Der Sonne entgegen – Der Aufbruch


Liebe Leserinnen und Leser,
wie die meisten von euch wissen, wurde am 10.02.2020 die Sonde Solar Orbiter gestartet. Sie wird in wenigen Jahren mit zehn verschiedenen Instrumenten die Sonne erforschen.
Die Riffreporter und @Astrozwerge berichteten ganz wunderbar darüber.
Somit kann ich mir den Solar Orbiter für den Moment sparen und mich anderen Sonnenthemen widmen.
„Der Sonne entgegen“ soll eine kleine Serie werden, mit welcher ich euch das Warten, bis der Solar Orbiter an seinem Ziel ist, etwas versüßen möchte.

Der Anfang

Aus physikalischen und theoretischen Überlegungen heraus war schon klar, dass die Sonne auch Strahlung in Wellenlängen senden sollte, die wegen der Atmosphäre den Erdboden nicht erreichen können. Das ist auch gut so, denn ihre Röntgenstrahlung wäre äußerst Gefährlich für jegliches Leben.
Die Ozonschicht die vor allem durch ihr wachsendes Loch in den 80ern des letzten Jahrhunderts von sich reden machte, schützt uns vor Krebs erregender UV-Strahlung.
Diese Entschlossenheit, mit der man es schaffte, in verhältnismäßig kurzer Zeit die FCKWs, die für dieses Ozonloch verantwortlich zeigten, aus unseren Kühlschränken und Sprüh-Dosen zu verbannen, könnten wir z. B. für die Bremsung des Klimawandels heutzutage mal wieder gebrauchen; aber zurück zum Thema.

Den Tag, als man sich anschickte, zur Sonne aufzubrechen, wissen wir genau. Am 10. Oktober 1946 trug in den USA eine V-2-Rakete aus dem erbeuteten deutschen Kriegsarsenal in der Wüste White Sands in New Mexico Messinstrumente in eine Höhe von 90 Kilometern. Während der kurzen Zeit, welche die Rakete über der Atmosphäre blieb, wurde der extrem kurzwellige Ultraviolettbereich des Sonnenspektrums aufgenommen.
Diese Strahlung wird von den obersten Luftschichten verschluckt.
In neunzig Kilometern über dem Meeresspiegel ist zwar
unsere Atmosphäre noch nicht zu Ende, doch liegt nur ein Millionstel
der Luftmassen der Erde darüber. Es gelang damals tatsächlich, die
Strahlung zu messen, die die Erdoberfläche nie erreicht.
Später verwendete man für derlei Messungen dann andere modernere Raketen.

Trotzdem stand bei jedem Schuss nur die
kurze Zeit zur Verfügung, die die Rakete in der Nähe des Gipfels ihrer
Bahn fliegen konnte.

Man brauchte mehr Zeit, um nicht nur in Form von Schnappschüssen, beobachten zu können.

Das Observatorium in der Ballon-Gondel

Der Sonnenforscher mag seine Fernrohre auf Inseln, auf hohe Berge
setzen, er mag von weiß gestrichenen Türmen beobachten, die aus den
Schichten der Bodenturbulenz herausragen, ganz wird er den Ärger
mit der Erdatmosphäre nie los. Das merkte auch Martin Schwarzschild (31. Mai 1912 in Potsdam; † 10. April 1997 in Langhorne, Pennsylvania) Professor an der Universität von Princeton an der Ostküste der USA,
der 1953 begonnen hatte, auf dem Mount Wilson in Kalifornien die
Granulation der Sonne zu studieren, jene sich ständig ändernde Feinstruktur, die von der Bewegung der äußeren Schichten der Sonne herrührt.
Teure Raketen wollte man für die Erforschung der Granulen nicht opfern, da man diese auch im sichtbaren Teil der Sonnenstrahlung beobachten kann. Schon dem Mönch und Astronomen Christoph Scheiner viel vor etwa 500 Jahren die scheinbar gekörnte Oberfläche der Sonne auf.
Bis dato konnte man nur schlecht Beobachtungen in der Zeit machen. Meistens wurde ein Foto von der gerade herrschenden Situation auf der Sonnenoberfläche geschossen und danach wieder eines…

So entstand in Princeton der Plan, der Sonne entgegen zu gehen, Messinstrumente im Ballon in die obersten Schichten der Atmosphäre zu bringen, und von dort aus die Granulation der Sonne zu
untersuchen.

Die beste Fotografie der Granulation war selbst im Jahre 1957
noch eine aus dem letzten Jahrhundert.
Am 1. April 1894 hatte ein französischer Pionier der Sonnenbeobachtung, Jules Janssen
mit einem Spiegelteleskop von nur
13 cm Durchmesser ein Bild der Sonne gewonnen, das bis Mitte des vorigen Jahrhunderts an Schärfe von keiner anderen Aufnahme übertroffen
worden ist. janssen hatte damals noch eine nasse Kollodiumplatte
benutzt. Seine Belichtungszeit lag bei 1/3000 Sekunde. Erst später, als
man von möglichst hohen Bergen aus die Sonne fotografierte und
unter Tausenden von Aufnahmen suchte, um eine zu finden, bei der
zufällig die Luft während der Belichtungszeit nahezu in Ruhe war,
konnte man sich mit den janssenschen Aufnahmen messen. Somit wollte Martin
Schwarzschild die Luftunruhe überlisten und vom Ballon aus
fotografieren.

Der Vorteil eines Ballons ist auch, dass man stundenlang beobachten kann. Die Überlegungen zum Projekt STRATOSCOPE, wie man es nannte, stammten
von den beiden Princetoner Astronomen Martin Schwarzschild und
Lyman Spitzer. Schwarzschild übernahm das Ballonprojekt, Spitzer begann damals bereits mit anderen Plänen, die schließlich 15 Jahre
später im Forschungssatelliten KOPERNIKUS gipfeln sollten, einem
der ersten astronomischen Observatorien in einer Umlaufbahn. Ein aktuelles Weltraumteleskop ist nach zweiterem benannt.
Mitte der fünfziger Jahre flossen überall in der Welt die Mittel für
astronomische Programme nur spärlich, selbst in den USA. Trotzdem
gelang es Schwarzschild im September 1957 im US-Bundesstaat Minnesota, den ersten Ballon aufsteigen zu lassen. Er erreichte eine Höhe von
25 Kilometern. Die Gondel trug Geräte zur Fotografie der Sonnenoberfläche. Da die STRATOSCOPE-Flüge unbemannt waren, musste der
gesamte Ablauf der Beobachtung, wie das Ausrichten des Teleskops
nach der Sonne und die Belichtungszeit, im voraus programmiert werden.
Einmal gestartet, waren die Instrumente sich selbst überlassen.

Das ist in der Raumfahrt an sich bis heute Normalität. Sonden sind zu weit entfernt, als dass man sie in Echtzeit steuern könnte.
Schwarzschilds Team konnte nur noch vom Boden aus den Ballon mit
dem Feldstecher verfolgen,
ihm mit dem jeep nachfahren und hoffen,
dass die Instrumente, wo immer der Wind den Ballon auch blasen würde, die Landung
unbeschadet überstünden. Als im Oktober 1957 der sowjetische SPUTNIK pipsend um den
Erdball flog und die USA sich danach langsam von dem „Sputnik-Schock“ erholten, flossen die Mittel für das Projekt STRATOSCOPE wieder reichlicher.
Mehr Gelder waren für das Projekt nötig, denn ein einfacher Ballonflug in der
notwendigen Höhe kostete damals an die 20000 US-Dollar, bei einem
aufwendigeren Flug musste man mit einer Million Dollar rechnen.
Wesentlich teurer jedoch als der Ballonflug war die Reparatur der
Geräte nach jeder Landung, die man nicht kontrollieren konnte.

Schwarzschild rüstete seinen Ballon mit einer Fernsehkamera aus,
deren Bilder zum Erdboden übertragen wurden. So konnte er am Fernsehschirm durch das Teleskop im Ballon zur Sonne blikken und die ferngesteuerten Apparate an Bord bedienen.

Ergebnisse der Stratoscope-Mission

Zum Team waren inzwischen mehrere Wissenschaftler gestoßen. Man beschränkte sich nicht nur auf das Studium der Granulation.
Robert Danielson (1931-1976) beobachtete Sonnenflecken, vor allem
die Penumbra,
john B. Rogerson untersuchte Erscheinungen am Sonnenrand.
Diese Sonden lieferten die bis dahin besten Bilder der Sonnengranulation. Zeigte janssens Fotografie Granulationselemente mit Durchmessern von 800 bis 1600 Kilometern, so bewiesen die STRATOSCOPE-Aufnahmen, dass es auch viel kleinere gibt. Man konnte sogar solche
mit Durchmessern von nur 160 Kilometern erkennen.
Man sah auch, dass die auf- und absteigenden Gasballen eine eckige Umrandung hatten. Das ist bei Blasen kochender Flüssigkeiten zumindest im Laborversuch auf erden auch so. Meist sind sie sechseckig.

Fazit

Die Beobachtungen vom Ballon aus waren eine ideale Vorübung für
die Arbeiten mit Raumsonden. Allerdings lernte man zur Zeit von
STRATOSCOPE 1 und 2gerade erst langsam, den Weltraum von Raketen aus zu untersuchen. Dabei erhielt man u. A. die ersten Bilder der Sonne im Röntgenlicht.
Die Röntgen-Sonne ist aber ein weiteres so spannendes Thema, dass ich mir diese für einen weiteren Beitrag aufhebe.

Ein Gedanke zu „Der Sonne entgegen – Der Aufbruch“

  1. Sehr schöne Zusammenfassung des Beginns der modernen Sonnenforschung. Vielen Dank für die vielen Informationen. Da bin ich schon sehr gespannt auf die kommenden Beiträge.

    Viele Grüße
    Jens-Uwe

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