Meine lieben,
Gestern war in ganz Baden-Württemberg Blitzeis und damit verbunden Glätte gemeldet und momentan schneit es uns ein. Nicht, dass es das schon früher auch dann und wann gegeben hätte. Manchmal habe ich das Gefühl, die Menschen und Medien drehen durch. Ich dachte, wir hätten durch die Pandemie gelernt, wie man mal flexibel und ruhig auf etwas reagieren kann. Seit heute zweifle ich daran wieder. Wie auch immer. Was ich heute mit euch teile, werden vielleicht viele kennen, aber ich finde es Wert, sich dessen zu erinnern, es zu würdigen und sich daran zu erfreuen.
Heute geht es mal um Eis und Schnee.
Das normalste der Welt ist nicht normal
Ein Phänomen, das uns in der Natur begegnet und fasziniert, ist die Eisbildung, ein Prozess, der auf der einzigartigen Anomalie des Wassers basiert. Wasser, das auf den ersten Blick als gewöhnliche Flüssigkeit erscheint, offenbart beim Übergang zum festen Aggregatzustand, also zu Eis, erstaunliche Eigenschaften, die es von den meisten anderen Substanzen unterscheidet.
Dieses nicht normale Verhalten des Wassers ist besonders auffällig, wenn es von der flüssigen in die feste Phase übergeht. Eigentlich würde man erwarten, dass eine Flüssigkeit beim Erstarren an Dichte gewinnt und somit schwerer und ihr Volumen kleiner wird. Wasser hingegen erreicht bei etwa 4 Grad Celsius seine maximale Dichte und wird dann beim weiteren Abkühlen leichter und sein Volumen daher wieder größer. Dies führt dazu, dass Eis auf Wasser schwimmt.
so entsteht, wenn ein Gewässer zufriert, eine isolierende Eisschicht unter welcher das darunter liegende Wasser flüssig und wärmer bleibt.
Und das sorgt wiederum dafür, dass alle darin lebenden Fische und Lebewesen vor dem Gefriertod geschützt bleiben.
Bissel Wasserchemie
Die Anomalie des Wassers, auch als Dichteanomalie bekannt, tritt aufgrund der speziellen Struktur der Wassermoleküle auf. Ein Wassermolekül besteht aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom, die miteinander verbunden sind. Durch diese Bindungen entsteht ein Winkel von etwa 104,5 Grad zwischen den Wasserstoffatomen. Diese Struktur verleiht dem Wassermolekül ein elektrisches Dipolmoment, was bedeutet, dass es ein positiv und ein negativ geladenes Ende besitzt.
Dass dem so ist, kann man daran sehen, dass man einen Wasserstrahl mit einem elektrischen Feld ablenken kann.
Dieser Dipol-Charakter entsteht durch die elektrostatische Ladungsverteilung innerhalb des Moleküls. Das Wassermolekül besteht aus einem Sauerstoffatom, das stärker elektronegativ ist, und zwei Wasserstoffatomen. Aufgrund der höheren Elektronegativität des Sauerstoffs zieht er die Elektronen in der Bindung stärker zu sich, was zu einer negativen Ladung am Sauerstoff und positiven Ladungen an den Wasserstoffatomen führt.
Die Elektronenwolken um die Wasserstoffatome werden in Richtung des Sauerstoffs verschoben, was zu dem permanenten Dipolmoment führt.
Dieser Dipol-Charakter verleiht dem Wassermolekül einzigartige physikalische und chemische Eigenschaften.
Die Dipol-Wechselwirkungen zwischen den Wassermolekülen spielen eine entscheidende Rolle in vielen physikalischen Phänomenen, wie z.B. der Löslichkeit von Ionen und polaren Molekülen im Wasser.
Die hohe Polarität und der Dipol-Charakter des Wassermoleküls machen es zu einem einzigartigen Lösungsmittel für viele Substanzen und tragen wesentlich zur Entstehung und Aufrechterhaltung von biologischem Leben bei.
Die Wasserstoffbrückenbindung, eine spezielle Form der Dipol-Wechselwirkung, ist besonders wichtig und verantwortlich für Eigenschaften wie die hohe Oberflächenspannung und die ungewöhnliche Dichteanomalie von Wasser.
Die Oberflächenspannung kann man fühlen, indem man eine Hand flach auf Wasser legt. Drückt man sie flach in das Wasser hinein, so hat man das Gefühl, eine dünne Haut zu durchdringen. Es gibt auch Insekten, die auf dieser „Haut“ laufen können, ohne einzusinken.
Veränderung und Energie
Der Übergang vom flüssigen zum festen Zustand, sprich die Eisbildung, erfolgt bei null Grad Celsius. Während dieses Übergangs werden große Mengen an Energie freigesetzt, was als latente Wärme bezeichnet wird. Dieser Wärmefreisetzungseffekt hat erhebliche Auswirkungen auf das Klima und den Energieaustausch in den Ozeanen und Atmosphäre.
Ich habe mal gelesen, dass man mit der Energiemenge, die man zur Überführung von 0 Grad kaltem Eis in 0 grad flüssiges Wasser benötigt, diese Menge an flüssigen Wassers auf 84 Grad aufwärmen könnte. Und ja, null Grad flüssiges wasser kommt auch vor, wenn es beispielsweise etwas verunreinigt ist. Dann kann etwas, das hinein fältt die Eisbildung anstoßen.
Nun ja. Das erklärt auch, weshalb man Anfang des Sommers manchmal in kurzen Hosen neben einem Schneehaufen in den Bergen stehen kann, weil Schnee und Eis viel Energie zum auftauen benötigen. Und nämlich genau die Menge, die der Schnee abgegeben hat, als er von Wasser zu Schnee oder Eis wurde.
Energie beim Übergang im Alltag
Den Effekt mit der Energie und dem Übergang beim Wasser kann man im Alltag tatsächlich nur so erleben, indem man darüber staunt, wie lange sich Schnee manchmal hält, oder wie lange es dauert, bis sich ein Eiswürfel endlich mal auflöst.
Meine Großmutter erzählte mir oft davon, dass im Winter auf zugefrorenen Gewässern Eis geerntet wurde, womit das ganze Jahr über dann z. B. die Eiskeller von Brauereien gekühlt wurden. Fuhren die Eiswagen durch den Ort, versuchten die Kinder immer etwas abzubekommen. Und nicht vergessen. Das war Wassereis. Wer weiß noch, wie ein Eiszapfen schmeckt? Nichts schöneres, als sich einen auf einem Spaziergang abzubrechen und daran zu lecken.
Auch dieses Eis zeigt uns, wie viel Energie nötig ist, um es zu tauen.
Es gibt aber noch andere chemische Verbindungen, die entweder Wärme abgeben bzw. aufnehmen, wenn sie ihren Aggregatzustand ändern. Wir kennen das von Wärme, bzw. Kühl-Pads her. Durch das Biegen eines kleinen Stäbchens entsteht ein kleiner Strom, der die Flüssigkeit veranlasst, aus zu kristallisieren. Dabei wird je nach Substanz dann wärme bei Wärmekissen, und Kälte bei Kältekissen frei. Möchte man diese Dinger wieder benutzen, muss man neu Energie in sie hinein pumpen, indem man die Gel-Pads auskocht. Die Kristalle werden dann wieder flüssig, und die Sache kann von vorne los gehen.
Und noch eine Schönheit
Die vielfältigen und schönen Formen von Schneekristallen haben Menschen schon immer fasziniert. Schneeflocken sind zum einen sehr regelmäßig und harmonisch und
zum anderen scheint die genaue Form stark vom Zufall abzuhängen. Die Vielfalt der Formen ist so groß, dass man sagen kann: „Keine Schneeflocke gleicht der anderen.“ Wie kann es zu einer solchen Mischung aus Vielfalt und Regelmäßigkeit kommen?
Die sechseckige Kristallstruktur von Schneeflocken ist eine weitere faszinierende Eigenschaftdes Wassers. Die Wassermoleküle ordnen sich in einem regelmäßigen Muster an, was zu einem Volumenanstieg führt. Dies ist der Grund dafür, dass Eis im Vergleich zu flüssigem Wasser ein größeres Volumen einnimmt.
Kein geringerer als Johannes Kepler stellte sich hierzu einige Fragen.
- Welche mathematischen und physikalischen Gesetze bestimmen das Wachstum von Schneekristallen?
- Können mathematische und physikalische Theorien helfen, die Form von Schneeflocken zu verstehen?
Und mit diesen Fragen hatte Kepler eine ganz besondere Geschichte, die der Sternenonkel euch jetzt zum Schluss noch erzählt:
Was schenkt man, wenn man nichts hat?
Während seiner Zeit in Prag wird Kepler von seinem Freund und Gönner Matthäus Wacker von Wackenfels vielfältig unterstützt. So leiht ihm Wacker von Wackenfels sein Fernrohr für nächtliche Beobachtungen, er versorgt ihn mit Büchern, und beide diskutieren über Galileis Entdeckungen. Kepler möchte sich zum Neujahrstag des Jahres 1611 nun mit einem Geschenk bedanken.
Auf seinem täglichen Spaziergang durch das winterliche Prag lösen sich alle Ideen für ein Geschenk in nichts auf, da Kepler über keine finanziellen Mittel verfügt.
Kepler schreibt:
Auf der Karlsbrücke schließlich wurde durch einen glücklichen Umstand Wasserdampf und Kälte zu Schnee und einige Schneeflocken fielen da und dort auf meinen Mantel, alle sechseckig und von gefächertem Aussehen.
das war die richtige Sache für einen Mathematiker, der nichts hat und nichts erhält, etwas zu überreichen, das vom Himmel
fällt und wie ein Stern aussieht.
Kepler machte sich also daran, für Wacker eine Abhandlung über die sechseckige Form von Schneekristallen anzufertigen. Wie seine
Arbeiten über die Planetengesetze enthält auch diese Schrift viele neue Gedanken.
Keplers Schrift für Wacker hatte den Titel „Strena Seu de Nive Sexangula“ (Neujahrsgeschenk, oder: Über die
sechseckige Schneeflocke“). Kepler ging in seinem Büchlein der Frage nach, warum Schneekristalle stets eine sechsfache Symmetrie aufweisen. Er schrieb:
Es muss einen bestimmten Grund geben, warum bei Einsetzen des Schneefalls die Anfangsformationen unverändert die Form eines sechseckigen Sternchens haben. Sollte es durch Zufall erfolgen, warum fallen sie dann nicht mit fünf oder sieben Ecken.
Und so wurde der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler zum ersten Forscher, der Schneekristalle wissenschaftlich untersuchte.
Er war einer der Pioniere der Schneekristallforschung, und eine in seinen Studien zu diesem Thema formulierte Vermutung konnte erst über vierhundert Jahre später bewiesen werden. Und diese Vermutung wird uns in diesem Jahr nochmal begegnen. Lasst euch überraschen.
Moin Gerhard, Schnee und Eis. Ich wundere mich immer darüber, dass sich die Menschen soweit von der Natur entfernt haben. Fallen mal 2cm Schnee, fahren sie so langsam, das man nebenher gehen kann. Ich bin gerade in Nordschweden (Polarlichttour) und die Straßen haben eine Schneedecke oder sind vereist. Natürlich haben sich die Menschen hier darauf eingestellt, z.B. durch Räder mit Spikes, aber das ganze Leben passt sich hier an. Letzte Woche hatte ich hier Nachttemperaturen von -31°. Gestern war es plötzlich 20° wärmer. Aber selbst die -11° waren schöner zu empfinden als das Pi-Wetter in Deutschland – möglichst noch Regen bei 11 Grad. Ich sende dir vom Polarkreis liebe Grüße!
Utz