Blindnerd-Adventskalender – zum ersten Advent

Meine lieben,

sicherlich wundert ihr euch, dass der Blindnerd schon am ersten Advent mit seinen Weihnachtsgeschichten beginnt, obwohl der 01. Dezember doch erst morgen ist.
Ja, das hat seinen Grund.
In diesem Jahr kann es leider keinen Blindnerd-Adventskalender geben, der alle 24 Türchen befüllt.
Viele von euch wissen es, dass ich im letzten halben Jahr sehr gesundheitlich gebeutelt war. Da fehlte mir einfach die Kraft, vierundzwanzig Geschichten zu recherchieren und zu schreiben. An Ideen hätte es mir durchaus nicht gemangelt.

Ganz hängen lassen darf der Sternenonkel aber seine Leserschaft in der Weihnachtszeit, wo Sterne so wichtig sind, doch nicht.
Deshalb werde ich diesmal nur die Eckdaten, alle vier Adventssonntage, Nikolaus und natürlich den heiligen Abend bedienen.

Nun wisst ihr auch, wieso ich zu früh starte. Aber wenn man schon nicht alle Türchen füllt, dann muss wenigstens der erste Advent dabei sein, ob es nun schon Dezember ist, oder nicht.
Ich bitte euch dafür um Verständnis.

Ach ja, die Verlinkung zum Adventskalender des Arbeitskreises BLAutor, gibt es natürlich. Den administriere ich ja nur und bekomme die Geschichten für die Türchen von unseren Schreiberlingen geliefert.
Der startet allerdings, wie es sein soll, erst morgen.
Starten wir also mit meiner Geschichte zum ersten Advent.

Am letzten Wochenende hatten wir unsere Jahresfreizeit des Evang Blinden- und Sehbehindertendienstes Baden diesmal zum Thema Luft. Darüber werde ich noch extra schreiben.
Aber dennoch ist vor allem der Gottesdienst dieser Freizeit Anlass zu diesem Einstieg in die Adventszeit.
Hier nur ganz kurz, worum es in der Freizeit grob ging.

  • Wir erfuhren, woraus Luft besteht, wie sie auf die Erde kam, dass sie nicht immer so war, wie sie jetzt ist, von ihre Geschichte der Entdeckung ihrer Bestandteile, wie sich die Alchemie zur heutigen Chemie entwickelte, und wie man Brot aus Luft gewinnen kann.
    Damit ist natürlich die Herstellung von Düngemitteln aus dem Stickstoff unserer Atmosphäre gemeint, mit
  • deren Hilfe der Welthunger gelindert werden konnte.

  • Unsere Ursula, die mittlerweile dreiundneunzig Jahre auf dem Buckel hat, erklärte uns die Luft aus Sicht der Weltreligionen.
    Da gibt es den Odem, der Gott dem Menschen einhauchte, auf dass er lebe,
    das geistige Atma der buddhistischen Religionen,
    auch den heiligen Geist, der mit Luft verglichen werden kann, und vieles mehr.
    Mich erstaunt hier immer wieder, wie Ursula uns das alles frei erzählt, ohne Notizen oder Skript. Euer Sternenonkel kann das nicht.
  • Nach Kaffee und Kuchen wurde es richtig praktisch. Eine Atemtherapeuting zeigte uns, wie man diesen Lebensstoff richtig einsaugt und bewusst erlebt.
    Richtiges Atmen ist sehr wichtig. Es gibt Entspannung und uns auch die richtige Stimme, wenn wir sie brauchen.
    Also ich finde, da waren einige Übungen dabei, die sich sehr gut in den Alltag integrieren lassen.
  • Als finaler Höhepunkt und Ausklang steht immer der Abschlussgottesdienst am Sonntag.
    Diesmal konnten wir dafür eine Pfarrerin aus dem EOK gewinnen. In ihrer Predigt griff sie auf ganz wunderbare Weise alles nochmal auf, was wir an diesem Wochenende erleben durften.
    Besser konnte man die ganzen losen Fäden nicht zusammenführen.
  • Und dann. Ein König wird meist durch Trompetenstöße angekündigt. Spätestens, als unser lieber Johannes in sein wunderbares Instrument blies, war mir klar, Jetzt ist sie da, die Advents- und Weihnachtszeit. Er, unser König und Heiland kündigt sich an. Er wird kommen. Er ist schon unter uns. Darauf dürfen wir Christen hoffen, glauben und seiner gewiss sein…

Also für mich beginnt die Adventszeit immer mit Musik. Der erste Advent ohne Weihnachtsoratorium von J. S. Bach geht gar nicht. Ich bin nicht besonders religiös, aber dieses Werk gibt mir so viel Hoffnung und Zuversicht, dass ich es sogar in diesem Sommer, als ich wirklich sehr geplagt von Schmerzen war, begeistert angehört habe. Ja, diese Kraftquelle funktioniert auch im Sommer.

Ich hatte das Werk schon mal vor vielen Jahren behandelt, aber gerade nach überstandener Krankheit ist es mir so wichtig, dass ich es hier nochmal erwähne und mit euch teile.

Aus Wikipedia:

Das Weihnachtsoratorium BWV 248 ist ein sechsteiliges Oratorium für Soli (SATB), gemischten Chor und Orchester von Johann Sebastian Bach. Die einzelnen Teile wurden erstmals vom Thomanerchor in Leipzig in den sechs Gottesdiensten zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest 1735 in der Nikolaikirche und der Thomaskirche aufgeführt. Feierliche Eröffnungs- und Schlusschöre, die Vertonung der neutestamentlichen Weihnachtsgeschichte in den Rezitativen, eingestreute Weihnachtschoräle und Arien der Gesangssolisten prägen das Oratorium. Die sechs Teile werden durch die Freude über die Geburt Christi verbunden. Von der musikalischen Gattung steht das Weihnachts-Oratorium Bachs oratorischen Passionen nahe. Es ist das populärste aller geistlichen Vokalwerke Bachs und zählt zu seinen berühmtesten geistlichen Kompositionen. Das Oratorium wird heute häufig in der Advents- und Weihnachtszeit ganz oder in Teilen aufgeführt. Die Gesamtspieldauer beträgt circa 2½ Stunden.

Es lohnt sich wirklich, sich dieses Werk mal anzuhören. Bei mir ist Weihnachts- und Adventszeit ohne dieses Werk seit Jahrzehnten nicht vorstellbar.
Ihr werdet es sicher in einem Musikanbieter eurer Wahl finden.
Es gliedert sich in folgende Teile:

  1. Teil I: „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage“
  2. Teil II: „Und es waren Hirten in derselben Gegend“
  3. Teil III: „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“
  4. Teil IV: „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“
  5. Teil V: „Ehre sei dir, Gott, gesungen“
  6. Teil VI: „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“

Mehr möchte ich euch an dieser Stelle zu diesem Werk nicht verraten, da ich über keine klassische Musikausbildung verfüge. Macht es einfach, wie ich. Hört, vernehmt und genießt.
Und wie gesagt. Ihr findet das Werk bei allen Musikanbietern. Ich werde jetzt an dieser Stelle keine Werbung für eine besondere Aufführung machen, weil es mir fern liegt, diese zu beurteilen. Die beste Inszinierung kann nicht gesucht, sondern muss von jedem für sich gefunden werden.
Wenn ihr mögt, dürft ihr euren Fund gerne in den Kommentaren mit uns teilen.

Lasst mich den Beitrag mit einem Kommentar eines unserer Leser beschließen. Er schrieb damals:

Ja, in der Tat: großartige Musik. Es macht auch nicht viel, dass uns vieles heute nicht mehr so klar ist beim Hören. Beispiel: ganz viel Trompete gleich am Anfang. Wir würden heute sagen: naja klar, schön feierlich eben. Damals hatte das hingegen zugleich eine Aussage; Trompetensignale bedeuten: Da kommt ein König, _der_ Herrscher überhaupt, Christus. Es ist wie bei vielen schönen Dingen: Je mehr wir davon verstehen, desto größer wird das Staunen; also gerade nicht: OK, kapiert, abgehakt; sondern: ach so, wow, stark! So, denke ich, geht es ja auch dem Blogger bei der Beschäftigung mit seinem Fach.

Und jetzt gibt es, wie schon in den letzten Jahren wieder den Querverweis auf den wunderbaren Adventskalender des Arbeitskreises der BLAutoren.
Bitte hier lang.

Startet gut und schön in die Advents- und Weihnachtszeit.
Alles liebe und gute wünscht euch
euer Sternenonkel.

Das verborgene Leuchten


Meine lieben,
morgen ist St. Martin. Das ist zum einen das Fest des Teilens und der Nächstenliebe, zum zweiten, ein Lichterfest mit Laternen, und für einen beachtlichen Teil der Menschheit beginnt etwas, das man die fünfte Jahreszeit nennt, und womit ich leider überhaupt nichts anfangen kann. Nehmen wir uns also zum Anlass ein schönes Licht-Thema vor, das man normalerweise nicht so auf dem Schirm hat.
lasst mich diesen Artikel mit einer Strophe des Liedes „Die sieben Gaben“ von Gerhard Schöne beginnen.
In diesem Lied heißt es:

Wenn ich Dir was wünschen dürfte,
mein liebes Kind,
wünscht ich Dir die sieben Gaben,
die nicht leicht zu haben sind.
Das Geheimnis eines Steines,
außen Grau und unscheinbar,
weiß er doch in seinem Innern
ein Kristall sternenklar.

Ich weiß jetzt nicht mehr genau, ob die folgende Frage von euch oder aus einem Podcast kam.
Die Frage war, ob es denn im Inneren unserer Erde leuchtet, wenn der Erdkern mehrere tausend Grad heiß ist.
Tatsächlich habe ich mir diese Frage auch schon gestellt.
Gehen wir ihr also zu St. Martin 2025 nach.

Ab wann glüht was?

Ein Körper beginnt sichtbar zu glühen, wenn er über ca. 500–600 °C heiß wird. Das beginnt mit rötlichem Glühen (wie bei glühender Kohle).
Ab ca. 1.200 °C wird das Glühen weißlich.
Bei 5.000–6.000 °C wie im Erdkern strahlt ein Körper im sichtbaren Spektrum sehr intensiv, ähnlich wie die Sonne – also weiß-gelblich.
Je heißer ein Körper wird, desto weißer und heller wird das Licht – wie bei der Sonne (etwa 5.500 °C an der Oberfläche).
In der Physik gibt es in diesem Zusammenhang den Begriff des „schwarzen Körpers“. Den schauen wir uns kurz an:
Wie bitte? Ich denke, es geht um etwas leuchtendes. Schwarz ist doch eher dunkel?
Ja, stimmt, und deshalb müssen wir uns damit beschäftigen.

Was ist das?

Ein „Schwarzer Körper“ ist ein ideales physikalisches Modell:
Er absorbiert alle elektromagnetische Strahlung, die auf ihn trifft – egal welche Wellenlänge.
Er reflektiert nichts, daher wirkt er perfekt schwarz.
Gleichzeitig ist er ein perfekter Strahler: Er sendet bei jeder Temperatur genau die Menge und Art von Strahlung aus, die seine Temperatur vorgibt.
Ein Schwarzer Körper ist also wie ein idealer „Lichtofen“, der nichts zurückhält, nichts verliert, aber selbst ein perfektes thermisches Strahlungsspektrum abgibt.
In der Realität kommt z. B. ein glühendes Stück Metall oder ein Stern diesem Modell relativ nahe.
Sonne und Erdkern sind ganz gute Näherungen an einen Schwarzkörper.

Wie ist das also jetzt bei unserer Erde?

Der innere Erdkern hat Temperaturen von ca. 5.000 bis 6.000 °C, also ähnlich heiß wie die Oberfläche der Sonne.
Der Erdkern ist also in diesem Sinne eine Art „Metallsonne unter der Erde“, .
Wir sehen leider nichts davon, weil Erdmantel und Erdkruste nicht lichtdurchlässig sind. Alle Photonen werden dort gestreut, so dass die Lichtenergie lediglich etwas zur Heizung im Innern der Erde beiträgt, denn verloren geht diese Energie natürlich nicht.
Bei solchen Temperaturen beginnt ein Körper thermisch zu strahlen, das ist dann Schwarzkörperstrahlung.
Das bedeutet:
Wäre der Erdkern von einem durchsichtigen oder durchsichtig gemachten Material (z. B. Quarzglas oder Diamant) umgeben, das die Strahlung nicht absorbiert oder streut, dann würden wir ihn als eine gleißend helle Lichtquelle sehen.Die Erde verliert heute ca. 40 bis 45 Terawatt an Wärmeleistung durch ihre Oberfläche – das ist winzig im Vergleich zur Sonneneinstrahlung, aber eben nicht nichts.

Und jetzt, wo wir wissen, dass es im Innern unserer Erde hell sein muss, würdigen wir noch die Personen, die das ganze entwickelten.

  1. Wilhelm Wien (1893):
    Er fand das Wien’sche Verschiebungsgesetz
    Es sagt: Je heißer ein Körper, desto kürzer ist die Wellenlänge, bei der er am meisten strahlt.
  2. Stefan-Boltzmann:
    Josef Stefan (experimentell) und Ludwig Boltzmann (theoretisch) fanden das Stefan-Boltzmann-Gesetz:
    Es beschreibt die gesamte abgestrahlte Leistung P eines Schwarzen Körpers bei einer bestimmten Temperatur T.
  3. Max Planck (1900):
    Er löste das große Problem: Die klassische Physik konnte die gemessene Schwarzkörperstrahlung nicht korrekt berechnen – sie sagte eine unendliche Strahlung bei kurzer Wellenlänge voraus (die sogenannte Ultraviolett-Katastrophe).
    Planck führte deshalb die Idee ein, dass Strahlung nicht kontinuierlich, sondern in Energiepaketen (Quanten) abgegeben wird:
    E=h⋅f
    (mit h = Plancksches Wirkungsquantum)
    Damit war die Quantenphysik geboren.

Und noch mehr Beispiele

Auch unsere Sonne erfüllt viele dieser Kriterien erstaunlich gut:
Die Sonnenstrahlung folgt sehr genau dem Planckschen Strahlungsgesetz.
Ihre Strahlung hat ein Maximum bei etwa 500 Nanometern (grünlich), was einer Temperatur von etwa 5.800 K entspricht – genau das ergibt sich auch aus dem Wien’schen Verschiebungsgesetz.
Das Spektrum ist sehr glatt – ohne große Lücken oder Spitzen.
Die sichtbare Oberfläche der Sonne (die Photosphäre) ist ein heißes, ionisiertes Plasma – das ist dicht genug, um wie ein Schwarzer Körper zu strahlen.
Die Photonen, die dort entweichen, haben eine lange Geschichte hinter sich: Sie wurden im Sonneninneren erzeugt, wanderten jahrhundertelang durch Streuung und Absorption und werden schließlich an der Photosphäre frei – das ist der Ort, von dem die Schwarzkörperstrahlung stammt.
Tja, und das ist es eben, was auf der Erde nicht funktioniert. Das Licht im Innern der Erde kommt nie frei. Außer manchmal, wenn glühend leuchtende Lava entweicht.
Dann, und nur dann verät die Erde sich und gibt uns Kunde vom inneren Leuchten.
Das ganze führt uns aber noch zu einer anderen Frage:

Ist ein schwarzes Loch auch ein Schwarzkörper?
In gewisser Hinsicht schon:
Ein Schwarzes Loch absorbiert tatsächlich alles, was hineinfällt – nicht nur Licht, sondern jede Form von Energie.
Es reflektiert nichts – nicht einmal Informationen (nach klassischer Physik).
Es war lange der Inbegriff eines perfekten Absorbers – also noch „idealer“ als ein klassischer Schwarzer Körper.
Ein Schwarzer Körper strahlt thermische Strahlung ab, ein klassisches Schwarzes Loch nicht, Zumindest nicht in der klassischen Physik.

Dann kam Stephen Hawking (1974):
Hawking zeigte mithilfe der Quantenfeldtheorie in gekrümmter Raumzeit, dass Schwarze Löcher doch eine winzige thermische Strahlung aussenden.
Diese Strahlung entsteht nicht im Loch selbst, sondern direkt am Ereignishorizont, durch sogenannte Quantenfluktuationen.

Dabei entsteht ein Teilchen-Antiteilchen-Paar nahe dem Horizont – eines fällt hinein, das andere entkommt → aus Sicht eines entfernten Beobachters scheint das Schwarze Loch zu strahlen.
Je kleiner das Schwarze Loch, desto heißer ist merkwürdiger Weise die Strahlung.
Für ein Schwarzes Loch mit der Masse der Sonne liegt die Temperatur bei etwa 60 Nanokelvin – also viel kälter als das kosmische Mikrowellen-Hintergrundlicht → praktisch unsichtbar.
Erst sehr kleine Schwarze Löcher (z. B. hypothetische „Primordiale“) würden messbar strahlen – aber sie wurden bisher nicht nachgewiesen.

Fazit

also mich fasziniert es unglaublich, dass es tatsächlich unter unseren Füßen leuchtet.
Ich wünsche mir, dass das Meer z. B. einen Glasboden hat. Dann gäbe es Michael Endes Meeresleuchten aus Jim Knopf tatsächlich.
Wenn man an so Sachen, wie Bergkristalle denkt, dann kann man sich vorstellen, dass es vielleicht im Innern von den Höhlen der Zwerge aus dem Herrn der Ringe, auch leuchtet.
Ich hoffe, dass ihr nun auch etwas von dem Geheimnis spürt, das im Innern unserer Erde schlummert.

Leuchtende Verführung


Meine lieben,
beginnen wir unseren Beitrag zu Hallooween 2025 mit einem Zitat aus einem Hörspiel. Hörspiel deshalb, weil dort das Zitat deutlich kürzer ist, als aus dem Buch.

Es war Mitternacht, und im Haulewald brauste der Sturmwind.
Plötzlich huschte ein schwacher Lichtschein in Zick-Zack-Linien durch das Gehölz.
Es war ein Irrlicht, und es hatte den Weg verloren.
In der rechten Hand trug es eine winzige weiße Fahne.
Es handelte sich offenbar um einen Boten…

Nah, habt ihr erraten aus welcher Geschichte ich hier zitierte? Die Auflösung gibt es unten am Ende des Beitrages.
Was ihr aber sicher schon erraten habt ist, worum es heute zu Halloween gehen wird. Genau. Es geht um Irrlichter.

Steigen wir also ein.
Der Nebel liegt schwer über dem Moor.
Ein einsamer Wanderer tastet sich Schritt für Schritt durch das feuchte Gras.
Kein Laut, nur das leise Glucksen des Bodens unter seinen Füßen.
Dann – ein Licht.
Zuerst schwach, dann heller.
Ein kleines, bläuliches Flämmchen tanzt über dem Boden, kaum größer als eine Kerze, und scheint ihn zu locken: Komm näher…
Doch immer, wenn er sich annähert, zieht es sich ein Stück zurück – flackernd, schwebend, verspielt.
War es eine Seele? Eine List der Natur? Oder einfach nur der Atem der Erde?

Die Menschen früherer Zeiten konnten sich die Irrlichter nicht erklären – und so gaben sie ihnen Geschichten.
Im alemannischen Raum heißen sie Drudefüür, Seelenlichtle oder Männle mit dem Füürle.
Man sagte, es seien die Seelen derer, die keine Ruhe fanden:
Die Geizigen, die den Zehnten nicht bezahlt hatten, oder die Verirrten, die zwischen den Welten wandelten.

Wanderer wurden gewarnt, einem Irrlicht zu folgen – es führe geradewegs ins Moor, wo man versinke, wie die Seele in der Sünde.
In manchen Gegenden glaubte man auch, Irrlichter seien gute Geister, die den Weg zum Himmel suchten.
Zu Allerheiligen und Allerseelen, also in der Zeit um Halloween, erzählte man sich, dass die Grenze zwischen den Welten durchlässig wird.
Dann, so hieß es, tanzen die Irrlichter häufiger – als Zeichen dafür, dass die Verstorbenen unter uns weilen.
Das mit der durchlässig werdenden Grenze zwischen den Welten finden wir übrigens auch in den Geschichten, Mythen und Sagen, welche sich um Polarlichter ranken. Aber die heb ich mir für einen anderen Halloween auf.
Dass etwas an den Irrlichtern dran sein muss, darf kaum bezweifelt werden, denn es gibt sie in so vielen Kulturen, und meist dort, wo es Moore gibt. Schauen wir uns also jetzt an, was die Wissenschaft dazu zu sagen hat.

Immer dann, wenn wir ein Naturphänomen nicht verstehen, geben wir ihm bis heute Geschichten, Mythen und Sagen.

Heute wissen wir: Irrlichter sind keine Geister, sondern chemische Lichtphänomene, die aus dem Inneren der Erde aufsteigen.
In den faulenden Tiefen eines Moores entsteht durch den Abbau abgestorbener Pflanzen Methan (CH₄). Begleitet wird es oft von Phosphin (PH₃) und Diphosphin (P₂H₄) – Gase, die bei Kontakt mit Luft spontan zu leuchten oder sogar zu brennen beginnen.
So entstehen diese kleinen, flackernden Flämmchen, die scheinbar über dem Boden schweben.
Sie brennen mit kaltem, bläulichem Licht, lautlos und kurzlebig. Ein Hauch von Chemie – aber einer, der Jahrhunderte lang die Fantasie beflügelt hat.

Manchmal steckt hinter einem Irrlicht auch Biolumineszenz: Leuchtbakterien oder Pilze, die in feuchtem Holz oder Moorboden leben. Ihr Leuchten ist nicht heiß, sondern biologisch – wie bei Glühwürmchen.
Solche Lichter scheinen stationär zu leuchten und könnten in sehr dunklen Nächten als „Irrlichter“ wahrgenommen werden.

Manchmal reflektiert auch einfach feuchter Nebel das Licht entfernter Quellen (z. B. Kerzen, Lagerfeuer, Autoscheinwerfer). Durch die Dämpfe und Bewegungen in der Luft wirkt das Licht dann geisterhaft schwebend.

Warum sie wandern:
Wenn Methan- oder Phosphingase aus einem Moor aufsteigen, werden sie von leichten Luftströmungen getragen. Dadurch scheinen die Lichter einem Menschen aus der Ferne zu „folgen“ oder vor ihm davonzuschweben — was den alten Volksglauben vom „verführenden Irrlicht“ befeuerte.

Ja, nun wissen wir es also, wie die Dinger funktionieren. Aber für mich haben sie ihre Faszination längst noch nicht verloren. Vor dem Wissen kommt immer erst das Staunen. und genau dieses muss nicht in dem Moment aufhören, wo man etwas entzaubert hat, weil man versteht, wie was funktioniert.

Heute wissen wir also, dass kein Geist im Moor spukt.
Und doch – wenn wir ehrlich sind – verlieren die Irrlichter nichts von ihrem Zauber.
Denn sie zeigen uns, wie dünn der Schleier zwischen Wissenschaft und Wunder manchmal ist.

Vielleicht sind sie tatsächlich Seelenlichter – nur anders, als die Menschen früher glaubten.
Nicht die Seelen der Toten, sondern die leuchtenden Atemzüge der Erde selbst, die kurz sichtbar werden, wenn sie Leben und Verfall ausbalanciert.

Wenn du also an einem kühlen Herbstabend über ein Moor gehst und ein fernes Flackern siehst –
dann halte inne.
Atme den feuchten Nebel, hör auf das leise Zischen der Erde –
und grüße das Irrlicht.
Es ist kein Spuk – es ist Physik, die Poesie geworden ist.
Ja, Ja, Ja, Poesie von der KI…

Ach ja, da fehlt ja noch was; das Buch aus dessen Hörspiel ich zitierte.
Es war natürlich „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende.
Das Irrlicht, Namens Blupp, trifft in einer Waldlichtung auf drei weitere Gestalten Phantasiens, einen Steinriesen, einen Nachtalp und einen Winzling. Sie tauschen sich aus, und stellen fest, dass ganz Phantasien in Gefahr ist, weil sich das „Nichts“ offenbar überall ausbreitet.
Alle viere machen sich nun getrennt auf den Weg zum Elfenbeinturm, um der kindlichen Kaiserin zu berichten.
Der Nachtalp auf seiner Fledermaus fliegend glaubt, dass er das Ziel als erster erreichte. Aber weit gefehlt. Es war der Winzling auf seiner Rennschnecke, der ihn bereits mit seinem Hut winkend, erwartet.

und schließlich erreicht auch der Steinriese das Ziel, der in einem Anfall von Heißhunger sein Steinfahrrad verspeist hatte, und deshalb den Großteil des Weges zu Fuß zurücklegen musste. Ob das Irrlicht jemals ankam, oder sich erneut verirrte, erfahren wir leider nicht.
Und dann nimmt die unendliche Geschichte eben ihren Lauf.

Hier kommt für euch noch eine Irrlicht-Geschichte zu Halloween.
Natürlich! 🌫️ Hier ist eine klassische Sage, in der ein **Irrlicht** Menschen in die Irre führt — sie stammt aus dem **norddeutschen Volksglauben**, ist aber in ähnlicher Form in ganz Mitteleuropa verbreitet:

Die Sage vom Irrlicht im Moor, gefunden von ChatGPT.
In alten Zeiten, so erzählt man sich im Norden Deutschlands, gab es nahe eines kleinen Dorfes ein weites Moor, das bei Nacht gefährlich war. Niemand wagte sich nach Sonnenuntergang dorthin, denn dort sollen Irrlichter tanzen — kleine, bläuliche Flammen, die dicht über dem Boden schweben und trügerisch wie Laternen flackern.

Eines Abends kehrte ein junger Bauer spät vom Markt zurück. Der Mond war von Wolken verdeckt, und der Heimweg führte dicht am Moor vorbei. Plötzlich sah er in der Ferne ein kleines Licht — warm und freundlich, wie von einer Laterne, die jemand vor sich her trägt.

„Da wird wohl einer vom Dorf sein, der mir den Weg zeigt“, dachte der Bauer erleichtert, und er folgte dem Licht. Doch das Licht wich ihm immer ein Stück aus, gerade weit genug, dass er es nicht erreichte.

Bald war der Weg unter seinen Füßen weich und sumpfig geworden. Das Licht flackerte näher und ferner, bis der Mann merkte, dass er mitten im Moor stand. Ein kalter Wind zog auf, und das Licht begann, höhnisch um ihn zu tanzen. Da wusste er, dass es kein Mensch war, sondern ein **Irrlicht**, das ihn ins Verderben führen wollte.

Verzweifelt bekreuzigte sich der Bauer und sprach ein Gebet. Da erlosch das Licht mit einem zischenden Laut — und plötzlich hörte er in der Ferne den Hahn krähen. Mühsam tastete er sich zurück, bis er endlich festen Boden spürte. Am nächsten Morgen fand man seine Fußspuren — sie endeten nur wenige Schritte vor einem tiefen Tümpel, in dem schon viele verschwunden waren.

Seit jener Nacht warnte man im Dorf die Kinder:
„Folge niemals einem Licht im Moor, wenn du allein bist. Es könnte ein Irrlicht sein, das deine Seele holen will!“

Wir feiern einen alten Schinken


Meine lieben,

wie die Zeit vergeht.
an diesem 01.10.2025 feiern wir den Geburtstag eines inzwischen recht abgehangenen alten Schinkens
Es handelt sich dabei um nichts geringeres, als um mein erstes veröffentlichtes Buch.
Gedruckt ist es im Handel vermutlich nicht mehr zu bekommen, aber als Ebook schon noch. Es ist auch in den Hörbüchereien für blinde Menschen aufgelesen worden, und kann dort ausgeliehen werden.
Und ja, es führt auch auf dem Blog ein Weg zu ihm. Bitte hier lang.
Ich finde, dass ich irgendwie diesen Geburtstag gerne mit euch feiern möchte, weil das Buch der Anfang von etwas ganz großem war, das z. B. in Form dieses Blogs, meinen vielen Vorträgen und sonstigen Beiträgen in den Medien, begann, und bis heute, zum Glück auf etwas kleinerer Flamme, andauert und noch immer sehr lebendig ist.

Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass ihr mein Buch gelesen habt, hilft aber eventuell schon zum Lesen dieser kleinen Feierstunde. Ich werde die Feier so gestalten, dass ich am Inhaltsverzeichnis des Buches entlang gehe, und dort mir Dinge herausgreife, die sich verändert haben, die einfach nicht mehr ganz passen oder auch nicht mehr ganz stimmen.
Wie stelle ich es jetzt nur an, mit euch zu feiern, ohne mich selbst dabei zu sehr zu bauchpinseln oder zu wichtig zu nehmen?
Fangen wir also an.

Vorwort …………………………………………………………………. 9

Hinter diesem Vorwort stehe ich nach wie vor. Ich brenne noch immer für die Sache, und solche Beispiele, wie mein Buch werden in heutiger Zeit immer wichtiger.
Vielmals wird das Wort „Inklusion“ über Gebühr strapaziert. In dem Sinne ist mein Buch besser, weil dort drinnen steht, wie das gehen kann.

Mein Forschergeist wird geweckt…………………………15

Hierzu kann ich nur sagen, dass er nie eingeschlafen ist seither. Ich genieße es sehr, dass ich heute so viel Zugang zu Wissenschaft habe.
Ich komme z. B. bei den ganzen Wissenschaftspodcast, die ich gerne hören würde, schon gar nicht mehr hinterher.
Auch das Angebot an Hörbüchern, Blogs und News ist so überwältigend, wenn ich da an früher denke. Wir hatten quasi „nüscht“, wie der Berliner sagen würde. Und heute ergießt sich auch für mich Wissen und Bildung wie das Wasser des Lebens.

Weltraumhelden ………………………………………………15

Natürlich habe ich heute eine etwas andere Sicht auf meine Weltraumhelden der Kindheit. Ich habe aber in der Zwischenzeit mich auch hier schon häufiger, mit den Weltraumhelden unserer Zeit befasst. Ich finde es ganz großartig, wenn Alexander Gerst, den ich sogar schon einmal life am KIT hören durfte, Samantha Cristoforetti, Matthias Maurer mit Büchern, Interviews, Podcasts und vielem mehr uns für Wissenschaft und Weltraum begeistern. Sie sprechen mit unterschiedlichsten Personen und haben sogar von der ISS aus mit Kindern gefunkt.
Zu meinem Erlebnis mit Alexander Gerst geht es hier lang.
Sie sind eindeutig die Weltraumhelden von heute. Ich habe deren Bücher verschlungen…

Super-Oma……………………………………………………….16

Sie konnte mir in Wissenschaft zwar nicht viel beibringen, aber die Neugier für alles pflanzte sie sicher auch mit in mein Herz. Sie versuchte immer meine Fragen zu beantworten. Leider konnte sie mein Buch und den Ruhm, den ich damit hatte, nicht mehr genießen. Aber sie ist darin verewigt.
Selbiges gilt auch für meinen Großvater und einige andere.
Meine Superoma stand mir nie im Wege und förderte mich mit ihrer Liebe und auch materiell, so weit sie konnte.

Frag und es wird Tag ………………………………………..18

Das stimmt einfach. Deshalb haben wir hier auch diese Rubrik eingeführt. Bitte nutzt sie weiter. Versucht immer gute Antworten zu geben, wenn Kinder etwas fragen, oder gebt es unumwunden bitte gleich zu, wenn ihr die Antwort nicht kennt…
Und wenn es auch abgedroschen klingen mag. Dumme Fragen gibt es nicht, weil Dumme in der Regel nichts fragen, und sich mit ihrer freiwillig gewählten Unwissenheit zufrieden geben.

Astronomische Erlebnisse…………………………………….23

Ich hoffe sehr, dass ich es noch erleben darf, dass wir zum Mond zurück kehren.
Bei der ersten Mondlandung war ich erst vier Monate alt.
Leider war ich zur 50jährigen Mondlandung krank, so dass ich nur vom Bett und später mit euch schriftlich feiern konnte.
https://blindnerd.de/2019/12/11/meine-jahres-mondfeier/
Ich wünsche mir sehr, dass unsere Kinder und Jugend die Raumstation und alle sonstigen Bemühungen im Weltall mit so viel Begeisterung und Anteilnahme erleben können, wie ich damals mit Skylab, die Space Shuttles, die Mir-Station oder auch Hubble. Dass die Voyagermissionen noch immer funktionieren, hätte ich mir niemals träumen lassen, wenn mein Buch mal zehn Jahre feiert. Ich habe mal gehört, dass die Ingenieure sich teilweise ihren Vorgesetzten widersetzten, indem sie von manchem Bauteilen die zwar teurere, aber bessere Variante eingebaut haben. Das sollten wir uns bei unserer heutigen Billig-Produktion manchmal zu Herzen nehmen. Ich wundere mich zwar immer, wie robust unsere Smartphones sind, die so gerne mal durch Straßenbahnen, Züge oder Busse geworfen werden, aber trotz ihrer Leistung. Zum Mond, zum Saturn oder wer weiß wo hin, würde ich mit solch einem Computer nicht fliegen wollen, sei er noch so gut geschützt gegen Weltraumstrahlung.
Aber passt doch bitte trotz allem besser auf eure Smartfones und sonstigen Gadgets auf. Mir tut das im ganzen Körper weh, wenn ich hören muss, dass wieder eines zu Boden gefallen ist, und dieser Klang ist typisch und mit nichts anderem zu verwechseln…
Wie auch immer.
Solche großen Weltraumprojekte funktionieren ungeachtet aller Differenzen zwischen Nationen, und sind somit Zeichen des Friedens, Zeichen des möglichen und der Beweis dafür, dass die Menschheit grundsätzlich in der Lage wäre, globale Probleme, wie den Klimawandel anzugehen, wenn wir endlich….

Cassini-Huygens……………………………………………….60

Die im Buch erwähnte Cassini-Huygens-Mission zu Saturn und seinem Mond Titan ist mittlerweile abgeschlossen. Welch eine großartige Mission. 13 Jahre flog sie dort rum, und kurz vor ihrem Ende funktionierte nur eine kleine Antenne nicht mehr, die nicht mal wichtig war. Es war sogar noch Treibstoff für einige riskante Durchflüge der Saturnringe übrig, bevor sie dann ihr Leben in den hoffentlich weichen Gashüllen des Planeten beendete.
Das Highlight für mich war die Episode dazu im Raumzeit-Podcast, in welcher der Fahrtwind erzeugt wurde, den der Lander Huygens bei seinem mehrstündigen Abstieg auf den Saturnmond Titan produzierte.
Raumzeit Podcast, Folge 30
Ja, sie ist nicht die einzige Mission, die ein Mikrofon dabei hat. Der Marsrover mit dem schwierigen Namen und dem Hubschrauber, hat auch eines, und es gibt Aufnahmen dazu, wie der Rover fährt und der Hubschrauber in der dünnen Marsatmosphäre fliegt.
https://mars.nasa.gov/resources/22201/sounds-of-mars-nasas-insight-senses-martian-wind/?site=insight
Es ist so schade, dass es vom Inneren der ISS so wenige Audios gibt.

Da es meinen Blog zum Ende der Cassini-Huygens-Mission noch nicht gab, feierten wir das im Nachgang unter:
Ein schwerer Abschied.

Schulzeit und Studium………………………………………….65

Bei diesem Kapitel hat sich natürlich nichts verändert, da es meine Vergangenheit ist.
Ich kann dazu nur nochmal sagen. Weichen zu Wissenschaft und ganzheitlichem Denken werden dort gestellt. Ich mag mich durch andere Medien und vor allem mittels viel weniger Möglichkeiten, an die Astronomie herangetastet haben, was nicht selten ein mühsamer Weg war. Heutzutage mit den aktuellen Medien, geht das für alle Menschen leichter. Das Wissen steht uns zur Verfügung. Vielleicht eines nur zum Thema Schule. Bitte achtet darauf, das Kinder wieder mehr lesen. Richtige Weltraumhelden entstehen nicht im Video, sondern indem man über sie liest, und sie selbst entstehen lässt. Dass junge Menschen heutzutage nicht mehr viel lesen, könnte uns zu einem großen Problem werden.

Seit Erscheinen meines Buches durfte ich so oft erleben, wie wunderbar Astronomie und Weltraum ganz besonders für Kinder funktioniert. Nichts gegen euch Erwachsene, aber Kinder sind das coolste, das am leichtesten zu begeisternde und das Publikum mit den wenigsten Berührungsängsten. Die Blindheit ist bei Kindern eigentlich nie Thema, wobei sie für euch oft erst mal das wichtigste überhaupt ist…

Hier einige Artikel zu Workshops mit Kindern:
Astronomie für benachteiligte Kinder
Ich kam, sah und siegte
In meinen Jahresrückblicken werden sicherlich noch welche, über die ich nicht explizit Artikel verfasst habe, zu finden sein.

Und noch was:
Ein Land, das über Fachkräftemangel in Technik- und IT-Berufen klagt, kann es sich eigentlich nicht leisten, nahezu bundesweit die Astronomie aus dem Lehrplan zu verbannen, und die ganzen Schulplanetarien und Teleskope auf den Schulen in den neuen Bundesländern verrotten zu lassen. Das beklagen wir von der Deutschen Astronomischen Gesellschaft wirklich sehr.

Mein Weg zur Inklusion………………………………………..85

Dass mein Weg zur Inklusion nicht leicht war, beschrieb ich hier an unterschiedlichsten Stellen, z. B. in: Unter uns.
Spannend ist, dass die Nasa inzwischen ernsthaft darüber nachdenkt, ich glaub es läuft sogar schon ein Pilotprojekt, auch Menschen mit Beeinträchtigung zu Astronauten auszubilden.
Wäre ich noch etwas jünger, und hätte ich doch besser meinen Körper geschont, dann würde ich mich sofort melden…

Freizeiten………………………………………………………….88

Als ich mein Buch begann, hatte ich noch wenige Freizeiten und fast gar keine anderen Veranstaltungen zum Thema. Das kam erst langsam durch meine Autorenlesungen, was übrigens die anstrengendsten Vorträge überhaupt sind. Punktschrift lesen fällt mir nicht ganz leicht, und oft sind vor allem diese Lesungen mit umständlichen Reisen verbunden, die um so schwieriger sind, wenn ich keine Begleitperson habe. Also wenn ich etwas nicht vermisse, dann sind es gerade diese Lesereisen.

Ansonsten habe ich meine Freizeiten sehr mit allen möglichen Medien anreichern können, und oft kann ich die Inhalte auf mehrere Schultern verteilen, was die Sache viel spannender und fielfältiger macht.
Jeder bringt sich mit dem ein, was Mensch kann. Und ja, die Pandemie hat auch mich gelehrt, dass man durchaus auch mal eine Veranstaltung online durchführen kann. Dagegen wehrte ich mich lange, aber irgendwann sagte ich mir dann auch, dass es so besser ist, als würde ich den Menschen überhaupt nichts mehr geben können. Schon klar. Die, welches in dieser Zeit am nötigsten gehabt hätten, habe ich online vermutlich nicht erreicht…
In meinen Jahresberichten könnt ihr viel über derlei Aktivitäten lesen, so dass ich mir das hier jetzt erspare.
Auf jeden Fall ist das etwas, das ich hoffentlich dann auch noch im Ruhestand ausüben werde.
Wer mich mal für eine Freizeit oder Veranstaltung gerne hätte, darf mich gerne danach fragen.
Seit meinem Buch hatte ich bestimmt um 150 Freizeiten und sonstige Veranstaltungen.

Wissenschaftler mit vier Sinnen ………………………….133

Wer in einem meiner Vorträge war weiß, dass dieses Kapitel immer in irgend einer Form dran kommt. Es ist tatsächlich so. Die Astronomie und auch andere Wissenschaften haben eine gute Tradition, auch von Menschen mit einer Beeinträchtigung, erfolgreich betrieben zu werden. Ich nenne hier jetzt bewusst keine Namen, weil ich niemanden auf seine Beeinträchtigung reduzieren möchte. Aber dass es bis in die Gegenwart stimmt, durfte ich z. B. erleben, als ich auf dem Inklusionstag der IAU in Wien sprechen und ausstellen durfte. Da gab es Astronom:innen, die im Laufe ihrer Karriere erblindeten. Aus nahezu allen anderen Berufen hätte es jemanden raus geworfen, der so etwas erleiden muss. Aber in der Astronomie macht man einfach weiter. OK, dann halt nicht mehr am optischen Teleskop, aber es gibt ja noch die Radioastronomie und die Datenanalyse. Derlei geht eben auch akustisch.

Über diese Veranstaltung und die damit verbundene Ehre, die mir dort zu Teil wurde, schrieb ich in Inspiring Stars.

Anhänge …………………………………………………………… 141

In den Anhängen zu meinem Buch, erahnt Mensch, dass die Astronomie eine ganzheitliche Sicht auf die Welt eröffnet. So sind mir bis heute auf dem Blog Lyrik, Gedichte und Geschichten ganz wichtig. Hätten wir im Unterricht, egal in welchem Fach, mehr Geschichten bekommen, dann wäre sicherlich vieles spannender gewesen und vermutlich auch besser hängen geblieben. Und nicht zuletzt, hätten wir die Sinnhaftigkeit so mancher Inhalte begriffen.

Fazit:

Über anderthalb Jahre suchte ich einen Verlagfür mein Buch und erfuhr nur Ablehnungen.

  • Das Thema ist zu speziell,
  • so etwas verkauft sich nicht,
  • Blind und Astronomie kann ja gar nicht gehen…

waren Argumente der Ablehnung.
Den kleine Aquensis-Verlag in Baden-Baden konnte ich dann von meinem Mamuskript überzeugen, und wir machten einen Vertrag. Ein Grund, und da bin ich mir ganz sicher dafür war, dass der mittlerweile verstorbene Leiter selbst durch einen Schlaganfall halbseitig gelämt war, und dessen Sohn eine starke Hörbeeinträchtigung hat. Er war idealist genug…
Und dann kam aber schon mein erster Absturz.
Als mein Buch in der Presse angekündigt wurde, erhielt ich umgehend eine Einladung zur Sendung „Menschen der Woche“ des SWR, moderiert von Frank Elstner.
Das war an sich eine super erfahrung. Aber was macht er, er vergisst einfach mein Buch in die Kamera zu halten, und es zu erwähnen. Es lag vor ihm. Das kann man in der Sendung deutlich sehen.
Ich war am Boden zerstört über Wochen, und die Wunde ist nach all den Jahren noch nicht ganz geschlossen. Da schafft man es trotz aller Widrigkeiten zu einem Buch und in so eine Sendung, und dann …
Am meisten ärgerte ich mich auch darüber, dass ich damals viele Kontakte zu Leuten hatte, die mit Shows und Sendungen viel Erfahrung haben. Die ließen mich alle in das offene Messer laufen. Heute würde ich ganz selbstbewusst mein Buch ungefragt in die Kamera halten.
Aber was solls. Gelernt habe ich bei all dem sehr viel, weil ich im Grunde genommen jeden Fehler gemacht habe, den man bei der Erstellung und Veröffentlichung eines Buches überhaupt machen kann. Und ob ich mehr Bücher verkauft hätte, wenn der gute alte Frank mein Buch in die Kamera gehalten hätte, ist so ungewiss, wie die Antwort auf die Frage, was vor dem Urknall war.

Welche Frage von euch jetzt kommen könnte, und welche mir auch schon oft gestellt wurde ist die, wann denn mein zweites Buch erscheint.
Die Antwort darauf ist: „Ich weiß es nicht.“
Alles in allem habe ich mit dem ersten Buch nicht die besten Erfahrungen gemacht. Mit meinem Verlag hatte ich ein riesiges Glück. Ansonsten hatte ich nur Absagen. Geschrieben habe ich mittlerweile genug, womit ich vielleicht einen Verlag zu einer Buchidee überreden könnte, aber das ist dann auch je nach dem, sehr teuer. Naja, Selbstverlag oder so ein Online-Dienst ginge ja auch.
Meine Themen sind halt so richtige Randthemen. Und dann ist es ja so, dass es wahrlich schon so viele Bücher über Astronomie gibt, dass es schwer ist, ein Alleinstellungsmerkmal, also einen Grund dafür zu finden, wieso gerade mein Buch besonders lesenswert sein soll. Ich würde wenn, dann schon gerne bei meinem Alleinstellungsmerkmal „Blind zu den Sternen“ bleiben, aber damit bedient man halt dann wieder nur eine Randgruppe…
Ein Grund, der auch deutlich gegen ein neues Buch spricht, ist die elende Schlepperei auf Lesereisen. Jeder, der schon mal bei einem Umzug geholfen hat weiß, wie verdammt schwer Bücherkisten sein können…
Und dann ist es leider oft so, dass Sehende bei meinen Vorträgen, wenn es dann an den Buchverkauf geht, es nicht schaffen, die Barriere zu mir in ihrem Kopf zu überwinden.
Wie spreche ich ihn an?
Kann er mir mein Buch auch signieren?
Klappt das mit dem Geld und dem Rausgeben, wenn ich es nicht passend habe?
Nö, da bestelle ich mir das Buch lieber online, oder vergesse es, bis ich wieder daheim bin.

Also momentan fühle ich mich mit euch, meine Leser:innen, meinem Blog, mit dessen Inhalt man mittlerweile auch schon Bücher füllen könnte und meinen anderen Aktivitäten sehr wohl.
Und was ansonsten noch Bücher betrifft, so durfte ich mich an drei Anthologien des Arbeitskreises blinder Autoren (BLAutor) beteiligen. So etwas macht mir auch viel Spaß. Ja, so viel Werbung muss erlaubt sein, weil auch diese Anthologien sehr lesenswert sind. Zeigen sie doch auf unterschiedlichste Weise, welch wunderbares Leben man auch mit einer Beeinträchtigung führen kann. Wir sind durchaus nicht ständig leidend, werden aber gleichzeitig, wie ihr auch, vom Leid nicht verschont und den uns oft angedichteten sechsten Sinn, besitzen wir auch nicht.
Hier also die Links zu diesen weiteren Büchern, in welchen ich vorkomme…

  1. Blind verliebt
  2. Abenteuerliche Anekdoten blind erlebt
  3. Farbenfrohe Dunkelheit

Und was noch?
Großen Dank an all jene, die mich bei diesem mehrjährigen Buchprojekt begleitet und unterstützt haben. So etwas schafft keiner alleine.
Ich sage in aller Bescheidenheit und Demutvoll zu mir selbst:

Herzlichen Glückwunsch, gut gemacht…

Mensagespräche


Meine lieben,

heute geht es um etwas, worüber sich einige Nerds und ich neulich in der Mensa unterhielten.
Der Gegenstand von heute ist sehr flüchtig und kommt bei uns auf der Erde eher selten vor. Kommt es frei, dann haut es sofort ins Weltall ab. Obwohl es das zweithäufigste im Universum ist, ist es hier selten und kostbar.

Wir füllen es in Luftballons, die dann in die Höhe steigen und atmen es ein, damit wir wie die Mickymaus sprechen können.
Nicht zuletzt kühlen wir damit um die Wette, um möglichst nahe an den absoluten Nullpunkt von -273 Grad heran zu kommen, 0 Kelvin also.
Na klar. Ihr habt es längst erraten, dass es um Helium gehen wird.
Also los.

Die Entdeckung

Es ist kaum mehr als einhundert Jahre her, als die Wissenschaft noch davon ausging, dass die Sonne ähnlich aufgebaut sei, als unsere Erde. Nun ja. Immerhin zeigen sich im Sonnenspektrum auch viele Linien bekannter Elemente.
Erst eine Frau, mit Namen Cecilia Payne, räumte damit auf und erklärte uns den Sonnenstoff.
Ich schrieb darüber zum Weltfrauentag 2022 und in meinem Adventskalender in
Die Frau mit dem Sonnenstoff
Sie fand heraus, dass Sterne im wesentlichen aus Wasserstoff und Helium bestehen, und sich somit grundlegend vom Aufbau der Erde unterscheiden.
Also mich verblüfft das sehr, dass man etwas entdecken kann, obwohl man nicht vor Ort ist. Genau so ist das mit dem Helium passiert. Der Name sagt es ja schon. Helium heißt so, weil es eben nicht zuerst auf der Erde, sondern auf der Sonne entdeckt wurde.

Die Entdeckung des Heliums führt uns nach Indien in das Jahr 1868. Dort bewegte sich am 18.08. der Kernschatten einer Sonnenfinsternis über die indische und die malaiische Halbinsel.
Das wollten sich vor allem zwei Astronomen nicht entgehen lassen.

Den einen haben wir schon mal kennengelernt in Ein Sonnenforscher, eine Finsternis und ein Latenzaun
Der Astronom und Fotograf Pierre Jules César Janssen nahm also die beschwerliche Reise auf sich, um von Guntur in Indien aus diese Finsternis zu beobachten und zu fotografieren.
Als nach kurzer Zeit die Sonne wieder hinter der Mondscheibe hervortrat und die Protuberanzen verblassten, soll Janssen ausgerufen haben:
„Diese Linien will ich auch außerhalb der Finsternisse beobachten.“
Und was macht er danach? Er erfindet mal eben den Heliospektrographen.
Damit kann man Sonnenfinsternis auch am Tag und auf der ganzen Sonnenoberfläche erleben.

Den anderen der zwei, hätte diese Reise beinahe sein Leben gekostet.
Joseph Norman Lockyer schiffte sich auf der Psyche ein, um zum Ort des Geschehens zu gelangen. Leider erlitt er mit diesem Schiff Schiffbruch. Er wurde aber irgendwie gerettet, und erreichte mit knapper Not noch sein Ziel.
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass er gerade noch drei Sekunden Finsternis beobachten konnte.

Ja, es war schon gefährlich, damals ein Finsternisjäger zu sein. Je nach dem, wo sie stattfindet, ist das bis heute so. Seereisen mögen sicherer geworden sein, und viele Orte kann man per Flugzeug erreichen, aber oft fallen die Finsternisse dort hin, wo einem Krokodile oder Schlangen in die Füße beißen können…

Aber nichts für ungut, fanden beide unabhängig voneinander eine gelbe Linie im Sonnenspektrum, die bisher noch keinem Element auf der Erde zugeordnet werden konnte. Es musste sich also um einen Stoff handeln, den es scheinbar nur auf der Sonne zu geben schien. Grund genug, ihn Helium zu nennen.

Das ist doch absurd. Da versteckt sich unser Heimatstern mal kurz hinter dem Mond, und die beiden finden die gelbe Spektrallinie des Heliums.

Zum Glück passt eben nur der hell leuchtende mittlere Teil der Sonne hinter den Mond, so dass die spannende Korona noch seitlich hervorluggt. Zumindest bei totalen Finsternissen ist das so.
Somit war Helium das erste Element, das nicht zuerst auf Erden entdeckt wurde.
Es dauerte noch ungefähr dreißig Jahre, bis man es auch auf der Erde fand.

Der schottische Chemiker William Ramsay suchte in einem Mineral namens Cleveit (ein Uranerz) nach Argon.
Stattdessen fand er ein Gas mit genau jener geheimnisvollen gelben Spektrallinie – es war das Sonnen-Helium!
Kurz darauf bestätigten die schwedischen Forscher Per Teodor Cleve und Nils Abraham Langlet die Beobachtung und isolierten größere Mengen.

Was ist Helium?

  • Helium ist ein besonderes Element: Es ist ein sogenanntes Edelgas und gleichzeitig das zweitleichteste chemische Element nach Wasserstoff.
  • Ein Edelgas geht mit nichts chemische Reaktionen ein.
  • Es besteht in seinem Kern aus zwei Protonen und zwei Neutronen, der von zwei Elektronen umgeben ist.
  • Es kann nicht wie viele andere Stoffe durch chemische Prozesse hergestellt werden, da es sich um ein reines Atom handelt und nicht um eine Verbindung, die man mischen könnte.
  • Es kommt chemisch quasi einzeln vor, wobei sich die nicht edlen Gase mit ihresgleichen verbinden, wenn sich nichts besseres findet, z. B.
    Wasserstoff als H2,
    Sauerstoff als O2
    Stickstoff als N2
    und Helium eben alleine als He. Das hat zur Folge, dass man es sogar noch schlechter einsperren kann, als Wasserstoff, weil es alleine überall durchrutschen kann.

Das vorhin erwähnte Argon ist übrigens ebenfalls ein Edelgas. Es ist aber deutlich schwerer als Helium. Wenn man das einatmet, dann klingt man tiefer. Da Argon schwerer als Luft ist, muss man nach so einer Aktion einen Kopfstand machen, damit das schwere Gas wieder aus einem herausfallen kann, um wieder Platz für normale Luft in der Lunge zu schaffen.
Bitte besser nicht versuchen. Man könnte dabei ersticken.
Aber zurück zu unserem Sonnenstoff.

Natürliche Entstehung

Helium entsteht hauptsächlich im Inneren von Sternen durch Kernfusion: Wasserstoffkerne (Protonen) verschmelzen zu Helium. Dieser Prozess liefert uns die Energie der Sonne, den wir gerne hier auf Erden nachstellen würden.

Auf der Erde entsteht Helium bei radioaktivem Zerfall schwerer Elemente (z. B. Uran, Thorium). Dabei werden Alphateilchen frei, die im Prinzip Helium-4-Kerne sind. Diese sammeln sich in Gesteinen und reichern sich in Erdgaslagerstätten an. Deshalb wird fast das gesamte Helium, das wir nutzen, aus Erdgas gewonnen.

Künstliche Herstellung

Helium lässt sich, wie gesagt, nicht künstlich herstellen. Man kann es nur gewinnen und abscheiden. Das ist und bleibt zumindest so lange der Fall, bis es uns vielleicht eines Tages doch gelingt, das Sternenfeuer hier auf Erden in einem Kernfusionsreaktor zu zünden und am Leben zu halten. Die magische Zahl, des Versprechens lauten schon mindestens seit fünfzig Jahren, „fünfzig“, dann ist es so weit.

In Kernreaktoren, wo Alpha-Teilchen, also Heliumkerne entstehen, kann man es eventuell auch erzeugen. Aber wer will so radioaktives Zeugs.
Helium künstlich zu gewinnen lohnt sich nicht, weil die Mengen verschwindend klein und die Verfahren extrem teuer sind.
Deshalb nutzt man weiterhin das Helium, das in Erdgasvorkommen gebunden ist.

Es ist in Erdgasen nur in Spuren (0,1–7 %) enthalten, aber weil es extrem leicht und nicht brennbar ist, kann man es durch Trennverfahren isolieren.
Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (CH₄), dazu Ethan, Propan, Stickstoff usw.
Wenn man das Gasgemisch sehr stark abkühlt und unter Druck setzt (Tiefkühlung, „Kryogene Destillation“), werden fast alle Komponenten flüssig – außer Helium, weil es den niedrigsten Siedepunkt hat (−269 °C).
Helium bleibt also gasförmig übrig, während Methan und Co. schon verflüssigt sind.
Danach wird es durch mehrfache Reinigungsschritte (z. B. Aktivkohle, Membranen, Druckwechsel-Adsorption) von Spuren anderer Gase (v. a. Stickstoff, Neon, Wasserstoff) getrennt.
Am Ende erhält man Rohhelium mit ca. 70–80 % Reinheit.
Dieses wird dann noch weiter verflüssigt oder durch spezielle Adsorptionsverfahren auf über 99,999 % Reinheit gebracht, wie es für Labor, Medizin und Raumfahrt gebraucht wird.

Besonderheiten dieses Elements

Jedes andere Gas wird bei genügend tiefer Temperatur von selbst fest.
Helium aber bleibt bei Normaldruck bis zum absoluten Nullpunkt (0 K) flüssig. Ganz nebenbei. Den absoluten Nullpunkt kann man nicht erreichen, aber fast…
Erst wenn man Druck anlegt (ca. 25 bar bei Helium-4), kristallisiert es zu einem Festkörper.
Der Grund dafür sind quantenmechanische effekte.
Helium-Atome sind extrem leicht.
Die Bindungskräfte zwischen ihnen (Van-der-Waals-Kräfte) sind sehr schwach.
Bei tiefer Temperatur würden sie sich zwar normalerweise aneinander „festklammern“, aber:
Wegen ihrer geringen Masse haben die Atome eine hohe Nullpunktsbewegung (Quantenschwankung, die auch bei 0 K nicht verschwindet).
Diese Bewegung ist stärker als die Anziehungskräfte → die Atome können sich nicht an feste Plätze „binden“.
Helium bleibt also flüssig, wenn man keinen Druck anlegt.
Kühlt man Helium Unter 2,17 K (bei Helium-4) passiert dann etwas Magisches: Helium wird superfluid.
Es Fließt ohne Reibung durch feinste Röhrchen.
Es bildet dünne Filme, die Wände hochkriechen.
Es ann Wärmetransport extrem effizient übernehmen, wieso es als Kühlmitten eingesetzt wird, wo sehr tiefe Temperaturen gebraucht werden.
So wird beispielsweise eine Infrarot-Kamera unseres Web-Space-Teleskop mit Helium gekühlt, weil sie ansonsten zu warm wäre, um die Infrarotstrahlung messen zu können. Sie wäre dann dafür blind. Supraleitende Magnete, z. B. die im LHC im Zern, oder in Kernspintomographen kühlt man so weit herunter, bis das Material, aus welchem sie gemacht sind, seinen Widerstand gegen Strom aufgibt, und supraleitend wird. Damit kann man dann so starke Magnetfelder erzeugen, wie das mit nicht-supraleitenden Spuhlen, z. B. gewickelt aus Kupferdraht, niemals möglich ist.

Wenn man Helium einatmet (bitte nur ganz kurz und in sicherer Umgebung!), verändert sich die Stimme.
Der Grund ist nicht, dass die Stimmbänder schneller schwingen, sondern dass Helium viel leichter als Luft ist.
Die Schallgeschwindigkeit hängt von der Dichte des Gases ab:
In Luft: ca. 343 m/s
In Helium: ca. 970 m/s
Die Resonanzräume im Mund und Rachen klingen dadurch höher, weil die Resonanzfrequenzen steigen.
Das ist ein reiner akustischer Effekt, kein biologischer.

Fazit

Helium ist nicht nur im chemischen Sinne edel, sondern auch deshalb, weil es selten und wertvoll ist.

Vor allem seine Kühleigenschaften sind für uns Menschen unverzichtbar geworden. Magnetspintomographen, die in der Medizin verwendet werden, kühlt man gerne mal mit Helium oder Stickstoff.

Bis heute wird um die Wette gekühlt. Da fällt mir der Physiker Wolfgang Ketterle ein. Der war so eifrig dabei, dass er sich ein Feldbett in sein Büro stellte, denn auch er konnte jetzt nicht zu Bett gehen, wenn seine Kollegen und Mitarbeiter um die Wette kühlten.
So etwas nenne ich Beharrlichkeit…

Zum Schluss stelle ich in den Raum, dass es vielleicht nicht die beste Idee ist, unser kostbares Helium in Luftballons zu füllen, die sicher platzen, und somit das Helium in den Weltraum entlassen, weil es so leicht ist, dass unsere Erde es nicht daran hindern kann, zu entfliehen. Wir werden für unsere neuen Technologien, wie z. B. Quantencomputer und die Energiewende viel mehr Helium benötigen, als bisher.

Das Geheimnis des Regenbogens


Meine lieben,
erst mal vielen Dank für eure Rückmeldungen und Kommentare zu meinen Alemannischen Astronomen und natürlich auch zu meinem etwas untypischen Artikel Unter Uns.

Es haben mich jetzt doch einige Fragen zu den Entdeckungen meiner alemannischen Astronomen erreicht. Deshalb greife ich heute nochmal den Balmer auf, und was er gefunden hat. Und keine Sorge, der etwas exzentrische Zwicky soll auch nochmal dran kommen.
Ja, es ist eben etwas ganz besonderes, wenn man nach so vielen Jahren den ersten Auftritt in der Geburtsstadt hat, und die ganze Familie kommt. Damit ist man in einem Artikel noch nicht fertig.
Fangen wir also mal mit Balmer und seiner Formel an. Keine Angst, es wird nicht sehr mathematisch werden. Ich kenn euch doch.

Farben des Lichts

Das farbige Spektrum z. B. das, des Sonnenlichts, entsteht immer dann, wenn es in seine Farben aufgefechert wird.
Lässt man Licht durch ein Prisma, ein Fraunhofergitter mit sehr schmalen Linien, durch eine Regenwand als Regenbogen oder auf eine CD fallen, kann man die bunden Farben des an sich weißen Sonnenlichtes erkennen.
Das Licht sortiert sich zu einem Spektrum (Farbband) weil Licht unterschiedlicher Wellenlängen unterschiedlich stark abgelenkt wird.

Im Falle des Regenbogens muss das weiße Sonnenlicht ähnlich, wie bei einem Prisma durch die Regentropfen hindurch und wird so aufgespalten.
Wir kommen nachher nochmal auf ihn zurück.

Das Lichtwunder

Ein halbes Jahrhundert vor Balmer stand ein junger Glasmacher am Okular eines Teleskops. Joseph von Fraunhofer, ein bayerischer Waisenjunge, der sich mit harter Arbeit zum Optiker und Physiker hochgearbeitet hatte, beobachtete das Sonnenlicht durch ein Prisma. Was er sah, ließ ihn erstarren.

„Was zum Kuckuck… da sind dunkle Streifen im Regenbogen!“,

rief er.

Es waren hunderte, ja tausende dunkle Linien – wie kleine Risse im Farbspektrum. Niemand konnte erklären, warum sie da waren. Fraunhofer katalogisierte sie akribisch, gab ihnen Buchstaben, doch er ahnte nicht, dass er damit die Sprache des Universums aufgeschlagen hatte. Er starb früh, doch seine Linien lebten weiter.

Dann, in Heidelberg, einige Jahre später, brodelte es – wortwörtlich. Robert Bunsen, der mit seinem Assistenten Gustav Kirchhoff am Spektroskop arbeitete, hatte mit Hilfe seines neu erfundenen Gasbrenners herausgefunden, dass jedes chemische Element ganz eigene, bunte Linien ins Spektrum malte. Bunsen, ein Mann mit feinem Schnauzer und wachem Geist, hielt triumphierend ein Glasröhrchen in die Flamme.

„Schau, Gustav! Natrium – immer zwei gelbe Linien. Wie die Fensterläden bei meim Elternhaus!“

Sie erkannten, dass man mit dem Licht die chemische Zusammensetzung erkennen konnte – selbst von Dingen, die man nie anfassen würde.
Nun hatte man also das Werkzeug, die Spektralanalyse in der Hand, mit welchem man Dinge entdecken konnte, ohne dort gewesen zu sein, z. B. das Helium der Sonne. Dies ist aber mal eine eigene Geschichte wert.

Doch die Krönung dieser Reise sollte noch folgen – durch eine Frau, die sich gegen alle Widerstände durchsetzte. Ihr Name: Cecilia Payne. Eine junge Engländerin, die 1925 in Harvard promovierte – als erste Frau, und gleich mit einer Arbeit, die alles veränderte.

Sie hatte das Licht der Sterne durch Spektren analysiert und erkannte, dass sie vor allem aus Wasserstoff und Helium bestanden. Die damalige Wissenschaft hielt das für unmöglich – man glaubte, die Sonne müsse aus denselben schweren Elementen bestehen wie die Erde.

Doch Cecilia ließ sich nicht beirren. Ihre Formeln, ihre Logik, ihre klare Sicht auf das Licht überzeugten später selbst den größten Kritiker: Henry Norris Russell musste eingestehen, dass sie recht gehabt hatte. Damit hatte sie das wahre Wesen der Sterne enthüllt – nicht durch Teleskope, sondern durch Mathematik und Licht.
Das muss man sich mal vorstellen. Mit diesem chemischen Fingerabdruck lassen sich Dinge erforschen, ohne dort hin zu gehen. Sie müssen halt nur leuchten.

Neben der Tatsache, dass Sterne fast nur aus Wasserstoff und Helium bestehen, weiß man heute, dass in Spuren auch fast alle anderen Elemente in der Sonne vorkommen. Die hat sie sich bei ihrer Entstehung einverleibt, weil es vor ihr schon Sterne gab, die in Supernova-Explosionen diese schweren Elemente erzeugten und ins All geblasen haben.

Jedes chemische Element und Molekül besitzt sein eigenes Spektrum, sein eigenes farbiges Band, seine eigene Melodie, wenn man so will, wenn man es zum leuchten, z. B. durch Erhitzung anregt.
Es besitzt also einen ganz ihm eigenen Barcode, bestehend aus hellen und dunklen Linien oder Rissen im Farbspektrum.

Warum?
Weil in jedem Atom die Elektronen nur bestimmte Energiestufen einnehmen können. Wenn sie angeregt werden – zum Beispiel durch Hitze oder Licht –, springen sie auf eine höhere Stufe. Beim Zurückfallen senden sie Licht aus – aber nur in ganz bestimmten Farben. Diese Farben erscheinen im Spektrum als Linien. Für jedes Element anders. So erkennt man Natrium an zwei gelben Linien, Wasserstoff an mehreren Linien im blauen und roten Bereich, und Helium – wie Bunsen und Kirchhoff es entdeckten – an einer besonderen gelben Linie, die vorher unbekannt war.

Balmers Entdeckung

Also war das mit den Wasserstofflinien Balmer schon bekannt.
Bevor ich euch beschreibe, was der Alemanne sah, und wir seine Formel kennenlernen, hier noch etwas zum Verständnis.

Zur Beschreibung einer Welle benötigt man ihre Frequenz und ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit. Diese kennen wir für elektromagnetische Wellen, also Licht, im Vakuum genau. Licht breitet sich dort mit einer Geschwindigkeit von 300000 Kilometer pro Sekunde aus. Die Frequenz gibt an, wie oft eine Welle pro Zeiteinheit, z. B. einer Sekunde hin und her schwingt. Sie wird in Herz, oder dessen Vielfachen, z. B. Kiloherz oder Megaherz angegeben. Aus all dem kann man nun berechnen, wie weit sich eine Welle während einer kompletten Schwingung in ihrem Medium ausgebreitet hat. Unsere Lichtwellen schwingen so schnell, dass man ihre Ausbreitung in Nanometern angeben muss, um nicht so kleine Zahlen hinter dem Komma zu erhalten.

Beobachtet man also bis zum leuchten erhitzten Wasserstoff durch ein Prisma oder Fraunhofergitter, dann sieht man folgendes:

  • Bei 656 nm ein kräftiger roter „Ton“
  • Ein wenig weiter rechts, bei 486 nm, ein grünlich-blauer Akzent
  • Dann bei 434 nm ein schwächeres Blau
  • Schließlich bei etwa 410 nm ein zartes Violett

Je weiter man geht, desto enger und blasser werden die Linien, bis sie im Ultravioletten verschwinden.
Diese Linien sind wie Schritte auf einer Treppe des Lichts, wobei jede Linie für einen Quantensprung eines Elektrons steht.
Stellte man sie so akustisch da, dann lägen die Töne sehr nah beieinander. Aber wenn man das ganze etwas dehnte, dann wären die Klänge sicher gut zu unterscheiden.

Die Balmer-Serie endet dann bei einer minimalen Wellenlänge, der sogenannten Balmer-Grenze:
Diese liegt im Ultraviolett – also außerhalb des sichtbaren Bereichs.

Balmers Formel

In Balmers Formel geht es darum, das Spektrum des Wasserstoffs mathematisch zu erklären, also ohne Beobachtung im voraus zu berechnen.

Die Balmer-Formel beschreibt die Wellenlängen des sichtbaren Lichts, das von angeregtem Wasserstoffgas ausgestrahlt wird, wenn Elektronen auf die zweite Schale (n = 2) zurückfallen. Die dabei entstehenden Spektrallinien bilden die sogenannte Balmer-Serie.
Wie das genau funktioniert, erspare ich uns an dieser Stelle, weil wir dazu sogar in die Quantenphysik hinein müssten.

Im sichtbaren Bereich des Wasserstoffatom-Spektrums lassen sich vier Linien beobachten, deren Abstände voneinander mit abnehmender Wellenlänge kleiner werden. Sie werden, beginnend mit der größten Wellenlänge, als H‑α (H‑alpha), H‑β, H‑γ und H‑δ bezeichnet. Ihre Wellenlängen

Balmer nun war davon überzeugt, dass wenn man verschiedene Eigenschaften kennt, z. B. Temperatur, Frequenz etc, dann sollten sich doch diese Lücken auch mathematisch „voraussagen“ lassen. Er wollte wissen, wieso beim Wasserstoff das Spektrum genau so ist, wie es ist.
Wer nun die Formel genau studieren möchte, den darf ich auf den Artikel dazu bei Wikipedia verweisen. Dort wird sie gut und mathematisch erklärt.
Für all jene, welche Formeln in LaTeX lesen können, rate ich, unten auf der Seide in die mobile Ansicht umzuschalten. Dann seht ihr sie im LaTeX-Code.
Andernfalls hängt die Lesbarkeit stark davon ab, was euer Bildschirmleser mathematisch so drauf hat..
https://de.wikipedia.org/wiki/Balmer-Serie

Epilog

So kam es, dass ein Alemann mit Zahlen, ein bayerischer Glasmacher, ein Heidelberger Feuergeist und eine mutige Frau aus England zusammen über Zeit und Raum hinweg das Universum entschlüsselten.
Das Licht der Sterne ist kein bloßes Leuchten – es ist eine Nachricht. In seinen Farben liegt ein Geheimcode, geschrieben in Linien, die von jedem Element anders gezeichnet sind. Das Spektrum ist der Regenbogen des Universums. Und jedes Atom malt darin seine Signatur.

Wer also heute einen Sonnenstrahl durch ein Prisma fallen lässt, der sieht mehr als nur Farben. Er sieht eine uralte Geschichte – von Feuer, von Zahlen, von Mut und Erkenntnis. Und vielleicht flüstert dann der Wind auf Alemannisch:

D’Liecht isch meh als Liecht – es isch dr Klang vom Kosmos, gschriebe mit Farbe!

„Licht ist mehr. Licht ist der Klang des Kosmos, geschrieben mit Farben.“

Zu guter letzt

Hier zum Schluss noch eine Beschreibung eines Regenbogens und ein Gedicht von einer lieben Mitleserin:
Beschreibung:

im Vordergrund bzw dem unteren Drittel: Wiese, Häuser, Bäume, Bildmitte Regenbogen, der fast über den ganzen Himmel geht (nahezu vollständiger Halbkreis also), Drüber Wolken. Mit bloßem Auge (auf dem Foto leider nicht erkennbar) konnte man den spiegelbildlichen „Zwilling“ sehen – außen rot, innen blau der Zwilling mit noch außen blau war zu erkennen (gelb und rot nicht mehr). Aber so selten Regenbogen sind – mit „Doppel“ noch weniger hat mich das extrem begeistert. Hätte jetzt gerne ein passendes Musikstück für dich das mindestens Majestätisch, mit der großen Pauke und ausdrucksstark daher kommt…

Nun nimmt sie Bezug auf unseren Sternenwanderer, der unsere Radiosphären durchkreuzt, Siehe Artikel zu Ostern 2025.

Eigentlich sollten wir unserem Freund, dem Sternenwanderer, echt von dieser Naturschönheit des Regenbogens erzählen.

Und nun teilt sie noch ein Gedicht das sie in der ersten Klasse gelernt und bis heute behalten hat.

Der Regenbogen
von Ruth Hassel.

Ein Regenbogen, komm und schau
rot und orange, gelb grün und blau
So herrliche Farben
kann keiner bezahlen
ihn über den halben Himmel zu malen.
Ihn malte die Sonne
mit Goldener Hand
auf eine wandernde Regenwand.

Ich kann unsere Mitleserin und euch an dieser Stelle trösten. Es ist sicher, dass die Schönheit eines Regenbogens durch Ton und Bild auch schon durch unsere Radiosphären zu unserem Wanderer gelangt ist. Hoffen wir, dass er ihn zwischen all dem anderen Getöse findet…

Unter uns


Meine lieben,
Vor acht Jahren schrieb ich bereits einmal über das heutige nicht astronomische Thema.
Ich finde, es ist es wert, heute und hier nochmals neu aufbereitet und rezykelt zu werden.
Es geht um Urlaub und die Welt in der wir leben.

Ein Wort ohne Groll an euch Sehende

ihr könnt euch vorstellen, dass das Leben als blinder Mensch in einer Welt, die in erster Linie auf den Sehsinn hin orientiert ist, manchmal ganz schön anstrengend und kompliziert für uns ist.

  • Ihr stellt uns eure leidigen E-Roller in den Weg, so dass wir darüber fallen.
  • Eure Autos versperren die Gehwege, so dass ich bei uns auf dem Dorf nur auf der Straße gehen kann.
  • oft muss ich mir respektlose oder anzügliche Fragen anhören, die ihr euresgleichen niemals stellen würdet.
  • Mitleid heischend muss ich oft um Hilfe bitten, was mich nicht selten in eine gewisse Opferrolle treibt.
  • Dadurch, dass in eurer Welt, in welcher ich auch lebe, der Sehsinn so oft überbewertet wird, schenkt ihr dem Gehör kaum Beachtung. Das führt dazu, dass ihr Kraft, Größe und leider auch Männlichkeit durch Fahrzeuge ausdrückt, die möglichst viel Lärm produzieren.
  • Ihr hängt euch Fußballfeld große flache Fernseher an die Wände, deren Klang trotz des Zeitalters höchster High Fidellity so erbärmlich klingen, dass sich jedes klassische Küchenradio locker damit messen kann.

Noch vieles könnte ich an dieser Stelle aufzählen, aber der Artikel soll ja keine Anklageschrift sein, sondern im besten Falle sensibilisieren.
Wie auch immer.
Dies alles und vieles andere, strengt uns an. Aber euch zum Trost muss hier gereichen, dass wir wissen, dass das alles nicht aus Bosheit gegenüber blinden Menschen geschieht. Der Mensch ist doch im Grunde gut.
Dennoch nehme ich und viele andere blinde Menschen uns dann und wann eine Auszeit von der Welt der Sehenden.
Eine auszeit, um einfach mal ohne Vorbehalte und hemmungslos „blind“ sein zu dürfen.
Ich verbringe daher stets meinen Sommerurlaub mit guten blinden Freunden.
Was das für mich bedeutet, ist Gegenstand dieses Beitrages.

Passe Dich an

„Lebe möglichst, als wärest Du sehend!“

stand vor einigen Jahren auf einem Plakat, das den Studierendenraum unseres Institutes zierte. Das war ein Motto der damaligen Leitung, dass wir unbedingt „Top-Blinde“, das war sein Wort, sein sollten, um vorgezeigt zu werden, um Eindruck zu schinden, und letztlich, um auch zu zeigen, welch tolle Arbeit an unserem Institut gemacht wird.
Da das Poster meinem Vorgesetzten gehörte, durfte ich ihm natürlich kein Leid zufügen.
Ich schwor mir aber, dieses Plakat, sollte ich einst dazu befugt sein, umgehend zu entfernen, un die Vernichtung dieses Satzes zu zelebrieren.
Dieses ist längst passiert. Wir sind sogar in ein neues Gebäude umgezogen und unser jetziger Vorgesetzter ist auch nicht mehr neu bei uns.

„Blinder, Lebe, als könntest Du sehen“,
„Lahmer,  lebe, als köntest Du gehen“,
„Tauber, lebe, als könntest Du hören“

Man merkt hier die Absurdität, die in derlei Sätzen steckt. Es geht schlicht und einfach nicht.
Dennoch. Mein Alltag ist stets der Versuch, zwar nicht so, wie ein Sehender zu leben, aber mich in deren Welt zurecht zu finden und zu bestehen.

Hier soll es aber nicht darum gehen, was Schwierigkeiten bereitet, sondern darum, dass ich es wichtig finde, dass ich ein Mal im Jahr Urlaub von der Blindheit oder der Welt der Sehenden nehme,.
indem ich mich an einem für uns geeigneten Ort mit blinden Menschen treffe.
Der Weg dort hin, also bis ich mich dazu durchringen konnte, war lang.

Mein Weg

Blind unter Sehenden

Als blinder Student unter sehenden Studierenden war es zwar nicht üblich, die Zugehörigkeit zur Gruppe derer, die nicht sehen können, zu verleugnen, aber trotzdem war es mir bis vor etwa dreißig Jahren ein Bedürfnis, mich in irgend einer Weise von der Gruppe der Blinden, abzugrenzen.
Ich wollte nicht zu jenen gehören, die beispielsweise dauernd mit dem Vorurteil belegt werden, neben der körperlichen auch eine geistige Einschränkung zu haben. Ich war beleidigt, wenn mich jemand fragte, ob ich auch in der Werkstadt XY für Menschen mit Behinderung arbeite. Ich hätte mir mein Abiturzeugnis am liebsten an die Stirne geheftet.
Es war sehr schick, zu den „Top-Blinden“ zu gehören.

Blind unter Blinden

Ein blinder Freund warnte mich davor, mich zu sehr der Gruppe der Sehenden anzuschließen, und meinte, dass ich eines Tages noch froh sein würde, ein Refugium zu finden, in dem ich meine Blindheit ausleben dürfe. Er überredete mich, mit ihm zusammen einen Spezialurlaub für Menschen mit Blindheit zu machen. Und da tat sich mir wirklich eine neue Welt auf. Ich merkte, wie anstrengend mein Leben dadurch war, dass ich meinen sehenden Mitmenschen hinterherhechelte. Ich merkte, wie mir die ganzen Jahre die Gespräche unter Blinden, die thematisch oft anders gelagert sind als die mit Sehenden, so sehr fehlten. Sprechen Blinde über Kinofilme, wird kaum über Schauspieler geredet. Den Film erleben wir als ein Hörspiel, bestehend aus der Filmmusik, den Hintergrundgeräuschen, den Stimmen der Synchronsprecher und seit einigen Jahren mehr und mehr der Audiodeskription. Hierbei handelt es sich um Zusatzerklärungen die das erläutern, was für blinde Menschen im Film nicht hörbar ist, z. B. ein entscheidender Blickkontakt, eine wichtige Geste oder eine Beschreibung einer Umgebung. Diese Audiodeskriptionen werden zwischen die gesprochenen Passagen des Films gepackt und können entweder über einen separaten Tonkanal oder über ein Smartphone mit Knopf im Ohr abgehört werden. Manche Menschen mit Blindheit sprechen auch eher über Hörspiele und Radio, über Geräusche und Musik. Einige binden viele Geräusche in ihre Sprache ein und lieben es, Stimmen naturgetreu nachzuahmen.
Ich merkte, wie wohltuend es war, in dieser Umgebung auch mal blind sein zu dürfen. Ja, es war kein Problem, mir hin und wieder ein Brot schmieren oder das Hähnchen vom Knochen schneiden zu lassen. An diesem Ort durfte ich mir bei derartigen Dingen gerne helfen lassen und musste mir oder anderen nichts beweisen.

Was in unserem Urlaub anders ist

Die Anreise

Die Meisten dieser Urlaubshäuser für blinde Menschen verfügen über einen kleinen Fuhrpark. Somit kann man sich direkt vom Haus am Zielbahnhof abholen lassen, ohne, dass lästige Taxikosten anfallen, der Taxifahrer nicht weiß, wo man hin möchte, oder… Schon hier merke ich, dass das Personal geschult ist, so dass die Anreise barrierefrei abläuft.
Schon im Vorfeld stimmt man die An- und Abreise so mit dem Haus ab, dass es für das Personal möglichst effizient abläuft, z. B. das mehrere Personen gleichzeitig abgeholt werden können. Das bedeutet manchmal warten, ist aber kein Problem, weil jeder von uns weiß, wie wichtig eine gute Reise und eine Abholung für uns ist, und somit viel Verständnis und Geduld für die anderen anreisenden entgegen bringt.

Die Ankunft

Im Haus angekommen, finde ich am Boden Leitlinien, Punktschrift an Zimmertüren, Treppen und Einrichtungen. Der Aufzug spricht mit mir und alle Stockwerke sind taktil beschriftet.
Im Zimmer liegen alle Informationsschriften auch in Blindenschrift aus. Speisepläne sind entweder über das Telefon akustisch, als Aushang in Blindenschrift oder online zugänglich.
Das gilt auch für sonstige Listen, oder den Ausflugsplan.

Abenteuer Essen und Trinken

Beim Essen steht Personal am Buffet zur Verfügung, das Essen wird direkt zum Tisch gebracht und ich werde darüber im Uhrzeigersinn aufgeklärt, was sich wo auf meinem Teller befindet, z. B. „Fleisch von 9 – 11 Uhr, Erbsen zwischen 5 und 6 Uhr“, wenn ich das möchte. In manchen Blindenhäusern, gibt es überhaupt kein Buffet. Es gibt zu Mittag eine Menüauswahl, meist ein vegetarisches und ein anderes. Für das Frühstück legt man sich vorher schon fest, was man ungefähr möchte, damit einem das Personal das schon am Platz richten kann, und zu Abend gibt es in dem Fall auch für alle dasselbe Abendbrot.

Zugegeben. Das ist auch für mich manchmal etwas unflexibel und eingeschränkt. Das nervt besonders dann, wenn es mal etwas gibt, das man nicht so mag. Es ist aber möglich, um Ersatz zu bitten.
Ich habe dann halt keine unerschöpfliche Auswahl, wie an einem Buffet in einem Hotel. Das will ich aber u. U. gar nicht. Mich strengt es unheimlich an, wenn meine Begleitung mir erst mal eine halbe Stunde erklärt, was es gibt, und ich weiß, dass das für sehende Begleitpersonen auch so ist. Und wenn ich nachher mit bekomme, dass mir versehentlich eine Speiße nicht genannt wurde, die ich sehr gerne gehabt hätte, dann ist das schade und ärgerlich.

Was den Ablauf des Essens betrifft, so kann ich mir ganz entspannt, mal ein Fleisch schneiden, das Hähnchen entbeinen, den Fisch filetieren oder einfach mal ein Brot schmieren lassen und ein Getränk wird mir eingeschenkt, wenn ich das möchte.
Vieles von dem, was ich hier aufgezählt habe, kann ich natürlich selbst. Dennoch. Ich finde schön und gesellschaftskonform zu essen manchmal nicht so einfach. Eine Pizza z. B., die größer als der Teller ist, lasse ich mir grundsätzlich in der Küche schneiden, weil sonst die Katastrophe ihren Lauf nehmen würde.
Aber das ist es eben. In meinem Spezialurlaub ist das normal. In anderen Lokalen muss ich derlei Unterstützung erst erbitten. Meist erfahre ich hier große Hilfsbereitschaft.  Aber, es passiert schon mal, dass es vergessen wird, der Kelner dann mit meinem Essen nochmal davon rennen muss, was ja irgendwie auch wieder doof aussieht und Blicke auf sich zieht, oder manchmal ist das Personal überlastet. Ein einziges Mal hat mir das ein Kelner mal ehrlich so kommuniziert…
Und wenn wir schon bei Kelnern sind. Vor allem dann, wenn es in einem Lokal sehr laut ist, habe ich keine Chance, ohne sehende Hilfe etwas zu erlangen, das meine durstige Kehle benetzen könnte. Ich höre die Bedienung nicht. Ich kann mit ihr keine Zeichensprache oder Augenkontakt führen. Ich kann doch auch nicht, wie ein Proll durch das ganze Lokal schreien… Und, wenn dann noch eine Fremdsprache, z. B. im Ausland oder eine andere Kultur dazu kommt, wird die Bestellung eines Getränkes eine schier unlösbare Aufgabe, ein Stressfaktor und nervt einfach nur.
Hier, in meinem Blindenhaus,  werde ich gefragt, ob ich noch etwas möchte. Wenn man am Ort dann schon etwas bekannter ist, merkt sich das Personal sogar, was man so für Vorzüge und Vorlieben hat.
Das gibt es aber manchmal in Stammkneipen auch, was ich als sehr angenehm empfinde.

Orientierung und Mobilität

Sollte ich mich einmal auf der Hotelanlage verlaufen, muss ich mich hier nicht mit zwar wohlgemeinten Erklärungen, wie „Sie müssen dort lang“… herumplagen. Entweder ich bekomme eine Erklärung, die ich verstehe, oder werde hin geführt, bzw. wieder auf den richtigen Weg gebracht. Auf einer Hotellanlage für Sehende bekomme ich bevor mir überhaupt mal geholfen wird, eventuell Fragen gestellt, wieso ich überhaupt alleine unterwegs bin. Darf ich das nicht? Wo steht das?

Gaffer

Man wird am Pool, in der Bar oder am Stand nicht angegafft, wenn man sich mal ohne seine Begleitperson alleine dort hin wagt, weil diese mit einem anderen Gast einen Shopping-Nachmittag macht, den blinden Mann daheim läßst, und möglicherweise nur seine Kreditkarte mitgenommen hat. Darüber zerreißen sich Gäste durchaus das Maul, und stellen die wildesten spekulationen an.
Dass ich aber Shopping unerträglich finde, dass es mir alleine mit meinem Hörbuch, meinem Bierchen oder Kaffee ganz hervorragend geht, können viele sich überhaupt nicht vorstellen. Und hier gehört der Pool und die Liegewiese uns alleine, und keiner gafft auf des anderen Körper.

Ausflüge

Was Ausflüge und andere Unternehmungen betrifft, so ist das schon so, dass der Urlaub aus der Sicht vieler sehenden Menschen etwas erlebnisärmer ist wie man es sich vielleicht vorstellt, wenn man beispielsweise mit einer sehenden Reisegruppe unterwegs wäre.
Das liegt daran, dass die personellen Ressourcen der Häuser auch begrenzt sind, und hier auch der Sparzwang und die Wirtschaftlichkeit in immer verherender Weise um sich greifen. Viele Blindenhäuser sind mittlerweile geschlossen.  Somit muss man immer einen Kompromiss finden, was man miteinander unternehmen kann, dass alle auf ihre Kosten kommen. Das bedeutet halt dann auch mal, dass man seine Wünsche zugunsten des Restes der Gruppe zurückstellen muss.

Wenn ich beispielsweise Gleitschirmfliegen möchte, dann können die anderen nur irgendwie dort, wo der Flugplatz ist, wandern oder Kaffeetrinken gehen, weil der Kleinbus warten muss, bis ich wieder gelandet bin, was mit Seilbahnfahrt, Start, Flug und Landung einen ganzen Nachmittag benötigt.
Das bekommt man aber in der Regel ganz gut hin. Ich habe noch keinen Streit deswegen erlebt. Jeder von uns weiß, dass die Welt eines Blinden oft eine Welt des wartens ist.

Oft bieten unsere Urlaubshäuser auch Themenwochen, wie Wandern, Langlauf, Tandem, Basteln etc. an, aber das liegt mir nicht so, eine Woche lang jeden Tag dasselbe zu machen.

Was es letztlich ausmacht

Wir erleben häufig den Urlaub viel stärker in der Gemeinschaft. Wir wollen überhaupt nicht allen Sehenswürdigkeiten hinterher rennen. Ein vertrauter Spazierweg, selbstständig den Pool benutzen, sich ohne sehende Hilfe in der Bar etwas bestellen, aber auch am Abend musizieren und ein sehr kommunikatives geselliges Leben führen, wie ich das so unter sehenden nur extrem selten erlebe, das ist unser Urlaub. Auch einfach mal ein Hörbuch auf dem Balkon hören, gehört dazu. Natürlich kommen auch Highlights, wie mein vorhin erwähnter Gleitschirmflug vor.
Sind Amateurfunker dabei, dann wird schon mal ein Mast mit Antenne aufgespannt, und wir lauschen gemeinsam in den „Äther“.
Und nun kommen wir zu dem Punkt, der vermutlich das wertvollste an einem Spezialurlaub für Blinde ist, und wofür man eventuell bereit ist, gewisse Abstriche zu machen.

Das Miteinander

Was ich hier meine, ist der Umgang, ist die Art der Kommunikation untereinander und die Themen, über welche wir blinden Menschen miteinander sprechen. Außerdem ist es das wohltuende Gefühl, sich auch über die Einschränkung auszutauschen.
Wir sprechen viel über Radio, Hilfsmittel und Apps.
Wir musizieren zusammen, als hätten wir das schon immer getan. Da entstehen spontan und ohne Probe vierstimmige Chorsätze. So musikalisch improvisieren konnte ich bisher nur mit sehr wenigen sehenden Musikern. Entweder sie brauchen Noten, oder müssen Dinge erst üben, die blinde Musiker frei von der Leber weg spielen. Wenn gemeinsam gesungen werden soll, und die Tonart muss transponiert werden, dass jeder mitsingen kann, so passiert das bei blinden Gitarristen, Pianisten oder Akkordeonspielern ganz automatisch.
Bemerkenswert ist die Vielfalt der Personen, die sich in diesen häusern trifft. Vom Menschen, die in einer beschützenden Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten, bis hin zum blinden Universitätsprofessor ist alles dabei, und wir finden eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Themen und lachen gemeinsam.

Epilog

Ich mache meinen Spezialurlaub nicht, um ungestört, weil die anderen es nicht sehen, „in der Nase bohren zu können.“ Das hören blinde Menschen übrigens… Ich mache das, weil es mir viel Kraft gibt.
Weil es gut tut und richtig ist, dass ich mich auch mal in meiner Gruppe, in meiner Blindenwelt etc. bewege.
Ich tue es, um dann wieder mit neuer Kraft mich in unserer gemeinsamen Welt, der Welt der Sehenden,
zurecht zu finden, auszutauschen unddamit Brücken der Liebe, von Verständnis und Empathie geschlagen werden, die unsere Welten verbinden.
Mich beängstigt tatsächlich, wenn mehr und mehr unserer Häuser schließen, denn wo soll man ohne diese eine der Beeinträchtigung angemessenen Urlaub machen. Solche Häuser besitzen einen Wert, der sich nicht mit Kapital und Wirtschaftlichkeit messen lässt.

Astro-Mundart

Meine lieben,

jetzt melde ich mich endlich mit einem neuen Artikel bei euch zurück.
Und der ist besonders. Man könnte fast sagen, er ist zweisprachig.

Am letzten Dienstag, 08.07.2025 ist ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Seit ungefähr zwanzig Jahren halte ich astronomische Vorträge, Workshops und andere Veranstaltungen. In dieser ganzen Zeit ist es nie vorgekommen, dass ich einen Auftritt in meiner Geburtsstadt hatte.
Genau so einen durfte ich nun feiern. Darüber berichte ich aber dann in meinem Jahresrückblick, wie immer. Ich habe aber diesen Vortrag mal als Anlass genommen, mich mal im alemannischen Sprachraum nach Astronomen umzusehen.
Und wie ihr euch denken könnt, wurde ich fündig, obwohl mir GPT am Anfang einiges Geschwurbel lieferte. Sie verlegte z. B. Königsberg ins alemannische. Ja, in Königsberg gab es tatsächlich den berühmten Johann Müller, auch Regiomontanus genannt, der Kolumbus mal mit seinen guten Sternkarten und Voraussagen das Leben rettete.
Aber mit der Zeit hatte ich die Schwurblerin in der Spur. Hier stelle ich euch also heute mal drei Astronomen aus dem alemannischsprachlichen Raum vor.

1. Johann Jakob Balmer (1825–1898) – Der Vater der Spektrallinien

Geburtsort: Lausen bei Basel, Schweiz
Beruf: Mathematiklehrer, nebenberuflicher Physiker
Sprache: Baseldeutsch (alemannischer Dialekt)

Was hat er gemacht?
Balmer war eigentlich ein ganz normaler Lehrer am Gymnasium in Basel, aber ein leidenschaftlicher Mathematiker. 1885 – also relativ spät in seinem Leben – veröffentlichte er eine Formel, mit der sich die Wellenlängen des sichtbaren Lichts im Spektrum von Wasserstoff exakt berechnen lassen.
Diese Spektrallinien waren zwar schon bekannt, aber niemand konnte erklären, warum sie gerade dort auftauchten. Balmer entdeckte, dass sich die Wellenlängen mit einer einfachen Formel berechnen ließen.
Mit dieser Formel konnte man plötzlich exakt die Position der bekannten Linien vorhersagen – rein mathematisch!

Die Balmer-Formel wurde später zur Grundlage für die Entwicklung des Bohrschen Atommodells und damit für die Quantentheorie. Was Balmer also als Lehrer „im stillen Kämmerlein“ entdeckte, führte zu einem Paradigmenwechsel in der Physik.

Neben seiner Lehr- und Forschertätigkeit bekleidete er auch verschiedene öffentliche Ämter: Er sass im Basler Grossen Rat, amtierte als Schulinspektor und Armenpfleger und war Mitglied des Kirchenvorstands.
Er heiratete 1850 Christine Pauline Rinck (1825–1886), die Tochter eines Pfarrers von Grenzach. Das Ehepaar hatte sechs Kinder, darunter den Schweizer Maler Wilhelm Balmer.

Balmer war sehr vielseitig in seinen Interessen. Er beschäftigte sich mit Kabbalistik und Numerologie, so errechnete er zum Beispiel die Stufenanzahl von Pyramiden oder den Grundriss biblischer Tempel. Ausserdem beschäftigte er sich mit Architektur, Sozialhygiene und sozialem Wohnungsbau und darüber hinaus mit den gemeinsamen Grundfragen von Naturwissenschaft, Philosophie und Religion.

An seinen Schriften sieht man, wie vielseitig er war, und wie ganzheitlich er dachte.

  • Ueber Arbeiter-Wohnungen in und um Basel. s. n., Basel 1853 (Digitalisat; mit Plänen und Kostenberechnungen für eine auf der Breite ausgeführte Wohnsiedlung).
  • Des Propheten Ezechiel Gesicht vom Tempel. Riehm, Ludwigsburg 1858 (Digitalisat).
  • Die Naturforschung und die moderne Weltanschauung. Oeffentlicher Vortrag. Bahnmaier, Basel 1868 (Digitalisat).
  • Wohnungsübelstände. Vortrag, gehalten in der Generalversammlung des Basler Bauvereins den 14. September 1878. s. n., Basel 1878.
  • Die Wohnung des Arbeiters. Detloff, Basel 1883 (books.google.at).
  • Notiz über die Spektrallinien des Wasserstoffs. In: Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. Band 7, Nr. 3, 1885, S. 548–560 (biodiversitylibrary.org); auch in: Annalen der Physik und Chemie. Band 261 (= Neue Folge. Band 25. Nr. 5, 1885, S. 80–87 gallica.bnf.fr).
  • Die freie Perspektive. Vieweg, Braunschweig 1887.
  • Gedanken über Stoff, Geist und Gott. Aphorismen. Werner-Riehm, Basel 1891.
  • Eine neue Formel für Spektralwellen. In: Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. Band 11, Nr. 3, 1897, S. 448–460 (biodiversitylibrary.org); auch in: Annalen der Physik und Chemie. Band 296 (= Neue Folge. Band 60. Nr. 2, 1897, S. 380–391 gallica.bnf.fr).

Der Mondkrater Balmer und der Asteroid (12755) Balmer sind nach ihm benannt.

2. Johann Heinrich Lambert (1728–1777) – Der Universalgelehrte aus dem Elsass

Geburtsort: Mülhausen (heute Frankreich, damals Teil der Schweiz)
Beruf: Mathematiker, Astronom, Physiker, Philosoph
Sprache: Elsässisch (alemannisch)

Lambert war ein autodidaktisches Genie. Aus einfachen Verhältnissen stammend, arbeitete er sich zum anerkannten Gelehrten hoch. Er war der Erste, der bewies, dass die Kreiszahl $\pi$ (Pi) irrational ist – also niemals als Bruch darstellbar.

In der Astronomie befasste er sich mit der Beleuchtung von Himmelskörpern (das sogenannte Lambert’sche Gesetz beschreibt, wie hell eine Fläche aus verschiedenen Blickwinkeln erscheint), mit Kartenprojektionen und mit der Frage, wie man den Himmel mathematisch beschreiben kann.

Er war auch ein Vorläufer der Nicht-Euklidischen Geometrie, was später für Einsteins Relativitätstheorie wichtig wurde.

Lambert lieferte viele mathematische Werkzeuge, die heute in der Himmelsmechanik, Optik und Physik verwendet werden.

Er hatte ein überraschend modernes Weltbild, in dem er z. B. über unendliche Räume und Welten spekulierte.

benannt wurden der 1878 entdeckte Asteroid (187) Lamberta sowie jeweils ein Krater (Lambert)[4][5] auf dem Erdmond und dem Planeten Mars.

3. Fritz Zwicky (1898–1974)

Und hiermit kommen wir zu einer der meist illustren Persönlichkeiten, die mir in der Astronomie je untergekommen ist.
Er darf an dieser Stelle nicht fehlen.

Er war gebürtiger Schweizer aus dem Kanton Glarus, also eindeutig aus dem alemannischen Sprachraum, und dazu eine außergewöhnliche Figur in der Astronomiegeschichte – ein Freigeist, Pionier und Querdenker.

Fritz Zwicky wurde 1898 in Varna (Bulgarien) geboren, wuchs aber in der Schweiz im Glarnerland auf, wo seine Familie ursprünglich herkam.
Er sprach Schweizerdeutsch, hatte aber durch seine Bildungslaufbahn auch perfekten Zugang zu Hochsprache und Englisch. Sein alemannisches Temperament hat ihn nie verlassen – Zwicky war direkt, unbequem, brillant und dickköpfig.

Er ging in die USA, arbeitete ab 1925 am California Institute of Technology (Caltech) – aber blieb gedanklich eigenständig und unangepasst, oft zum Ärger seiner Kollegen.
Er sprach meistens tiefstes Schweizerdeutsch, und wer damit Probleme hatte, kümmerte ihn nicht. Er fluchte viel und warf mit vielen alemannischen Beschimpfungen um sich, wovon wir nachher noch hören werden.

Zwicky hat in der Astronomie Dinge vorausgesehen und entdeckt, die erst Jahrzehnte später allgemein anerkannt wurden:
1933 (!) beobachtete er Galaxienhaufen (v. a. den Coma-Haufen) und merkte, dass die Galaxien zu schnell um den Haufen kreisen, um nur durch sichtbare Materie zusammengehalten zu werden.
Er sagte:

„Da muss es no öppis Unsichtbars gä. Ich nenn’s mol dunkli Materie.“

Er war der erste, der diesen Begriff prägte und das Konzept wissenschaftlich formulierte – aber kaum jemand glaubte ihm.
Das lag sicherlich an seiner Art, Dinge derart bestimmt in die Welt zu brüllen.

Zwicky war auch Mitentdecker des Supernova-Begriffs und postulierte, dass dabei ein Neutronenstern entstehen könnte – Jahrzehnte bevor das bewiesen wurde.

„E normale Stern macht z’Bumm – und was übrig bleibt, isch kompakter als mir je denked händ.“

Wenn er noch „Und damit Basta“ hinzugefügt hätte, wunderte mich das nicht.

Er entwickelte die „morphologische Analyse“, eine systematische Methode, um kreative Lösungsräume zu erkunden – die auch heute noch z. B. in der Technik- und Innovationsforschung verwendet wird.
Was diese Methode genau beinhaltet, weiß ich gerade nicht.

Ich sagte es schon.
Zwicky war berüchtigt für seine Schärfe. Über Kollegen, die ihn kritisierten, sagte er mal:

„Ich nenn sie spheric bastards – no matter from which direction you look at them, they’re always bastards.“

Ein bisschen viel Pfeffer, aber es zeigt: Er war leidenschaftlich, auch im Konflikt. Sein alemannischer Starrsinn hat ihn zwar isoliert, aber ihm auch erlaubt, radikal anders zu denken.
Ich habe ihn nun im folgenden mal einen alemannischen Monolog halten lassen. Bin gespannt, ob und wie euch das gefällt.
Natürlich ist der frei erfunden, aber so, oder ähnlich wird er dann und wann schon vor sich hin gebruddelt und geschimpft haben. Das ist gut belegt.

I bi dr Zwicky“ – E Monolog uf Glarner-Alemannisch

Stell dir vor, dr Zwicky steht irgendwo z’Caltech im Gang, mit’m Kafi in dr Hand, Blick Richtung Himmel, und schimpft so vor sich hi – halb für sich, halb für d’Nochwelt.

Jo, grüezi mitenand. I bi dr Fritz – dr Zwicky. Glarner. Physiker. Astronom. Erfinder. Wüterich, säge d’Lüt. Aber ich säge: I bi nume ehrlich. Und ehrlich isch hyt nüm modern.

I bi 1898 uf d’Welt cho – i Bulgarie, aber mi Härz, das isch im Glarnerland bliibe. I bin glarnerdütsch gross worde, und drum red i au so. Wär mi nid verstoot, het Pech gha.
I bi denn i d’USA gange – Caltech. Jo, das mit de Rockets und de Nobelpreisträger, das isch guet und recht. Aber weisch, was mir gfehlt het? Gstandeni Lüt mit Rückgrat. Nid nume d’Lätscher, wo einander im Gwitter uf d’Schultere klopfed.
Lueg, 1933 han i öppis entdeckt. I han d’Galaxie gstudiert – und i han gseh: Die beweged sich zu schnäll. So wie wenn im Glarnerland d’Küeh schneller renne als s’Herdmandli – aber kei Hund in Sicht. Das het ke Sinn mache.“

Also han i gseit: S’git dunkli Materie. Es muss öppis Unsichtbars gä, wo d’Galaxie zämehaltet. I han’s vorgrechne. Und was hämmer griegt? Nüt als e Hohnlachä. Hahaha, dr Zwicky spinnt wieder.
Aber i han z’letschte glacht – denn hüt redet alli über d’dunkli Materie, als wär’s es neuis Müsli. Und i? I hock im Archiv. Wo blibt mis Denkmal, he?

Und denn, Supernovä. Jo, die Bumm-Stern. I han d’erst erklärt. Und i han gseit: Da blibt e Neutronenstern. E Ding so dicht, dass dr Verstand glüht. Und d’Lyt? Wieder: ‚Zwicky, jetzt wird’s absurd.‘

Aber heit hei s’feschtstellt. Und wieder heisst’s: ‚Ach, wie faszinierend!‘ – Jo, isch’s, aber i han’s scho vor 30 Jahr gseit, du Blitzmarie!

Lueg, i ha mi au mit Morphologie beschäftigt. Also ned mit Flüügle und Käfer – sondern wie me Probleme systematisch analysiere cha. I han d’morphologische Methode erfunde. Es Werkzüüg für s’Denke.

Aber i bi nid en Schleimer. Drum hei sie mi am Schluss nume halb toleriert. Aber i säge: Liebi Lüt, Wahrheit isch nid zum Kuschele. Sie isch e Hammer. Und i bi dä, wo dr Hammer gschwunge het.

Also wenn ihr das nächsch Mal i d’Sterni lueged, und euch fraget, was das dunkli Zeugs zwüsche d’Galaxie isch – denked an mi. Dr Zwicky. Dr wütige Glarner, wo d’Welt z’früh verstande het.

Und jetzt entschuldiged mi – i ha no e paar Theorien, wo d’Zukunft mir no schuldet.

Fazit

also ich finde, so viel Heimatgefühl muss erlaubt sein. Ich bin etwas stolz auf die drei.
Manche von euch, vor allem kundige Frauen denken jetzt vielleicht daran, dass die Astronomin Vera Rubin die dunkle Materie entdeckt hat. Und das stimmt auch. Sie hat aber andere Methoden benutzt als Zwicky. Und vor allem hat sie ihre Ergebnisse eleganter formuliert und gründlicher bewiesen. Aus diesem Grund muss der nächste Artikel über Vera Rubin und der Gegenüberstellung mit Zwicky handeln. Freut euch darauf.

Ein kleines Land mit großer Wirkung


meine lieben,
was macht ein Sternenonkel in einem fremden Land, einer frenden Stadt und in einem Hotelzimmer, wo er keinen Schlaf findet? Genau. Er beginnt darüber nachzudenken, was es astronomisches an dem Ort gibt, wo er sich gerade befindet.

wie sagt das Sprichwort so schön?

Und wenn man eine Reise tut, dann kann man was erzählen.

Nach langer Zeit, bin ich mal wieder auf einer dreitägigen Konferenz in Amsterdam. Dort geht es um alles rund um tastbare Grafiken, Blindenschrift und neue Technologien dazu. Ich habe u. A. einen sprechenden großen Wagen im Rucksack. Wer mal zu mir in meine Vorträge kommt, kann ihn mal erleben. Für jetzt habe ich mich darauf verlegt, mal zusammen zu tragen, was dem Sternenonkel an fremden Orten in einer schlaflosen Nacht so alles einfallen kann.
was das kleine Ländchen Niederlande so in Sachen Astronomie zu bieten hat. Und schnallt euch an. Das ist nicht wenig, und bestimmt habe ich auch noch einiges vergessen.
Also los:

Vorwort

Die Niederlande – ein kleines Land mit großer Geschichte, besonders wenn es um das Verstehen der Welt und des Himmels geht. Kaum ein anderer Ort hat in den letzten Jahrhunderten so viele Denker, Bastler, Philosophen und Sternengucker hervorgebracht, die in enger Beziehung zueinander standen. Hier treffen sich Astronomie, Navigation, Optik und Geist – eine faszinierende Mischung.

Der neue Weitblick

Um 1608 soll ein Brillenmacher aus Middelburg namens Hans Lipperhey das erste Fernrohr gebaut haben. Ob er tatsächlich der Erste war, darüber streitet sich die Fachwelt. Doch fest steht: Das Prinzip des Fernrohrs wurde in den Niederlanden geboren – und es veränderte alles.

Wenig später richtete Galilei ein verbessertes Modell gen Himmel.
Er entdeckte damit Sonnenflecken, die vier Jupitermonde Europa, Ganimet, Kalisto und IO, das unser Mond Krater besitzt, welche er Meere nannte und dass das Kopernikanische Weltbild stimmen muss.
aber der Impuls und das Instrument dazu kamen von niederländischem Boden. Ohne diese bescheidene Linse hätten wir vielleicht viel später in die Krater des Mondes und in die Ringe des Saturn geschaut.

Straßen, Wellen und Monde

Christian Huygens war das niederländische Universalgenie des 17. Jahrhunderts:. Mit einem selbstgebauten Fernrohr entdeckte er 1655 den größten Mond des Saturn, Titan. Er erkannte die wahre Natur der Saturnringe – kein fester Ring, sondern ein System aus zahllosen Partikeln.

Doch Huygens war nicht nur Himmelsbeobachter. Mit seiner Wellentheorie des Lichts legte er den Grundstein für unser modernes Verständnis von Optik. Und seine Erfindung der Pendeluhr revolutionierte die Zeitmessung – ein entscheidender Fortschritt für Astronomie und Navigation.

Orientierung auf hoher See

Im sogenannten Goldenen Zeitalter eroberten niederländische Schiffe die Weltmeere. Doch ohne Orientierung am Sternenhimmel wäre das gar nicht möglich gewesen. Navigiert wurde mit Jakobsstab, Sextant, Astrolabium – und später, dank präziser Uhren, auch mit Längengradberechnung.

Zwar war es John Harrison, der später mit seinem Chronometer wirklich schiffstaugliche Uhren baute, doch Huygens war der erste, der eine grundsätzlich seetaugliche Uhr mit Federantrieb entwarf. Ich schrieb dazu bereits in meinem Beitrag
Ein Uhrmacher revolutioniert die Seefahrt

Weldkarten

Die Kartografie florierte parallel zur Seefahrt:

  • Gerardus Mercator entwickelte die nach ihm benannte Mercator-Projektion, die Kurslinien zu Geraden machte – ein Meilenstein für die Navigation.
  • Willem Blaeu, Schüler von Tycho Brahe, wurde Hofkartograf der VOC. Er erstellte prächtige Stern- und Seekarten, die bis heute beeindrucken.

Die niederländischen Kartografen verschmolzen Wissenschaft, Kunst und praktischen Nutzen – das war europäische Spitzenklasse.

Struktur des Kosmos

In modernerer Zeit leisteten niederländische Astronomen entscheidende Beiträge zur Struktur des Kosmos:

  • Jacobus Kapteyn modellierte anhand von Sternzählungen die erste realistische Vorstellung der Milchstraße.
  • Der Kuipergürtel, dieses riesige Reservoir eisiger Himmelskörper jenseits der Neptunbahn, ist nach dem niederländisch-amerikanischen Astronomen Gerard Kuiper benannt.
    In ihm befinden sich unzählige kleine, eisige Körper, darunter Zwergplaneten wie Pluto, Haumea, makemake und möglicherweise sogar noch größere Objekte, die noch unentdeckt sind. Wegen dieser Entdeckungen wurde eine neue Definition nötig, was ein Planet überhaupt ist. Ansonsten hätten wir nicht nur acht Planeten zu lernen, sondern vielleicht hunderte..
  • Jan Hendrik Oort zeigte, dass sich die Galaxis dreht – und postulierte die heute so bekannte Oortsche Wolke, ein Kometen-Reservoir am Rande des Sonnensystems.

Beide zeigten: Auch die ferne Milchstraße kann man mit Daten und Logik zum Sprechen bringen.

Die erweiterte Bedeutung einer Linse

Man könnte meinen, Baruch Spinoza habe nur mit Worten gearbeitet. Doch der große Aufklärungsphilosoph war auch Linsenschleifer – und ein herausragender noch dazu. Seine feinen Linsen gingen an Mikroskopbauer, Astronomen und Naturforscher.

Spinoza sah die Welt als ein einziges zusammenhängendes System – seine Philosophie und sein Handwerk spiegeln ein Weltbild, in dem Wahrnehmung, Denken und Materie untrennbar verbunden sind.

Der Astronom mit gesellschaftlichem Blick

Anton Pannekoek war einer der eigenwilligsten niederländischen Denker: Astronom und sozialistischer Theoretiker. Tagsüber erforschte er Sternatmosphären, abends schrieb er über Gesellschaft, Macht und Emanzipation.

Für ihn gehörten Wissenschaft und Gesellschaft zusammen – ein Beispiel dafür, wie Denken über Sterne und Menschen Hand in Hand gehen kann.

🏛️ Forschungseinrichtungen mit Weitblick

Die niederländische Forschung ist auch heute bedeutend:

  • Die Sterrewacht Leiden ist eines der ältesten Observatorien der Welt.
  • Das Institut ASTRON betreibt mit LOFAR eines der fortschrittlichsten Radioteleskope Europas.
  • In Noordwijk sitzt das technische Zentrum der ESA, ESTEC – das Herzstück vieler europäischer Weltraummissionen.

✨ Fazit:

Die Niederlande haben uns nicht nur Tulpen, Käse und Kunst geschenkt – sondern auch neue Augen für das Universum.

Von der ersten Linse bis zur Radiogalaxie reicht ihr Vermächtnis. Ein Land zwischen Deich und Daten, zwischen Philosophie und Fernrohr, das gezeigt hat:

Man kann Himmel und Erde zugleich im Blick haben.

Ihr seht es ja selbst. Alleine in diesem Artikel sind schon wieder so viele Türchen für weitere aufgegangen. Hört denn das niemals auf?

Was? Ihr habt noch keins?

Ja, meine lieben, auch Karlsruhe hatte bis vor kurzem noch keines.
Keines was? Lasst euch überraschen…

Wir erinnern uns

Am 07.05. vor einhundert Jahren wurde im Deutschen Museum in München das erste Planetarium eröffnet.
Es ist zwar so, dass München den Projektor schon zwei Jahre vorher erhielt, aber er war irgendwie noch nicht fertig und ausgereift, und wurde deshalb nochmal zu Zeiss-Jena zurück geschickt.
Vor diesem Hintergrund schrieb ich vor zwei Jahren über
Einhundert Jahre Planetarien
und
Eine Blase voller Sterne
Vielleicht ahnt ihr es schon, wieso ich mich dieser Dinger nochmal annehme.
Dafür gibt es nämlich einen sehr guten und noch schöneren Grund.

Das Himmlische Geschenk für Karlsruhe

Endlich hat Karlsruhe am 07.05.2025 sein eigenes Planetarium bekommen.
Deshalb die Überschrift dieses Artikels „Was, ihr habt noch keins?“

Es kam, wie aus heiterem Himmel. Vor einigen Monaten erfuhr ich plötzlich davon, dass Karlsruhe ein Planetarium bekommen soll. Ein Mensch, der vorher am Deutschen Museum München arbeitete, soll Gründer und Leiter sein.
Derlei rüttelt natürlich den Sternenonkel wach. Wen könnte ich denn da jetzt fragen, wie, was und wo.
Da fiel mir Matthias ein, dessen spannende Geschichte über himmelsmodelle hier auf dem Blog zu Gast war, siehe Das Schauspiel am Himmel im Modell

Außerdem verdanken wir ihm meinen Artikel zur Die Weihnachtsmondfahrt
(Apollo8 und Joules Vernes).
Den entwickelte ich mit einem Englischen Artikel von Matthias als Grundlage. Daraus ist dann später sogar noch eine Radiosendung für ein Internetradio mit der ersten Bibellesung im All geworden.

Nicht zuletzt war Matthias eine tragende Säule des mobilen Planetariums, welches mehrfach in Durlach in der Orgelfabrik gastierte, und wo ich auch schon vortragen durfte.
Also mailte ich ihn an und fragte ihn, was er so davon hält, und wie er die Sache einschätzt.

Und ja, was soll ich sagen. Das Planetarium kam mir etwas klein vor, und es hat nur einen Projektor.
Das Gastplanetarium in Durlach war größer, und hatte mindestens vier Projektoren.
Ich dachte mir „Schauen wir mal, und sind gespannt.“

Die Einladung

Ich vergaß es schon fast wieder, weil mir klar war, dass ich zu dieser Eröffnungsfeier niemals eingeladen werden würde.
Nun bekam ich aber, quasi zwölf Stunden vor der Veranstaltung, von meinem Freund und ehemaligen Kollegen ein Whatsapp, dass ich eingeladen wäre und er mich gerne begleitet.
Durch ihn kam ich so kurzfristig dazu, weil er sich für das Naturkundemuseum engagiert, wo ich auch schon vortragen durfte. Das war kurz vor Weihnachten vor den Lockdowns. Der Vortrag schaffte es damals sogar mit einem vierminütigen Beitrag in die Landesschau.
Bei einer Kommunikation zwischen Planetarium und Naturkundemuseum, fiel scheinbar mein Name, und ich durfte zur Eröffnung kommen.
Dank an Michael, der mir das ermöglichte.

Also holte ich mir von meinen Vorgesetzten die Erlaubnis, da mal für drei Stündchen abzuhauen und sagte ihm zu.

Die Ankunft

Das Planetarium ist nicht weit weg von der Straßenbahnhaltestelle, aber für uns Blindlinge hat der Weg es in sich. Den muss ich sicher noch mehrfach üben, bis ich ihn kann.
Selbst Michael musste Googlemaps bemühen, um den Weg zu finden.
Das Gebäude war vorher ein altes Gaswerk und wurde so um die vorletzte Jahrhundertwende herum gebaut.

Als mein Freund und ich dort ankamen, erlebten wir eine Überraschung.
Was war das für eine Begrüßung und Schulterklopfen. Alle erkannten mich, erinnerten sich an mich, riefen meinen Namen, gaben mir Hände und drückten mich.

Es geht doch hier gar nicht um mich, sondern um unser neues Planetarium

dachte ich mir. Aber vielleicht darf man so etwas einfach auch mal annehmen und genießen.

Ganz ähnlich erging es mir, als wir vor vielen Jahren mal zu einer Preisverleihung des DLR ins Planetarium Mannheim eingeladen waren. Auch dort kannten viele entweder Mein Buch, meinen Blog, waren in irgend einem meiner Vorträge oder wie ich Mitglied der Deutschen Astronomischen Gesellschaft.

Die erste Berührung

Ich betastete es kurz vorsichtig von außen. Die Kuppel fühlte sich stoffig und aufgeblasen an, ähnlich wie die Außenwand einer Hüpfburg oder eine gespannte Zelltwand.
Ich gehe davon aus, dass es doppelwandig ist, und zwischen den Wänden ein Vakuum gezogen wird, damit innen nichts Falten schlägt.
Das ganze wird mit einer Stahlkonstruktion aufgespannt, von welcher ich einen Außenring ertasten konnte.
Auf jeden Fall empfinde ich immer so etwas ganz besonderes, das gläubige Menschen kennen dürften, wenn sie eines ihrer Gotteshäuser betreten, sobald ich unter die Kuppel eines Planetariums, und sei es noch so klein, trete.
Aber noch sind wir nicht beim Betreten. Noch ist das Himmelszelt durch eine große Schleife verschlossen.

Die Eröffnung

Die Feier begann, wie ihr das kennt, mit einigen Reden zur Entstehung des ganzen, und ohne wen es nicht durchführbar wäre, und wer was und wie viel gespendet hat.
Nicht falsch verstehen. Das ist alles ganz wichtig, läuft aber immer ähnlich ab.
Hier war der offizielle Teil der Feier ganz ungezwungen locker und kurzweilig, und vor allem blieben politische Sonntagsreden aus, was sehr angenehm war.
Wir standen alle ungeduldig davor und wollten einfach nur rein.

Der neue Planetariumsdirektor, Björn Wirtjes, hat eine sehr schöne und sympathische stimme. Er spricht sehr flüssig und anschaulich. Man kann ihm sehr gut zuhören.
Nun war alles offizielle gesagt. Es war nun Zeit, das Himmelszelt zu öffnen.
Matthias und der Planetariumsleiter hielten beide ein Ende einer großen Schleife in der Hand, die den Eingang in die Kuppel verschloss.
Nun erklang von Trompete und Piano gespielt, die Titelmusik von Starwars. Zu diesen Klängen wurde die Schleife vorsichtig aufgezogen, so dass sich der Vorhang langsam hob.
„Möge die Macht alle Zeit mit dem Planetarium sein…“

Der Einzug in den Tempel

Feierlich zogen wir ein. Es kam mir vor, wie bei einem Friedensmarsch mit Kerzen in den Händen. Und da war es, das transzendente Gefühl von Ehrfurcht, Demut und Frieden, dass ich vorhin erwähnte.

Unter der Kuppel waren zwei konzentrische Stuhlkreise angeordnet.
In diese Stühle ließen wir uns nieder. Sie erinnern mich an so Stühle, die man im Schwimmbad oder zum Camping benutzt. Für den besseren Blick nach oben, liegt man etwas darin. In den großen Planetarien sind die gepolstert und oft etwas drehbar.

Zunächst unternahmen wir mit dem Leiter eine kleine Reise durch den sichtbaren Teil unseres Sonnensystems begleitet von seiner schönen Stimme und sphärischer Musik.

Anschließend erzählte Matthias uns etwas über die Geschichte der Planetarien. Sehr spannend.
Was mich da irgendwie beeindruckt hatte war, dass seine Folien auch in der gewölbten Planetariumskuppel funktionierten, obwohl sie doch eigentlich für eine flache Leinwand an der Wand gestaltet sind. Offenbar konnten die Sehenden mit der Verzerrung leben.
Dann verließ uns etwas die Technik, so dass wir zum Programmpunkt „Buffet“ übergingen.

Ausklang

am Buffet ging es dann weiter mit Begrüßungen, Händedrücken und lieben bis rührenden Worten an mich.
Ganz besonders ist mir die Begrüßung des Vaters einer Reporterin im Sinn, welche mit mir mitten in den Lockdowns einen Kurzfilm für die Sendung „Volle Kanne“ drehte. Er war nach all den Jahren noch so beeindruckt von mir, meiner Arbeit und meinem Buch, dass mich das sehr berührt hat.
Leider kann ich die Reporteren auf ihrer alten Mailadresse nicht mehr erreichen, weil sie offensichtlich den Job oder die Firma gewechselt hat. Schade, denn ich hätte ihr sehr gerne von dieser Begegnung erzählt. Na ja, ihr Vater wird das sicher tun…
Dieser Beitrag für „Volle Kanne“ war damals tatsächlich eine Folge meines Auftrittes mit dem Naturkundemuseum in der Landesschau. Schade, dass ich das wegen Urheberrechts nicht mit euch teilen darf.
Auch bei diesem Auftritt im Naturkundemuseum war Michael, der mir auch das heutige ermöglichte, meine Begleitperson und Assistenz.

Und noch ein Highlight

Nach der Stärkung mit Sekt und kleinen Leckereien, gab es im Keller noch eine ganz besondere Ausstellung in Schwarzlicht

OK, „davon hat ein blinder Mensch doch eher erst mal nicht viel“ mögen manche denken. Dem war aber durchaus nicht so.

Wir waren mit dem Physiker und Künstler, der diese Ausstellung im schwarzen Licht gestalltete, fast alleine.
Er erklärte uns alles so, dass auch ich es Verstand.
Da war z. B. eine Spiralgalaxie mittels Fäden aufgespannt. An diesen hingen kleine Flauschige Flusen, die die Sterne darstellten. Diese Sternchen waren mit Weißmacher präpariert, so dass sie leuchten, wenn sie von Schwarzlicht angestrahlt werden. Fäden und Schwarzlicht sind im dunkeln unsichtbar.
Als ich noch vor etwa vierzig Jahren einen kleinen Sehrest hatte, besaß ich auch so eine Lampe und liebte ihre Effekte.
Ich gehe auch gerne in Bilderausstellungen, wenn sie gut erklärt werden.

Fazit

  • Für mich war es eine große Freude und Ehre, bei dieser Einweihung dabei gewesen sein zu dürfen.
  • Ich bin sicher, dass ich hier nicht das letzte mal war.
  • Ich bin sicher, dass wenn ich dort auftauche, dann bestimmt nicht immer nur als Besucher…
  • Mit einem Planetarium haben wir eine ganz hervorragende Möglichkeit, schon Kinder und Jugendliche an das Universum, an Technik und Naturwissenschaften, heranzuführen.
  • Ein kleines Planetarium kann größer werden und wachsen. Helfen wir ihm dabei.
  • Und das beste ist auf der Homepage von PLANET-Ka, die Erklärung zur Barrierefreiheit. Oft ist diese nur ein Ort für fadenscheinige Begründungen, wieso man das seit über zwanzig Jahren verschlafen hat, und ein Lippenbekenntnis dafür, dass man, natürlich ohne zeitlichen Horizont, daran arbeite.

    Mich freute neben der Beschreibung der Rampe, der Parkplätze etc. vor allem der Grundgedanke:

    Die Sterne sind für alle da

  • Karlsruhe ist stolz auf seinen KSC, und verzeiht ihm viele Aufs und Abs.
    Und ich bin Stolz auf unser neues Planetarium, und brenne darauf, mich dort bald auch einbringen zu dürfen.

Unser neues Planetarium wird in Würde fortführen, was mit dem anderen Mobilen Planetarium in Durlach und für mich auch in Saarlouis begann, denn der Leiter dieses mobilen Himmelszeltes, Gernot, ist vor anderthalb Jahren von uns gegangen.
Erinnern wir uns und ehren ihn mit unserem neuen Planetarium in Karlsruhe.
Möge die Macht stets mit dem Planetarium sein.
Und wen dieser Artikel jetzt neugierig gemacht hat, schau doch mal auf
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