal so früh, und manchmal so spät„.

Anders und doch gleich

Es gibt aber Glaubensgemeinschaften, die zwar unseren gregorianischen Kalender benutzen, aber für die Feiertage eben nicht.
Im Sinne der anderen Glaubensgemeinschaften soll dieser Artikel ein Beitrag zum gegenseitigen Respekt, Verständnis und einem guten Miteinander werden.
Jeder kennt das, wenn man z. B. zu Weihnachten oder Ostern am Familientisch zusammen sitzt. Da fallen oft mal Sätze wie

Die feiern Weihnachten anders.

oder

Die feiern Ostern an einem anderen Tag.

oder

Die fasten zu anderen Zeiten.

Jeder kennt jemanden, der derlei in seiner Glaubens- oder Religionsgemeinschaft anders und zu anderen Zeiten praktiziert als wir.
„Die“ klingt immer so fremd und exotisch. „Die“ scheinen irgendwie anders zu sein und an etwas ganz anderes zu glauben, an etwas seltsames mystisches oder sonst wie fremdes.
Dem ist aber nicht so. „Die“ leben unter uns. Viele von „Denen“ fühlen sich aber auch dem christlichen abendländischen Glauben verpflichtet. und andere gehören z. B. dem Islam an.
Dann wollen wir diesem Mysterium doch hier mal die Zähne ziehen, damit wir hier aufhören können zu „fremdeln“. Auch das ist Aufklärung und trägt zum Verständnis und zur Akzeptanz anderer Gruppen bei.

Die große allgemeine Unwissenheit

Die allgemeine Frage, um die es hier geht fragt danach, warum die hohen Feste wann oder genau dann gefeiert werden.
Es ist egal, wo und wen man fragt und aus welcher Glaubensgemeinschaft die gefragte Person stammt.
Viele „Christ*innen“, die beispielsweise „meinen Blog“ nicht gelesen haben, wissen nicht wirklich, warum Ostern manchmal so früh und manchmal so spät ist. Bevor ich mich mit Astronomie beschäftigte, wusste ich es auch nicht. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass das in der Schule, z. B. im Religionsunterricht, mal vernünftig und anschaulich erklärt wurde. Ostern kam und ging und wir freuten uns auf die Ferien und die Süßigkeiten…

Genau so unsere türkischen Mitschüler*innen. Sie praktizierten ihren Ramadan, der zu meiner Schulzeit in den 1980ern ungefähr in den Sommer fiel.
Auch sie konnten nie erklären, wieso wann Ramadan ist.
Wie auch immer.
Wir „Christ*innen“ freuten uns dann auf den Sonnenuntergang und darauf, dass wir daran teilhaben durften, was ihre Mütter ihren Kindern so in ihre Koffer gepackt hatten. Schafskäse, Oliven, Melonen, verschiedenste Teigtaschen und papp süße Nachtische wurden dort dargereicht.

Deutlich weniger am Leben dran und weniger praxisorientiert erlebten wir im Internat Kamerad*innen, die nach ihren Erzählungen Ostern und Weihnachten zu anderen Zeiten feierten. Das war für sie manchmal eventuell doof, denn die Schulferien richteten sich ja nach unseren Daten und nicht nach deren aus. So konnte es durchaus sein, dass Kinder dieser Glaubensrichtungen Ostern hatten, obwohl die Osterferien bei uns schon vorbei waren. Manchmal, und das war auch etwas traurig, durften diese Kinder dann auch nicht bei unseren Ritualen, die man so in der Vorweihnachtszeit oder der Osterzeit mit uns im Internat feierte, oder ganz wichtig beim Ritual des Geburtstages, aus Glaubensgründen, von den Eltern verboten, nicht mit machen. Das aber nur am Rande. Ich nenne deshalb auch keine Glaubensgemeinschaft namentlich und verkneife mir den Begriff der Sekte.

Auf jeden Fall fragte ich auch jene neugierig darüber aus, wieso sie an anderen Tagen feierten, und bekam nie eine wirkliche klärende Antwort auf meine Fragen.

Und hier noch ein aktuelles Erlebnis zu unterschiedlichen Feier-Zeiten von mir.
Letztes Wochenende traf ich mich mit meiner Arbeitskollegin, ihrem Mann und den Kindern zu einem Spaziergang durch die Parks von Karlsruhe. Ich wollte ihnen verschiedene Vogelstimmen zeigen, erklären und dass wir sie gemeinsam lernen.
Da kamen wir natürlich auch auf Ostern. Diese Familie stammt aus Rumänien und gehört somit der orthodoxen Kirche an. Und da war es wieder, das Erlebnis. Sie feiern Ostern später. Ich wollte wissen, warum und wie sie Ostern berechnen, und die Antwort war, wie sie auch in meinem Fall früher ausgefallen wäre, sehr wage und ungenau. Sie lautete ungefähr so:

„Wie das genau funktioniert, weiß ich auch nicht. Das hat irgendwie mit dem Mond und einem anderen Kalender zu tun. Und außerdem wollen alle orthodoxen Brüder und Schwestern auf der Welt gemeinsam Ostern feiern können.“

Na, immerhin. Der Mond kam vor. Es ist fraglich, ob ich den früher überhaupt erwähnt hätte. Mir war früher nur klar, dass Ostern mit dem jüdischen Pessachfest zusammen fiel, weil zum Zeitpunkt der Verurteilung von Jesus gerade alles Volk nach Israel pilgerte, um dort zu opfern. So steht es in den Evangelien. Etwas von Frühlingsanfang und Frühlingsvollmond habe ich damals nie gehört und es auch nicht hinterfragt.

Und dann kam in der Antwort noch etwas: „Wir benutzen einen anderen Kalender“.
Das ist äußerst spannend.

Die Zeit des orthodoxschen Osterfestes

Wir benutzen ja schon seit vielen Jahrhunderten den Gregorianischen Kalender mit seinen Schaltjahren, seinen ganzen Schaltregeln und in der Neuzeit sogar mit seinen Schaltsekunden. Dieser Kalender hält unseren Jahreslauf in Takt. Für diese Hauptaufgabe braucht dieser Kalender den Mond nicht, wäre da nicht unser Osterfest. Der Ostersonntag fällt meistens auf den ersten Sonntag nach dem astronomischen Frühlingsbeginn, der Tag-Nacht-Gleiche, die in diesem Jahr am 20.03. war. Daraus leiten sich dann andere kirchliche Feiertage, wie Aschermittwoch, die Fastenzeit, Himmelfahrt, Pfingsten und noch einige nicht bundeseinheitlich geregelte Feiertage ab. Wie schon erwähnt, schrieb ich an anderer Stelle darüber, wie das genau funktioniert. Meistens und nicht immer schreibe ich deshalb, weil es zum einen eine Regel des Gregorianischen Kalenders gibt, die verhindert, dass Ostern später als am 25,04. sein darf. Und noch eine Verschiebung des Osterfestes tritt alle 19 Jahre auf, das sog. Osterparadox.
Das war an Ostern 2019 der Fall. Ich schrieb darüber in „Fällt Ostern 2019 aus?

Wie ist das aber nun bei meiner Kollegin, die der Orthodoxen Kirche angehört.

In der orthodoxen Kirche wird am Julianischen Kalender festgehalten.
Das ist der Kalender, der vor dem gregorianischen Kalender benutzt wurde.
Er orientierte sich stark nach dem Mond. Da sich aber unser Mond mit seiner Umlaufzeit nicht gut in den Rest des Jahreslaufes mit seinen Jahreszeiten etc. integrieren lässt, musste man manchmal einen dreizehnten Mond einfügen, damit die Feiertage, die Erntezeiten und vieles mehr nicht komplett aus dem Takt gerieten. Als der Zeitpunkt des Osterfestes etwa 300 n. Chr. festgelegt wurde, war dieser julianische Kalender noch in Gebrauch.
Daher findet der 21. März (im 20. und 21. Jahrhundert) 13 Tage später statt als im gregorianischen Kalender. (Übrigens war das Zusammenlegen des „liturgischen“ mit dem „astronomischen“ Frühlingsbeginn einer der Hauptgründe für die Einführung des gregorianischen Kalenders). Daher findet das orthodoxe Osterfest manchmal eine Mondphase später statt. Außerdem berechnet die orthodoxe Kirche das Osterdatum nach einer bereits in der Antike festgelegten Rechenvorschrift, dem Metonischen Zyklus
Er dauert 19 Jahre. Es ist der Zyklus, den ich in meinem Artikel zum Vollmond an Halloween beschrieb. Man kann mit ihm beispielsweise berechnen, wann der Vollmond, und natürlich auch der Neumond, wieder auf einen bestimmten Tag, z. B. den Heiligen Abend, oder meinetwegen auch auf eure Geburtstage fällt.
Die Länge des 19-jährigen Mondzyklus wurde damals um ca. 2 Stunden zu lang angenommen, was sich im Laufe von 17 Jahrhunderten zu einigen Tagen addiert hat. Dies ist ein weiterer Effekt, der dazu führen kann, dass das orthodoxe Osterfest eine Woche oder im Extremfall, wenn er sich mit dem obigen Effekt addiert (z. B. 2005), fünf Wochen später stattfindet als das lateinische. Von diesem letzteren Effekt ist übrigens auch der Jüdische Kalender betroffen.
Wie der julianische Kalender im einzelnen funktioniert, würde den Rahmen dieses Artikels vermutlich sprengen.
Eine Konsequenz und Tradition, die sich aber bis heute wegen dieses Kalenders hielt ist, dass die Dreizehn (13) eine Unglückszahl sein soll.
In meinen Gedanken zu Freitag, 13. ist dieses Phänomen ausführlich und hoffentlich auch lesenswert erklärt.
Belassen wir es also dabei und stellen uns für heute die letzte Frage.

Wie berechnen unsere islamischen Freunde ihre zweitwichtigste religiöse Zeit, ihre Fastenzeit, den Ramadan?

Wikipedia sagt dazu:

Der Ramadan (arabisch رمضان, DMG ramaḍān ‚der heiße Monat‘) ist der Fastenmonat der Muslime und neunter Monat des islamischen Mondkalenders. In ihm wurde nach islamischer Auffassung der Koran herabgesandt.
Das Fest des Fastenbrechens (arabisch عيد الفطر id al-fitr / türkisch Ramazan bayramı) im unmittelbaren Anschluss an den Fastenmonat zu Beginn des Folgemonats Schawwal ist nach dem Opferfest der zweithöchste islamische Feiertag.

Im Koran heißt es zur Länge der Fastenzeit:

„Fastet erst, wenn ihr sie (die Mondsichel – Hilal) seht, und brecht das Fasten erst, wenn ihr sie (wieder) seht…“

So ergibt sich das einmonatige Fasten vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang.
Dann heißt es im Koran weiter:

Wer nun von euch während des Monats anwesend (d. h. nicht unterwegs) ist, soll in ihm fasten.“

(Koran: Sure 2, Vers 185)

Dem Gedenken an die Offenbarung des Korans ist auch Sure 97 gewidmet, in der es heißt:

„Wir haben ihn (d. h. den Koran) in der Nacht der Bestimmung hinabgesandt. Aber wie kannst du wissen, was die Nacht der Bestimmung ist? Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate.“

(Koran: Sure 97)

Aufgrund der vorhergehenden koranischen Aussage gilt es als ausgemacht, dass die Nacht der göttlichen Bestimmung (lailat al-qadr / ليلة القدر / lailatu ʾl-qadr) eine Nacht im Monat Ramadan ist. Da man sich also über die genaue Nacht der Offenbarung des Korans nicht im Klaren war, feiert man diese Nacht überwiegend in der Nacht zum 27. Ramadan, aber auch an anderen ungeraden Tagen der letzten zehn Tage des Fastenmonats.
Dem letzten Drittel des Ramadan kommt außerdem deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil in dieser Zeit die fromme Übung des Iʿtikāf, der „Absonderung“ in der Moschee, stattfindet.

Welcher Monat ist aber nun gemeint?
Während das tägliche Gebet (salat / صلاة / ṣalāt) und die islamische Pilgerfahrt (haddsch / حجّ / ḥaǧǧ) auf festgelegten Zeiten beruhen, sind der Beginn und das Ende des Fastenmonats Ramadan im islamischen Überlieferungswesen stets widersprüchlich überliefert und diskutiert worden. Den Anfang des Ramadans zeigt die Sichtung (ru’ya / رؤية / ruʾya) der neuen Mondsichel (hilal) am Ende des letzten Tages/in der letzten Nacht des Vormonats Scha’ban an. Der Grundtypus dieser Traditionen in den kanonischen Hadithsammlungen als Direktive des Propheten lautet:

„Der Monat besteht aus 29 Tagen. Fastet erst, wenn ihr sie (die Mondsichel – hilal) seht, und brecht das Fasten erst, wenn ihr sie (wieder) seht. Und wenn (der Himmel) über euch bedeckt ist, so bestimmt ihn /Var. vervollständigt die Zahl der Scha’ban-Tage/ auf 30 (Tage).“

(Hadith Abu Dawud, Buch 13, Nr. 2312; al-Bukhari, Buch 31,Nr. 130-131.)

Ausschlaggebend für den Beginn bzw. für das Ende des Ramadans ist, wie schon gehört, stets jeweils die Sichtung der Mondsichel durch einen oder durch mehrere Zeugen. Umstritten bei der Festlegung des Monatsbeginns ist die Rolle der Astronomen (munadschdschim) und der Mathematiker (ahl al-ma’rifa bil-hisab), die es in der frühislamischen Gesellschaft noch nicht gab und die später allein durch Berechnungen (hisab) ohne Sichtung der Mondsichel den Monatsanfang festzulegen bestrebt waren.

Die Festlegung des Ramadanbeginns gibt in der arabisch-islamischen Welt bis in die Gegenwart hinein jedes Jahr Anlass zu kontroversen Diskussionen. Denn der Verzicht auf die Sichtung der neuen Mondsichel als Anfang des Ramadans und die stattdessen geführte astronomische Berechnung führen zwangsläufig zur Ignorierung des prophetischen Gebots „fastet erst, wenn ihr sie seht“.
In Ägypten bestimmt das erste Neulicht in Assuan den Beginn des Ramadans, wobei das gesichtete Neulicht telefonisch nach Kairo gemeldet wird und anschließend die Ausrufung des Ramadans erfolgt.

Die Berechnung des Ramadan ist also gar nicht so einfach, wie man sieht.
Erstaunlich ist, dass hier das religiöse Buch versucht, den Zeitpunkt und die Länge des Ramadan zu bestimmen, was aus astronomischer Sicht natürlich schwierig ist. Ich kenne keinen vergleichbaren Versuch aus der Bibel. Allerdings kenne ich nicht die ganze Bibel und könnte mir vorstellen, dass sich derlei z. B. in den Büchern Moses, wo viele Regeln festgehalten sind, versteckt.
Wer hier theologisch mehr drauf hat, bitte gerne in die Kommentare für alle lesbar damit. Mein lieber Freund, Pfarrer und Mitleser Volker, könnte hier vielleicht mehr wissen.

Im Islam wird also durch den gregorianischen Kalender konsequent und in viel stärkerem Maße, wie bei uns, ein Mondkalender mit geführt.
Da der Mond nicht sauber unserem Jahreslauf sich unterordnet, wandert der Fastenmonat in etwa 30 Jahren ein mal durch den ganzen Jahreslauf. Ramadan im Winter dürfte etwas leichter zu schaffen sein, aber im heißen Sommer, wenn tagsüber nichts getrunken werden darf, stelle ich ihn mir hart vor.
Weil das den Nomaden in der Wüste etc. durchaus auch bewusst war, schrieb der Prophet Mohammed einige Regeln auf, wie der Ramadan für Kinder, Kranke, Alte, Schwangere und sonstige schwache Menschen abgemildert oder gar ausgesetzt werden kann.

Puh, das war jetzt aber viel Kalender und Erlebnisse.
Ich wünsche mir davon, dass der Artikel wenigstens etwas zum Respekt anderer Glaubensgemeinschaften, und damit meine ich wirklich alle, beitragen kann.

Ein Gedanke zu „Eine Astronomische Ostergeschichte für Respekt, Verständnis und gegenseitiger Toleranz und Achtung“

  1. Hallo Gerhard,

    Super interessanter Artikel. Ich gebe zu dass ich selbst nie die genauen Zeiten des Fastens, sowohl bei den Christen als auch bei den Muslimen, richtig verstanden habe. Dementsprechend ein sehr informativer Beitrag. Auch die Intention die gemeinsamen bzw. ähnlichen Feiertage als Zeichen der Toleranz finde ich sehr vorbildlich und auch äußerst wichtig in der heutigen Zeit

    Ich danke dir für den Artikel vielmals. Ich hoffe er wird von vielen gelesen

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