Alle Jahre wieder


Meine lieben,
Die Überschrift dieses Beitrages lässt fast an Weihnachten erinnern. Tatsächlich kamen Teile davon schon in anderem Zusammenhang in einem meiner Weihnachtskalender vor.
Manches in diesem Artikel mag den alten Hasen unter euch bekannt sein, aber wir haben jungen Zuwachs bekommen. Das ist dann immer auch mal wieder eine gute Gelegenheit gut abgehangene Artikel in ein neues Gewand zu verpacken. Außerdem ist das alles ja in jedem Jahr etwas anders und muss aktualisiert werden, gell…
Lasst euch überraschen und verzaubern.

Vorbemerkungen

alle Jahre wieder ist es so weit. Von Mitte Juli bis Mitte August verdanken wir dem Meteorstrom der Perseiden viele Sternschnuppennächte, in welchen viele Wünsche an den Himmel gerichtet werden dürfen. Mögen sie vor allem in diesen Zeiten für euch in Erfüllung gehen. Aber denkt daran. Nicht alle Wünsche sind sinnvoll. In den guten alten Kindermärchen kann man immer wieder nachlesen, wozu nicht klug gewählte Wünsche führen können, z. B. in „Der Fischer und seine Frau bei den Gebrüdern Grimmm, oder in „Das kalte Herz“ bei Wilhelm Hauff.

OK, Sternschnuppen sind in erster Linie etwas zum sehen, für mich als blinden Beobachter also erstmal scheinbar unspannend. Aber hier erfahrt ihr, dass man sie auch hören kann. Ja, richtig gehört. Man kann sie unter gewissen Umständen hören.
Ich sag’s ja immer wieder. Die Astronomie ist inklusiv. Der Himmel ist für alle da, und bietet für jeden etwas an.

Was sind die Perseiden nochmal?

Die Perseiden oder auch Laurentiustränen, Tränen des Laurentius genannt, sind ein jährlich im Sommer wiederkehrender Meteorstrom, der in den Tagen um den 12. August ein deutliches Maximum an Sternschnuppen aufweist. Der scheinbare Ursprung dieses Stroms, liegt im namensgebenden Sternbild Perseus.
Das Sternbild soll die Gestalt des griechischen Helden Perseus darstellen, der die tödliche Medusa besiegte. Der Stern Algol repräsentiert das abgeschlagene Medusenhaupt, das er in der Hand hält.
Perseus gehört zu den 48 klassischen Sternbildern, die von Ptolemäus beschrieben wurden.
Bereits im Mittelalter hatten arabische Astronomen die eigenartige periodische Veränderung der Helligkeit des Sterns Algol beobachtet. Der Name leitet sich aus dem arabischen Ras al Ghul ab und bedeutet Haupt des Dämonen.

In meinem Buch im Kapitel „Wissenschaftler mit vier Sinnen“ berichte ich über den gehörlosen Astronomen John Goodricke, der sich mit Sternen beschäftigte, die ihre Helligkeit ändern.
Er fand einen Zusammenhang zwischen der maximalen Helligkeit von Sternen und deren Periode, in welcher sie diese verändern.
Seine Entdeckungen werden bis heute zur Entfernungsbestimmung von Himmelsobjekten benutzt.
Vielleicht war gerade er als gehörloser Mensch ganz besonders für diese Entdeckung, dass es Sterne gibt, die ihre Helligkeit periodisch verändern, geeignet, weil Menschen mit Hörbeeinträchtigung meist ausgezeichnete Beobachter sind. Sie müssen z. B. von den Lippen ablesen können.
Ich sag’s an dieser Stelle gerne nochmal.
Die Astronomie ist aus sich heraus einfach inklusiv, ob man will, oder nicht, ob man es glauben mag, oder nicht.

Woraus bestehen sie?

Die Perseiden bestehen aus dem, was der Komet 109P/Swift-Tuttle. bei seinen letzten Besuchen durch erwärmung, schmelzen etc. verloren hat.
Er erscheint ungefähr alle 130 Jahre und entfernt sich dann stets etwas schlanker, als er vorher war. Das nächste Mal wird er um das Jahr 2126 erwartet. Ganz genau kann man das bei Kometen nie sagen, weil ihre Bahn von den Planeten gestört werden können, bzw. sie selbst ihre Bahn ändern, wenn sie aktiv sind. Dann wirkt sich die Aktivität wie kleine Schubdüsen aus.
Die Erde kreuzt auf ihrer Bahn immer um den 12. August die Staubspur, die dieser Komet im All hinterlässt, wenn er vorbei kommt. Die Staubteilchen treffen dabei mit hoher Geschwindigkeit auf die Atmosphäre und bringen die Luftmoleküle zum Leuchten. Die Sternschnuppe ist daher nicht das verglühende Staubkorn selbst, sondern wird durch das Rekombinationsleuchten der ionisierten Luft sichtbar.

Momentan werden die zu erwartenden Sternschnuppen jedes Jahr immer weniger, weil zum einen schon viele in der Erdatmosphäre verglühten, und zum anderen sich der Kometenstaub, immer mehr verteilt und somit ausdünnt.
Es wird Zeit, dass er mal wieder vorbei kommt, und seine Bahn für uns mit neuem „Sternenstaub“ auffüllt.
Eines Tages wird der Komet vollständig aufgelöst sein.
Dann wird es die Perseiden nicht mehr geben, weil kein Nachschub an Staub mehr kommt.

Überlieferungen

Die erste überlieferte Beobachtung der Perseiden fand vor etwa zwei Jahrtausenden in China statt. Danach gibt es Berichte aus Japan und Korea. In Europa stammt die erste bekannte Beobachtung aus dem Jahr 811.
Da das Erscheinen der Perseiden mit dem Fest des Märtyrers Laurentius am 10. August zusammenfällt, der im Jahre 258 das Martyrium auf einem glühenden Rost erlitt, werden sie im Volksmund auch Laurentiustränen oder Tränen des Laurentius genannt. Kurz vor seinem Tod soll Laurentius der Legende nach seinem Widersacher, dem römischen Kaiser Valerian, die folgenden Worte gesagt haben:

Du armer Mensch, mir ist dieses Feuer eine Kühle, dir aber bringt es ewige Pein.

Beobachtung

Vom 17.Juli bis zum 24. August kann vermehrt mit Sternschnuppen gerechnet werden.
2024 besteht in den frühen Morgenstunden des 12. und 13. August die beste Chance dazu. Das eigentliche Maximum fällt leider auf den 12. August am Nachmittag, wo die Sonne derlei Schauspiel leider überstrahlen wird.

Beobachter müssen auch dem störenden hellen Mond etwas aus dem Wege gehen, denn am 19.08. ist Vollmond, so dass wir uns im zunehmenden Mond kurz nach Halbmond befinden, wenn das Spektakel am schönsten ist. Neumond wäre natürlich optimal.
Am besten beobachtet man die Sternschnuppen an einem möglichst dunklen Ort auf dem Land, wo kein Stadtlicht stört. legt euch auf eine Wiese auf den Rücken und wendet nach Mitternacht den Blick gen Osten, also in Richtung Erddrehung. Ihr dreht euch dann quasi mit der Erde in den Meteorschauer hinein.
Am besten sichtbar sind die Perseiden auf der Nordhalbkugel.

Sternschnuppen hören

So, nach dem langen Spannungsbogen kommen wir nun zu dem, worauf ihr vermutlich schon lange gewartet habt. Dann will ich mal nicht so sein.
Hörbar sind die Perseiden zumindest für Amateurfunker, die einen Empfänger und eine passende Antenne besitzen.
Diese Disziplin des Amateurfunks nennt man Meteor Scatter.
Wer einen passenden Empfänger und eine Antenne besitzt, kann das Französische Radar-Signal des Weltraumradars GRAVES benutzen. Dieses französische Radarsystem sendet auf 143,050 MHz einen Dauerträger, Dauerton, der über Phasenarray-Antennen den Himmel “abtastet”. Meteoriten, aber auch andere Objekte (Flugzeuge, Satelliten, die ISS, der Mond) reflektieren das Signal und streuen es in alle Richtungen, und diese Reflexionen können dann in Europa gut empfangen werden. Anhand der Doppler-Abweichung erkennt man dann, welches Objekt das Funksignal reflektiert hat: der Mond oder Flugzeuge bewirken eine sich nur langsam ändernde Dopplerabweichung, bei Objekten in Erdumlaufbahn ändert sich die Abweichung schnell, und bei Meteoriten extrem schnell.
Den Effekt kennen wir bei vorbeifahrenden Krankenwagen und seiner in der Tonhöhe variierender Sirene.
Hier schicke ich euch mal einen Link, wie sich das anhört.
Ein Großteil des Klanges besteht nur aus einem Rauschen des Empfängers. Aber haltet durch. Besonders am Ende hört man sehr schön, wie die Sternschnuppen in den Empfangsbereich der Antenne hinein knattern. Also ich finde das sehr aufregend.

„Sternschnuppen hören“

Wie ihr in den Kommentaren zu diesem Beitrag lesen könnt, kann man Sternschnuppen manchmal auch ganz ohne Hilfsmittel hören. Das geschieht aber nur sehr selten. Und wer hat dann sofort ein gut eingestelltes Aufnahmegerät bei der Hand…
Dieser Sonderfall, wo man das tatsächlich kann, ist ein eigener Artikel wert. Außerdem darf dieser ja auch nicht explodieren…

Hach, wie ist das einfach nett, wenn man in der Astronomie so schön vom Höckchen auf’s Stöckchen kommt.

Jetzt wünsche ich euch viele schöne klare Sommernächte mit vielen Sternschnuppen und Wünschen, die dann in Erfüllung gehen.

5 Gedanken zu „Alle Jahre wieder“

  1. Lieber Gerhard,
    ich hatte tatsächlich vor langer Zeit die Möglichkeit, eine Sternschnuppe zu hören – ganz ohne Einsatz von technischen Hilfsmitteln. Bei einem Urlaub in den USA hörte ich auf dem Highway plötzlich ein immer lauter werdendes Kreischen. Ich konnte mir das nicht erklären, bis ich eine Sternschnuppe sah, die über den Highway zog und dann in den Great Salt Lake in Utah fiel. Das war wirklich ein unvergessliches Erlebnis.
    Viele Grüße Michael

    1. Lieber Michael, was für ein spannendes, großartiges und aufregendes Erlebnis. Ich bin ganz ergriffen davon.
      Du bist nun schon der zweite, der mir im Laufe meiner Astronomie-Karriere so ein Erlebnis mitgeteilt hat.
      Neid ist mir fremd,
      aber wann darf ich auch mal so etwas mit eigenen Ohren hören?
      Solch eine klingende Feuerkugel nennen die Astronomen nicht mehr Meteor oder Sternschnuppe, weil sie irgendwie mehr ist. Es handelt sich um einen Boliden. Vielleicht ist, wenn er nicht doch noch in den unteren Schichten der Atmosphäre zerplatzte, etwas davon in den Great Salt Lake gefallen, wonach es sich zu tauchen lohnte.
      An dieser Stelle schließt sich dann der Kreis zwischen den normalen Sternschnuppen und meinen im vorigen Artikeln kreieten Wunschsteinen. Heben wir uns dieses Bindeglied für einen weiteren Artikel auf, damit der hier nicht explodiert.

  2. Ich war gestern tatsächlich „Sterne zählen“ leider war der Himmel ziemlich diesig (Inklusive Lichtverschmutzung) aber ich habe tatsächlich eine Sternschnuppe gesehen.
    Wie kann man diesen Glücksmoment beschreiben? Ein paar Sekunden lang die Wärme eines Teelichtes an einem kalten Winterabend?
    Grad der Blick in den dunklen riesigen Himmel- zu wissen wie groß das Universum ist- vielleicht lässt es sich wirklich mit Kälte und einem kleinen Wärmequell vergleichen.
    Oder mit der Stille in einem Konzertsaal nach dem Begrüßungsapplaus bis zum großen Tusch des Orchesters?

    So eine Sternschnuppe ist wirklich nur sehr kurz zu sehen, vielleicht 1-3 Sekunden.

  3. mein lieber freund,
    ich bewundere dich!
    du hast mir die astronomie mit deiner liebevollen art der
    beshreibung und verständlichen art des unterrichtens
    näher gebracht! dafür bin ich dir sehr dankbar!
    ich hoffe auf viele weitere solcher lehrreicher texte von dir!
    auch habe ich mir wieder erlaubt, den text an zwei freundinnen
    und zwei freunde weiterzuschicken. ich habe dein
    einverständnis einfach vorausgesetzt.

    wie schön, dass es dich gibt! wie schön, dass wir uns kennen!

    liebe grüße sendet
    jürgen

  4. Lieber Gerhard,
    großartig und vielen Dank für den wunderbaren „reanimierten“ Artikel! Er ist es wirklich wert, erneut unter die Leute zu kommen. Ich hab ihn auch gerade weitergegeben. Bei uns im Garten waren die Persiden in vergangenen Jahren schon ab und zu zu sehen. Jetzt war es oft bewölkt oder nass auf der Wiese. Aber wir hoffen ja alle auf besseres Wetter!
    Dir alles gute und mach weiter so..

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