Liebe Leser*innen,
Am 10.02.2021 war Women Science Day. An diesem Tag finden viele Veranstaltungen statt, die ganz besonders das Lebenswerk von Frauen in Natur- und Technikwissenschaften würdigen. Bis heute sind, wie wir alle wissen, Frauen in MINT-Berufen noch immer sehr unterrepräsentiert. Diejenigen, welche die Flugbahn für das gesammte Mond-Programm berechneten, waren diskriminierte Frauen schwarzer Hautfarbe. Der sehr empfehlenswerte Film Hidden Figures zeigt das alles sehr gut.
Seit Anfang der 1960er Jahre flogen Menschen in den Weltraum. Die erste Frau im All war keine „weiße“ Amerikanerin, sondern Frau Walentina Tereschkowa, die 1962 im Rahmen des soviettischen Weltraumprogramms in eine Umlaufbahn um die Erde geschickt wurde. Bis heute ist sie übrigens die einzige Frau, die ohne männliche Begleitung flog.
Die zweite Frau im All war ebenfalls eine Kosmonautin, Swetlana Sawizkaja.
1983 startete die erste Amerikanerin ins all.
Sally Ride war die erste US-Amerikanerin im Weltraum und nach den Kosmonautinnen Walentina Tereschkowa und Swetlana Sawizkaja die dritte Frau, die einen Raumflug absolvierte.
Im Zusammenhang mit Sally Ride gibt es übrigens eine sehr nette Geschichte die gut dokumentiert, wie sich Ingenieurs-Männer mit „Frauen-Sachen“ auskennen. Sie dreht sich um einhundert Tampons im Weltall.
In einer Folge des Podcasts @Mincorrect wurde sogar ein Song zu dieser Geschichte abgespielt.
Heute scheint mir, hat sich zumindest bei der Auswahl von Astronaut*innen ein etwas besseres Gleichgewicht eingestellt.
Bei der letzten Auswahl von Astronaut*innen der NASA 2017 wurden immerhin schon fünf Frauen von zwölf Bewerber*innen ausgewählt. Das sind
- Zena Cardman, U.S. Marine Corps Maj
- Jasmin Moghbeli, U.S. Navy Lt
- Kayla Barron
- Loral O’Hara
- Jessica Watkins
Die Europäische Raumfahrtagentur ESA scheint da zumindest nach meinen Recherchen noch nicht ganz so weit und fortschrittlich zu sein. Im aktuellen Astronauten-Korps scheint es momentan nur eine Frau zu geben, nämlich
Samantha Cristoforetti aus Mailand, Italien.
Im Podcast @Raumzeit von Tim Pritlove berichtet sie in Folge 11 über ihre Ausbildung zur Astronautin. In Folge 64 erzählt sie über ihren Aufenthalt auf der ISS.
Es ist hier offenbar noch viel zu tun bei der ESA und ihren Astronaut*innen.
Ab dem 31.03. sucht die ESA wieder neue Astronaut*innen. Hoffentlich bewerben sich viele Frauen und hoffentlich werden einige aufgenommen.
Wie die Situation im japanischen und chinesischen und den anderen Raumfahrtprogrammen aussieht, weiß ich momentan nicht.
Und jetzt gibt es zum Schluss des Artikels noch einen kurzen Beitrag, um eine große Astronomin zu würdigen.
Es geht um Henrietta Swan Leavitt
Henrietta Swan Leavitt, geboren am 4. Juli 1868 in Lancaster, Massachusett, gestorben am 12. Dezember 1921 in Cambridge, Massachusetts war eine US-amerikanische Astronomin. Sie entdeckte 1912 die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung, das heißt den Zusammenhang zwischen der absoluten Leuchtkraft der Sternklasse der Cepheiden (Helligkeitsveränderliche Sterne) und deren Perioden unterschiedlicher Helligkeit. Sie legte damit den Grundstein zur Verwendung der Cepheiden als Standardkerzen, um zunächst Entfernungen zu nahe gelegenen Galaxien bestimmen zu können.
Ich finde es äußerst bemerkenswert, dass es einen zuverlässigen Zusammenhang zwischen der Periode in welcher so ein Stern heller und dann wieder dunkler wird und der absoluten Helligkeit gibt. Somit eignet sich dieser Zusammenhang tatsächlich zur Entfernungsbestimmung, denn die Helligkeit konnte man schon ganz gut messen, und wenn man jetzt noch die „Blink-Periode“ betrachtet, dann klappt das mit der Entfernungsbestimmung schon ganz gut. Im Artikel Was haben Kerzen mit Astronomie zu tun beschrieb ich eine andere Art von Standardkerze, die auch zur Entfernungsbestimmung verwendet wird, wer das nochmal nachlesen möchte.
Levitts Methode reicht bis zu einer Entfernung von 20 Millionen Lichtjahren. Bevor Levitt diese Beziehung bemerkte, benutzten Astronomen Parallaxe und Triangulation die bis zu einigen hundert Lichtjahren benutzt werden können. Unsere Galaxie, die Milchstraße, ist aber schon 105700 Lichtjahre groß. Für das Messen von größeren Entfernungen benutzt man auch die maximale Masse von weißen Zwergen. Das ist aber eine andere Geschichte…
Für Astronomie interessierte sie sich bereits schon in der Schule. Durch eine Krankheit wurde sie fast vollkommen taub. Trotzdem bekam sie 1895 am Harvard College Observatory eine Volontärstelle, und sieben Jahre später wurde ihr eine feste Anstellung angeboten (für 30 Cent die Stunde). Dort beobachtete und katalogisierte Leavitt veränderliche Sterne, allein 1904 konnte sie 172 veränderliche Sterne in der großen und 59 in der kleinen Magellanschen Wolke entdecken. Ihre Beobachtungen musste sie auf die Auswertung von Fotografien beschränken, weil Frauen der Gebrauch des Teleskops verboten war.
Interessant ist an dieser Stelle, dass der gehörlose Astronom John Goodricke sich mit ganz ähnlichen Dingen beschäftigte. Die beiden konnten sich nicht gekannt haben.
Über ihn schrieb ich in meinem Buch in „Wissenschaftler mit vier Sinnen“.
Ein Jahr darauf berichtete sie von 843 neuen veränderlichen Sternen in der kleinen Magellanschen Wolke. 1912 entdeckte Leavitt die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung bei Cepheiden.
1913 gelang dem Astronomen, Ejnar Hertzsprung dann die Bestimmung der Entfernung einiger Cepheiden der Milchstraße, womit die Entfernung zu allen Cepheiden kalibriert werden konnte. Als 1920 durch Edwin Hubble Cepheiden identifiziert wurden, die Millionen Lichtjahre entfernt lagen, wies er mit Hilfe des Modells von Leavitt nach, dass es sich dabei um Sterne in anderen Galaxien wie in der Andromedagalaxie handelte. Auch konnten erstmals Entfernungen zwischen verschiedenen Galaxien bestimmt werden. Vor diesen Entdeckungen konnte man nur mit Entfernungen bis zu 100 Lichtjahren rechnen, danach stellten Distanzen bis zu 10 Millionen Lichtjahren kein Problem mehr dar.
In all den Jahren der Beobachtung des Sternenhimmels konnte Leavitt vier Novae beobachten und über 2400 neue veränderliche Sterne entdecken. Außerdem entwickelte sie eine neue photographische Messtechnik, die 1913 internationale Anerkennung fand und unter dem Namen Harvard-Standard bekannt ist.
Henrietta Swan Leavitt gilt als Pionierin der Wissenschaft, und das nicht nur, weil sie eine der wenigen und ersten Frauen in höheren Wissenschaften war. Sie war Mitglied in diversen Verbindungen wie
- Phi Beta Kappa, der American Association of University Women,
- der American Astronomical and Astrophysical Society,
- der American Association for the Advancement of Science
- und ein Ehrenmitglied der American Association of Variable Star Observers.
1921 starb Henrietta Swan Leavitt an Krebs. Zu ihren Ehren tragen der 1973 entdeckte Asteroid (5383) Leavitt und ein Mondkrater (Mondkrater Leavitt) ihren Namen. In Unkenntnis ihres Todes erwog der schwedische Mathematiker Gösta Mittag-Leffler 1925, Leavitt für einen Nobelpreis vorzuschlagen. Da dieser jedoch nicht postum verliehen wird, ging sie letztlich leer aus.