Fleckige Geburtstagsgrüße


meine lieben,
nun meldet sich der Sternenonkel endlich nach einer etwas längeren schöpferischen Pause zurück.
Nach den aufwändigen Adventskalendern und meinem Jahresrückblick, bin ich dann im Januar und Februar erfahrungsgemäß immer etwas schreibfaul. Die Batterien sind dann halt auch zum Ende des Winters immer etwas leer.
Aber jetzt geht es wieder los mit einem spannenden Thema.

Kleine Vorgeschichte

manchmal dauert es wirklich lange, bis ich eine Frage beantworte.
So lange, dass der Frager sie vielleicht schon wieder vergessen hat.
Mein alter Pauker, der immer mal schöne Kommentare hier schreibt, stellte sie mir vor langer Zeit zum Artikel „Der Sonnenkönig und die Sonnenflecken“.
Und jetzt kommt der Hammer. Dieser Artikel wurde am 22.02.2022 von mir veröffentlicht. Drei Jahre also ohne Antwort…

Wir haben uns halt eher mit den spannenden Geschichten, die sich um diese rätselhaften Dinger ranken, beschäftigt, und andere spannende Inhalte haben mich etwas davon weg getrieben.
Heute, 27.02.2025 erinnerte ich mich an die Frage zurück, weil ich von unserem Team eine tastbare Geburtstagskarte mit dem Gegenstand der Frage erhielt.

Das Foto zeigt eine taktile und farbige Geburtstagskarte mit Sonnenflecken.
Geburtstagskarte mit Sonnenflecken

Diese Karte gab dem Artikel auch seine ungewöhnliche Überschrift.
Dann wollen wir hier vor allem für die Erinnerung des Fragenden seine Frage nochmal wiederholen.

Ich zitiere:

Hallo Gerhard,
eine (vielleicht etwas dumme) Frage: Was sind Sonnenflecken? Was passiert in diesen dunklen Flächen auf der Sonnenoberfläche Anderes als auf der übrigen Fläche? Wahrscheinlich hast du das schon einmal erklärt. Falls Ja: Könntest du es nochmals wiederholen?
Herzliche Grüße

Erst mal ist das keine dumme Frage. Sie ist in der Tat so komplex, dass ein nicht wohlgesonnener Physikprofessor seinen Studenten locker damit durch eine Prüfung rasseln lassen könnte.
Für mich bedeutet das, dass ich das Thema wirklich auf das wichtigste reduzieren muss. Lasst mich genau dieses versuchen.

Zur Wiederholung

Da unsere Beschäftigung mit Sonnenflecken ja nun schon einige Zeit her ist, habt ihr an dieser Stelle die Chance, nochmal einiges zu wiederholen. Es ist aber keine Voraussetzung zum Verständnis dieses Artikels. Hilft aber natürlich.
Die Frage passt ganz wunderbar in die Zeit, weil wir uns momentan um ein Maximum der Sonnenaktivität herum bewegen.
Was so ein Maximum für uns bedeutet erklärte ich in
Droht Gefahr durch unsere Sonne.
Über die Entdeckung der Sonnenflecken überhaut schrieb ich vor einiger Zeit in
Wer war der Erste
Über ihren 11jährigen Zyklus und dass die Sonne sich nicht immer daran hält, referierte ich in
Der Sonnenkönig und die Sonnenflecken
Was die Sonnenforscher über die merkwürdige Rotation der Sonne und mehr durch Sonnenflecken lernen durften, beschrieb ich in
Wanderer mit kurzem Leben.
In Drei Sonnenforscher stellte ich euch drei Persönlichkeiten vor, die sich rund um die Sonnenflecken verdient gemacht hatten.
Und dass man den Sonnenzyklus auch ganz anders nachweisen konnte, erklärte ich in
Weitere Nachweise des Sonnenzyklus.
Dies alles, und noch viel viel mehr über die Entdeckung und Erforschung unseres lebenspendenden Stern findet ihr in der Kategorie
Der Sonne entgegen.

Was wissen wir

  • Die Sonne ist ein Gasball in dessen Innerem Kern Wasserstoff zu Helium fusioniert wird. Von der dadurch freiwerdenden Energie leben wir.
  • Durch die Beobachtung von Sonnenflecken haben wir festgestellt, dass die Sonne sich nicht, wie ein starrer Körper dreht. Merkwürdigerweise drehen sich ihre Äquator-Regionen schneller, als ihre Polregionen. Der Äquator läuft ihr also immer voraus.
  • Erst viele Tausend Kilometer unter der Sonnenoberfläche dreht sie sich, wie ein starrer körper, weil von dort an der innere Druck hoch genug ist, und die Gravitation alles zusammen hält.
  • Die Sonne ist ein Plasma.
  • Die Sonne besitzt ein Magnetfeld, wie die Erde auch.

Was ist ein Plasma

Diesen Begriff kannte ich vorher tatsächlich nur aus der Medizin, wenn es um unser Blut und dessen Bestandteile geht.

Die Sonne befindet sich in einem ganz merkwürdigen Zustand, dem Plasma-Zustand, neben fest, flüssig und gasförmig der vierte sog. Aggregatzustand. In diesem Zustand sind die Elektronen von ihren Atomkernen getrennt. Sie bewegen sich frei durch das Plasma. Jede Gasflamme ist so heiß, dass sie ein Plasma bildet. Das kann man testen, indem man Strom durch eine Gas- oder Kerzenflamme schickt. Sie ist leitend, weil sich ihre Elektronen frei bewegen können. In diesem Sinne sind Metalle, wie Eisen oder Kupfer auch ein Plasma, weil sich sein Elektronengas frei hindurch bewegen kann, und es dadurch leitend ist. Fast 100 % der sichtbaren, auch barionische Materie genannt, des Universums befindet sich in diesem Zustand.
Für unsere Sonnenflecken brauchen wir zum Plasma auch noch ein Magnetfeld.

Magnetfelder in Plasmen

Magnetfelder sind im Universum nichts ungewöhnliches. Ladungstrennungen und bewegte Teilchen bedingen eben Magnetfelder, ob man will oder nicht.
Auch die Erde hat eines wegen ihres Metallenen festen Kerns und dem ihn umfließenden leitfähigen Material. Man spricht hier oft von Dynamo der Erde.
Und ja, beim Dynamo am Fahrrad dreht sich eine Spuhle in einem Magnetfeld oder umgekehrt. Dadurch entsteht ein Strom. Der fließt nun zur Lampe und lässt sie leuchten. Im Gegensatz dazu setzt das System einen Widerstand entgegen, so dass der Dynamo sich schwerer dreht.
Die Tatsache, dass bewegte geladene Teilchen, also fließende Ströme in Magnetfeldern einen Widerstand bilden, kennen wir auch von modernen Hometrainern her. Wir drehen mit unserer Pumperei einen Generator an, der über verschiedene Wiederstände und Verbraucher den entstehenden Strom wieder los werden will. Je nach dem, was da gerade zusammen geschaltet ist, sorgt ein hoher Widerstand für unsere sportliche Ertüchtigung.
Es ist also nicht so einfach, ein Magnetfeld in ein Plasma zu bringen, das vorher noch nicht drin war. Auch heraus bekommt man es schlecht, wenn es vorher schon drin war. Immer gibt es Kräfte, die derlei zu verhindern suchen. Magnetfelder bleiben also in einem Plasma eingefroren und müssen den Bewegungen des Plasmas folgen.
Zerrt man beispielsweise material aus einem Plasma-Ball mit Magnetfeld heraus, dann wird es versuchen seine Magnetfelder mit zu nehmen und gummiartigen Gegenwiderstand leisten.
Was passiert aber nun auf unserer magnetischen Plasma-Sonne, die sich dazu noch so merkwürdig dreht.

Sonnen-Pasta

Stellen wir uns die Sonne für den Anfang wie ein Stabmagnet mit einem Nordpol und unten einem Südpol vor.
Die Magnetfeldlinien treten am Nordpol aus, führen gerade um den Sonnenball herum, um am Südpol wieder in sie einzudringen.

Die Äquator-region der sonne dreht sich, wir sagten es schon, schneller. Das bedeutet, dass sie ihre Magnetfelder, weil Plasma, mitnehmen will und mit der Zeit aufwickelt, wie Spaghetti auf eine Gabel.
Es entstehen nun magnetische Plasmaschläuche, die Spaghetti eben. Diese Schläuche stoßen sich ab, weil ihre Magnetfelder gleich ausgerichtet sind. So kann es passieren, dass ein solcher Schlauch unter der Sonnenoberfläche so viel Auftrieb bekommt, also schwimmt, dass er sich quasi bogenhaft aus der Oberfläche der Sonne erhebt. Wir haben nun eine Schleife, die aus der Sonne herausragt und an einer anderen Stelle wieder in sie eindringt. Genau an solchen Fußpunkten entsteht dann jeweils ein Sonnenfleck. Sie treten also meistens paarweise auf. Der eine Fleck ist stets magnetisch anders polig, wie sein Partner. Manchmal reißen solche aufsteigenden Schläuche viel Material in die Höhe. Es bilden sich dort dann sog. Filamente. Man kann sich diese wie Bettwäsche auf einer Leine vorstellen. Diese kann man bei einer totalen Sonnenfinsternis am Sonnenrand als feurige Zungen erkennen, wenn der Mond die helle Sonne verdeckt. Natürlich stehen solche Filamente auch senkrecht auf der Sonnenscheibe, werden dort aber von der hellen Sonne überstrahlt, so dass man spezielle Instrumente benötigt, um sie auch ohne Sonnenfinsternis am helllichten Tage zu sehen.
Die Sonnenflecken sind Orte, an denen sich in Magnetfeldern gefangen die Teilchen nicht so schnell bewegen können, wie sie es aufgrund ihrer Umgebungstemperatur eigentlich tun sollten. Sie werden gebremst und magnetisch in Schach gehalten.
Somit sind sonnenflecken etwas kühler als ihre Umgebung, und damit auch etwas dunkler. Manchmal kommt es vor, dass das Gewirre der Magnetfelder in fleckigen Bereichen so groß ist, dass sich entgegengesetzte Felder auslöschen. Die unglaubliche Energie, die dabei frei wird, nennt man Flare. Das sind dann die Geburtsstetten von Sonnenstürmen, die uns dann hoffentlich nicht treffen.
Auf der Sonnenoberfläche brodelt und kocht es. Die ganze Oberfläche blubbert und ist in Bewegung, wie kochendes Wasser in einem Topf. Auch dadurch passiert es immer wieder, dass sich Magnetfelder so nahe kommen, dass sie sich auslöschen.
Und so passiert es, dass die Sonne sich alle elf Jahre umpolt und erneut mit dem Aufwickeln von magnetischen Schläuchen beginnt. Somit dauert ein Sonnenzyklus im Grunde 22 Jahre, bis er wieder mit derselben Polung beginnt.

Wie will man wissen, wie magnetisch ein Stern ist

Jetzt stellt sich zum Schluss noch die Frage, ob das alles mit den Magnetfeldern so stimmig ist. Schließlich kann man ja nicht einfach so einen Kompass oder sonst einen Magneten an die Sonne halten. Das wäre schon lustig, wenn man eine Kompassnadel auf den ersten Fleck eines Paares das gerade auf der Sonnenscheibe vorbei zieht und sie würde sich z. B. nach Norden ausrichten. Dann zieht der Nachfolger fleck an der Nadelspitze vorbei, worauf die sich der anderen Polarität dieses Flecks wegen um 180 Grad drehen würde. So gehts sicher nicht, aber so ähnlich.
Die Sonne selbst ist ihr Kompass und verrät uns die Magnetische Ausrichtung ihrer Flecken durch ihr Licht.
Zum Glück gibt es folgenden Zusammenhang und Effekt:

Der Zeemann-Effekt ist eine Aufspaltung von Spektrallinien eines Atoms oder Moleküls, wenn es einem externen Magnetfeld ausgesetzt wird.
Ihr erinnert euch. Jedes chemische Element sendet, wenn es heiß genug ist, sein ganz spezielles farbiges Lichtspektrum aus. Musikalisch könnte man sagen, dass jedes chemische Element seinen eigenen Akkord singt.
Der Zeemann-Effekt tritt auf, weil das Magnetfeld die Energieniveaus der Elektronen beeinflusst.
Dadurch entstehen statt einer einzigen Spektrallinie mehrere Linien mit leicht unterschiedlichen Wellenlängen. Ein Ton des Akkordes teilt sich also nochmal in nahe beieinander liegende Töne auf. Klingt dann vermutlich nicht mehr so schön. Die Art, wie sich das Spektrum verändert verrät uns, wie das Magnetfeld gepolt ist.

Hier für die Nerds ganz kurz, wie der Effekt funktioniert:
In einem Atom sind die Energieniveaus der Elektronen normalerweise durch die Quantenzahlen bestimmt.
Setzt man das Atom einem Magnetfeld aus, wechselwirken die magnetischen Momente der Elektronen mit dem Feld.
Dies führt zur Aufspaltung der Energieniveaus, wodurch sich auch die möglichen Übergänge und damit die Spektrallinien ändern.

Der Zeemann-Effekt ist also eine Art „magnetischer Fingerabdruck“ für Spektren und ein wichtiges Werkzeug in der modernen Physik und Astronomie.

Abspann

Dieser Effekt zeigte uns, dass sich die Sonne in etwa 11 Jahren einmal umpolt. Die Erde tut das auch, aber über Jahrtausende hinweg.
Wie das alles aber im Detaill funktioniert, ist längst noch nicht vollständig erforscht. Vor allem die Tatsache, dass es manchmal längere Zeiträume gibt, in denen überhaupt keine Sonnenflecken entstehen, ist rätselhaft.

Deshalb wird unser Stern von dem wir leben noch viel Stoff für Forschung und viele Entdeckungen liefern.
Sind wir froh, dass wir wenigstens diesen Stern untersuchen können, denn die anderen sind für derlei viel zu weit entfernt. Aber sehr wahrscheinlich besitzen alle Sterne auch Sternflecken, die entstehen und vergehen und ihrem eigenen Fleckenzyklus folgen.