Der Sonnenkönig und die Sonnenflecken

Einführende Worte

Heute beschäftigen wir uns nochmal mit Sonnenflecken, weil sie einfach so wunderbare Objekte sind, die auch von Amateuren als Hobby beobachtet werden können, denen nur kleinere Teleskope zur Verfügung stehen.

Achtung!!! Dringend beachten!!!

Und hier möchte ich dringend anmerken, dass man NIEMALS irgend etwas auf der Sonne direkt mit dem Auge an einem optischen Gerät beobachten darf, wenn man vermeiden möchte, dass einem künftig meine Artikel vorgelesen werden müssen. Entweder verwendet man spezielle Filter, oder Finsternis-Brillen, welche die Augen schützen, oder man wirft die Sonnenscheibe hinter dem Instrument auf einen weißen Papierschirm. Fabricius erblindete vermutlich nur deshalb nicht, weil sein Teleskop zu lichtschwach war.

Ich weiß, dass ich diesen Hinweis schon in anderen Artikeln gab, aber das kann man nicht oft genug wiederholen…

Nun aber zur heutigen Geschichte:

Der Gymnasiallehrer, der Sonnenphysiker wurde

Beim Studium der Sonnenflecken haben vor allem Laien eine große Rolle gespielt. Da waren der Mediziner Johannes Fabricius, der Apotheker Schwabe, der Mathematiklehrer Rudolf Wolf und der Privatgelehrte Carrington, der verhinderte Theologe, der sich auch noch um die ererbte Brauerei kümmern musste. Während Carrington an seiner eigenen Sternwarte arbeitete, befasste sich in Anklam, nahe der Ostseeküste,
der Gymnasiallehrer Gustav Spörer (1822-1895) mit den Sonnenflecken. Er wusste nichts von Carringtons Messungen der Sonnenrotation
und entdeckte unabhängig von ihm das merkwürdige Rotationsgesetz der Sonne. Später konnte er auch das Schmetterlingsdiagramm mit seinen eigenen Beobachtungen bestätigen. Der Lehrer aus Anklam wurde
1874 als Observator nach Potsdam berufen, wo er bis kurz vor seinem
Tode arbeitete. Seine Entdeckungen gaben den Anstoß zur Gründung des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam im Jahre 1879.
Hier erkannte er eine der merkwürdigsten Unregelmäßigkeiten im Sonnenzyklus.

Plötzliche Stille

Unmittelbar nach der Entdeckung der Flecken hat man sie eifrig beobachtet. Bald aber wurde es still um sie. Das lag aber nicht nur daran, daß
sie ihren anfänglichen Reiz verloren hatten; die Sonne selbst war auch
daran schuld. Es ist kein Wunder, dass die nächsten wichtigen Erkenntnisse dieser mit verhältnismäßig einfachen Mitteln zu beobachtenden
Erscheinung erst im letzten Jahrhundert gewonnen wurden, denn für
etwa 70 Jahre blieben die Sonnenflecken aus.
Als Rudolf Wolf Ende des vorletzten Jahrhunderts versuchte, aus alten
Beobachtungsdaten Relativzahlen zu rekonstruieren, ging er bis in das Jahr 1700 zurück. Er hat sich nie darüber geäußert, warum er keine
Relativzahlen aus Jahren davor zusammengestellt hat. Möglicherweise
schienen ihm die Quellen aus jener Zeit nicht zuverlässig genug. Der amerikanische Sonnenforscher john A. Eddy hat aber eine andere
Erklärung: Wolf war durch Schwabes Entdeckung des Sonnenfleckenzyklus motiviert worden, das regelmäßige Kommen und Gehen der
Flecken und ihrer Gruppen nicht nur von damals an genauestens zu
verfolgen. Er wollte auch nachweisen, dass der Schwabesche Zyklus bis weit in die Vergangenheit zurückverfolgt werden kann. Das gelang ihm
tatsächlich bis etwa zum Anfang des 18. Jahrhunderts. Möglicherweise musste Wolf dann feststellen, dass frühere Beobachtungen nicht mehr in den Schwabeschen Zyklus passten. Deshalb mißtraute er den spärlichen
Quellen, die er aus dem 17. Jahrhundert fand, und verzichtete darauf,
seine Untersuchungen auf diese Zeit auszudehnen.
Es spricht vieles dafür, dass es damals tatsächlich kaum Sonnenflecken gegeben hat. Nun tritt Gustav Spörer wieder auf. Im Jahre 1889
wies er darauf hin, dass der normale Zyklus der Sonnenflecken unterbrochen war, während eines Zeitraumes, der etwa 1716 endete. Ein Jahr
später bestätigte der englische Sonnenforscher Edward Walter Maunder
(1851-1928), der von der Greenwicher Sternwarte aus die Sonne studierte, die Spörersche Vermutung. Sein Artikel „Ein verlängertes Sonnenfleckenminimum“ erschien 1890. Seither spricht man vom Maunder-Minimum. Eddy versuchte, die Fleckenrelativzahlen über das Jahr 1700 hinaus zurück zu konstruieren.

Der Sonnenkönig und die Sonnenflecken

Tatsächlich scheint die Sonne während der Regierungszeit Ludwigs XIV, des Sonnenkönigs, also von 1638 bis 1715, kaum Flecken
gezeigt zu haben. Es ist zwar schwer, aus Jahren, in denen noch niemand die Sonne systematisch überwacht hat, Material über die damalige Sonnenaktivität zu finden, doch in dieser Zeit werden Sonnenflecken kaum erwähnt, obwohl Fernrohre zur Verfügung standen. Man
konnte sie jederzeit kaufen, und es bedarf ja keines besonders raffinierten Teleskops, um einen Sonnenfleck zu sehen. Während der Zeit, aus
der kaum von Sonnenflecken berichtet wird, hat man mit Fernrohren
eine Reihe von anderen Entdeckungen gemacht.

  • Man sah, dass der Saturnring geteilt ist,
  • entdeckte fünf Saturnmonde
  • und sah Merkur und Venus als schwarze Punkte vor der Sonnenscheibe vorbeigehen.

Trotz dem gibt es aus der Zeit zwischen 1645 und 1715 kaum Berichte über
beobachtete Sonnenflecken. In diesem Zeitraum tritt sogar eine Spanne
von 32 Jahren auf, aus der es keinen einzigen Bericht von einem gesichteten Sonnenfleck gibt.
Als Giovanni Domenico Cassini (1625-1712), der Direktor der Pariser Sternwarte, mitten im Maunder-Minimum doch einen Sonnenfleck
entdeckte, bot das Anlass für eine längere Notiz, gefolgt von einem
ausführlichen Bericht über den letzten Sonnenfleck vor elf Jahren.
Schließlich musste man allen denen, die noch keinen gesehen hatten, erklären, wie ein Sonnenfleck aussieht. Auch Picard, der vielen als Bestimmer des Erddurchmessers bekannt sein dürfte, hat damals einen Sonnenfleck entdeckt, und Cassini schreibt, Picard hätte sich
sehr darüber gefreut, da er zehn Jahre lang keinen gesehen hatte.
Auch andere Hinweise deuten auf das verlängerte Sonnenfleckenminimum hin.
So zeigen sich in Zeiten hoher Sonnenaktivität viele und zahlreiche Polarlichter, manchmal bis in unsere Breiten hinein. Sie werden von Gasmassen hervorgerufen, welche besonders stark in Zeiten eines Fleckenmaximums von der Sonne ausgeschleudert werden. Auch in historischen
Berichten über Nordlichter spiegelt sich die fleckenlose Zeit wider. Den
stärksten Hinweis auf Unregelmäßigkeiten im Sonnenfleckenzyklus in
der Vergangenheit erhält man aber aus ganz anderer Richtung.

Sonnenflecken im Pflanzenreich

Die Erde empfängt aus den Weiten des Weltraumes einen ständigen Strom geladener Materieteilchen. Diese sogenannte kosmische Strahlung wurde 1913 von dem österreichischen Physiker Viktor Franz Hess
(1883-1964) in den oberen Schichten unserer Atmosphäre entdeckt. Er trug seine Messinstrumente mit Ballonen hoch in die oberen Luftschichten hinauf.
Diese Strahlung ist etwas anderes, als der Sonnenwind, von dem schon an anderer Stelle auf dem Blog die Rede war.

Die Teilchen dieser Strahlung verwandeln den Stickstoff der Luft in das Kohlenstoffisotop, $C_14$. Die Atome dieser Kohlenstoffsorte unterscheiden sich von den normalen Kohlenstoffatomen, $C_12$, dadurch, dass sie
etwas schwerer sind, denn ihre Kerne enthalten zwei Neutronen mehr.
Doch anders als $C_12$ ist $C_14$ radioaktiv. Von
einer vorgegebenen Menge von $C_14$-Atomkernen zerfällt innerhalb von
5730 Jahren die Hälfte in Stickstoffatome, $N_14$.
Daraus ergeben sich drei Szenarien:

  1. Würde die kosmische Strahlung plötzlich aussetzen, dann würden immer mehr Atome des $C_14$ zerfallen, bis schließlich keines mehr übrig wäre.
  2. Hielte aber die kosmische Bestrahlung unverändert über jahrmillionen an, dann würde sich eine bestimmte Anzahl von Atomen des radioaktiven Kohlenstoffs bilden, gerade so viele, dass in jeder Sekunde so viele zerfallen, wie neue erzeugt werden.
  3. Wenn aber die kosmische Strahlung im Laufe der Zeit schwanken würde, dann würde auch die Häufigkeit der $C_14$-Atome schwanken.

Die radioaktiven Kohlenstoffatome sind mit denen des normalen
Kohlenstoffs gemischt, und da sie sich chemisch nicht von den anderen
unterscheiden, werden sie mit dem Kohlendioxid von den Pflanzen
aufgenommen und zum Beispiel in den jahresringen der Bäume abgelagert. Wenn man die einzelnen jahresringe eines Baumes untersucht, kann man also für jedes Jahr das Verhältnis von normalem zu radioaktivem Kohlenstoff bestimmen. Doch was hat das mit den Sonnenflecken zu tun?

Wenn die Sonne sehr aktiv ist, dann fliegen von ihr mit der ständig von ihrer Oberfläche abströmenden Materie Magnetfelder in den Raum, die in der Nähe der Erde Teilchen der kosmischen Strahlung ablenken, so dasssssie die Erdatmosphäre nicht erreichen. Wenn also die Sonnenaktivität ein Maximum hat, dann entsteht in der Erdatmosphäre weniger $C_14$. Die in dieser Zeit gebildeten jahresringe sind dann ärmer an radioaktivem Kohlenstoff. Mit Hilfe der Bäume kann man so die Sonnenaktivität weit in die Vergangenheit zurückverfolgen.

Forscher fanden bei derartigen Untersuchungen tatsächlich deutlich zwei Zeiträume höheren „$C_14$-Gehaltes: das Maunder-Minimum in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts und ein weiteres, das man das Spörer-Minimum nennt. Es scheint etwa von 1460 bis 1540 gewährt zu haben. Auch
für diese Zeit findet man fast keine Berichte über Polarlichter.
Diese Versuche sind so sensibel, dass man in ihnen zum einen sogar die Variation des Erdmagnetfeldes ablesen kann, als auch die Zunahme des normalen Kohlenstoffs der dadurch entsteht, dass wir Industrienationen durch Öl und Kohle gebundenen normales $C_12$ in Form von $CO_2$ in die Luft blasen. Dadurch wird das Isotop $C_14$ quasi verdünnt.
Wieso die Sonne manchmal pausiert, ist bis heute noch nicht ganz klar. Es hängt mit Magnetfeldern zusammen, die auf ihr entstehen und auch wieder vergehen. Ihre merkwürdige Rotation dürfte hier auch eine erhebliche Rolle spielen und nicht zuletzt, dass die Sonne sich im vierten Aggregatzustand befindet. Sie ist ein Plasma. Dieser Zustand muss aber Inhalt eines anderen Artikels werden.

2 Gedanken zu „Der Sonnenkönig und die Sonnenflecken“

  1. Hallo Gerhard,

    eine (vielleicht etwas dumme) Frage: Was sind Sonnenflecken? Was passiert in diesen dunklen Flächen auf der Sonnenoberfläche Anderes als auf der übrigen Fläche? Wahrscheinlich hast du das schon einmal erklärt. Falls Ja: Könntest du es nochmals wiederholen?

    Herzliche Grüße
    Dietmar

    1. Lieber Dietmar, Du fleißiger Leser meiner Ergüsse,

      mit Deiner Frage liegst Du gar nicht so falsch. In der Tat habe ich wenn, dann nur mal ganz kurz erklärt, was Sonnenflecken überhaupt sind.

      Am 03.09.2019 schrieb ich einen Artikel über die Gefahren, welche durchaus von der aktiven Sonne ausgehen könnten.

      Ansonsten bin ich mit euch noch nicht tiefer in die Funktionsweise von Sonnenflecken eingestiegen, weil man dafür einige Grundlagen in Plasma-Physik legen und sich über die Sonnenrotation und deren Magnetfelder unterhalten muss. Ich arbeite gerade daran und sortiere, was ich euch zumuten darf und was ich selbst gut erklären kann.

      Hier schicke ich Dir und euch mal den Link zu dem alten Artikel. Vielleicht stillt es etwas Deinen Wissensdurt und erleichtert das Warten.

      https://blindnerd.de/2019/09/03/droht-gefahr-von-unserer-sonne/

      Nachher fahre ich übrigens mit meiner Arbeitsplatzassistenz nach Stuttgart. Dort läuft im Haus der Wirtschaft eine Ausstellung zu 450 Jahren Johannes Kepler.
      Da muss jemand wie ich doch einfach mal kurz rein schauen.

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