Meine lieben,
heute geht es um etwas, worüber sich einige Nerds und ich neulich in der Mensa unterhielten.
Der Gegenstand von heute ist sehr flüchtig und kommt bei uns auf der Erde eher selten vor. Kommt es frei, dann haut es sofort ins Weltall ab. Obwohl es das zweithäufigste im Universum ist, ist es hier selten und kostbar.
Wir füllen es in Luftballons, die dann in die Höhe steigen und atmen es ein, damit wir wie die Mickymaus sprechen können.
Nicht zuletzt kühlen wir damit um die Wette, um möglichst nahe an den absoluten Nullpunkt von -273 Grad heran zu kommen, 0 Kelvin also.
Na klar. Ihr habt es längst erraten, dass es um Helium gehen wird.
Also los.
Die Entdeckung
Es ist kaum mehr als einhundert Jahre her, als die Wissenschaft noch davon ausging, dass die Sonne ähnlich aufgebaut sei, als unsere Erde. Nun ja. Immerhin zeigen sich im Sonnenspektrum auch viele Linien bekannter Elemente.
Erst eine Frau, mit Namen Cecilia Payne, räumte damit auf und erklärte uns den Sonnenstoff.
Ich schrieb darüber zum Weltfrauentag 2022 und in meinem Adventskalender in
Die Frau mit dem Sonnenstoff
Sie fand heraus, dass Sterne im wesentlichen aus Wasserstoff und Helium bestehen, und sich somit grundlegend vom Aufbau der Erde unterscheiden.
Also mich verblüfft das sehr, dass man etwas entdecken kann, obwohl man nicht vor Ort ist. Genau so ist das mit dem Helium passiert. Der Name sagt es ja schon. Helium heißt so, weil es eben nicht zuerst auf der Erde, sondern auf der Sonne entdeckt wurde.
Die Entdeckung des Heliums führt uns nach Indien in das Jahr 1868. Dort bewegte sich am 18.08. der Kernschatten einer Sonnenfinsternis über die indische und die malaiische Halbinsel.
Das wollten sich vor allem zwei Astronomen nicht entgehen lassen.
Den einen haben wir schon mal kennengelernt in Ein Sonnenforscher, eine Finsternis und ein Latenzaun
Der Astronom und Fotograf Pierre Jules César Janssen nahm also die beschwerliche Reise auf sich, um von Guntur in Indien aus diese Finsternis zu beobachten und zu fotografieren.
Als nach kurzer Zeit die Sonne wieder hinter der Mondscheibe hervortrat und die Protuberanzen verblassten, soll Janssen ausgerufen haben:
„Diese Linien will ich auch außerhalb der Finsternisse beobachten.“
Und was macht er danach? Er erfindet mal eben den Heliospektrographen.
Damit kann man Sonnenfinsternis auch am Tag und auf der ganzen Sonnenoberfläche erleben.
Den anderen der zwei, hätte diese Reise beinahe sein Leben gekostet.
Joseph Norman Lockyer schiffte sich auf der Psyche ein, um zum Ort des Geschehens zu gelangen. Leider erlitt er mit diesem Schiff Schiffbruch. Er wurde aber irgendwie gerettet, und erreichte mit knapper Not noch sein Ziel.
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass er gerade noch drei Sekunden Finsternis beobachten konnte.
Ja, es war schon gefährlich, damals ein Finsternisjäger zu sein. Je nach dem, wo sie stattfindet, ist das bis heute so. Seereisen mögen sicherer geworden sein, und viele Orte kann man per Flugzeug erreichen, aber oft fallen die Finsternisse dort hin, wo einem Krokodile oder Schlangen in die Füße beißen können…
Aber nichts für ungut, fanden beide unabhängig voneinander eine gelbe Linie im Sonnenspektrum, die bisher noch keinem Element auf der Erde zugeordnet werden konnte. Es musste sich also um einen Stoff handeln, den es scheinbar nur auf der Sonne zu geben schien. Grund genug, ihn Helium zu nennen.
Das ist doch absurd. Da versteckt sich unser Heimatstern mal kurz hinter dem Mond, und die beiden finden die gelbe Spektrallinie des Heliums.
Zum Glück passt eben nur der hell leuchtende mittlere Teil der Sonne hinter den Mond, so dass die spannende Korona noch seitlich hervorluggt. Zumindest bei totalen Finsternissen ist das so.
Somit war Helium das erste Element, das nicht zuerst auf Erden entdeckt wurde.
Es dauerte noch ungefähr dreißig Jahre, bis man es auch auf der Erde fand.
Der schottische Chemiker William Ramsay suchte in einem Mineral namens Cleveit (ein Uranerz) nach Argon.
Stattdessen fand er ein Gas mit genau jener geheimnisvollen gelben Spektrallinie – es war das Sonnen-Helium!
Kurz darauf bestätigten die schwedischen Forscher Per Teodor Cleve und Nils Abraham Langlet die Beobachtung und isolierten größere Mengen.
Was ist Helium?
- Helium ist ein besonderes Element: Es ist ein sogenanntes Edelgas und gleichzeitig das zweitleichteste chemische Element nach Wasserstoff.
- Ein Edelgas geht mit nichts chemische Reaktionen ein.
- Es besteht in seinem Kern aus zwei Protonen und zwei Neutronen, der von zwei Elektronen umgeben ist.
- Es kann nicht wie viele andere Stoffe durch chemische Prozesse hergestellt werden, da es sich um ein reines Atom handelt und nicht um eine Verbindung, die man mischen könnte.
- Es kommt chemisch quasi einzeln vor, wobei sich die nicht edlen Gase mit ihresgleichen verbinden, wenn sich nichts besseres findet, z. B.
Wasserstoff als H2,
Sauerstoff als O2
Stickstoff als N2
und Helium eben alleine als He. Das hat zur Folge, dass man es sogar noch schlechter einsperren kann, als Wasserstoff, weil es alleine überall durchrutschen kann.
Das vorhin erwähnte Argon ist übrigens ebenfalls ein Edelgas. Es ist aber deutlich schwerer als Helium. Wenn man das einatmet, dann klingt man tiefer. Da Argon schwerer als Luft ist, muss man nach so einer Aktion einen Kopfstand machen, damit das schwere Gas wieder aus einem herausfallen kann, um wieder Platz für normale Luft in der Lunge zu schaffen.
Bitte besser nicht versuchen. Man könnte dabei ersticken.
Aber zurück zu unserem Sonnenstoff.
Natürliche Entstehung
Helium entsteht hauptsächlich im Inneren von Sternen durch Kernfusion: Wasserstoffkerne (Protonen) verschmelzen zu Helium. Dieser Prozess liefert uns die Energie der Sonne, den wir gerne hier auf Erden nachstellen würden.
Auf der Erde entsteht Helium bei radioaktivem Zerfall schwerer Elemente (z. B. Uran, Thorium). Dabei werden Alphateilchen frei, die im Prinzip Helium-4-Kerne sind. Diese sammeln sich in Gesteinen und reichern sich in Erdgaslagerstätten an. Deshalb wird fast das gesamte Helium, das wir nutzen, aus Erdgas gewonnen.
Künstliche Herstellung
Helium lässt sich, wie gesagt, nicht künstlich herstellen. Man kann es nur gewinnen und abscheiden. Das ist und bleibt zumindest so lange der Fall, bis es uns vielleicht eines Tages doch gelingt, das Sternenfeuer hier auf Erden in einem Kernfusionsreaktor zu zünden und am Leben zu halten. Die magische Zahl, des Versprechens lauten schon mindestens seit fünfzig Jahren, „fünfzig“, dann ist es so weit.
In Kernreaktoren, wo Alpha-Teilchen, also Heliumkerne entstehen, kann man es eventuell auch erzeugen. Aber wer will so radioaktives Zeugs.
Helium künstlich zu gewinnen lohnt sich nicht, weil die Mengen verschwindend klein und die Verfahren extrem teuer sind.
Deshalb nutzt man weiterhin das Helium, das in Erdgasvorkommen gebunden ist.
Es ist in Erdgasen nur in Spuren (0,1–7 %) enthalten, aber weil es extrem leicht und nicht brennbar ist, kann man es durch Trennverfahren isolieren.
Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (CH₄), dazu Ethan, Propan, Stickstoff usw.
Wenn man das Gasgemisch sehr stark abkühlt und unter Druck setzt (Tiefkühlung, „Kryogene Destillation“), werden fast alle Komponenten flüssig – außer Helium, weil es den niedrigsten Siedepunkt hat (−269 °C).
Helium bleibt also gasförmig übrig, während Methan und Co. schon verflüssigt sind.
Danach wird es durch mehrfache Reinigungsschritte (z. B. Aktivkohle, Membranen, Druckwechsel-Adsorption) von Spuren anderer Gase (v. a. Stickstoff, Neon, Wasserstoff) getrennt.
Am Ende erhält man Rohhelium mit ca. 70–80 % Reinheit.
Dieses wird dann noch weiter verflüssigt oder durch spezielle Adsorptionsverfahren auf über 99,999 % Reinheit gebracht, wie es für Labor, Medizin und Raumfahrt gebraucht wird.
Besonderheiten dieses Elements
Jedes andere Gas wird bei genügend tiefer Temperatur von selbst fest.
Helium aber bleibt bei Normaldruck bis zum absoluten Nullpunkt (0 K) flüssig. Ganz nebenbei. Den absoluten Nullpunkt kann man nicht erreichen, aber fast…
Erst wenn man Druck anlegt (ca. 25 bar bei Helium-4), kristallisiert es zu einem Festkörper.
Der Grund dafür sind quantenmechanische effekte.
Helium-Atome sind extrem leicht.
Die Bindungskräfte zwischen ihnen (Van-der-Waals-Kräfte) sind sehr schwach.
Bei tiefer Temperatur würden sie sich zwar normalerweise aneinander „festklammern“, aber:
Wegen ihrer geringen Masse haben die Atome eine hohe Nullpunktsbewegung (Quantenschwankung, die auch bei 0 K nicht verschwindet).
Diese Bewegung ist stärker als die Anziehungskräfte → die Atome können sich nicht an feste Plätze „binden“.
Helium bleibt also flüssig, wenn man keinen Druck anlegt.
Kühlt man Helium Unter 2,17 K (bei Helium-4) passiert dann etwas Magisches: Helium wird superfluid.
Es Fließt ohne Reibung durch feinste Röhrchen.
Es bildet dünne Filme, die Wände hochkriechen.
Es ann Wärmetransport extrem effizient übernehmen, wieso es als Kühlmitten eingesetzt wird, wo sehr tiefe Temperaturen gebraucht werden.
So wird beispielsweise eine Infrarot-Kamera unseres Web-Space-Teleskop mit Helium gekühlt, weil sie ansonsten zu warm wäre, um die Infrarotstrahlung messen zu können. Sie wäre dann dafür blind. Supraleitende Magnete, z. B. die im LHC im Zern, oder in Kernspintomographen kühlt man so weit herunter, bis das Material, aus welchem sie gemacht sind, seinen Widerstand gegen Strom aufgibt, und supraleitend wird. Damit kann man dann so starke Magnetfelder erzeugen, wie das mit nicht-supraleitenden Spuhlen, z. B. gewickelt aus Kupferdraht, niemals möglich ist.
Wenn man Helium einatmet (bitte nur ganz kurz und in sicherer Umgebung!), verändert sich die Stimme.
Der Grund ist nicht, dass die Stimmbänder schneller schwingen, sondern dass Helium viel leichter als Luft ist.
Die Schallgeschwindigkeit hängt von der Dichte des Gases ab:
In Luft: ca. 343 m/s
In Helium: ca. 970 m/s
Die Resonanzräume im Mund und Rachen klingen dadurch höher, weil die Resonanzfrequenzen steigen.
Das ist ein reiner akustischer Effekt, kein biologischer.
Fazit
Helium ist nicht nur im chemischen Sinne edel, sondern auch deshalb, weil es selten und wertvoll ist.
Vor allem seine Kühleigenschaften sind für uns Menschen unverzichtbar geworden. Magnetspintomographen, die in der Medizin verwendet werden, kühlt man gerne mal mit Helium oder Stickstoff.
Bis heute wird um die Wette gekühlt. Da fällt mir der Physiker Wolfgang Ketterle ein. Der war so eifrig dabei, dass er sich ein Feldbett in sein Büro stellte, denn auch er konnte jetzt nicht zu Bett gehen, wenn seine Kollegen und Mitarbeiter um die Wette kühlten.
So etwas nenne ich Beharrlichkeit…
Zum Schluss stelle ich in den Raum, dass es vielleicht nicht die beste Idee ist, unser kostbares Helium in Luftballons zu füllen, die sicher platzen, und somit das Helium in den Weltraum entlassen, weil es so leicht ist, dass unsere Erde es nicht daran hindern kann, zu entfliehen. Wir werden für unsere neuen Technologien, wie z. B. Quantencomputer und die Energiewende viel mehr Helium benötigen, als bisher.

Hallo zusammen,
Lieber Gerhard,
Wieder so ein toller Überblick über ein spannendes Thema.
Ich MUSS (groß geschrieben) in diese Unis. Was für ein Nerd-thema.
Glaub ihr habt echt über alles diskutiert was mir in den letzten Jahren zu Helium begegnet ist (in Büchern).
Und endlich mal eine Zusammenfassung die lustig ist und ich mich mitgenommen fühle.
Als Nerd würde ich bestenfalls noch den (furchtbarer Name) Tripple-Alpha-Prozess diskutieren. Tripple= 3 Alpha eben besagter Heliumkern. Prozess.
Ich habe mir das immer so vorgestellt wenn es in der Schule darum ging das die Atome zusammen gesetzt werden wie wenn ich mit Lego spiele.
3 gleiche Klötze zusammen stecken. Voila wird aus Helium Kohlenstoff.
In der Wirklichkeit braucht es dafür ganz viel „Quantenzauberei“. Die Teilchen leben nicht lange und müssen sich auch noch in dieser kurzen Zeitspanne begegnen.
Nur in Sternen funktioniert das überhaupt.
Sprich wir sind alle Sternenstaub.
Ist das nicht Magie?