Der Sonne entgegen – Das Abenteuer der Reparatur des Sonnenobservatoriums SMM im All


Liebe Leserinnen und Leser,

auch heute befassen wir uns nochmal mit der Historie der Sonnenforschung. Diesmal geht es um ein großes Abenteuer; genauer um die Reparatur der Raumsonde SMM (Solar Maximum Mission). Ich finde diese Geschichte so aufregend, dass ich hoffe, dass auch ihr sie spannend findet.

Also los:
Was Skylab während der neun Monate 1973 – 1974 im All auf der Sonne sah, beschrieb ich im letzten Artikel. Zu dieser Zeit befand sich die Sonne gerade in einem Flecken-Minimum. Es liegt nun nahe, dass man sich mittels einer Raumsonde, SMM, auch mal betrachten wollte, was sich so auf der Sonne während eines Flecken-Maximums tut.

Das nächste Maximum erwartete man in den Jahren 1979 – 1980.
Am 14. Februar 1980 wurde SMM gestartet, welche die Sonne während der Zeit ihrer größten Aktivität überwachen sollte. Die unbemannte Sonde hatte sieben Instrumente an Bord, die vor allem Flares auf der Sonne untersuchen sollten. Auch die Stärke der Sonnenstrahlung wurde von Smm überwacht.
Flares sind Strahlenausbrüche auf der Sonne, die dadurch hervorgerufen werden, dass sich entgegengesetzte Magnetfelder gegenseitig auslöschen, und deren Stärke dann in Energie umgewandelt wird.
Die Sonde arbeitete nach ihrem Start zwei Monate einwandfrei. Dann
versagte ihr Orientierungssystem, das die Instrumente genau auf die
gewünschte Stelle der Sonne richten sollte, die man gerade untersuchen wollte. Viele unbemannte Sonden
sind seither in den Raum geschossen worden, die nach einiger Zeit
fehlerhaft arbeiteten und aufgegeben werden mussten. Das war bei
SMM anders. Mit ihrer Flughöhe von 600 Kilometern lag die Station in
der Reichweite des SPACE-SHUTTLES. Deswegen war das Gerät
bereits so gebaut worden, dass Einzelteile leicht ausgewechselt werden konnten. Für die Vorbereitungen zur Reparatur benötigte man nahezu drei Jahre. Werkzeuge wurden neu entwickelt und jeder Handgriff im Wassertank unter weltraumähnlichen Bedingungen geübt. Schließlich war es soweit.

Die Space Shuttle trug im April 1984 fünf Astronauten nach oben.
Nachdem sie einen anderen Satelliten in eine Umlaufbahn gebracht hatten, steuerte Kapitän Crippen mit der Raumfähre CHALLENGER, unterstützt von Astronaut Scobie, der 21 Monate später im gleichen
Raumschiff den Tod finden sollte, das Sonnenobservatorium SMM an.
Die NASA hat Einzelheiten des Manövers mit Kameras an Bord per Video festgehalten. Das sollte sich im Internet leicht finden lassen. Mir wurde es vor langer Zeit folgendermaßen beschrieben:

Wie ein riesiges, von der Sonne beleuchtetes Fass hebt sich die schadhafte Sonde hell vor dem schwarzen Himmelshintergrund ab. Die beiden Sonnenpaddel, welche die Station mit Energie versorgen, hängen wie zwei große Flügel an beiden Seiten. Der Astronaut Crippen bringt die Fähre bis auf 90 Meter an die Station heran. Die beiden Körper fliegen nun parallel nebeneinander um die Erde. Aber noch dreht sich die Station um ihre eigene Achse. Am nächsten Tag verlassen zwei Astronauten in Raumanzügen die Fähre. Sie haben sich auf das Arbeiten außerhalb des sie schützenden Raumschiffs vorbereitet. Seit vier Stunden atmen sie eine reine Sauerstoffatmosphäre. Auch während ihrer Arbeiten draußen werden sie in ihren Raumanzügen reinen Sauerstoff atmen.

Reinen Sauerstoff atmen die Astronauten deshalb, weil man dadurch Gasvolumen sparen kann. Wenn man bedenkt, dass 78 % der Luft hier auf der Erde aus Stickstoff besteht, mit welchem unser Körper nichts anfängt, dann ist das absolut nachvollziehbar, wenn man die Atemluft auf das Gas beschränkt, das man wirklich zum überleben benötigt, den Sauerstoff. Aus diesem Grunde haben beispielsweise auch die Apollo-Astronauten während ihrer ganzen Mission reinen Sauerstoff geatmet.

Zurück zur Geschichte.
Dann legt sich einer von ihnen die Antriebseinheit an, mit der er sich im Raum frei bewegen wird. Wie ein riesiger Tornister, fast wie ein umgeschnallter Großvaterstuhl sieht das Gerät aus, mit Armstützen, welche die Schalthebel für die zwölf Antriebsdüsen tragen, mit denen der Astronaut Stickstoff in den Raum blasen kann, der ihn mit seinem Rückstoß in jede beliebige Richtung bewegt und dreht. Das Gerät, das auf der
Erde nahezu 150 Kilogramm wiegt, bereitet den Astronauten in der Schwerelosigkeit keine Probleme. es geht nur alles entsprechend langsamer.

Langsam ist hier ganz wichtig, denn, wenn z. B. dieser Düsenantrieb im All auch nichts wiegt, so besitzt er ob seiner Masse Trägheit. Einmal beschleunigt und verloren, könnte kein Astronaut ihn wieder aufhalten, bzw. ihm im All „hinter her schwimmen“, um den Stuhl wieder einzufangen. Selbiges gilt auch für Werkzeuge und Ersatzteile. Irgendwo fliegt beispielsweise noch eine Werkzeugtasche herum, die bei einem Außeneinsatz einem Astronauten entglitten war.

Nun beginnt die Reise im stickstoffgetriebenen Lehnstuhl.
In Zeitlupen-Tempo verlässt der Astronaut den offenen Laderaum des Shuttles in Richtung SMM.
Nach zehn Minuten hat er die Station erreicht. Er soll die Drehbewegung der Sonde mit Hilfe seines Düsenantriebes abstoppen. Dazu befestigt er sich an einer Seite der Station und erzeugt mit seinem Stickstoffgebläse die nötige Gegenbewegung. Schwindelig dürfte ihm dabei wahrscheinlich nicht geworden sein, denn ohne Schwerkraft gibt es im All kein oben und unten, und wenn er unbeirrt auf die Sonde blickt, so steht sie nahezu ruhig zu ihm, weil er mit ihr ja fest verbunden ist. Mit Blick auf die wartende Raumfähre dürfte er festgestellt haben, dass die Sonde und auch er nun die Drehung gestoppt haben. Ich weiß nicht, ob der Astronaut während dieser Aktion über eine Leine mit dem Shuttle verbunden war. Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Er könnte sich durch die Drehung von SMM doch darin verfangen… Sicher stand in der Fähre ein weiterer Astronaut mit Düsenantrieb bereit, um ihm zur Seite zu schweben, sollte es Probleme geben. Verraten sei an dieser Stelle, dass es keine gab.

Als die Sonde sich nicht mehr drehte, konnte man sie in den Laderaum bringen, ohne die sperrigen Sonnenpaddel zu beschädigen.
Zur bergung der Sonde nähert sich die Fähre der Station auf neun Meter. Ein speziell dafür konstruierter Greifarm, gesteuert von Astronaut Nelson, ergreift das Sonnenobservatorium, um es vorsichtig in eine dafür vorbereitete Halterung in der offenen Ladeluke zu bringen. SMM wird befestigt, und die Reparatur kann beginnen.
Die Umlaufzeit von Sonde und Fähre um die Erde beträgt 100 Minuten. Für jeweils 60 Minuten hat man Tageslicht, während der restlichen Zeit bewegt man sich im Erdschatten.

Huch, wieso nicht 45 Minuten Tag und 45 Minuten Nacht? Genau. Die Sonde bewegt sich nicht in der Ekliptik, sondern hat eine zu ihr gekippte bahn. Das ist sinnvoll, denn man wollte ja nicht nur die Äquator-Region der Sonne betrachten, sondern auch etwas näher bei den Polen forschen.

Scheinwerfer erhellen bei Nacht die provisorische Werkstatt. Einzelteile werden von den beiden Astronauten ausgetauscht. Dabei müssen die Männer vorsichtig arbeiten, obwohl das Gewicht der auszuwechselnden Teile in der Umlaufbahn keine Rolle spielt. Schließlich müssen Massen bewegt werden, deren Gewicht auf der Erde Hunderte von Kilogramm betragen würden. Oben schrieb ich schon, dass Einmal bewegt, sind sie nicht leicht wieder
zu stoppen. Die Sonnenpaddel, die zu beiden Seiten aus der Raumfähre herausragen, dürfen nicht beschädigt werden.

Während einer Arbeitspause sind alle fünf Astronauten wieder im Inneren der Fähre. Der Präsident der Vereinigten Staaten ist am Telefon. Der NASA-Film zeigt Präsident Reagan an seinem Arbeitstisch im Weißen Haus. Man sieht auch die fünf Astronauten im Schiff frei schwebend, ohne Schuhe, nur in Strümpfen, während sie vom Präsidenten den Dank der Nation entgegennehmen. Ich glaube, dass nur selten in der Geschichte der Vereinigten Staaten Amerikaner in
Strümpfen mit ihrem Präsidenten gesprochen haben.

Danach gehen die Arbeiten draußen weiter. Zwei Astronauten wechseln Teile aus. Während der Arbeiten haben sie, jetzt zur Sicherheit an langen Leinen hängend, dicke Spezialhandschuhe an, die ihre Hände
vor der luftleeren Umgebung schützen. Damit müssen sie Kabel ergreifen und Schrauben drehen. Bei der Reparatur werden auch noch zwei Meßgeräte an Bord von SMM überholt. Die Station ist wieder betriebsbereit.
Vorsichtig hebt der Greifarm das Gerät aus dem Laderaum heraus und das Observatorium wird abgekoppelt. Solar Maximum Mission ist wieder auf einer eigenen Umlaufbahn um die Erde.

Im Jahre 1988 machte SMM wieder von sich reden, als bekannt
wurde, dass die Messungen von aus dem Weltraum kommenden Gammastrahlen durch sowjetische Spionagesatelliten ernstlich gestört werden. Verursacher dafür waren die Kernreaktoren, welche die Agenten im Orbit mit Energie versorgen. Dabei treten nämlich aus den Reaktoren positiv geladene Teilchen aus, Positronen.

Positronen sind quasi das Gegenstück aus der Antimaterie zu den Elektronen. Stößt so ein Antiteilchen auf normale Materie, z. B. auf die Wand von SMM oder gar ein Messinstrument, dann verstrahlt es in einem Lichtblitz, der im Gamma-Bereich liegt, mit einem Teilchen der getroffenen Materie.

Das störte die Messungen der Gamma-Detektoren an Bord von SMM.
Von diesem Problem abgesehen, war SMM eine der erfolgreichsten wissenschaftlichen Missionen zur Erforschung der Sonne. Langsam drang die Sonde inzwischen während der vergangenen Jahre immer tiefer in die Erdatmosphäre ein. Aber noch im November 1989 lieferte sie wichtige Daten.
Am 2. Dezember 1989 trat die 2268 Kilogramm schwere Messstation
zu ihrem letzten Umlauf an. Kurz danach verglühte sie über dem Indischen Ozean in der Erdatmosphäre.

Während ihrer nahezu zehnjährigen Betriebszeit hat die Sonnensonde SMM 12 500 Flares auf der Sonne
registriert. Doch neben ihrer eigentlichen Aufgabe hat sie mehrere
Kometen entdeckt, die berühmte Supernova vom Februar 1987 in der
Großen Magellanschen Wolke am Südhimmel vermessen und die
Ozonschicht der Erdatmosphäre untersucht.

Eine weitere Frage, die SMM erforschen sollte war, ob die Strahlung der Sonne schwankt. Es gab Wissenschaftler, die in Erwägung zogen, dass beispielsweise die sog. kleine Eiszeit während des Mounder-Minimums von einer geringeren Sonnenstrahlung her gerührt haben könnte. Manchmal hält sich die Sonne mit ihrem Fleckenzyklus leider nicht an ihre elf Jahre. Von 1645 – 1715 blieben jegliche Sonnenflecken aus. Dieses verlängerte Minimum ist nach ihrem Entdecker Edward Walter Maunder benannt. Von der Erde aus ist es nicht leicht, die Variation der Sonnenstrahlung zu beobachten, da Wolken und sonstige atmosphärische Bewegungen derartige Messungen unbrauchbar machen können. Deshalb misst man Die Intensität der Sonnenstrahlung besser vom Weltall aus. Die Ergebnisse von SMM war,dass die Sonnenstrahlung um weniger ein Promille schwankt. Diese Schwankung hängt z. B. auch damit zusammen, dass es in Zeiten eines Flecken-Maximums mehr dunklere Stellen auf der Sonne gibt, als bei einer blank geputzten Sonne ohne Flecken. Da die Flecken mit der Sonnenoberfläche rotieren, ist der Schwankung der Sonnenstrahlung auch diese Periode aufgeprägt.

So, meine lieben, das war das große Abenteuer der Reparatur von SMM.
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Gehabt euch wohl, passt gut auf euch auf und bleibt gesund.
Es grüßt euch ganz herzlich
euer Blindnerd.

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