Meine lieben, hier kommt der letzte vor der Sommerpause:
Sie sind ja nun veröffentlicht, die ersten Fotos des neuen James-Webb-Space-Telescopes. Sie müssen phantastisch sein. Als das Teleskop im Januar 2020 sein Ziel im Lagrangepunt II erreichte, schrieb ich darüber in Das unsichtbare Licht erforschen Der Artikel ist zwar nicht unbedingt für das Verständnis des folgenden erforderlich, aber ich empfehle ihn dennoch, weil er vieles enthält, was hier eventuell vorausgesetzt und nicht mehr ganz so ausführlich erklärt wird.
Wer nochmal wissen möchte, wo sich der phantastische Parkplatz des neuen JWST befindet, bitte hier lang.
Wer noch gar nichts über das Licht weiß, sollte sich vielleicht noch Station Sechs meiner Reise zu den schwarzen Löchern zu Gemüte führen.
Heute möchte ich mal etwas verrücktes versuchen, weil ich finde, dass der Blindnerd doch nicht schon wieder über Fotos schreiben sollte. Außerdem ist schon so vieles über diese Maschine geschrieben und gesagt worden, dass ich mich nicht wiederholen möchte. Ich hatte euch ja genügend Quellen auf diverse Podcasts, Interviews und Wikipedia in oben erwähnten Artikeln geliefert. Heute werde ich versuchen, das ganze mal für Hör- oder Ohrenmenschen, die wir Blinden ja par excellence sind, abzubilden. Lasst euch überraschen, und macht diese verrückte Reise mit.
Zur Erinnerung – Was sieht das neue Auge
Wir haben schon gehört, dass das neue Wunderauge im infraroten Licht beobachtet. Das ist das Licht, das sich im Spektrum zwischen dem sichtbaren Licht und dem befindet, was wir Mikrowellen nennen. Am anderen Rand der Mikrowellen schließen sich dann die Radiowellen an. Auf der anderen Seite des Spektrums, jenseits des sichtbaren violetten Lichts, schließen sich die ultraviolletten und die Röntgenwellen und schließlich noch die Gamma-Strahlen an.
Das ganze nennt man das elektromagnetische Spektrum.
Wie kommen wir aber zu Bildern von etwas, das man nicht sehen kann.
Infrarotes Licht ist Wärme. Somit sieht das JWST Wärmebilder. Es soll das erforschen, dessen Licht durch die Dopplerverschiebung schon so verzerrt ist, dass dessen Wellen ins Infrarote gestreckt sind. Diese Objekte sind sehr weit von uns entfernt und führen uns zum Beginn des sichtbaren Universums kurz nach den Urknall. Wärmebilder kennen wir übrigens auch hier auf Erden. Wird eine Person vermisst, so wird sie mit dem Hubschrauber mittels Wärmekameras gesucht. Wir erinnern uns, dass dieses Verfahren nur dann funktioniert, wenn die Umgebung der gesuchten Objekte und natürlich das Instrument selbst kälter ist, als die Objekte selbst. Ansonsten wäre es ungefähr so, als würde man bei klarem Sonnenschein Sterne schauen wollen. Deshalb benötigt das Instrument einen Sonnenschild, der groß wie ein Tennisplatz ist. Ein Instrument muss sogar noch aktiv mit Helium bis nahe an den absoluten Nullpunkt herunter gekühlt werden.
Und was nun geschieht, dass wir zu den schönen bunten Bildern kommen ist etwas sehr musikalisches.
Im grunde transponieren wir das, was uns das Instrument im unsichtbaren Bereich liefert und bilden Temperaturen auf den sichtbaren Bereich, andere Oktave, ab.
Das Kosmische Klavier
Wir haben gelernt, dass sich das elektromagnetische Spektrum, z. B. der sichtbare Teil nach Farben von rot nach blau sortiert, will sagen von längeren zu kürzeren Wellen hin.
Selbiges findet doch aber auch auf einer Klaviertastatur statt. Links sind die tiefen Töne und rechts die hohen. Ein Piano hat in der Regel siebeneinhalb Oktaven. vom Kontra-A bis zum viergestrichenen C.
Stellen wir uns nun einen ganz langen Papierstreifen vor, auf welchem das elektromagnetische Spektrum abgebildet ist, auch die unsichtbaren Wellen. Der sichtbare Teil des Spektrums umfasst etwa den Wellenbereich zwischen 400 und 800 Nanometern.
Dies entspricht, um bei der Musik zu bleiben, einem Frequenzbereich von einer Oktave. Das ist nicht gerade viel, wenn man bedenkt, wie viele Oktaven das restliche Spektrum sonst noch besitzt.
Als Oktave bezeichnen wir ein Intervall, dessen höchster Ton genau doppelt so schnell schwingt, als sein tiefster.
Stellen wir uns vor, dass wir das Spektrum so auf der Tastatur des Pianos platzieren, dass der sichtbare Bereich genau auf der mittleren Oktave zu liegen kommt. Dann ist das eingestrichene C rot, und das zweigestrichene C violett. Ja nun. Wir haben jetzt zwölf Töne, auf welche wir zwölf Farben abbilden können. Das ist fast nichts. Geben wir uns etwas mehr Platz. Verteilen wir das sichtbare Spektrum auf zwei Oktaven. Dann können wir schon 24 Farben darstellen. Nun befinden wir uns mit unseren zwei Oktaven genau in der Situation, in welcher man in der Regel mit dem Piano-Unterricht startet. Die tiefere Oktave ist für die linke – und die höhere für die rechte Hand.
In diesem Sinne waren die Astronomen Klavier-Anfänger, die nur auf zwei Oktaven klimperten.
Bevor wir den Sprung zum astronomischen Klavier und Orchester wagen, hier noch ein kleiner wichtiger und verblüffender Einschub.
Organisches
Unser Ohr kann immerhin 16 (sechzehn) Oktaven auflösen. Etwa von 16 Hz – 2 KHz.
Ähnlich überlegen ist unser Ohr auch, was die Toleranz der Schallintensität angeht. Die kleinste Auslenkung unseres Trommelfells und des sonstigen Höraparates ist geringer als der Durchmesser eines Wasserstoffatoms. Ein Physiker meinte einmal, dass es ungefähr so wäre, als fiele aus einem Meter Höhe eine Fliege auf ein gespanntes ein Quadratmeter großes Tuch.
Am Maximum dessen, was unser Ohr noch ertragen kann, ist die Schallenergie sehr hoch. Das Maß dafür ist Dezibel. Das ist ein logarithmisches Maß. Setzte man unsere Augen dermaßen intensivem Licht aus, würden sie sofort erblinden.
Kosmischer Klavierunterricht
Über viele Jahrtausende hinweg übten die Astronomen mit ihren Augen und später dann mit ihren Fernröhrchen und dann den Teleskopen, und lernten die „kosmische Musik“ langsam kennen. Man kann aus musikalischer Sicht sagen, dass die „Ohren“ bzw. die „Lautsprecher und Mikrofone“ besser wurden.
Nach und nach konnte man die „kosmische Musik“ dadurch immer klarer und schöner vernehmen. Immer mehr verriet diese Musik uns ihre kosmischen Geheimnisse.
Aber es kamen keine neuen Töne jenseits unserer gedachten beiden Oktaven hinzu.
Auf die Astronomie übertragen wurde die Analyse des Sternenlichtes immer besser. Immerhin reichte diese eine Oktave des sichtbaren Lichtes dazu aus, um zu entdecken, woraus Sterne bestehen, wie heiß sie sind und wie weit entfernt. Das ist doch schon eine ganze Menge. Tja, jeder Stern spielt auf seine Weise und greift seine ganz für ihn typischen Akkorde.
Der erste, der genauer „hin hörte“, war William Herschel. Wir erinnern uns daran, dass er bei seinen Sonnenbeobachtungen trotz Sonnenfilter oft eine merkwürdige Wärme auf seinem Auge spürte. Auf die Musik übertragen, hörte er, dass da noch andere tiefere Töne mitschwingen. Astronomisch legte er, wie wir wissen drei Thermometer jenseits des roten Lichts auf seinen Tisch und entdeckte damit die unsichtbare wärmende Infrarote Strahlung.
Dasselbe tat Später Herr Ritter mit seinem Silberchlorid. Er entdeckte damit die energiereiche UV-Strahlung (Siehe Artikel oben).
Musikalisch gesehen merkte er, dass die Piano-Tastatur auch nach rechts weiter geht.
Nicht alle Töne des Klavieruniversums können wir auf der Erde hören. Aber als man dann mit Satelliten aufbrach und Radioteleskope baute, fand man dann noch viel mehr „Töne“ die Röntgenstrahlung, Mikrowellen, Radiowellen etc.
Und ja, hier schließt sich der Kreis. Man entdeckte das, was für uns Normalität im Alltag ist, dass der Ton des Krankenwagen sich verändert, wenn er sich auf – oder von uns weg bewegt. Tatsächlich entdeckte Doppler seinen Effekt über das Licht und erst mal nicht über den Schall. Er stellte fest, dass das Licht von Doppelsternen, die sich umeinander bewegen manchmal etwas röter ist, als es sein sollte, und manchmal etwas blauer., je nach dem, das wissen wir jetzt, ob sie sich von uns weg (Rotverschiebung) oder auf uns zu (Blauverschiebung) bewegen.
Dass der Effekt zuerst für das Licht gefunden wurde, mag daran gelegen haben, dass es um 1840 herum einfach noch keine Fahrzeuge mit Sirenen gab, die dermaßen schnell unterwegs waren, damit der Effekt wahrnehmbar wird. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die ersten Schall-Versuche für den Dopplereffekt mit der Eisenbahn gemacht wurden. Dort spielte ein Blasorchester auf einem offenen Wagon.
Ganz genau kenne ich aber die Geschichte nicht mehr.
Was soll ich sagen. Unser Klavier im Universum wurde immer länger. Das komplette elektromagnetische Spektrum deckt einen Frequenzbereich von $10^16$ hz – $10^(-16)$ Hz ab. Das entspricht einem Intervall der länge einer Zahl mit zweiunddreißig Nullen nach der eins.
Möchte man nun wissen, wie viele Oktaven dort hinein passen, so muss man schauen, wie oft die Formel $2^N$ in diese riesige Zahl passt, wobei N die Anzahl der Oktaven ist. Ihr braucht dazu also den Logarithmus zur Basis 2.
Vielleicht mag das mal jemand von euch ausrechnen?
Das Spektrum ist kontinuierlich. Will sagen, dass es dort nicht nur die Wellen gibt, welchen den Tönen unserer wohltemperierten Tonleiter entsprechen, sondern auch alle dazwischen, wie auf einer sehr langen Violine, die keine Bünde hat.
Wer sich das Spektrum mal anschauen möchte, findet auf Wikipedia eine Tabelle mit dreißig Zeilen und etlichen Spalten. In der ersten Spalte steht die Grobeinteilung, z. B. Licht oder Radiowellen. In Spalte 2 sind die Radiowellen dann in Langwelle, Mittelwelle, Ukw, etc. eingeteilt und das Licht in die wichtigsten Farben.
Daneben findet ihr die Frequenzbereiche, Wellenlängen und alles. Super mit Screenreader navigierbar.
Schaut mal hier rein.
Das Orchester
Was uns jetzt noch für unser kosmisches Orchester fehlt, sind die Instrumente an sich.
Dass ein Piano anders klingt wie eine Flöte, Trompete, Oboe etc. liegt daran, dass jedes Instrument sein charakteristisches Tonmuster besitzt. Neben dem gespielten Grundton schwingen immer noch andere Ober- und Untertöne mit, und zwar bei jedem Instrument ein anderes Muster.
dieser klangliche „Fingerabdruck“ sagt uns, um welches Instrument es sich handelt.
Die Grundeigenschaft eines jeden chemischen Elementes ist es, Licht gewisser Wellenlängen zu absorbieren. Das ist sein individueller Fingerabdruck. In diesem Sinne stellt jedes chemische Element ein Musikinstrument dar durch dessen Spektrum sein charakteristischer Klang entsteht. Es verrät sich z. B. im sichtbaren Licht, wenn man dieses durch ein Spektrometer lässt. So haben Astrochemiker beispielsweise entdeckt, dass Sterne zu großen Teilen aus Wasserstoff bestehen und dass es in unserer Sonne sogar Gold gibt. Schon Newton sollte in seinem Prisma-Versuch dunkle Linien in seinem bunten Lichtstreifen gesehen haben.
Und bevor das jetzt noch esoterischer wird und ausartet, kommt ganz zum Schluss noch eine kleine Auflistung der Wellen, die für die Astronomische Forschung wichtig sind.
Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
- Mit dem sichtbaren Sternenlicht lernten wir
Woraus Sterne bestehen,
wie sie sich bewegen,
dass unser Universum sich ausdehnt.
und vieles mehr. - Der Radiobereich zeigte uns:
Die kosmische Hintergrundstrahlung, die auf den Urknall zurückgeführt wird,
Ausbrüche auf unserer Sonne,
Pulsare (Fast schwarze Löcher)
und schließlich konnten Radioastronomen in diesem Wellenbereich die Umgebungen der beiden schwarzen Löcher SGTA* und M87 fotografieren.
Radiowellen sind auch super zur Analyse von Molekülwolken und durchdringen Wolken und Staub. - Auch der infrarote Bereich hat einiges zu bieten.
Blickt man durch dieses Fenster, so findet man Staubscheiben um Sterne, ferne Galaxien und kann seit James-Webb extrem weit in die frühste Vergangenheit unseres Universums blicken. Das Teleskop soll auch ferne Planeten und eventuell deren Atmosphären erforschen. - Sobald man sich mit Ballonen und Satelliten über unsere Atmosphäre erhob war klar, dass der Kosmos sogar im Röntgenbereich strahlt.
So verraten sich Pulsare, deren Radiokeule nicht in unsere Beobachtungsrichtung schwingt. Aktive schwarze Löcher sind auch helle Röntgenstrahler. - Bis heute ist nicht ganz klar, wodurch die Ausbrüche von Gammastrahlung entstehen, wie sie von Satelliten und anderen Teleskopen manchmal wahrgenommen werden. Das Universum hat uns auch in diesen kurzen Wellenlängen noch so einiges zu erzählen.
- Welche Wellenart ich jetzt hier noch nicht erwähnte, sind die Gravitationswellen. Dieses deshalb, weil es sich bei ihnen um keine elektromagnetische Welle handelt, sondern um eine Erschütterung der Raumzeit. Ich erwähne sie aber jetzt trotzdem, weil sie uns anzeigen, wo gerade etwas interessantes passiert. Dann können wir alles andere, was wir haben, in diese Richtung ausrichten und erforschen, ob sich das Ereignis auch durch ein Ereignis in einem anderen Fenster zeigt.
Das ist z. B. passiert, als man mittels Gravitationswellen die Verschmelzung zweier Neutronensterne detektierte. Mit anderen Teleskopen fand man schließlich heraus, dass nicht in Supernovae Elemente die schwerer als Gold sind, gebacken werden, sondern genau in diesem Ereignissen.
Nun wünsche ich dem JWST, dass es uns noch viele schöne Bilder und große Erkenntnisse liefert.
Wer die Geschichte des JWST nochmal in allen Einzelheiten nachlesen möchte, Bitte schön.