Ich grüße euch,
Worum geht es
Heute, auf Station 5 zu unseren schwarzen Löchern wird es sehr entspannt zugehen, was Mathematik etc. betrifft. Es wird eine Folge der Verblüffung und hoffentlich des Staunens für uns werden. Es geht zum einen quasi um den Grundaufbau des ganzen Universums, um den „Urstoff“ aus dem alles, also auch wir bestehen. Zum anderen beschäftigen wir uns mit weiteren fundamentalen Kräften, dem Klebstoff, die das alles zusammenhalten. und schließlich werden wir darauf eingehen, wo von es im Universum am meisten gibt, nämlich „Nichts“.
Und all das wird dann auf unseren nächsten Stationen fundamental wichtig werden.
Auf der Suche nach dem unteilbaren Urstoff
Der Streit darüber, woraus das Universum besteht, geht bereits auf die alten Griechen zurück. Sie diskutierten sehr kontrovers, woraus das Universum bestehen könnte. Von da an begann die Suche nach dem Urstoff, nach dem Unteilbaren (Atom), nach den Grundbausteinen allen Lebens uns Seins.
Das erste Atommodell geht auf die beiden griechischen Philosophen Leukipp und seinen Schüler Demokrit zurück. Beide waren der Ansicht, dass sich Materie nicht beliebig weit zerteilen lasse. Vielmehr müsse es ein kleinstes Teilchen geben, das nicht weiter zerteilbar ist: Das „Urkorn“ oder „Atom“ (atomos = griech. unteilbar).
Es sollte somit kleinste Bausteine geben, die nicht weiter teilbar sind.
Wie die beiden Philosophen sich diese Teilchen im Detail vorstellten, führt uns hier zu weit.
Beide Philosophen stützten ihre Theorien nicht auf Experimente, sondern auf Nachdenken.
Im Jahr 1803 griff der Chemiker und Lehrer John Dalton – inspiriert durch das vom Chemiker Joseph-Louis Proust formulierte Gesetz der konstanten Mengenverhältnissen bei chemischen Reaktionen Demokrits Vorstellung von unteilbaren Materiebausteinen wieder auf. Er entwickelte ein Atommodell mit folgenden Hypothesen:
- Jede Materie besteht aus Grundbausteinen, den unteilbaren Atomen.
- Die Atome eines Elements sind untereinander gleich,
- die Atome verschiedener Elemente unterscheiden sich stets in ihrer Masse und Größe.
- Jeweils eine ganze Zahl an Atomen verschiedener Elemente bildet Verbindungen.
Durch diese Atomhypothese war Dalton in der Lage, das Gesetz von der Erhaltung der Masse, das Gesetz der konstanten Proportionen und das Gesetz der multiplen Proportionen zu erklären.
Im Jahr 1897 entdeckte Joseph John Thomson bei Untersuchungen einer Glühkathode, dass es sich bei der austretenden Strahlung um einen Strom von Teilchen handeln müsse. Diese auf diese Weise entdeckten „Elektronen“ ließen sich durch ein Magnetfeld ablenken und besaßen eine fast 2000 mal kleinere Masse als das leichteste bekannte Atom (Wasserstoff).
Da Thomson diesen „Elektronen“-Strahl aus jedem Metall durch Erhitzen gewinnen konnte, mussten diese Teilchen bereits im Metall enthalten sein. Atome konnten folglich nicht die kleinsten Bausteine der Materie bzw. unteilbar sein.
Thomson schlug daher im Jahr 1904 folgendes Atommodell vor:
- Jedes Atom besteht aus einer elektrisch positiv geladenen Kugel, in die elektrisch negativ geladene Elektronen eingelagert sind – wie Rosinen in einem Kuchen.
- Die Atome sind nach außen hin neutral. Sie können jedoch Elektronen abgeben oder zusätzliche aufnehmen.
- Bei der Abgabe von Elektronen entstehen aus den ursprünglich neutralen Atomen positiv geladene Ionen, bei der Aufnahme von Elektronen entstehen entsprechend negativ geladene Ionen.
Durch sein Atommodell konnte Thomson die Kathodenstrahlung sowie die Erkenntnisse aus der Elektrolyse-Forschung von Michael Faraday erklären.
Im Jahr 1911 führte Ernest Rutherford ein Experiment durch, bei dem er einen Strahl radioaktiver Alpha-Teilchen auf eine dünne Goldfolie lenkte. Bei Alpha-Teilchen handelt es sich um Helium-Kerne, die aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen.
Die meisten Alpha-Teilchen konnten die Goldfolie ungehindert durchdringen, nur wenige wurden (teilweise sehr stark) abgelenkt. Dieses Ergebnis ließ sich nicht durch die Vorstellung kompakter Atomkugeln (Thomson-Modell) erklären. Der wesentliche Teil der Masse und die positive Ladung des Atoms mussten sich vielmehr in einem kleinen Bereich im Inneren befinden, an dem die auftreffenden Alpha-Teilchen abprallen konnten. Das meiste Volumen hingegen musste die masselose, negativ geladene und aufgrund der geringen Größe der Elektronen weitgehend „hohle“ Hülle des Atoms einnehmen.
Rutherford fasste seine Erkenntnisse in folgendem Atommodell zusammen:
- Das Atom besteht aus einem Atomkern und einer Atomhülle.
- Der Atomkern ist elektrisch positiv geladen und befindet sich im Zentrum des Atoms.
- Der Durchmesser des Atomkerns beträgt nur ein Zehntausendstel des gesamten Atomdurchmessers.
- In der Atomhülle befinden sich negativ geladene Elektronen, die um den Atomkern kreisen. (Durch ihre schnelle Bewegung verhindern die Elektronen, dass sie in den entgegengesetzt geladenen Atomkern stürzen.)
- Die Atomhülle ist ein fast „leerer“ Raum, da die Elektronen noch viel kleiner sind als der Atomkern.
Mit seinem Atommodell konnte Rutherford allerdings noch keine Aussagen über die Bahnform der Elektronen und über ihre Energieverteilung treffen.
Im Jahr 1913 formulierte Niels Bohr ein Atommodell, das von einem planetenartigen Umlauf der Elektronen um den Atomkern ausgeht. Damit konnte er – beeinflusst durch die Quantentheorie Max Plancks und die Entdeckung des Photoeffekts durch Albert Einstein – erstmals die im Mikrokosmos stets in bestimmten Vielfachen auftretenden Energiesprünge deuten.
Diese waren seit der Untersuchung der Spektren von Gasentladungsröhren eines der größten Rätsel der damaligen Physik.
Das Atommodell für Wasserstoff nach Bohrpostuliert:
Jedes Elektron umkreist den Atomkern auf einer Kreisbahn. Beim Übergang eines Elektrons von einer äußeren Elektronenbahn in eine innere Elektronenbahn wird ein Lichtquant (Photon) ausgesendet.
Bohr war sich darüber bewusst, dass das Modell kreisförmiger Elektronenbahnen einen Widerspruch mit sich führte: Da jede Kreisbahn einer beschleunigten Bewegung entspricht und beschleunigte Ladungen elektromagnetische Wellen abstrahlen, müssten Elektronen ständig Energie abgeben und dadurch immer langsamer werden. Sie würden somit – angezogen von der positiven Ladung des Atomkerns – in nur wenigen Bruchteilen einer Sekunde spiralförmig in den Atomkern stürzen.
Um sein Atommodell zu retten, das auch mit anderen experimentellen Ergebnissen bestens übereinstimmte, führte Bohr die beiden folgenden Postulate ein
- Die Elektronen umkreisen den Atomkern strahlungsfrei, d.h. ohne Abgabe von Energie, in bestimmten Bahnen. Dabei nimmt die Energie der Elektronen nur ganz bestimmte, durch die jeweilige Bahn charakterisierte Werte an.
- Der Übergang zwischen einer kernfernen zu einer kernnahen Bahn erfolgt sprunghaft unter Abgabe einer Strahlung (eines Photons).
Und damit soll die Geschichte des Atoms erst mal genügen. Es gab weitere Modifikationen und Erweiterungen des Atom-Modells. Bis heute ist das alles noch im Fluss und entwickelt sich weiter.
Für uns ist an dieser Stelle wichtig:
- Atome bestehen aus einem Kern von Protonen und Neutronen und einer Elektronenhülle
- Das Unteilbare wurde mit der Zeit immer teilbarer.
- Protonen sind positiv geladen und Elektronen negativ. Neutronen sind neutrale Teilchen, die sich ebenfalls im Atomkern befinden.
- Ein Atom ist dann neutral, wenn die Anzahl seiner Protonen im Kern und die seiner Elektronen gleich sind.
- Die Anzahl der Elektronen legt die chemischen Eigenschaften eines Atoms fest, will sagen, wie willig es ist, sich mit anderen Elementen zu „verheiraten“, oder eben nicht.
Jetzt könnte man berechtigt meinen, dass die Kerne in dem Fall doch eher auseinander fallen sollten, weil sich die Protonen abstoßen, denn sie sind, wie gesagt positiv geladen. Außerdem könnte es ja sein, dass die Elektronen ob ihrer negativen Ladung in den Kern hinein gezogen werden. Wir erinnern uns, dass Bohr sich diese Fragen auch stellte.
Es muss also Kräfte geben, die all dieses verhindern.
Der Klebstoff des Universums
Was die Welt in ihrem Inneren zusammen hält sind vier Grundkräfte, die in unserem ganzen Universum gültig sind.
Da sind zunächst die starke und die schwache Kernkraft. Diese sorgen dafür, dass Atomkerne trotz ihrer Abstoßung der Protonen stabil zusammen bleiben und dass Atome auch radioaktiv in andere Teilchen zerfallen können. Diese beiden Kräfte werden wir auf unserer Reise als die Kernkraft zusammen fassen. Diese, vor allem auch die starke Kernkraft wirkt nur auf sehr schwache Distanz, etwa eines Durchmessers eines Atomkerns, aber dann um so mehr. Stellt euch zwei Magnete vor, die sich gerne anziehen würden, es aber nicht können, weil sie von einer starken Feder auseinander gedrückt werden. Die Feder steht in dem Falle für die abstoßende Kraft zwischen zweier Protonen.
Wenn man nun die Feder zusammendrückt, so dass sich die beiden Magnete nahe kommen, dann kann es geschehen, dass plötzlich die Magnetkraft überwiegt und stärker als die Feder wirkt.
Die Kraft zwischen den Magneten steht in diesem Beispiel für die Kernkraft, die nur auf kurze Distanzen wirkt.
Ich meine mich zu erinnern, dass es derartige Spielzeuge mit Magneten und Federn tatsächlich gab.
Auf jeden Fall ist die elektromagnetische Kraft, also die Abstoßung von Elektronen dafür verantwortlich, dass wir Materie spüren können. Ein Buch auf dem Tisch fällt trotz der überwiegenden Leere des Vakuums nicht durch die Tischplatte, weil sich die Elektronen der Buchhülle und die der Atome der Tischplatte gegenseitig abstoßen. Es sind einfach immer genügend Elektronen vorhanden, die das Buch nicht in die Leere stürzen lassen. Dasselbe geschieht natürlich auch mit deiner Hand, wenn Sie auf den Tisch liegt.
Hier mal kurz eine Tabelle, die zeigt, wie stark die einzelnen Kräfte gegeneinander verglichen, tatsächlich sind.
Name | Verhältn. |
---|---|
Starke Kernkraft | 10 hoch 3 |
Elektromagnetische Kraft | 1 |
Schwache Kernkraft | 10 hoch minus 11 |
Gravitationskraft | 10 hoch minus 39 |
Über die Gravitation, die heimliche Herrscherin des Universums haben wir uns schon unterhalten.
Ich habe auf meinen Artikel dazu schon auf einer unserer letzten Stationen hin gewiesen und möchte dies an dieser Stelle dringend wiederholen. Ich empfehle wirklich, sich mit dieser Dame und ihres Wesens vertraut zu machen.
Zur heimlichen Herrscherin bitte hier lang.
Das Vakuum
Der letzte Punkt für heute, der uns stutzen lassen sollte ist die Tatsache, dass wenn man ein Atom auf die Größe eines Fußballstadions aufblasen würde, dann schwebte der Kern, der fast 100 % der Atommasse ausmacht, gleich einer Schrotkugel in der Mitte des Stadions, wobei die Elektronen ruhelos durch die Zuschauerränge waberten. Das meiste also in Atomen ist leere und noch viel mehr leere gibt es zwischen ihnen, im sog. Vakuum.
Das Vakuum ist so ein merkwürdig Ding, dass ich an dieser Stelle dringend auf meinen Artikel Nichts ist auch was hinweisen möchte. Ich rate euch, den zu lesen, denn er behandelt das Vakuum in seiner Schönheit und in seinen Einzelheiten.
Danach haben jene, die noch nicht erschlagen sind, die Möglichkeit, tiefer in die Eigenschaften der Leere einzutauchen.
Hierfür schrieb ich ganz am Anfang dieses Blogs den Artikel „Die Leere füllt sich wieder“. Der ist zwar schön und faszinierend, und ich freue mich, wenn er gelesen wird, aber für unsere folgenden Stationen ist er nicht von Belang.
Er ist etwas nerdig…
Dazu bitte hier lang.
Vorschau
Auf unserer nächsten Station befassen wir uns mit etwas, dass uns allgegenwärtig umgibt. Mal mehr, mal weniger. Es wird sich um nichts geringeres als das Licht drehen. Da schwarze Löcher auch das Licht beeinflussen, wie die meisten schon gehört haben dürften, ist es richtig und wichtig, sich auch in diesem Zusammenhang mal mit ihm zu beschäftigen. Ich verrate euch jetzt schon, dass es sehr spannend und aufregend werden wird mit vielen Geschichten und allem, was ich gerne so in meine Artikel schreibe…
Die Reise zu den Schwarzen Löchern, Station 4, – Wie komme ich hier wieder wech?
Meine lieben Mitlesenden,
und hier melde ich mich mit Station 4 auf unserer Reise zu den schwarzen Löchern zurück.
Prolog
Ich habe schon gehört, dass vor allem die letzten beiden Stationen doch etwas sehr mathematisch waren und das manche daher eher mal ausgestiegen sind. Ja, das war schon bissel viel Mathe, aber wir werden uns im Laufe unserer Reise daran erinnern. Nur erinnern und nicht mehr. Heute gebe ich hier und jetzt das Versprechen, dass wir zwar heute noch kurz etwas Mathematik machen müssen, aber dann sind wir damit über den Berg.
Auf den letzten Stationen unserer Reise wird uns zwar Albert Einstein begegnen, aber nur begegnen. Wir werden sein Werk würdigen, aber nicht mit seinen Formeln zu rechnen versuchen.
Worum es heute geht
Heute wollen wir uns zum Abschluss dieser ganzen Gravitations-Berechnungen nochmal kurz darüber unterhalten, was man beachten muss, wenn man überhaupt der Gravitation eines Himmelskörpers entweichen möchte.
- Jeder hat sicher schon mal gehört, dass schwarze Löcher schwarz sind, weil sie alles aufsaugen, was in ihre nähe kommt und weil sie so schwer sind, dass nicht mal mehr das Licht aus ihnen entweichen kann.
- Das Licht unserer Sonne kann noch von ihr entweichen, weil sie leichter ist.
- Wir können mit einer Rakete von der Erde entweichen, wenn sie stark genug ist.
- Die Mondfahrer konnten wieder vom Mond abheben, um zur Erde zurück zu kehren. Er hielt das Raumschiff mit seiner Gravitation nicht fest genug.
- Momentan macht ein kleiner Hubschrauber auf dem Mars Furore. Der könnte, ganz davon abgesehen, dass er nicht für das Weltall gebaut ist, nicht so hoch vom Mars abheben, weil er diese Kraft nicht aufbringen kann.
- Nicht zuletzt schaffen wir es aus eigener Kraft mit einem Hüpfer nicht ins all. Wir fallen immer wieder zurück.
All diesen Beispielen ist gemeinsam, dass Gravitationskräfte von Himmelskörpern überwunden werden müssen, um ins All zu kommen und nicht wieder zurück zu fallen.
Wie viel Kraft, also Energie oder Treibstoff es kostet, einen Himmelskörper verlassen zu können hängt von seiner Masse und auch von seinem Volumen ab. Ein relativ kleiner Körper, der eine sehr hohe Dichte hat, z. B. ein Bleiplanet, könnte uns stärker an seine Oberfläche binden als ein schwerer Körper, der aus einem Material deutlich geringerer Dichte besteht, z. B. ein Schaumstoff-Planet gleicher Masse.
Um die Verhältnisse der Anziehung auf verschiedenen Himmelskörpern vergleichen zu können, muss man nicht nur die Masse berechnen, die sich aus Newtons und den Keplerschen Gesetzen ergeben. Man muss sich auch darüber klar sein, wie es sich verhält, wenn man z. B. auf so einem Körper landen möchte, und vor allem, wie man von ihm auch wieder weg kommt, wenn man vielleicht mal wieder heim will.
Um dieses Problem geht es jetzt.
Die Oberflächenschwerkraft
Das ist die Kraft, die man an der Oberfläche eines Körpers erfährt. Die ist wichtig, wenn man vergleichen möchte, wie es sich verhält, wenn man sich an der Oberfläche eines Himmelskörpers befindet. Sie drückt quasi aus, wie stark etwas an seiner Oberfläche festgehalten wird.Nehmen wir das Beispiel Erde-Mond, weil Menschen schon oft auf seiner Oberfläche gestanden haben und die ganzen Theorien überprüfen konnten.
Jeder kennt die Bilder, zu welch hohen Sprüngen die Astronauten auf der Mondoberfläche fähig waren. Das lag nicht an der Freude, dass sie die ersten dort waren, sondern eben an der unterschiedlichen Oberflächenschwerkraft von Mond und Erde.
Wie man diese nun miteinander vergleicht, kommt jetzt.
Wann immer man zwei Punkte miteinander vergleicht, von denen der eine ebenso weit vom Erdmittelpunkt der Erdoberfläche entfernt ist, wie der andere vom Mittelpunkt des Mondes zur Mondoberfläche, dann ist das Schwerefeld der Erde in einem Punkt 81,3 fach stärker als das Schwerefeld des Mondes im anderen Punkt.
Wenn wir auf dem Mond stehen, sind wir 1738 km vom Mondmittelpunkt entfernt. Stehen wir auf der Erde, so sind wir 6371 km vom Erdmittelpunkt entfernt. Berechnet man nun die jeweilige Oberflächen schwerkraft, muss man die Abstände zu den Mittelpunkten berücksichtigen.
Der Abstand der Erdoberfläche zum Erdmittelpunkt ist 3,666 mal größer als der Abstand vom Mond-Mittelpunkt zur Mondoberfläche.
Die Stärke der Schwerkraft sinkt quadratisch, so dass die Oberflächenschwerkraft der Erde im Verhältnis zur Oberflächenschwerkraft des Mondes um einen Faktor 3,666 zum Quadrat = 13,44 geschwächt erscheint.
Wir müssen also das eigentliche Schwerefeld der Erde, das ja 81,3 fach stärker ist als das des Mondes durch 13,44 teilen, was dann 6,05 ergibt.
Somit ist die Oberflächenschwerkraft der Erde nur 6,5 mal stärker, als die des Mondes.
Voilla, auf dem Mond wiegen wir noch ein Sechstel, obgleich der Mond doch um 81,3 fach leichter ist, als die Erde. Hier schlägt tatsächlich der Radius zu.
Das kann man natürlich jetzt auch mit allen anderen Himmelskörpern des Sonnensystems so tun. Da fragt sich nur, wo denn bei den Gasriesen die Oberfläche sein soll. Sie bestehen ja bis tief in ihr Inneres aus Gas. Im Inneren dürfte beispielsweise Jupiter aus flüssigem metallischen Wasserstoff bestehen. Ob er in der Mitte einen festen Kern besitzt, wissen wir noch gar nicht so genau.
Man nimmt dazu die Atmosphärenschicht des Gasplaneten, bei der ihr Druck dem Normaldruck auf Meereshöhe hier auf der Erde entsprechen würde, könnte man dort Station machen. Was soll man auch anderes vergleichbares nehmen. Gasplaneten haben ja sozusagen keinen festen Boden.
Wie die Dichte von Atmosphären, also von Gasen mit ihrer Dicke zunimmt, weiß man ziemlich genau. Diese Formeln benötigen wir hier auf der Erde in der Luft- und Raumfahrt und für die Vorhersage unseres Wetters. Da sich im Gegensatz zu Flüssigkeiten Gase zusammendrücken lassen, nimmt der Druck in ihnen nicht linear zu, wie beispielsweise in Wasser, sondern exponentiell. Den Druck auf sie übt natürlich das Gravitationsfeld des Planeten aus, dessen Atmosphäre sie sind.
Die genaue Erklärung dieser Gas-Druck-Geschichte würde aber den Artikel hier sprengen und ich würde mein Versprechen brechen, nicht wieder so mathematisch werden zu wollen.
Hier eine kleine Tabelle, die mal die jeweilige Oberflächenschwerkraft aller Planeten im Verhältnis zu derjenigen der Erde darstellt. Die Erde hat daher die 1.
Planet | Oberflächenschwerkraft |
---|---|
Merkur | 0,38 |
Venus | 0,9 |
Erde | 1 |
Mond | 0,17 |
Mars | 0,38 |
Jupiter | 2,62 |
Saturn | 1,14 |
Uranus | 0,88 |
Neptun | 1,13 |
Ganz erstaunlich finde ich, dass man auf dem Jupiter bei unserer hypothetisch gedachten Oberfläche nur etwa zweieinhalb mal so viel wiegt als auf der Erde, obwohl er mehr als doppelt so schwer ist, wie alle anderen Planeten zusammen.
Wer mag, kann sich ja mal im Internet eine Tabelle mit den Planetenradien vornehmen, um sich dieses Wunders zu erfreuen.
Die Entweichgeschwindigkeit
Und nun kommen wir zur eigentlichen Frage der Überschrift.
Wie komme ich hier wieder wech?
Wer in den Weltraum, wer auf Mond, Mars oder sonst wo landen will, muss sich einiges überlegen.
- Wie schnell muss meine Rakete sein, um z. B. von der Erde weg zu kommen
- Wieviel Gewicht muss ich mitnehmen
- Wieviel Treibstoff brauche ich für mein Vorhaben
- Übersteht mein Raumschiff am Zielort die Landung oder zerquetscht mich dort die Schwerkraft
- Wie komme ich wieder weg?
Die Geschwindigkeit, die hier zur Flucht nötig ist, nennt man die Entweich-Geschwindigkeit. Sie hängt von der Masse des Himmelskörpers ab, von dem man entweichen will und somit auch von ihrer Oberflächenschwerkraft und damit natürlich auch von dessen Radius.
Auf der massereichen Erde brauchten die Astronauten eine über einhundert Meter lange Rakete, die im wesentlichen nur aus Treibstofftanks bestand. Dass neben der Erdanziehung auch der Widerstand der Atmosphäre überwunden werden musste, ist auch ein erheblicher Treibstoff-Fresser.
Um vom Mond wieder weg zu kommen, reichten ganz kleine Triebwerke aus, die die Landefähre wieder in die Umlaufbahn des Mondes brachten, Auch das Raumschiff wog natürlich auf dem Mond nur ein Sechstel, und der Mond hat keine Atmosphäre, was sich auf den Treibstoff-Verbrauch auswirkt.
In der Umlaufbahn angekommen,wurde sie dann vom Service-Modul wieder aufgelesen. Dessen kleines Triebwerk trug das Modul schließlich bis zu dem Punkt, wo die Erdanziehung die Aufgabe dann übernahm, Schiff und Mannen in Richtung Erde zu ziehen.
Alles, was langsamer ist als die jeweilige Entweichgeschwindigkeit eines Himmelskörpers, muss unweigerlich wieder zu Boden fallen, weil irgendwann auf der Flugbahn die Erdanziehung letztlich doch siegt.
Vor der Entweich-Geschwindigkeit gibt es aber noch zwei Fluchtgeschwindigkeiten.
Mit der ersten Fluchtgeschwindigkeit gelangt man in einen Orbit um die Erde, oder eines Himmelskörpers.
Sie beträgt auf der Erde etwa 7,1 Kilometer pro Sekunde. In diesem Orbit kann man ewig bleiben, wenn nichts und niemand stört. Leider hat man hier auf der Erde an dieser Umlaufbahn nicht viel Freude. Sie liegt noch deutlich innerhalb der Atmosphäre. Man wird von ihr rasch abgebremst und würde schließlich doch herunter fallen.
Die zweite Fluchtgeschwindigkeit bringt einem schon in eine elliptische Kepler-Bahn.
Die Entweichgeschwindigkeit, 11,2 km/s ist schließlich stark genug, dass man sich aus dem Schwerefeld der Erde befreit. Dann kann man sich in Richtung Mond treiben lassen, der einem dann mit seinem Schwerefeld in Empfang nimmt.
Entweich-Geschwindigkeit und Oberflächenschwerkraft werden noch eine große Rolle bei den schwarzen Löchern spielen. Aber bis es so weit ist, werden wir noch einige andere sehr interessante Themen behandeln.
Ausblick:
- Elementar auf unserer Reise ist, dass wir ein wenig darüber Bescheid wissen sollten, woraus unser Universum im wesentlichen besteht, und was die Welt zusammen hält. Darum wird es ganz unmathematisch in Station 5 unserer Reise gehen.
- Auf Station 6 erfahren wir etwas über die Eigenschaften des Lichts.
- Auf Station sieben macht die Herrscherin nochmal richtig Druck im All
- Station acht bringt uns an das Lebensende von Sternen, denn die leben zwar lang, aber nicht ewig.
- Station neun bringt uns in die Bäckerei des Universum. Es wird um Quarktaschen gehen.
- Station zehn wird dann vermutlich die Endstation auf unserer Reise zu den schwarzen Löchern sein.
Ihr seht, es bleibt spannend.
Die Reise zu den Schwarzen Löchern, Station 3, „Wiegen anderer Himmelskörper
Seid herzlich gegrüßt.
Bevor es los geht
- Ich wurde gefragt, ob es nötig ist, immer alle Links zu lesen, die ich so in meine Artikel setze. Ich könnte jetzt „ja“ sagen, denn irgendwie finde ich sie alle wichtig, ansonsten stünden sie ja nicht drin, Viele davon sind aber wirklich lediglich meiner Begeisterung für die Themen geschuldet.
,also, so ist das durchaus nicht, dass ihr ohne sie abgehängt werdet, hoffe ich zumindest. Und wenn, da bin ich mir sicher, dass das schon das eine oder andere mal doch passiert, dann entschuldige ich mich an dieser Stelle dafür. Ihr könnt ja nachfragen oder „halt“ schreien.
Wenn mal ein link, z. B. der zur Herleitung der Erdmasse wichtig ist, dann gilt das auch nur für die unter euch, die wirklich ins Thema einsteigen wollen.
Wenn ihr, und das ist absolut freiwillig, nur die Links verfolgt, die auf weitere Artikel von mir führen, dann freut mich das natürlich, und das empfehle ich euch auch, weil ich das immer dann tue, wenn ich glaube, dass diese Inhalte das Verständnis erleichtern, bereichern und ergänzen können. Es ist ja so, dass ich mich ohne meine anderen Artikel in vielen Dingen wiederholen müsste, was zeitraubend und unnötig wäre. Keiner erfindet gerne das Rad neu.
Also, wie gesagt. Das ist alles freiwillig. Ich frage ja auch nichts ab und es gibt keine Tests. Ihr seid alle selber groß und merkt ja auch, wenn es vielleicht im Nachhinein besser gewesen wäre, sich den ein oder anderen Link nochmal anzuschauen. Zurück geht ja immer… - Ach ja, und noch etwas wurde mir per Mail signalisiert. Jemand merkte an, dass die Artikel ja manchmal wieder geändert seien, wenn man sie nochmals nach einiger Zeit liest. Da kann ich nur sagen, dass das eventuell stimmt. Ich merke halt manchmal später noch, dass ein Kapitel nicht so toll war, dass eventuell diese oder jene Information noch fehlte, oder manchmal sogar, dass die Struktur des Artikels noch besser ginge. Von da her kann es sich durchaus lohnen nochmals nach einiger Zeit in die Artikel zu schauen. Das mit diesen Änderungen wird auch so bleiben, denn ich kann ja nicht ewig mit mir hadern, und zaudern, bis ich endlich mal veröffentliche. Somit beziehe ich euch gewisser Maßen dann in die Vervolkommnung der Artikel ein, indem sie später nochmal verändert werden. Außerdem müssen manche auch aktualisiert und renoviert werden, wenn sie nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen.
- Ein letztes noch. Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Vorlesefunktion in den Artikeln leider nicht mehr mit allen Browsern läuft. Mit Edge und mit Chrome funktioniert sie perfekt. Mit Firefox und Safari leider nicht mehr. Ich habe keine Ahnung woran das liegt, und mir konnte bisher noch niemand dabei helfen, aber es gibt ein Licht am Ende dieses Tunnels.
So, das waren meine Anmerkungen für euch. Jetzt geht es los.
Was bisher geschah
Im letzten Artikel ging es darum, die Wechselwirkung zwischen zweier Massen kennenzulernen. Wir beschäftigten uns mit der Beschleunigung, der Beschleunigungskraft, mit der Gravitationskonstante und am Ende gab es noch einen Artikel, der uns mathematisch zeigte, wie man mit all diesem Wissen nun die Masse der Erde bestimmen kann. Wir sprachen auch von Johannes Kepler, der in seinen drei Gesetzen die Gesetzmäßigkeiten fand, wie Planeten um ihre Sterne kreisen. Newton konnte nun die Keplerschen Gesetze mit seinen Gravitations-Gesetzen und seiner Himmelsmechanik verbinden. Somit wurde es möglich, auch die Massen von Himmelskörpern zu berechnen, die man nicht einfach mal kurz besuchen kann, um Fallversuche auf ihnen durchzuführen.
Der Tanz
Der Grund, weshalb sich Planeten um ihre Himmelskörper derart bewegen, dass ihre Bewegungen den Keplerschen Gesetzen gehorchen, ist die Massenanziehung zwischen den Planeten und ihren Sternen. Planeten haben einerseits eine Eigenbewegung, die schon von ihrer Rotation bei ihrer Entstehung her rührt, und andererseits werden sie von ihren Sterne von ihren Bahnen nach innen gezogen, wenn sie beispielsweise zu langsam unterwegs sind.
Das bedeutet, dass ein Planet seinen Körper stabil nur auf einer Bahn umkreisen kann, wenn aus der Entfernung heraus die Massenanziehung nicht zu stark ist, und wenn seine Bahngeschwindigkeit passt. Ansonsten würde der Planet entweder nach außen driften, oder gar in den Stern stürzen.
Und jetzt kommt noch was spannendes. Die Sterne, z. B. unsere Sonne ist ja nicht im Weltraum fixiert. Das bedeutet, dass z. B. unsere Erde, oder der Jupiter noch mehr, auch an der Sonne ziehen. Deshalb muss auch der Stern ein wenig mit torkeln, wen Planeten sie umkreisen. Das gilt auch für Planeten, die von ihren Monden umkreist werden. Es dreht sich also nie ein Körper nur um den anderen herum, sondern beide bewegen sich um ihren geometrischen Schwerpunkt herum. Der liegt immer näher beim schwereren Körper.
Und hier wären wir wieder bei den Hebelgesetzen von Archimedes. Erinnert euch, was ihr in euren Kindertagen alles getan habt, damit ihr gut wippen konntet, oder was ihr getan habt, wenn ihr jemanden auf der Wippe verhungern lassen wolltet.
Mit einem Kinderkarussell auf einem Spielplatz konnte man auch eine Menge Unsinn anstellen.
Wo sich Körper zum Tanze die Hände reichen – Schwerpunkt
Bewegen sich zwei Körper im ‚All umeinander, so tun sie das stets um ihren Schwerpunkt herum. Sind beide Massen gleich schwer, so liegt dieser Schwerpunkt genau in der Mitte beider Körper. Ist die eine um die Hälfte leichter, muss sie doppelt so weit von ihm entfernt sein, als die schwerere Masse. Und so weiter.
Da Massen alles in Richtung Mittelpunkt ziehen, kann dieser Schwerpunkt sogar unter der Oberfläche des schwereren Körpers liegen.
Wie auch immer. All dieses Wissen der letzten Artikel können wir nun dazu verwenden, auch die Masse anderer Himmelskörper zu bestimmen.
Schauen wir uns diesen Tanz nun am Beispiel Erde-Mond-System einmal an.
Unser Mond umkreist die erde mit einem durchschnittlichen Abstand von 384000 km in etwa 27,3 Tagen. Genauer bewegt sich das Erd-Mond-System um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Wäre der Mond beispielsweise halb so schwer, wie die Erde, dann müsste er doppelt so weit vom Schwerpunkt entfernt sein, wie diese. Betrüge seine Masse nur ein Drittel, müsste er drei mal so weit vom Schwerpunkt entfernt sein,
Dazwischen sind natürlich auch alle Massenverhältnisse und die dazugehörigen Schwerpunkt-Abstände möglich.
Der Schwerpunkt liegt im Erd-Mond-System noch im inneren der Erde. etwa 1650 km unterhalb der Erdoberfläche und 4720 km vom Erdmittelpunkt entfernt, weil die Mondmasse lediglich ein einundachtzigstel der Erdmasse beträgt.
Mond und Erde umrunden diesen punkt in einem Monat. Astronomen konnten diese Tänzelbewegung der Erde messen und tun das auch bei anderen Planeten, die ihre Sterne umkreisen.
Der Abstand zwischen Mondmittelpunkt und Schwerpunkt ist etwa 81,3 mal so groß, wie der Abstand Erdmittelpunkt und Schwerpunkt.
Demnach ist die Mondmasse um einen Faktor von 81,3 kleiner als die Erdmasse. Er hat somit die 0,0123-Fache Erdmasse.
Der Mond Io ist ungefähr genau so weit von Jupiter entfernt, wie unser Mond von der Erde. Er umkreist Jupiter aber in nur 1,75 Tagen. Daraus kann man errechnen, dass die Schwerkraft des Jupiter 317,9 mal so stark sein muss, wie die der Erde.
Mit diesen Methoden kann man nun auch die Masse aller anderen Planeten berechnen, indem man ihre Umlaufzeiten mit dem Erd-Mond-System vergleicht. Kennt man nun noch die Radien der anderen Planeten, die man durch astronomische Beobachtungen errechnen kann, dann kann man sogar ihre Dichten berechnen. Das alles erspare ich uns aber an dieser Stelle.
Nur so viel als kleiner Vorgriff. Hätten wir Newtons und Keplers Gesetze nicht, dann wäre es ohne die Beobachtungen der Tänzelbewegungen von Sternen oft gar nicht möglich, schwarze Löcher zu finden, denn sie leuchten nun einmal nicht…
Was wiegt nun unsere Sonne?
Wenn man nun den Abstand Erde-Sonne kennt (150 Millionen Kilometer), kann man mit Newtons und Keplers Gesetzen auch ihre Masse berechnen. Daraus folgt eine Masse von 1,989 × 10^30 kg.
Ihr Durchmesser beträgt 1,4 Millionen Kilometer.
Die Berechnung des Abstandes zwischen Erde und Sonne ist gar nicht so einfach. Am besten tut man dies, indem man gleichzeitig von verschiedenen Punkten der Erde aus beobachtet, wenn einer der inneren Planeten Merkur, oder noch besser die Venus für uns vor der Sonnenscheibe vorbei zieht. Der Planet schiebt sich langsam vor die Sonne. Zunächst berührt er quasi ihren Westrand, zieht dann über die Sonnenscheibe hinweg, indem er die Erde auf seiner Innenbahn überholt und verlässt die Sonnenscheibe am anderen Rand dann wieder. Mit den Daten der unterschiedlichen Zeiten und Winkel, an welchen das Ereignis an verschiedenen Orten der Erde beginnt und endet, kann man dann geometrisch Dreiecke bestimmen, mit deren Hilfe man dann den Abstand zur Sonne berechnen kann.
Solche Dreiecksbestimmungen sind in der Astronomie sehr beliebt. Man nennt das Parallaxsen-Bestimmung. Angegeben wird sie stets in Winkel (Grad, Bogensekunden und Bruchteile davon).
Wir werden beim Studium des Lichtes und der Weißen Zwerge darauf zurück kommen.
Wie das genau gemacht wird, ist ohne Grafiken und Bilder nicht leicht zu beschreiben, aber glaubt mir. Es geht. Immerhin habe ich hier eine Geschichte für euch, die den Versuch der Abstandsbestimmung beschreibt.
Zwei Wichtige Venus-Durchgänge
Im Jahr 1677 führte Edmond Halley die bis dahin sorgfältigste Beobachtung eines Merkurtransits durch. Seine Ergebnisse brachten ihn zu der Erkenntnis, dass sich mit Hilfe von Transits der Planeten Merkur und insbesondere Venus die Sonnenparallaxe und damit die Entfernung zwischen Sonne und Erde bestimmen lassen sollte.
Anmerkung:
„Ja, genau. Es ist der Halley, nach dem der berühmte Komet benannt ist.“
Die Methode, die er vorschlug, beruht auf dem Prinzip der trigonometrischen Peilung. Verschiedene Beobachter, die einen Venusdurchgang von weit auseinander liegenden Punkten der Erde aus verfolgen, sehen die Venus unter geringfügig abweichenden Blickwinkeln und damit in etwas anderer Position vor der Sonne. Im Jahr 1716 veröffentlichte Halley in dem Wissen, dass er den Venustransit von 1761 nicht mehr erleben würde, einen dringenden Aufruf zur Beobachtung des Ereignisses mittels der von ihm entwickelten Methodik.
Anmerkung:
Das mit der Beobachtung von Winkeln von verschiedenen Punkten der Erde aus, kennen wir in ähnlicher Weise durch die Bestimmung des Erdradius aus vorigem Artikel.
Fast ein halbes Jahrhundert später segelte eine ganze Armada von Schiffe aus verschiedenen europäischen Ländern bis zu den entlegensten Orten, um Halleys Plan in die Tat umzusetzen. Es war das erste internationale Forschungsprogramm der Menschheitsgeschichte. Unter heute kaum vorstellbaren Anstrengungen und Opfern wurden die Messungen durchgeführt. Da genaue Positionsbestimmungen der Venus auf der Sonnenscheibe schwierig auszuführen waren, ging man einen Umweg. Man versuchte die genauen Zeitpunkte des 2. und 3. Kontaktes zu messen, um damit den Weg der Venus über die Sonnenscheibe für den jeweiligen Beobachtungsort festzulegen. Doch die präzise Messung der Kontaktzeiten scheiterte an einem Phänomen, dass unter der Bezeichnung „Schwarzer Tropfen“ in die Astronomiegeschichte einging. Entsprechend ungenau waren die Werte, die man für den Abstand Erde – Sonne erhielt: zwischen 125 und 155 Millionen Kilometern.
Erklärungen:
Den Ablauf eines Transits teilt man in vier Kontakte ein.
- Berührung der Sonnenscheibe am Rand
- Venus vollständig auf der Sonnenscheibe
- Berührung des gegenüberliegenden Randes
- ganz Verlassen der Sonnenscheibe.
Was hier mit „Schwarzem Tropfen“ gemeint ist, ist ein perspektivischer Effekt, der damit zu tun hat, dass Erde, Venus und die Sonne eben auch rund sind.
Im Jahr 1769 waren erneut zahlreiche Expeditionen in die Gebiete der Erde, von denen aus ein weiterer VenusTransit sichtbar sein würde, unterwegs. Der wohl berühmteste Teilnehmer war James Cook, der den Transit im Rahmen seiner Weltumsegelung von Tahiti aus beobachtete, an einem Ort, der noch heute den Namen „Point Venus“ trägt.
Wiederum beeinträchtigte der „Schwarzer Tropfen“ die Beobachtungen, aber man war jetzt auf diesen Störfaktor vorbereitet und erhielt deshalb bessere Messwerte. Außerdem hatte man nun die Datensätze von 2 Transiten vorliegen. Daraus berechnete der französische Astronom Jérôme Lalande im Jahr 1771 den Abstand Sonne – Erde zu 153 plus/minus 1 Mio. Kilometern. Die Abweichung vom wahren Wert betrug somit nur etwa 2%. Letztendlich waren die unvorstellbaren Strapazen und Opfer der zahlreichen Expeditionen also von Erfolg gekrönt und Halleys Methode hatte sich allen Widrigkeiten zum Trotz bewährt.
Schlussbemerkungen
Jetzt, wo man den Sonnenabstand kannte, ließ sich natürlich dann mit ähnlichen Methoden auch ihr Radius gut berechnen. Damit hatte man alles zusammen, was man für Newtons Gleichung braucht, um ihr Gewicht zu bestimmen.
Wie das ungefähr geht, hatten wir am Beispiel Erde schon ungefähr gezeigt.
Man darf an dieser Stelle nicht vergessen, dass wir noch immer Probleme haben, die Gravitationskonstante genau zu bestimmen. Das macht sich bei derartig riesigen Massen natürlich bemerkbar. Glücklicherweise gibt es ja noch Keplers Gesetze, so dass man die Bewegungen mit in die Massenbestimmung einbeziehen kann.
Ein letzter Punkt, den ich hier noch erwähnen möchte ist folgender:
Bestimmt man nun anhand des Sonnenradius ihr Volumen und berechnet anschließend noch ihre Dichte, dann muss man sich darüber klar sein, dass dies nur ein durchschnittlicher Wert sein kann. Die Sonne und alle Gasplaneten sind keine homogenen festen körper, die Erde übrigens auch nicht. Das bedeutet, dass ganz besonders bei Gas-Kugeln die Dichte in ihrem Inneren deutlich höher ist, als an ihrer Oberfläche. Daraus folgt, dass sich Gase durch die Gravitation komprimieren lassen. Natürlich erleben wir das im Alltag. Ansonsten wären Luftballons nicht weich sondern Stein hart. Gase kann man drücken, bis sie flüssig sind, was man beim Schütteln eines vollen Feuerzeugs hört. Flüssigkeiten kann man quetschen, bis sie fest sind, was wir im Alltag eher selten erleben.
Feste Körper verändern sich eventuell auch unter Druck. Kohlenstoff wird beispielsweise Diamant, wenn ihm platzmäßig chemisch nichts mehr anderes übrig bleibt.
Die letzte Frage wäre jetzt noch, was passiert, wenn man dann weiter drückt?
Das wird alles in den nächsten Artikeln zur Sprache kommen,
Wir werden dann zur Abwechslung mal nur wenig über Gravitation sprechen. Es wird um viel Leere und den Aufbau unseres Universums gehen. Außerdem müssen wir uns auch noch dem widmen, was schwarze Löcher letztlich schwarz macht, dem Licht, dass dort nicht weg kommt.
All dem werden wir auf unserem Weg zu den schwarzen Löchern noch begegnen. Das verspreche ich euch.
Zu guter letzt gibt es jetzt noch etwas auf die Ohren.
Wer bei mir im Vortrag war, durfte sich mit mir die verklanglichten Umlaufbahnen aller Planeten des Sonnensystems anhören. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo wir diesen Sound erwähnen wollen.
Wer sich diese Planetenbahnen anhören möchte, dem darf ich wärmstens meinen Artikel Klingende Planetenbahnen ans Herz legen. Dort wird der Sound genau erklärt, und ihr könnt ihn euch anhören.
Die Reise zu den Schwarzen Löchern, Station 2 – wir „wiegen“ die Erde
Liebe Leser*innen,
und hiermit melde ich mich zu unserer zweiten Station auf der Reise zu den schwarzen Löchern.
Wir haben auf der ersten Etappe gelernt,
- dass alle Körper eine Masse und auch ein Volumen besitzen.
- Wir wissen aus dem Alltag, dass schwere Dinge nicht unbedingt groß sein müssen und leichte nicht klein.
- Archimedes hat uns gezeigt, dass man zumindest feste Körper, die sich in Wasser nicht auflösen, ganz gut auf ihr Masse/Volumen-Verhältnis, Dichte, untersuchen kann.
Wer den vorigen Artikel noch nicht gelesen hat, sollte dies vielleicht für das Verständnis des folgenden noch nachholen.
Zur Wiederholung von Station 1 dieser Reise geht es hier lang.
Heute gehen wir hier einen Schritt weiter. Zunächst geht es um die Beobachtung, dass alle Gegenstände in unserem Alltag auf die Erde fallen. Die Erde zieht also alles in unserer Umgebung an.
Unsere Reise führt uns zunächst ins Italien des ausgehenden Mittelalters zu Galileo Galilei, der uns durch seine Fernrohre und den Satz
Und sie dreht sich doch.
bekannt sein dürfte. Er lebte ungefähr zeitgleich zu Johannes Kepler, der nachher noch eine Rolle spielen wird.
Beschleunigung
Galileo Galilei vermaß im 16 Jahrhundert erstmals die Wirkung, welche die Erde durch ihre Schwerkraft auf fallende Körper ausübt. Wie schnell ein fallender Körper auf der Erde ankommt oder einschlägt hängt im wesentlichen davon ab, aus welcher Höhe er fallen gelassen wird. Seine Masse spielt dabei keine Rolle. Wieso Körper auf der Erde unterschiedlich rasch fallen liegt an ihrem Volumen und ihrer Beschaffenheit. Eine Vogelfeder wird durch die Luft in ihrem Fall gebremst. Ein Mensch kann aus 4000 m Höhe mit einem Fallschirm gemütlich zur Erde gleiten. Hätte er ihn nicht, oder gäbe es die ihn bremsende Luft nicht, dann ginge die Sache für ihn böse aus. David Scott, Astronaut der Mondmission Apollo 15, bewies Galileis 400 Jahre altes Gesetz, dass im Vakuum alle Körper gleich schnell fallen würden. Er ließ aus Hüfthöhe gleichzeitig eine Vogelfeder und einen Hammer auf die Oberfläche des Mondes fallen. Beide kamen gleichzeitig an. Auf der Erde wäre die Feder durch die Luft gebremst worden und hätte sich gegenüber dem Hammer verzögert.
Die Kraft, die ein auf die Erde fallender Körper von ihr erfährt bewirkt, das seine Fallgeschwindigkeit pro Sekunde um 980 cm/s zu nimmt.
Der Rums eines fallenden Körpers hängt also zum einen von seiner Masse ab und zum anderen davon, wie lange der Körper Zeit zum fallen hat, will sagen, aus welcher Höhe man ihn los gelassen hat.
Man nennt diese Einheit Beschleunigung. Sie beträgt also für die Erde 980 cm geteilt durch Sekunde zum Quadrat $(980 cm/S^2)$.
Sie ist die Maßeinheit für die Geschwindigkeitszunahme pro Zeit, die in unserem Falle die Erdmasse mit ihrer Anziehungskraft auf einen auf sie zurasenden Körper bewirkt.
Es geht die Legende, dass Galilei Fallversuche vom schiefen Turm zu Pisa gemacht haben soll. Aber was genaues weiß man nicht.
Mein Schulerlebnis
Was stimmt, ist ein Erlebnis, das ich in der Schule hatte. Wir stiegen mit unseren Physiklehrer auf einen Turm. Wir wollten mit einer Stoppuhr messen, wie lange unterschiedliche Gegenstände so fallen. Als unser Lehrer es mit einem Stein versuchen wollte, nahm das Verhängnis seinen Lauf. In einer Hand die Uhr und in der anderen den Stein bereitete er sich auf den Versuch vor. Gebannt standen wir bei ihm und waren gespannt.
„Auf die Plätze, fertig los“ durfte einer von uns rufen. Dann geschah kurz nichts. Bis wir ein etwas klirrendes Geräusch von unten her vernahmen. Seltsam, dachte ich. So klingt ein Stein eigentlich nicht. Was hier geschehen war. Unser Lehrer drückte beherzt den Knopf der Stoppuhr und warf gleichzeitig den Stein, dachte er. In Wahrheit drückte er beherzt auf den Stein und warf die Uhr hinab.
Für diese Stunde waren die Experimente damit passee, denn wir hatten unseren Zeitmesser verloren…
Aber zurück zur Beschleunigung.
Überlagerungen
Wie gesagt wird die Beschleunigung durch die Kraft einer Masse, die Gravitation auf fallende Körper ausgeübt. Wir kennen dank Galilei ihren Wert hier auf der Erde.
Auf dem Mond ist die Beschleunigung geringer, weil er weniger Masse besitzt. Somit kann er auf fallende Körper nur weniger Kraft ausüben.
Aber nochmal. Ein Rums auf dem Mond muss deshalb nicht weniger heftig sein, wenn man der auf ihn zu rasenden Masse, z. B. einem Asteroid genügend Zeit gibt. Und die hat er im Weltall allemal.
Galilei fand bei seinen Fallversuchen auch heraus, dass sich Bewegungen überlagern können. Das kann man z. B. an einem Wasserstrahl sehen, der aus einem gerade aus gehaltenen Schlauch spritzt. Er beschreibt einen Bogen, genauer einen Teil einer Parabel, bis die Tropfen auf die Erde fallen. Das Wasser wird also sobald es den Schlauch verlassen hat, von der Erde mit der Erdbeschleunigung beschleunigt, so dass die Tropfen zu fallen beginnen. Gleichzeitig schießt der Strahl aber durch den Wasserdruck geradeaus aus dem Schlauch heraus. Diese beiden Bewegungen überlagern sich zeitlich, weshalb der Strahl gebogen wird, ehe er zu Boden fällt.
Hält man den Schlauch schräg nach oben, dann steigt der Strahl zunächst bogenförmig in die Höhe und fällt dann bogenförmig zu Boden. Das liegt daran, dass die Kraft des Wasserdrucks aufhört, sobald der Wasserstrahl den Schlauch verlässt, die Kraft der Erdbeschleunigung aber nicht. Sie wirkt und wirkt. Somit bremst sie die fliegenden Wassertropfen ab, überwiegt schließlich und lässt das Wasser auf die Erde fallen.
Die Kraft, die eine Beschleunigung auf eine Fallende Masse ausübt, wird also mit der Fallzeit stärker. Sie berechnet sich also als Masse mal Beschleunigung.
Was Kepler nicht wusste
Johannes Kepler wusste um diese Überlagerungen von Bewegungen. Planeten umkreisen ihre Sterne, weil sie einerseits von ihnen angezogen und andererseits eine Eigenbewegung haben. Ohne Stern würden sie geradeaus ins nirgendwo verschwinden. Die Kravitation zwingt sie dazu, dass sich diese Kräfte überlagern. Sie fallen also elliptisch um ihre Sterne herum. Was aber für diese Anziehung verantwortlich ist und weshalb die Planetenbahnen sind, wie sie eben sind, wusste er nicht genauer. In seinen drei Keplerschen Gesetzen tauchen keine Massen, keine Kräfte und schon gar keine Gravitationskonstante, von welcher wir später noch hören werden, auf. Sie verallgemeinern lediglich die Beobachtungen, die Kepler bei den Studien der Planetenbewegungen machte.
Schwere und träge Masse
Aus Galileis Fall-Versuchen folgt auch, dass eine Masse sich widersetzt, wenn man sie in eine Richtung beschleunigen möchte. Sie will ihre Bewegungsrichtung beibehalten, oder hier auf Erden gedacht, in Ruhe gelassen werden. Das Wasser aus dem Schlauch möchte einfach in die Richtung weiter fliegen, in welche der Schlauch zeigt, aber die Kraft der Erdanziehung und natürlich auch die Luft bremsen ihn ab, zwingen den Strahl zur Änderung der Richtung und zieht ihn letztlich doch zu boden.
Und noch etwas kann man aus all dem folgern.
Ein schwerer Körper kann aus niedriger Fallhöhe eben so viel Schaden anrichten, wie ein leichterer und kleinerer Körper, der aus größerer Höhe fällt, und somit mehr Zeit hat, sich mit „Kraft“ aufzutanken.
Betrachtet man nur den Schaden, dann kann man nur noch schwer feststellen, ob die Masse einfach schwer war oder aus einer größeren Höhe fallen gelassen wurde. Sicher kann man das z. B. in dem man einen Krater oder so betrachtet dann doch noch beurteilen, aber erst mal nicht.
Eigentlich müsste man an dieser Stelle noch den Begriff der Energie und der Arbeit einführen, aber das sparen wir uns für heute.
Auf jeden Fall führt uns dieser scheinbare Unterschied zwischen schwerer und bewegter Masse nach England zu einem Mathematiker, der sich mit dieser Frage beschäftigte.
Newtons Apfel
Am Anfang steht auch hier eine Geschichte, die vielleicht sogar wahr ist.
Im Sommer 1665 legt sich Isaac Newton im Garten seines Elternhauses in Woolthorpe nahe Cambridge unter einen Apfelbaum. Vermutlich ist ein schöner Sommertag, vermutlich weht ein leichtes Lüftchen. Auf irgendeine Art und Weise jedenfalls löst sich ein Apfel der Sorte „Flower of Kent“ vom Ast und fällt zu Boden. So wird es der inzwischen berühmte Physiker über 60 Jahre später, am 15. April 1726, seinem Freund und Biografen William Stukeley erzählen.
Ob der Apfel Newton am Kopf trifft oder in einiger Entfernung aufprallt, ist in unterschiedlichen Versionen überliefert. So oder so löst das Ereignis in der Physik ein Erdbeben aus.
Warum müssen Äpfel immer senkrecht zu Boden fallen, warum nicht seitwärts oder aufwärts, warum immer Richtung Erdmittelpunkt?“,
wird Newton später schreiben. „Sicher ist der Grund dafür, dass die Erde den Apfel anzieht.“ Newton hat das allgemeine Gravitationsgesetz gefunden.
Isaac Newton fand heraus, dass die Schwerkraft eines Körpers von seiner Masse abhängt. Somit ist Masse nicht nur die Kraft, die einem ein Körper entgegensetzt (träge Masse) sondern sie ist auch eine Eigenschaft der Materie selbst (schwere Masse). Sie sind also nichts verschiedenes, sondern dasselbe.
Das bedeutet, dass man für die Berechnung der Wechselbeziehungen der Schwerkraft zwischen Körpern gar nicht so sehr auf ihr Volumen achten muss, sondern man kann die Massen als Punktmassen betrachten.
Somit übt die Gravitation der Erde eine Kraft auf fallende Körper aus, die dafür sorgt, dass fallende Körper immer schneller fallen.
Wichtig wird das Volumen natürlich dann,
- wenn man sich auf den Körpern, z. B. auf der Erde befindet,
- wenn man dort Dichten und Wichten verschiedener Körper miteinander vergleichen möchte,
- wenn man wissen will, wie lange ein Gegenstand für seinen Fall zu Boden aus einer bestimmten Höhe benötigt
- oder wenn man sich mit einer Rakete z. B. von der Erde entfernen möchte.
Die Kraft F berechnet sich aus Masse mal Beschleunigung. Sie wird in Newton angegeben
1 Newton (N) berechnet sich aus Masse mal Erdbeschleunigung, Näherungs weise 1 kg * Meter/s^2.
Newton entdeckte auch noch die Eigenschaft der Gravitation, dass sie quadratisch zum Abstand zweier Massen abnimmt.
Newtons Problem
Newton hatte aber nun noch ein Problem. Wenn zwei Massen gravitativ miteinander wechselwirken, dann muss es für die Berechnung auch eine Gravitationskonstante geben. Eine Konstante, die ausdrückt, mit welcher Kraft zwei gleiche Massen gravitativ miteinander wechselwirken. Kennt man diese Konstante nicht, dann kann man nicht im voraus berechnen, wie zwei unterschiedliche Massen gravitativ aufeinander wirken. Im Falle sich zweier umkreisender Körper, z. B. Erde und Mond könnte man noch die Massenverhältnisse beider Körper angeben, wenn man deren Abstand kennt, aber mehr auch nicht.
Die genaue Bestimmung dieser Gravitationskonstante G ist bis heute ein Problem, weil die Kraft, die zwischen zweier gleichen Massen mit gegebenem Abstand, z. 1 m wirkt äußerst gering und somit nur sehr schwer zu bestimmen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass hier auf Erden zu viele andere Störeinflüsse, die Erdmasse selbst, Wind, Vibrationen und sogar die Anwesenheit des Versuchsleiters, der mit seiner eigenen Masse beim Versuch anwesend ist, existieren. Somit konnte Newton lediglich Massen proportional zueinander ins Verhältnis setzen. und in Versuchen überprüfen, ob seine Schätzung auf einen gegebenen Versuchsaufbau, bei welchem alle anderen Parameter, wie Versuchsmassen und Abstände passen.
Bestimmt wurde die Gravitationskonstante 200 Jahre nach Newton von Mark Cavendish. Er dachte sich einen besonderen Versuchsaufbau aus. Er nahm zwei Körper, deren Gewicht genau bekannt war und verband diese ähnlich, wie eine Hantel mit einer Stange. Dieses Gebilde hängte er an einem Draht im Gleichgewicht aus, dessen Torsionskraft (Rückstellkraft) bekannt war. Diese Kraft setzt ein Draht entgegen, wenn man ihn in sich verdreht. Nun beeinflusste er sein Gebilde mit zwei weiteren seitlich an seinen Versuchsaufbau geführte massen, die durch ihre Gravitation Cavendishs Torosionswaage leicht verdrehten. Diese Drehung beobachtete Cavendish mittels eines Spiegels, der am Draht befestigt war und einen Lichtstrahl ablenkte. Beobachtet hat Cavendish seinen Versuch aus der Ferne mit einem Fernrohr, um zu vermeiden, dass er selbst mit seiner Körpermasse den Versuch beeinflusst.
Somit bestimmte er zum ersten male näherungsweise die Gravitationskonstante. Bis heute ist sie zwar genauer angenähert worden, bereitet aber ab der vierten Stelle nach dem Dezimalpunkt noch Probleme, was äußerst unbefriedigend ist.
Wie auch immer. Wir lösen jetzt unser Versprechen ein und werden unsere Erde „wiegen“, wobei „wiegen“ im Grunde nicht richtig ist, denn man kann die Erde nicht einfach auf eine Waage legen. Man muss eher sagen, dass wir das Gewicht der Erde bestimmen wollen.
Wer mag kann ja dann die Länge des Hebels berechnen, mit dem Archimedes aus dem vorigen Artikel die Welt aus den Angeln heben wollte.
Was wissen wir
Tragen wir also mal zusammen, was wir über unsere Aufgabe wissen.
- Wenn Newton generell von Punktmassen ausgeht, dann dürfen wir die Erde als perfekte Kugel ansehen und die zweite Masse mit der sie gravitativ wechselwirken soll ebenso.
- Die Gravitationskraft nimmt quadratisch zum Abstand Erde-Vergleichsmasse ab.
- Die Masse der Erde kennen wir nicht. Die soll ja berechnet werden.
- Ihren Radius kennen wir.Schon die alten Griechen berechneten an Schattenwürfen den Erdradius. Er beträgt ungefähr 6300 km. Siehe Die Bestimmung des Erdradius nach Eratosthenes.
- Wir kennen das Gewicht einer Vergleichsmasse, mit deren Hilfe das Gewicht der Erde berechnet werden soll, denn die Erde muss ja mit etwas wechselwirken, damit sie uns ihr Gewicht verrät.
- Wir kennen den Abstand zwischen der Erde und unserer Vergleichsmasse.
Da Newton von Punktmassen ausgeht, errechnet sich dieser aus Erdradius plus Abstand zur Vergleichsmasse plus deren Radius. - Dank Galileo kennen wir die Erdbeschleunigung von 980 cm/s^2
- Dank Cavendishs Versuchsaufbau kennen wir nun auch diese schwer zu bestimmende Gravitationskonstante G.
Sie beträgt im ganzen Universum
G = f(G) * R^2 /m1 *m2
G = (6,67259 Plus-minus 0,00085) mal 10 hoch(-11)
$G = (6,67259 \pm 0,00085) \times 10^{-11}$ - Und dank Newton kennen wir die Kräftegleichung.
Die Gleichung, wie man sie umstellt und deren Herleitung, wie man man damit das Gewicht der Erde bestimmt, knalle ich euch jetzt einfach mal hier hin.
Keine Angst. Es ist mathematisch wirklich kein Hexenwerk. Die Formeln sind tatsächlich überschaubar. Man muss halt drauf kommen…
Die Formeln in dem Artikel, auf den ich euch gleich schicke, sind in LaTeX gesetzt und werden auch grafisch dargestellt. Auf Braille-Zeilen werden sie in englischer Mathematikschrift angezeigt, weil der Export von Mathjax nach Marburger Mathematikschrift derzeit noch nicht möglich ist.
Deshalb wähle ich hier zusätzlich auch noch eine für uns lesbarere Schreibweise.
Möglicherweise setze ich, wenn ich Zeit habe, die ganze Herleitung noch für Braille-Zeilen um.
Die Kräftegleichung lautet: G = f(G) * R^2 /m1 *m2
Zur Herleitung der Erdmasse geht es hier lang.
Abspann
Jetzt wäre es natürlich interessant zu wissen, was z. B. die Sonne, andere Planeten, andere Sterne und schließlich auch schwarze Löcher wiegen.
Mit diesen Themen befassen wir uns in Station 3 dieser Serie.
Jetzt hoffe ich, dass es nicht zu viel Mathematik war, aber ganz ohne ging es halt hier nicht.
Die Reise zu den Schwarzen Löchern, Station 1, Der Mann in der Wanne
Liebe Leser*innen,
Vor einigen Wochen erhielt ich plötzlich eine Mail von meinem alten Schulfreund Oli aus Marburg. Von 1989 – 1992 besuchten wir gemeinsam die Oberstufe der Blindenstudienanstalt in Marburg zwar auf unterschiedlichen Schulzweigen, aber so kam es, dass wir doch manche Kurse gemeinsam belegten. Ganz besonders sind mir die gemeinsamen Physik-Kurse in der 12 und in der 13 in Erinnerung. Ein Kurs drehte sich sogar um Grundlagen der Astronomie, insbesondere der Himmelsmechanik. Oli verschlug es dann in die Psychologie und mich in die Informatik. Ich trieb von uns beiden die Astronomie aber einfach bis heute weiter. Oli gedachte meiner und fragte mich an, ob ich mir vorstellen könne, für die Fachgruppe Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften (MINT) des Selbsthilfevereins Deutschen Verein für Blinde und Sehbehinderte in Studium und Beruf (DVBS) einen Astronomie-Vortrag halten würde. Sie wollten gerne mal etwas über das übliche MINT hinaus anbieten. Er schlug das Thema Schwarze Löcher vor. Da ich noch nie einen Vortrag darüber hielt, nahm ich diese Herausforderung gerne an. Für mich war es eine Gelegenheit, mich mal systematisch an dieses Thema heran zu wagen und mich daran zu versuchen, dieses populärwissenschaftlich zu vermitteln. Dazu kam natürlich der Umstand, dass momentan ja noch alles online stattfinden muss. Auch mit Folien konnte ich an dieser Stelle nicht arbeiten, weil viele der teilnehmenden Menschen sie sowieso nicht hätten sehen können. Natürlich habe ich im Laufe meiner 30jährigen Astronomie-Tätigkeit schon einiges über diese schwarzen „Monster“ gelesen, aber ich merkte sehr bald schon, dass es gar nicht so einfach ist, sich dieser Dinger Schritt für Schritt zu nähern.
Mich trieben die Fragen um:
- Welche Grundlagen sind für das Verständnis nötig?
- Was kann man voraus setzen?
- Was muss man erklären?
- Wie gehe ich den Spagat, so viel Mathematik wie nötig, aber so wenig wie möglich einzusetzen? Den musste ich dringend finden, denn bis auf wenige Tatsachen spreche ich die Sprache der Mathematik selbst zu schlecht, um Einstein in seinen Einzelheiten je verstehen zu können.
Ein grundsätzliches Prinzip meiner Vorträge ist, dass ich nur wenig ansprechen möchte, das ich nur ablesen müsste, weil ich es selbst nicht besser weiß. Somit vermittle ich nur das, was ich selbst verstanden habe und zeige immer an, wo mein Verständnis aufhört. Alles andere wäre unehrlich und unfair. Also stürzte ich mich in mein Archiv, in meine Bücher, auf meine Artikel und suchte zusammen, was passen könnte.
Warum es eine Serie wird
Das Interesse der Teilnehmenden war nach dem Vortrag so groß, dass ich mich dazu breit schlagen ließ, ihnen etwas aus meiner Stichwortliste, mit der ich den Vortrag hielt, anzubieten, damit sie es nochmal nachlesen könnten. Ich ahnte nicht, worauf ich mich da einließ.
Bald schon merkte ich, dass das, was wir in diesen fast drei Stunden streiften, auf keinen Fall in einen einzigen Artikel auf dem Blog passen würde.
Aus diesem Grund entschied ich mich für eine Serie von Artikeln, die die Reise zu den schwarzen Löchern beschreiben wird.
Dies ist nun Station 1.
Fangen wir bei den alten Griechen an.
Die Legende
Alles beginnt mit einem Ausruf.
„Heurek!!!a“ ist altgriechisch und heißt „Ich habe [es] gefunden“. Der Spruch ist vor allem im Zusammenhang mit Archimedes von Syrakus überliefert und bekannt. Er lebte um 200 v. Chr. und war Hofmathematiker am Hofe des Königs Hieron II
Archimedes hatte die Aufgabe, den Goldgehalt einer vom seines Herrscher den Göttern geweihten Krone zu prüfen, ohne sie jedoch zu beschädigen. Der König verdächtigte den Goldschmied, ihn betrogen zu haben.
Archimedes soll der Legende nach die Lösung, das Archimedische Prinzip genannt, beim Baden entdeckt haben. Aus seiner randvollen Wanne sei jene Wassermenge ausgelaufen, die er beim Hineinsteigen ins Bad mit seinem Körpervolumen verdrängte. Glücklich über seine Entdeckung soll er mit oben erwähnten Ausruf „Heureka!“ nackt auf die Straße gelaufen sein.
Ob die Legende stimmt, weiß man nicht genau. Es gibt durchaus Kritiker, die bezweifeln, ob man damals mit den Möglichkeiten der Volumens- und Gewichtsmessung schon auf dieses Archimedische Prinzip hätte kommen können.
Er entdeckte, dass er mit seinem Körper Wasser verdrängte, weshalb die Wanne überlief. Aus der Tatsache heraus, dass er dennoch nicht unterging, sondern schwamm, schloss er vermutlich, dass die verdrängte Wassermenge genau seinem Körpergewicht entsprechen sollte.
Und da kam ihm die Idee zur Lösung seiner Aufgabe, die er offenbar im Trockenen mit einer normalen Balkenwaage nicht lösen konnte. Die war damals sicherlich schon bekannt, denn man musste für den Handel schon immer Massen verschiedener Güter und deren Mengen miteinander vergleichen und deren Wert gegeneinander aufrechnen. Selbstverständlich war auch bekannt, dass alle Dinge etwas wiegen, also ein Gewicht, eine Masse besitzen. Und das tat Archimedes, um die Krone zu wiegen.
Der Versuch
Der König wusste, zu welchen Anteilen die Krone aus Silber und zu welchen sie aus Gold bestehen musste, denn er hatte sie ja nach seinen Vorgaben bei einem Goldschmied, dem er misstraute in Auftrag gegeben.
Archimedes nahm nun die Krone und jeweils einen Gold- und einen Silberbarren, die beide zusammen dem Gewicht der Krone und dem Mischungsverhältnis des in der Krone enthaltenen Gold und Silbers entsprachen.
Um nun die gestellte Aufgabe zu lösen, tauchte Archimedes zunächst die Krone und dann nacheinander den Gold- und den Silberbarren, die zusammen dem Gewicht der Krone entsprachen in ein randvolles Gefäß mit Wasser.
Nun maß er die Menge des überlaufenden Wassers. Die Krone verdrängte mehr Wasser als die beiden Barren. Dadurch war bewiesen, dass die Krone ein kleineres spezifisches Gewicht hatte und daher nicht ganz aus der Metallmischung gefertigt war, als der König es in Auftrag gegeben hatte.
Vielleicht setzte er auch zum Gegenversuch eine Balkenwaage ins Wasser, auf deren einen Seite die Krone und auf deren anderer Seite die zwei Barren lagen. Krone und Barren wogen also an Land gleich viel. Den Ausschlag für den Fehler gab also das unsichtbare unterschiedliche Volumen.
Ob die Legende jetzt stimmt, oder nicht. Für uns ist sie von höchster Bedeutung.
Masse und Volumen
Sie zeigt uns den Zusammenhang zwischen der Masse eines Körpers und dessen Volumen, der Dichte.
Dass Dinge unterschiedlich viel wiegen, kennen wir aus unserem Alltag. Vergleicht man zwei Körper des selben Materials, so ist klar, dass der schwerere von beiden auch der größere sein muss. Bei der Krone war das eben nicht so klar. Der Rauminhalt einer Krone ist unmöglich mit dem zweier Metallbarren zu vergleichen. Wasser, das sich flüssig um die Körper schmiegt, macht den Vergleich dann doch möglich.
Wegen dieses Vergleichs-Problems, hat man ein Maß (Masse pro Volumen), die Dichte eingeführt, um spezivische Gewichte miteinander vergleichen zu können.
Da Archimedes wusste, aus wieviel Gold und wieviel Silber die Krone bestehen sollte, und seine Waage auf dem Trockenen scheinbar Krone und Barren im Gleichgewicht anzeigte, versuchte er es mit wasser.
Er fand, wir erinnern uns, in seiner Badewanne heraus, dass ein Gegenstand in Wasser geworfen nur so viel Wasser verdrängen kann, das seinem eigenen Gewicht entspricht. Dabei hängt die Verdrängung vom Volumen des Körpers ab. Ein Schiff schwimmt, weil sein Volumen sehr groß ist. Würde man einen Stahlklumpen in Wasser geben, der dem Gewicht des Schiffes entspricht, so ginge er unter, weil sein kompaktes Volumen nicht in der Lage wäre, die Menge Wassers zu verdrängen, die seinem Gewicht entspräche.
Ob etwas schwimmt, schwebt oder sinkt, hängt somit nicht nur von der Masse ab, sondern auch vom Volumen.
Wasser gab man nun die Dichte 1. Ein Liter wasser wiegt ein Kilogramm und nimmt das Volumen von 10 * 10 * 10 =1000 $cm^3$ bei Raumtemperatur ein.
Ein Kubikmeter Luft wiegt dagegen 1,225 kg pro m³, bei Normaldruck und Raumtemperatur.
Der Gasriese Saturn mit seinen schönen Ringen würde mit seiner Dichte von 687 kg/m³ in archimedesens Badewanne schwimmen. Bei Gasen nimmt man oft die Maßeinheiten kg und M*3, weil man sich dadurch viele Nullen hinter dem Dezimalpunkt spart.
Die Volumina aller Körper, ob fest, flüssig oder gasförmig sind abhängig von ihrer Umgebungstemperatur.
Insbesondere Gase dehnen sich pro 1 Kelvin um etwa 1/273 ihres Volumen aus, bzw. ziehen sich zusammen bei Abkühlung.
So weit, so gut. Archimedes konnte jetzt Massen mit Wasser vergleichen. und das irdische Gewicht von Körpern auf der Erde bestimmen. Aber Masse an sich und vor allem über die Schwerkraft wusste er wenig.
Gravitation – Die Kraft zur Masse
Masse, Volumen und Gravitation sind, wie wir auf unserer Reise zu den Schwarzen Löchern noch sehen werden, eng miteinander verwoben. Deshalb lade ich euch zum Schluss dieses Artikels dazu ein, die zur Masse gehörende würdige Kraft, die heimliche Herrscherin des Universums, näher kennen zu lernen.
Ich empfehle, dass ihr euch mit dieser Dame mit unten stehendem Link etwas vertraut macht,
da wir die Inhalte des Artikels für unsere nächsten Stationen voraussetzen, um nicht alles wiederholen zu müssen.
Zur heimlichen Herrscherin geht es hier lang.
Abspann
Archimedes war auch noch in anderen Disziplinen ein großes Genie. Von Physik, Mathematik, Geometrie und Berechnungen von Volumina bis zum Bau von Flaschenzügen und Kriegsmaschinen befasste er sich quasi mit allem.
„Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde“ – So soll er sein Hebelgesetz veranschaulicht haben, belegt in Pappos „Synagoge“, einer Sammlung mathematischer Abhandlungen.
„Störe meine Kreise nicht“ ist eine Redewendung, die wir bis heute in mehrdeutiger Hinsicht benutzen und die der Legende nach auf Archimedes zurück geht.
Dieser Legende nach war er eines Tages damit beschäftigt, geometrische Figuren in den Sand zu zeichnen, als die Römer anrückten, um ihn festzunehmen. Archimedes war jedoch so sehr in seine Aufgabe versunken, dass er barsch mit dem Satz reagierte: Störe meine Kreise nicht. Dies machte einen der Soldaten so zornig, dass er den alten Mann erschlug.
So, meine lieben, das war die erste Station auf unserer langen Reise zu den schwarzen Löchern. Station 2 wird uns ins vereinigte Königreich und ins Italien des ausgehenden Mittelalters führen.
Dort werden wir u. A. erfahren, wie man Planeten und Sterne wiegt.
David gegen Goliat – Ein Uhrmacher revolutioniert die Seefahrt
Liebe Leser:innen,
heute gibt es mal wieder eine etwas längere Abenteuergeschichte. Im letzten Artikel ging es um die verschiedenen Dämmerungen im Tageslauf. Dort war viel die Rede von Horizont, Gradzahlen und Breitengraden. Auch die Navigation auf hoher See wurde kurz gestreift. Mit dieser werden wir uns heute etwas näher beschäftigen, denn um sicher bestimmen zu können, wo man sich genau auf dem Meer gerade befindet, reichen Sonnenstand und Breitengrad nicht aus. Sternenhimmel, Mond, gute See- und Himmelskarten und als Messinstrumente ein Sextant und nicht zuletzt der alt bewährte Magnetkompass, verbessern zwar die Navigation, aber es bleibt eine große Unsicherheit, zumal all das bei bewölktem Himmel natürlich nicht funktioniert. Es musste also etwas zuverlässigeres zur Bestimmung des Längengrades gefunden werden, wenn man verhindern wollte, dass Schiffe dauernd verloren gehen, sich verfranzen oder gar absaufen. Die Lösung dieses Längengrad-Problems brachte schließlich eine Erfindung. Diese ist Gegenstand dieser Abenteuergeschichte.
Einleitung
Jeder braucht Koordinaten, sie sagen uns, wo wir sind – im Leben, im Auto, aber besonders mitten auf See. Der Zeitunterschied zwischen Heimathafen und aktueller Position legt den Längengrad fest. Nur, wo die Zeit ablesen? Seegängige Uhren gab es nicht, also machte sich der englische Uhrmacher John Harrison an den Bau. Die Astronomen dagegen wollten die Zeit am Himmel ablesen, mit dem Mond als Zeiger und den Sternen als Zifferblatt. Ein ungleicher Kampf: der Handwerker gegen die Wissenschaft, David gegen Goliath.
Exkurs über Uhren
Bevor wir zur Schiffsuhr, dem Hauptgegenstand unserer Geschichte kommen, müssen wir uns kurz darüber klar werden, wie Uhren in der damaligen Zeit überhaupt funktionierten. Digital- oder gar Atomuhren werden wir heute nicht behandeln, weil es sie damals noch nicht gab.
Frage:
Eine „Schiffsuhr“, was soll das sein. Kann man nicht einfach jede Uhr mit auf See nehmen? Die Antwort ist hier ein klares Nein. Die meisten Uhren , die es zu jener Zeit gab, waren Pendeluhren, die meistens sogar noch von fallenden Gewichten angetrieben wurden. Solch eine Konstruktion kann auf hoher See nicht funktionieren. Das Schiff schaukelt und rollt. Somit erfährt das Pendel der Uhr dauernd unerwünschte Kräfte, die z. B. auch gegen die Pendelbewegung arbeiten. Es wird also unregelmäßig pendeln oder sich eventuell chaotisch bewegen. Auf jeden Fall wird es alles tun, um aus dem Takt zu geraten und die Uhr zu einem unregelmäßigen Gang zu zwingen.
Die an Ketten oder schnüren nach unten hängenden Gewichte geben ihre Gewichtskraft auf die Rolle, wo die Schnüre oder Ketten aufgewickelt sind. Diese überträgt die Kraft auf das Uhrwerk indem sie sich langsam dreht. Somit rollt sich das Medium ab, an welchem die Gewichte hängen. Sind diese am Boden angekommen, dann bleibt die Uhr stehen, weil kein Zug mehr auf der Rolle ist. Man muss die Gewichte wieder hoch ziehen, damit das Spiel von neuem beginnen kann.
Sicher. Man könnte so eine Pendeluhr frei in alle Richtungen beweglich aufhängen, wie man das mit mechanischen Kompassen in Schiffen, Segelflugzeugen oder sogar am Ammaturenbrett im Auto, tut. Diese schwimmen meist auf einem Öl. Dadurch können sie in einem gewissen Grad die Schaukelbewegungen ausgleichen. Das mag für eine kleine Kompassnadel noch einigermaßen funktionieren, aber mit einer schweren Pendeluhr sicher nicht.
Sie würde den Bewegungen nur träge folgen können, wenn überhaupt.
Da fällt mir gerade ein Spielzeug ein, mit welchem man das Chaos beim Pendeln beobachten kann. Viele Menschen entspannen sich oder erproben ihre Geschicklichkeit mittels Fidget Spinnern. Eine Spielart dieser Dinger besteht einfach aus zwei untereinander gehängte in alle richtungen beweglichen Pendel. Hält man das Teil oben fest und bewegt es, dann merkt man sehr rasch, dass das untere Pendel quasi tut, was es möchte. Es bedarf viel Übung, dieses Pendel seinem Willen zu unterwerfen und das geht auch nur in gewissen Grenzen bei relativ kleinen ausschlägen. Alles was mehr ist, stürzt das System ins mathematische Chaos. Aber nun weiter mit den Uhren.
Temperaturschwankungen sorgen dafür, dass sich das Pendel bei Hitze ausdehnt und bei Kälte etwas kürzer wird, wodurch sich der Pendel-Takt leicht ändert. Schmiermittel, wie Öl oder Fette verhalten sich temperaturabhängig unterschiedlich, wodurch sich die Reibungskräfte zwischen den mechanischen Teilen ändert. Der Lauf so einer Pendeluhr wird auch durch die sich oft ändernde Luftfeuchtigkeit beeinflusst.
Mechanische Taschenuhren, die es damals auch schon im Ansatz gab, haben zum Antrieb anstelle der Gewichte eine gespannte spiralförmige Feder, die durch ihre Kraft das Uhrwerk treibt, weshalb diese von Zeit zu Zeit wieder neu aufgezogen werden muss. Dadurch spannt man die Feder erneut. Anstelle des Pendels, dessen Bewegung durch die Schwerkraft funktioniert, besitzen diese Uhren eine kreisförmige Unruhe, die durch eine Rückstellfeder gezwungen wird, sich gleichmäßig hin und her zu drehen.
Wer schon mal einen alten Wecker, eine Taschenuhr oder etwas filigraner, eine kaputte Armbanduhr geöffnet hat, kann sich vielleicht noch an diese Teile erinnern, denn diese fallen neben vielen Zahnrädern am meisten auf.
Hach, waren das noch schöne Zeiten. Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie langweilig das Ausbeinen einer digitalen Uhr für ein neugieriges Kind, wie ich es war, ist. Da ist quasi nichts spannendes drin. Allen Uhren, ob Pendel oder Unruhe, ob Federwerk oder fallende Gewichte als Antrieb, ist gemeinsam, dass das Uhrwerk dem beweglichen Taktgeber immer wieder einen kleinen Schups versetzen muss, damit die Bewegung nicht aufhört. Leider waren die damals verfügbaren Taschenuhren von ihrer Mechanik her noch nicht geeignet, als Schiffsuhr zu fungieren. Sie waren zu fehleranfällig und die Prezession ihrer Uhrwerke war nicht ausreichend, um über Monate hinweg genau genug zu laufen, um die Heimatzeit anzuzeigen. Also musste eine Erfindung, eine Schiffstaugliche Uhr her.
Die Seereise
Versetzen wir uns nun zurück in das Jahr 1761. Wir haben Dezember.
Wir befinden uns unter der Leitung Kapitän Dix auf seinem Schiff Deadford.
Sorry, da ich das aus einer Audioquelle habe, weiß ich nicht, wie man den Kapitän und sein Schiff richtig schreibt. Ich finde es im Netz gerade nicht. Das soll uns nicht weiter stören.
Auf jeden Fall befinden wir uns auf der Seereise, auf welcher William Harrison, sohn , des Erfinders der Schiffsuhr,
John Harrisons, diese testen soll. Der Kapitän muss unbedingt die Insel Madeira erreichen. Er benötigt dringend frisches Trinkwasser. Die Bier- und Wasservorräte des Schiffs sind faulig und verdorben. Schon rumort es unter den Seeleuten und eine eventuelle Meuterei ist offenbar nicht mehr fern. Er unterhält sich gerade mit seinem Steuermann und fragt ihn:
„Wie weit entfernt schätzen Sie Madaira?“
Dieser antwortet ihm:
„Zwei Tagesreisen Süd Südwest“
Und da mischt sich Harrison ein:
„Ich glaube, dass wir näher dran sind, und der richtige Kurs ist Süd.“,
Das war riskant, sich in der Weise gegen den Kapitän aufzulehnen. Er hätte Harrison theoretisch dafür aufknüpfen lassen können, aber dieser Passagier genoss offenbar wegen seiner Uhr Sonderrechte. Schließlich sollte sie ja getestet werden. Harrison erklärt weiter:
„Entsprechend der Uhr sollten wir morgen zum Tagesanbruch Porto Santo sehen, wenn wir unseren jetzigen Kurs beibehalten. Ich habe die Uhrzeiten sorgfältig geprüft.
Genau genommen hat Harrison seine Standortskoordinaten, z. B. den Sonnenhöchststand mit der Uhrzeit seines Heimathafens abgeglichen. Auf diese Zeit wurde seine Uhr zu Beginn der Reise eingestellt. Wenn sie hält, was sie verspricht, dann sollte Harrisons Längengrad und Kursvorschlag richtig sein.
Harrison liest also ab, wie weit sie nach Westen gesegelt sind. Er stellt fest, dass der Sonnenhöchststand ihres Standorts um eine Stunde und vier Minuten später stattfindet, als er in seinem Heimathafen wäre. Daraus berechnet er, dass sich das Schiff bereits auf dem Längengrad von Madeira befindet. Man sollte es also tatsächlich erreichen, indem man auf diesem Längengrad direkt nach Süden segelt. Die Höhe der Sonne über dem Horizont zur Mittagszeit lieferte Harrison den Breitengrad auf dem sie sich momentan befinden. Sie sind noch nörtlich von Madeira. Für den Kapitän und seinen Steuermann muss das wie schwarze Magie gewirkt haben, denn sie konnten bisher den Längengrad mehr oder weniger nur schätzen. Dem Kapitän muss Harrisons Einmischung schwer aufgestoßen sein, aber er hatte den königlichen Auftrag, die Uhr zu testen. Also gab er widerwillig zzwischen zusammengebissenen Zähnen den Befehl durch, dass man bis zum Anbruch des nächsten Tages Kurs auf Süd beibehalten sollte. Dann würde man ja sehen, wer recht hat.
Erscheint die Insel am Horizont, dann Harrison mit seiner Uhr.
Bleibt der Horizont klar, oder es erscheint etwas anderes, dann lag Harrison falsch und die Mannschaft hätte ein ernsthaftes Problem was ihre Vorräte und ihre weitere Navigation anging. Man muss sich das nochmal vorstellen. Da hängt der Kapitän das Schicksal des ganzen Schiffs mit seiner ohnehin schon gebeutelten Mannschaft an ein etwa drei Pfund schweres Metallstück, so groß wie eine Männerhand. Es ist also durchaus nicht nur Eitelkeit, wenn der Kapitän sich nicht gerne rein reden lässt. Es ist auch Verantwortungsbewusstsein für Schiff und Besatzung. Dazu kam noch, dass Harrison ansonsten keine Erfahrungen auf hoher See besaß. Er war eine Landratte.
Aber auch für William und John, seinen Vater, stand viel auf dem Spiel. Die englische Krone hatte nämlich zwanzigtausend Pfund Stearling Preisgeld für denjenigen ausgesetzt, der im Stande war, eine praktikable und gut funktionierende Schiffsuhr zu bauen, die genau genug ging, um für die Navigation zu taugen. Ausgeschrieben wurde der Preis bereits ein halbes Jahrhundert vor dieser Seereise. Bisher hatte es noch niemand geschafft Und auch Vater und Sohn Harrison setzten vierzig Jahre ihres Lebens dafür ein, bis die Uhr in Version 4, also H4, vollendet war.
Inzwischen bricht ein neuer Tag an und der Mann im Ausguck sucht den Horizont nach Madeira ab.
„Horizont klar“.
ruft er aus.
Hatte die Uhr versagt und der Kapitän recht? Wo waren sie dann?
„Setzen Sie Kurs auf Süd Südwest“
befiehlt der Kapitän, aber dann geschieht es wieder, dass sich jemand einmischt. Diesmal ein weiterer Seemann. er sagt:
„Es ist die große Wolke dort“.
In dem Augenblick wird sie auch dem Mann im Ausguck aufgefallen sein. Er ruft:
„Land in Sicht“.
Madeira war unter einer Wolke verborgen. Durch die Erdkrümmung sieht man ja immer zuerst, was sich höher über der Wasseroberfläche befindet. Das war schon den alten Griechen bekannt, dass man bei einem nahenden Schiff zuerst die Segel sieht, weil sie höher über den Horizont ragen. Daraus leiteten sie schon Jahrhunderte vor Christus folgerichtig ab, dass die Erde eine Kugel sein muss, da dieser perspektivische Effekt auf einer Scheibenwelt nicht vorkommen kann.
Man stelle sich die Erlösung aller vor. Madeira, die Rettende Insel mit Aussicht auf frisches Wasser und Vorräte war erreicht und, die Schiffsuhr hatte recht behalten. Da konnten sich Vater und Sohn Harrison auf einen Goldregen freuen.
Sicherlich wurde Harrison nun mit Gratulationen von den „Seebären“ überschüttet. Hatte er mit seiner Uhr doch ihr aller Leben gerettet. Ich könnte mir vorstellen, dass sich sogar der Kapitän bei ihm entschuldigt hat.
Harrisons Uhr bestand auch den restlichen Gesamttest. Bei der Ankunft auf Jamaika und einer fürchterlich stürmischen Rückreise nach England, zeigte sie am 26.03.1762 die heimatliche Zeit genauer an als gefordert.
David gegen Goliat
Alle sollten jetzt jubeln können. Harrison, weil er den Preis gewonnen hatte und die britische Marine, weil nun Katastrophen, wie 1707 geschehen, Vergangenheit sein sollten, als gleich vier Schiffe mit zweitausend Mann Besatzung wegen eines Navigationsfehlers untergingen. Die Marine ignorierte Harrison zunächst. Er wurde vielmehr von der Wissenschaft, den Astronomen angegriffen. Dreißig Jahre Erfahrungen im Uhrmacherhandwerk schienen eben nichts gegen Jahrtausende der Himmelskunde zu sein. Bisher navigierte man nach den Sternen. Es gab Sternenkarten, Seekarten, Messgeräte wie den Kompass, Sextanten oder das Astrolabium und manchmal sind, das habe ich mal über Kolumbus gelesen, auch Sanduhren zur Zeitmessung zum Einsatz gekommen. Neben vielen anderen, blieb letztlich die Mond-Messmethode übrig. Man sah den Sternenhimmel mit seinen Sternbildern als Ziffernblatt und den Mond als Uhrzeiger an. Wie sie genau funktioniert, ersparen wir uns jetzt. Tatsache ist, dass diese Methode in vielen Fällen ja auch ganz ordentlich funktionierte. OK, Kolumbus hatte sich zwar was die Entdeckung Indiens betraf quasi verfahren, aber immerhin kam er wieder heim. Seine Efimeriden, Sternkarten auf See, waren immerhin so gut, dass sie ihm das Leben retteten. Ich schrieb darüber in „Eine Mondfinsternis als Lebensretterin„.
Das Hauptproblem dieser Messmethode war, dass es wenige zuverlässige Beobachtungen gab, an Formeln der Berechnung der Mondbahn mangelte und es fehlten oft Karten und Verzeichnisse der genauen Sternpositionen. Im Zuge der Eroberung der Meere und der Kolonialisierung und globalisierung der Welt schossen überall Observatorien zur Sternbeobachtung in den Himmel. Somit war die Astronomie hierfür zur Schlüsseldisziplin geworden. Sollte das jetzt alles wegen einer Uhr nichts mehr Wert sein?
Kleine Rückblende
Schon dreißig Jahre zuvor forderte Vater John Harrison 1735 von dem königlichen Ausschuss für Längengrade, dass seine erste Schiffsuhr, die H1 sich an dem Preis versuchen dürfe.
Diese glich damals noch eher einer Zeitmaschine als einer Uhr, wie es die H4 war. Diese H1 versagte auf ihrer Testfahrt nach Lissabon. Harrison war seekrank, so dass er sich nicht kümmern konnte. Aber auf der Rückreise konnte Harrison doch noch zeigen, was die Uhr so drauf hatte, indem er den Längengrad korrigierte. Auch hierfür musste er sich, wie dreißig Jahre später auch sein Sohn, mit einem sturen Kapitän anlegen, der ihn für seine anmaßende Kurskorrektur im Schiff einsperren ließ. Im letzten Moment erkannte der Kapitän noch seinen Fehler und korrigierte den Kurs. Und so rettete auch die H1 ihr aller Leben.
Harrison machte sich nun daran, die Fehler seiner Uhr zu korrigieren. Er entwarf und baute nun seine H2, die ihn aber auch nicht befriedigte. 1740 stellte er die H3 fertig, mit völlig neuem Konzept, aber auch stets neuen Problemen. Harrison schrieb mit seinen Uhren Technikgeschichte. Er setzte als erstes spiralförmige Bimetall-Federn ein und entwickelte als erster ein gekapseltes Kugellager. Trotz aller Genialität hatte sich Harrison mit seiner H3 in eine Sackgasse manövriert. Er erkannte, dass die Uhr dringend kleiner werden musste. Nach dem Vorbild der damals schon verfügbaren Taschenuhren lies er eine nach seinen Vorgaben bauen. Sie ging so genau, dass daraus schließlich die H4 wurde, die auf obiger Seereise von seinem Sohn getestet wurde.
Nun war aber auch die Welt um Harrison nicht stehen geblieben. Mittlerweile hatten die Astronomen deutlich bessere Instrumente zur Beobachtung. Die Karten wurden genauer und detaillierter und Mathematiker konnten mittlerweile deutlich bessere Bahn-Berechnungen anstellen. Und so etablierte sich in London der königliche Hofastronom Maskelyne als Prophet der Mondmessmethode. Man könnte auch sagen, er war die Mondmessmethode. Der Mann bestritt und leugnete vor der Krone die Genauigkeit von Harrisons Uhr. So kam es dazu, dass Harrison nach einer weiteren Testfahrt lediglich die Hälfte des Preises zugesprochen wurde. Für den Rest des Preises sollte Harrison alle Zeichnungen und Pläne der Uhr offenlegen und bei Maskelyne abliefern. Zusätzlich solle er ohne seine Unterlagen quasi aus dem Kopf heraus zwei weitere Kopien seiner H4 bauen. Außerdem sollten die Uhren weiteren Tests unterzogen werden, an denen sich Mechaniker die Zähne ausbeißen sollten. Mit pseudowissenschaftlichen Argumenten schindete der Hofastronom Jahr um Jahr Zeit für seinen Erfolg und sein komfortables Leben als königlicher Hofastronom. Sein Lebenswerk war der Almanach des britischen Seemanns, das Handbuch der Mondmessmethode. Und derweil soffen die Schiffe weiter ab wegen Navigationsfehlern, verirrten sich und gingen verloren.
Gab es eine Verschwörung gegen Harrison?
Es ist nun aber nicht unbedingt so, dass es eine Verschwörung gegen Harrison gegeben haben muss. Viel wahrscheinlicher ist, dass die derzeitigen Astronomen einfach zu überzeugt von ihrer Methode und viel zu träge waren, sich auf Harrison und seine Uhr einzulassen. Astronomie und Astrologie waren damals noch dasselbe. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus nachvollziehbar, dass man eher dem göttlich vollkommenen Sternenhimmel glaubte und nicht einer „Tick-Tack-Uhr“.
Ende gut, alles gut.
Erst der technikbegeisterte König George III erreichte 1773 die Auszahlung des vollen Preises an den inzwischen 80jährigen John Harrison, der sich leider nur noch drei Jahre daran erfreuen konnte.
Seine Schiffsuhren setzten sich aber durch. Die Bestimmung des Längengrades wurde mit ihnen kinderleicht und die Möglichkeit der Massenproduktion machten sie letztlich dann auch erschwinglich.
Heutzutage navigieren Schiffe mittels GPS. Flugzeuge haben neben klassischen Magnet-Kompassen auch Kreiselkompasse, z. B. für den künstlichen Horizont, Funkfeuer und natürlich ebenfals GPS-Navigation.
Über diese modernen Messgeräte werden wir uns ein andermal unterhalten.
Zu guter letzt noch eine Buchempfehlung
Mein Freund Martin, der übrigens der Erfinder des Handplanetariums Universe2Go ist, hat uns in den Kommentaren ein wunderbares Buch zum Thema empfohlen. Als ich den Artikel schrieb, kannte ich das Buch leider noch nicht. Ansonsten hätte ich noch weitere interessante Fakten für den Artikel gehabt. Aber andererseits wäre er ja dann noch länger geworden und ich hätte beim Artikel vielleicht zu fest am Buch geklebt. So musste ich mir ohne Buch helfen.
Also, das Buch heißt Längengrad. Die Autorin ist Dava Sobel.
Das Buch hat die ISBN-Nummer 9780007214228.
Und das beste ist, dass es das Buch bei der Hörbücherei in Leibzig (DZB) aufgelesen als Daisy-Buch für blinde und sehbehinderte Mitglieder:innen auszuleihen gibt. Ich habe es mir schon gezogen und bin damit bereits fast durch.
Götterdämmerung – die Phasen von Tag und Nacht
Liebe Leser:innen,
Und hier melde ich mich aus meinem Osterurlaub. Reisen is momentan nich, aber Astronomie und Artikel gehen immer.
Bevor es los geht, etwas Hausmeisterei
Es zeichnet sich jetzt scheinbar ab, dass sich der Doppelpunkt als Platzhalter für alle geschlechtlichen Orientierungen durchsetzen wird. Bisher habe ich, wenn es nötig war, das Sternchen verwendet. Ab jetzt werde ich den Doppelpunkt einsetzen. Was ich nicht tun werde ist, durch alle vorigen 140 Artikel zu gehen, um das dort überall anzupassen. Das tue ich nur dann, wenn ich sowieso auf einem Artikel, z. B. zur Aktualisierung, vorbei komme.
Ich habe auch den Eindruck, dass manche Sprachausgaben mit dem Doppelpunkt im Lesefluss weniger Probleme haben als mit dem Sternchen.
So, das war’s schon mit der Hausmeisterei.
Einleitung
Die Überschrift „Götterdämmerung“ lässt einiges erwarten. Keines Falls reicht dieser Artikel an Wagners Schauspiel heran. Es geht nicht einmal um Götter, aber um die Dämmerung schon, und die können wir alle beobachten, sogar in Zeiten der Pandemie, wo dieses wagnersche Meisterwerk nicht aufgeführt werden darf. Kurz um. Mir hat die Überschrift einfach gefallen. Das ist der einzige Sinn dahinter…
Wenn sich bei diesem Artikel sehende Leser:innen fragen, wieso der blinde Nerd sich mit Dämmerung beschäftigt, obwohl er sie nicht sieht, dann hat der Artikel mal wieder ein Ziel erreicht. Er hat spätestens dann mal wieder gezeigt, dass Astronomie im höchsten Umfang ein inklusives Hobby ist, das sogar berufliche Perspektiven öffnen könnte…
im vorletzten Artikel beschäftigten wir uns mit dem Jahreslauf der Sonne, der Zu- und Abnahme von Tagen und Nächten und der Figur, dem Analemma, welche die Sonne im Laufe eines Jahres am Himmel beschreibt.
Darin wies ich auf die App „LunaSolCal“ hin, mit der man die Zeiten am Himmel wunderbar beobachten kann. Diese App zeigt auch einige Zeiten, z. B. Beginn und Ende von Goldener – und Blauer Stunde, an, die zumindest mir vor dieser App nicht geläufig waren. Und da haben mich doch tatsächlich einige von euch per Mail angeschrieben, die wissen wollen, was es mit diesen seltsamen Stunden-Begriffen auf sich hat. Jemand von euch wies mich sogar darauf hin, dass es noch weitere seltsame Begriffe gibt, die unterschiedliche Dämmerungen bezeichnen.
Das hat mich sehr gefreut. Ihr dürft aber gerne eure Fragen auch in den Kommentaren stellen. Manche davon kann ich dann direkt für alle Leser:innen sichtbar bearbeiten, da nicht alle Antworten, wie diese hier, einen kompletten Artikel nötig machen.
Keiner braucht sich seiner Fragen schämen, denn bei mir gibt es keine dummen Fragen. Es gibt hier nur ein Motto:
Frag, und es wird Tag.
Dann gehen wir es an, und erklären mal die wichtigsten dieser Dämmerungs-Phänomene.
Generell dürfte klar sein, und das kann man auch an den Zeiten sehen, dass die gleich erwähnten Begriffe und Eigenschaften mit der Tages- und Nachtlänge variieren. Außerdem sind Zeiten und Längen dieser Phänomene auch davon abhängig, auf welchem Breitengrad sich die Beobachter:in befindet.
Es wird gleich viel von Gradzahlen die Rede sein, wie tief die Sonne unter dem Horizont verschwunden sein muss, um die Bedingungen der verschiedenen Dämmerungen zu erfüllen.
Da man sich hier stets auf den Mittelpunkt der Sonnenscheibe bezieht, muss natürlich auch mal erwähnt werden, wie groß ihr Durchmesser in Grad von der Erde aus gesehen ist.
der scheinbare Durchmesser der Sonne beträgt rund 0,5° (31′ 28″ bis 32′ 32″).
Das „bis“ kommt dadurch zu stande, dass die Erde sich auf einer elliptischen Bahn um die Sonne bewegt.
Kleiner Hinweis zu LunaSolCal
Für die Nutzer:innen der erwähnten App: Wenn ihr eine weite Reise tut, dann empfiehlt es sich, die App einmal am Ziel aufzurufen, damit die Daten neu auf euren Standort berechnet werden. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher, ob sie das automatisch tut, da die Zeiten immer für einige Tage im voraus berechnet werden.
Nun zu den Begriffen und Phänomenen:
Sonnen Auf- und Untergang
Grundsätzlich wird per Definition des Sonnenauf- und Unterganges der Moment gemeint, an welchem der obere Rand der Sonnenscheibe über dem Horizont erscheint, bzw. unter ihm verschwindet.
Das bedeutet, dass die Morgendämmerung mit dem Erscheinen der Sonnenscheibe über dem Horizont endet und die Abenddämmerung mit dem Verschwinden des Sonnenrandes unter dem Horizont beginnt.
Im Dämmerungsverlauf lassen sich Phasen unterscheiden und danach abgrenzen, wie tief die Sonne unter dem Horizont steht. Hierfür wird der Sonnenstand unter dem Horizont angegeben als Tiefenwinkel der Sonnenscheibenmitte. Nach der Dämmerungstiefe werden üblicherweise drei Dämmerungsphasen unterschieden, deren Ende jeweils ein bestimmter Winkel terminiert.
Astronomische Abend- und Morgendämmerung
Diese beiden Dämmerungen umrahmen den Teil der Nacht, wo absolut maximale Dunkelheit herrscht. Diese Zeitspanne beginnt und endet bei einem Sonnenstand von minus 18 Grad unter dem Horizont.
Im Grunde wäre dieser Teil der Nacht der optimale Zeitpunkt, um Beobachtungen am Himmel zu machen. Leider ist das wegen der von uns Menschen gemachten Lichtverschmutzung vielerorts nicht mehr möglich. Der Himmel wird durch künstliches Licht aufgehellt und überstrahlt viele Sterne. Ich schrieb darüber in
„Im Dunkeln sieht man besser„.
Bürgerliche Morgen- und Abenddämmerung
Die bürgerliche Dämmerung, auch zivile Dämmerung, dauert in Deutschland am Nordende 36 bis 58 Minuten, am Südende 30 bis 40 Minuten, zu den Sonnenwenden am längsten, zu den Tag-und-Nacht-Gleichen am kürzesten. Während die Himmelshelligkeit langsam abnimmt, werden zunächst die hellen Planeten sichtbar, insbesondere Venus und Jupiter. Gegen Ende der bürgerlichen Dämmerung kann ein gutes Auge bereits die hellsten Sterne bis zur 1. Magnitude, ein Maß für die Helligkeit von Sternen, erkennen. Die bürgerliche Abenddämmerung beginnt mit dem Sonnenuntergang und endet nach astronomischer Definition, wenn der Mittelpunkt der Sonnenscheibe 6 Grad unter dem wahren Horizont steht.
Mit der bürgerlichen Morgendämmerung verhält es sich genau anders herum. Innerhalb der bürgerlichen Dämmerung ist Lesen im freien noch möglich.
Das Ende der bürgerlichen Abenddämmerung wird in der Luftfahrt mit dem Kürzel ECET bezeichnet, der Beginn der bürgerlichen Morgendämmerung mit BCMT.
Die nautische Morgen- und Abenddämmerung
Die nautische Dämmerung oder mittlere Dämmerung dauert länger als die bürgerliche Dämmerung. (Am Nordende Deutschlands 42 Minuten bis fast 5 Stunden, am Südende 35 bis 56 Minuten.) Im Verlauf dieser Dämmerungsphase können bereits Sterne bis zur 3. Helligkeitsklasse (Siehe Magnitude) und so auch die Züge von Sternbildern erkannt werden, während auf See die Kimm, Linie zwischen Wasser und Himmel, als Linie zwischen Meer und Himmel noch deutlich sichtbar ist. Damit sind die Bedingungen für eine nautische Positionsbestimmung mit dem Sextanten , einem Messinstrument zur Bestimmung des Breitengrades gegeben, bei der die Höhe bestimmter Sterne über dem Horizont gemessen wird. Die nautische Dämmerung endet nach astronomischer Definition, wenn der Mittelpunkt der Sonne 12 Grad unter dem wahren Horizont steht.
Und ja, richtig. alleine der Breitengrad genügt natürlich nicht für eine Ortsbestimmung. Es fehlt der Längengrad. Das war auf hoher See in der Tat ein sehr großes Problem. Oft verfranzten sich Schiffe genau deshalb und gingen sogar verloren. Dieses Längengrad-Problem hat eine so spannende Geschichte, dass es ein eigener Artikel wert sein wird.
Die Blaue Stunde
Der Begriff Blaue Stunde bezieht sich auf die Zeitspanne innerhalb der abendlichen oder morgendlichen Dämmerung, während der sich die Sonne so weit unterhalb des Horizonts befindet, dass das blaue Lichtspektrum am Himmel noch bzw. schon dominiert und die Dunkelheit der Nacht noch nicht eingetroffen bzw. schon vorbei ist. Da es sich bei der Blauen Stunde um einen umgangssprachlichen Begriff handelt, existiert keine offizielle Definition – im Gegensatz etwa zu den anderen genannten Dämmerungsphasen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Tiefenwinkel der Sonne und der spektralen Zusammensetzung des Himmels. Die charakteristische blaue Färbung entsteht typischerweise, während sich die Sonne zwischen 4 und 8 Grad unterhalb des Horizonts befindet. Damit erstreckt sich die Blaue Stunde sowohl über Teile der Bürgerlichen Dämmerung (Tiefenwinkel der Sonne zwischen 0 und 6 Grad) als auch der Nautischen Dämmerung (Tiefenwinkel 6 bis 12 Grad). Das Blau des Himmels zur Blauen Stunde hat eine andere spektrale Zusammensetzung als das Blau bei Tage, da es auf eine andere physikalische Ursache zurückzuführen ist. Während der Blauen Stunde besitzt der tiefblaue Himmel etwa dieselbe Helligkeit wie das künstliche Licht von Gebäude- und Straßenbeleuchtungen, weshalb die Blaue Stunde in der Fotografie eine besondere Bedeutung hat.
Obwohl dieselbe Färbung auch während der Morgendämmerung zu sehen ist, wird der Begriff vor allem als Synonym für die Abenddämmerung beziehungsweise deren poetischen Umschreibung verwendet. Laut Duden steht die Wendung „blaue Stunde“ dichterisch für die Zeit der Dämmerung. In literarischen Werken wird der Begriff auch noch weiter gefasst und hier häufig mit melancholischen Gefühlen assoziiert.
Die goldene Stunde
Das Sprichwort „Morgenstund hat Gold im Mund“ leitet sich ganz sicher nicht von der „Goldenen Stunde“ ab. Es weiß zum einen jeder, was dieses Sprichwort bedeutet und die „Goldene Stunde“ gibt es auch abends…
Als goldene Stunde wird die „Stunde“ nach Sonnenauf- bzw. vor Sonnenuntergang bezeichnet. Der Begriff stammt meines Wissens nach aus der Fotografie.
Das Sonnenlicht ist während dieser Zeit rötlicher und weicher, als wenn die Sonne höher steht. Sie ist das Pendant zur Blauen Stunde, welche die Zeit vor Sonnenaufgang, bzw. nach Sonnenuntergang bezeichnet, in der der Himmel tiefblau ist.
Mit „Stunde“ ist hier in Wahrheit keine Zeitstunde gemeint, denn die Goldene Stunde definiert sich durch die Farbtemperatur des Lichtes und ist außerdem vom Breitengrad abhängig. Das ist komplizierte Physik, die ich uns an dieser Stelle erspare.
Sonnenhöchststand
Dieser ist Standorts- und Jahreszeit abhängig. Es ist der Zeitpunkt, an welchem die Sonne um Mittag herum ihren Höchststand über dem Horizont erreicht. Sonnenuhren sollten zu diesem Zeitpunkt, wenn sie „richtig gehen“ keinen Schatten werfen, bzw. es sollte eine passende Zeitgleichung vorhanden sein, um den Fehler je nach Datum und Uhrzeit heraus rechnen zu können, da Sonnenuhren in der Regel fest montiert sind und nicht der Sonne nachgeführt werden können.
Gibt es alle Dämmerungen immer und überall auf der Erde?
Bei all diesen Dämmerungen stellt sich natürlich die Frage, ob denn alle Dämmerungen überall und immer auf der Erde stattfinden. Die Antwort ist hier ein klares Nein.
Hier einige Fakten aus Wikipedia dazu:
- Die Dauer der Dämmerungsphasen hängt von der Schiefe der Sonnenbahn bei Sonnenauf- und Untergang ab. Dieses wiederum hängt vom Breitengrad der Beobachtung und von den Jahreszeiten ab.
- Am kürzesten währt die Dämmerung, wenn die Sonne senkrecht untergeht. Dies passiert ausschließlich zwischen den Sonnenwendekreisen, beispielsweise zur Tagundnachtgleiche nahe dem Erdäquator.
- Am 50. Breitengrad (Höhe Frankfurt am Main) dauern die drei Dämmerungsphasen zusammen morgens und abends jeweils mindestens 2 Stunden. Das astronomische Ende wird in den kurzen Nächten um die Sommersonnenwende nicht erreicht: Die abendliche geht in die morgendliche Dämmerung über (Mitternachtsdämmerung bzw. „Weiße Nächte“).
- In Regionen ab dem Polarkreis (rund 67° Breite), geht die Sonne zu diesem Termin nicht unter (Mitternachtssonne) und ein halbes Jahr später nicht auf (Polarnacht).
- Die längsten möglichen Dämmerungszeiten werden somit dadurch erreicht, dass die Sonne nach Untergang das entsprechende Niveau unterm Horizont nur erreicht, aber nicht unterschreitet.
- Am Nordpol dauert der Sonnenuntergang 32 Stunden. Dann folgt 12 Tage bürgerliche Dämmerung (vom 24.9.-8.10.), 16 Tage nautische Dämmerung (8.10.-24.10.), 19 Tage astronomische Dämmerung (24.10.-12.11.). Und für den Zeitraum von 80 Tagen, vom 12.11.-28.1., ist die Polarnacht wirklich Nacht in dem Sinne, dass die Sonne mehr als 18° unterm Horizont steht.
- Diesseits von 84,5° nördlicher/südlicher Breite geht der Sonnenmittelpunkt jeden Tag höher als 18° unterm Horizont. Es gibt also auch in der dunkelsten Nacht des Jahres außer dunkler Nacht einen hellen Moment astronomischer Dämmerung. Die längste astronomische Dämmerung dauert hier fast 13 Stunden.
- Diesseits von 78,5° geht der Sonnenmittelpunkt jeden Tag höher als 12° unterm Horizont, auch in der dunkelsten Nacht des Jahres gibt es (neben Nacht und astronomischer Dämmerung) einen hellen Moment nautischer Dämmerung. Jenseits davon geht mindestens einmal die morgendliche astronomische Dämmerung in die abendliche astronomische Dämmerung über, die dann insgesamt fast 9 Stunden dauert.
- Diesseits von 72,5° geht der Sonnenmittelpunkt jeden Tag höher als 6° unter den Horizont, auch in der dunkelsten Nacht des Jahres gibt es einen hellen Moment bürgerlicher Dämmerung. Jenseits davon geht mindestens an einem Tag die morgendliche nautische Dämmerung direkt in die abendliche nautische Dämmerung über, die dann insgesamt 3 Stunden dauert.
Puh, das war jetzt ganz schön verwirrend, wann wie und wo die Dämmerungen stattfinden oder eben nicht. Ich denke wirklich, dass man es sich an den Polen am besten veranschaulichen kann, wo die Sonne innerhalb eines Jahres entweder nicht auf, bzw. nicht untergeht. Die Situation zwischen den Wendekreisen ist auch noch einigermaßen vorstellbar. Zwischen diesen Extrempunkten ist quasi alles möglich.
Zum Abschluss dieses Artikels stelle ich mal die Frage in den Raum, wie uns bitte die Flacherdler, also diejenigen, welche bis heute glauben, dass die Erde eine Scheibe sei, uns diese ganzen Dämmerungen und ihre Zeiten erklären wollen.
Eine Astronomische Ostergeschichte für Respekt, Verständnis und gegenseitiger Toleranz und Achtung
Liebe Leser*innen,
heute Nacht war die Zeitumstellung auf die Sommerzeit und wir starten in die Karwoche 2021. Heute ist Palmsonntag und gleichzeitig der erste Frühlingsvollmond, der für die Berechnung unseres Osterfestes grundlegend ist.
Nur noch eine Woche lang durchhalten, für all jene, welche die Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag nutzten, um auf die eine oder andere Art zu fasten, auf Dinge zu verzichten usw.
Alle Achtung für jene, die es trotz allen sonstigen Widrigkeiten in diesen Zeiten durchgezogen haben.
Um Fasten an sich wird es aber in diesem Artikel nicht gehen, aber es geht darum, wann überhaupt Ostern z. B. auch in anderen Glaubensgemeinschaften gefeiert wird und wie sich andere Feiertage daraus ableiten. Wie Ostern bei uns berechnet wird, beschrieb ich ja schon in „Wieso ist Ostern manchmal so früh, und manchmal so spät„.
Anders und doch gleich
Es gibt aber Glaubensgemeinschaften, die zwar unseren gregorianischen Kalender benutzen, aber für die Feiertage eben nicht.
Im Sinne der anderen Glaubensgemeinschaften soll dieser Artikel ein Beitrag zum gegenseitigen Respekt, Verständnis und einem guten Miteinander werden.
Jeder kennt das, wenn man z. B. zu Weihnachten oder Ostern am Familientisch zusammen sitzt. Da fallen oft mal Sätze wie
Die feiern Weihnachten anders.
oder
Die feiern Ostern an einem anderen Tag.
oder
Die fasten zu anderen Zeiten.
Jeder kennt jemanden, der derlei in seiner Glaubens- oder Religionsgemeinschaft anders und zu anderen Zeiten praktiziert als wir.
„Die“ klingt immer so fremd und exotisch. „Die“ scheinen irgendwie anders zu sein und an etwas ganz anderes zu glauben, an etwas seltsames mystisches oder sonst wie fremdes.
Dem ist aber nicht so. „Die“ leben unter uns. Viele von „Denen“ fühlen sich aber auch dem christlichen abendländischen Glauben verpflichtet. und andere gehören z. B. dem Islam an.
Dann wollen wir diesem Mysterium doch hier mal die Zähne ziehen, damit wir hier aufhören können zu „fremdeln“. Auch das ist Aufklärung und trägt zum Verständnis und zur Akzeptanz anderer Gruppen bei.
Die große allgemeine Unwissenheit
Die allgemeine Frage, um die es hier geht fragt danach, warum die hohen Feste wann oder genau dann gefeiert werden.
Es ist egal, wo und wen man fragt und aus welcher Glaubensgemeinschaft die gefragte Person stammt.
Viele „Christ*innen“, die beispielsweise „meinen Blog“ nicht gelesen haben, wissen nicht wirklich, warum Ostern manchmal so früh und manchmal so spät ist. Bevor ich mich mit Astronomie beschäftigte, wusste ich es auch nicht. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass das in der Schule, z. B. im Religionsunterricht, mal vernünftig und anschaulich erklärt wurde. Ostern kam und ging und wir freuten uns auf die Ferien und die Süßigkeiten…
Genau so unsere türkischen Mitschüler*innen. Sie praktizierten ihren Ramadan, der zu meiner Schulzeit in den 1980ern ungefähr in den Sommer fiel.
Auch sie konnten nie erklären, wieso wann Ramadan ist.
Wie auch immer.
Wir „Christ*innen“ freuten uns dann auf den Sonnenuntergang und darauf, dass wir daran teilhaben durften, was ihre Mütter ihren Kindern so in ihre Koffer gepackt hatten. Schafskäse, Oliven, Melonen, verschiedenste Teigtaschen und papp süße Nachtische wurden dort dargereicht.
Deutlich weniger am Leben dran und weniger praxisorientiert erlebten wir im Internat Kamerad*innen, die nach ihren Erzählungen Ostern und Weihnachten zu anderen Zeiten feierten. Das war für sie manchmal eventuell doof, denn die Schulferien richteten sich ja nach unseren Daten und nicht nach deren aus. So konnte es durchaus sein, dass Kinder dieser Glaubensrichtungen Ostern hatten, obwohl die Osterferien bei uns schon vorbei waren. Manchmal, und das war auch etwas traurig, durften diese Kinder dann auch nicht bei unseren Ritualen, die man so in der Vorweihnachtszeit oder der Osterzeit mit uns im Internat feierte, oder ganz wichtig beim Ritual des Geburtstages, aus Glaubensgründen, von den Eltern verboten, nicht mit machen. Das aber nur am Rande. Ich nenne deshalb auch keine Glaubensgemeinschaft namentlich und verkneife mir den Begriff der Sekte.
Auf jeden Fall fragte ich auch jene neugierig darüber aus, wieso sie an anderen Tagen feierten, und bekam nie eine wirkliche klärende Antwort auf meine Fragen.
Und hier noch ein aktuelles Erlebnis zu unterschiedlichen Feier-Zeiten von mir.
Letztes Wochenende traf ich mich mit meiner Arbeitskollegin, ihrem Mann und den Kindern zu einem Spaziergang durch die Parks von Karlsruhe. Ich wollte ihnen verschiedene Vogelstimmen zeigen, erklären und dass wir sie gemeinsam lernen.
Da kamen wir natürlich auch auf Ostern. Diese Familie stammt aus Rumänien und gehört somit der orthodoxen Kirche an. Und da war es wieder, das Erlebnis. Sie feiern Ostern später. Ich wollte wissen, warum und wie sie Ostern berechnen, und die Antwort war, wie sie auch in meinem Fall früher ausgefallen wäre, sehr wage und ungenau. Sie lautete ungefähr so:
„Wie das genau funktioniert, weiß ich auch nicht. Das hat irgendwie mit dem Mond und einem anderen Kalender zu tun. Und außerdem wollen alle orthodoxen Brüder und Schwestern auf der Welt gemeinsam Ostern feiern können.“
Na, immerhin. Der Mond kam vor. Es ist fraglich, ob ich den früher überhaupt erwähnt hätte. Mir war früher nur klar, dass Ostern mit dem jüdischen Pessachfest zusammen fiel, weil zum Zeitpunkt der Verurteilung von Jesus gerade alles Volk nach Israel pilgerte, um dort zu opfern. So steht es in den Evangelien. Etwas von Frühlingsanfang und Frühlingsvollmond habe ich damals nie gehört und es auch nicht hinterfragt.
Und dann kam in der Antwort noch etwas: „Wir benutzen einen anderen Kalender“.
Das ist äußerst spannend.
Die Zeit des orthodoxschen Osterfestes
Wir benutzen ja schon seit vielen Jahrhunderten den Gregorianischen Kalender mit seinen Schaltjahren, seinen ganzen Schaltregeln und in der Neuzeit sogar mit seinen Schaltsekunden. Dieser Kalender hält unseren Jahreslauf in Takt. Für diese Hauptaufgabe braucht dieser Kalender den Mond nicht, wäre da nicht unser Osterfest. Der Ostersonntag fällt meistens auf den ersten Sonntag nach dem astronomischen Frühlingsbeginn, der Tag-Nacht-Gleiche, die in diesem Jahr am 20.03. war. Daraus leiten sich dann andere kirchliche Feiertage, wie Aschermittwoch, die Fastenzeit, Himmelfahrt, Pfingsten und noch einige nicht bundeseinheitlich geregelte Feiertage ab. Wie schon erwähnt, schrieb ich an anderer Stelle darüber, wie das genau funktioniert. Meistens und nicht immer schreibe ich deshalb, weil es zum einen eine Regel des Gregorianischen Kalenders gibt, die verhindert, dass Ostern später als am 25,04. sein darf. Und noch eine Verschiebung des Osterfestes tritt alle 19 Jahre auf, das sog. Osterparadox.
Das war an Ostern 2019 der Fall. Ich schrieb darüber in „Fällt Ostern 2019 aus?“
Wie ist das aber nun bei meiner Kollegin, die der Orthodoxen Kirche angehört.
In der orthodoxen Kirche wird am Julianischen Kalender festgehalten.
Das ist der Kalender, der vor dem gregorianischen Kalender benutzt wurde.
Er orientierte sich stark nach dem Mond. Da sich aber unser Mond mit seiner Umlaufzeit nicht gut in den Rest des Jahreslaufes mit seinen Jahreszeiten etc. integrieren lässt, musste man manchmal einen dreizehnten Mond einfügen, damit die Feiertage, die Erntezeiten und vieles mehr nicht komplett aus dem Takt gerieten. Als der Zeitpunkt des Osterfestes etwa 300 n. Chr. festgelegt wurde, war dieser julianische Kalender noch in Gebrauch.
Daher findet der 21. März (im 20. und 21. Jahrhundert) 13 Tage später statt als im gregorianischen Kalender. (Übrigens war das Zusammenlegen des „liturgischen“ mit dem „astronomischen“ Frühlingsbeginn einer der Hauptgründe für die Einführung des gregorianischen Kalenders). Daher findet das orthodoxe Osterfest manchmal eine Mondphase später statt. Außerdem berechnet die orthodoxe Kirche das Osterdatum nach einer bereits in der Antike festgelegten Rechenvorschrift, dem Metonischen Zyklus
Er dauert 19 Jahre. Es ist der Zyklus, den ich in meinem Artikel zum Vollmond an Halloween beschrieb. Man kann mit ihm beispielsweise berechnen, wann der Vollmond, und natürlich auch der Neumond, wieder auf einen bestimmten Tag, z. B. den Heiligen Abend, oder meinetwegen auch auf eure Geburtstage fällt.
Die Länge des 19-jährigen Mondzyklus wurde damals um ca. 2 Stunden zu lang angenommen, was sich im Laufe von 17 Jahrhunderten zu einigen Tagen addiert hat. Dies ist ein weiterer Effekt, der dazu führen kann, dass das orthodoxe Osterfest eine Woche oder im Extremfall, wenn er sich mit dem obigen Effekt addiert (z. B. 2005), fünf Wochen später stattfindet als das lateinische. Von diesem letzteren Effekt ist übrigens auch der Jüdische Kalender betroffen.
Wie der julianische Kalender im einzelnen funktioniert, würde den Rahmen dieses Artikels vermutlich sprengen.
Eine Konsequenz und Tradition, die sich aber bis heute wegen dieses Kalenders hielt ist, dass die Dreizehn (13) eine Unglückszahl sein soll.
In meinen Gedanken zu Freitag, 13. ist dieses Phänomen ausführlich und hoffentlich auch lesenswert erklärt.
Belassen wir es also dabei und stellen uns für heute die letzte Frage.
Wie berechnen unsere islamischen Freunde ihre zweitwichtigste religiöse Zeit, ihre Fastenzeit, den Ramadan?
Wikipedia sagt dazu:
Der Ramadan (arabisch رمضان, DMG ramaḍān ‚der heiße Monat‘) ist der Fastenmonat der Muslime und neunter Monat des islamischen Mondkalenders. In ihm wurde nach islamischer Auffassung der Koran herabgesandt.
Das Fest des Fastenbrechens (arabisch عيد الفطر id al-fitr / türkisch Ramazan bayramı) im unmittelbaren Anschluss an den Fastenmonat zu Beginn des Folgemonats Schawwal ist nach dem Opferfest der zweithöchste islamische Feiertag.
Im Koran heißt es zur Länge der Fastenzeit:
„Fastet erst, wenn ihr sie (die Mondsichel – Hilal) seht, und brecht das Fasten erst, wenn ihr sie (wieder) seht…“
So ergibt sich das einmonatige Fasten vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang.
Dann heißt es im Koran weiter:
Wer nun von euch während des Monats anwesend (d. h. nicht unterwegs) ist, soll in ihm fasten.“
(Koran: Sure 2, Vers 185)
Dem Gedenken an die Offenbarung des Korans ist auch Sure 97 gewidmet, in der es heißt:
„Wir haben ihn (d. h. den Koran) in der Nacht der Bestimmung hinabgesandt. Aber wie kannst du wissen, was die Nacht der Bestimmung ist? Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate.“
(Koran: Sure 97)
Aufgrund der vorhergehenden koranischen Aussage gilt es als ausgemacht, dass die Nacht der göttlichen Bestimmung (lailat al-qadr / ليلة القدر / lailatu ʾl-qadr) eine Nacht im Monat Ramadan ist. Da man sich also über die genaue Nacht der Offenbarung des Korans nicht im Klaren war, feiert man diese Nacht überwiegend in der Nacht zum 27. Ramadan, aber auch an anderen ungeraden Tagen der letzten zehn Tage des Fastenmonats.
Dem letzten Drittel des Ramadan kommt außerdem deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil in dieser Zeit die fromme Übung des Iʿtikāf, der „Absonderung“ in der Moschee, stattfindet.
Welcher Monat ist aber nun gemeint?
Während das tägliche Gebet (salat / صلاة / ṣalāt) und die islamische Pilgerfahrt (haddsch / حجّ / ḥaǧǧ) auf festgelegten Zeiten beruhen, sind der Beginn und das Ende des Fastenmonats Ramadan im islamischen Überlieferungswesen stets widersprüchlich überliefert und diskutiert worden. Den Anfang des Ramadans zeigt die Sichtung (ru’ya / رؤية / ruʾya) der neuen Mondsichel (hilal) am Ende des letzten Tages/in der letzten Nacht des Vormonats Scha’ban an. Der Grundtypus dieser Traditionen in den kanonischen Hadithsammlungen als Direktive des Propheten lautet:
„Der Monat besteht aus 29 Tagen. Fastet erst, wenn ihr sie (die Mondsichel – hilal) seht, und brecht das Fasten erst, wenn ihr sie (wieder) seht. Und wenn (der Himmel) über euch bedeckt ist, so bestimmt ihn /Var. vervollständigt die Zahl der Scha’ban-Tage/ auf 30 (Tage).“
(Hadith Abu Dawud, Buch 13, Nr. 2312; al-Bukhari, Buch 31,Nr. 130-131.)
Ausschlaggebend für den Beginn bzw. für das Ende des Ramadans ist, wie schon gehört, stets jeweils die Sichtung der Mondsichel durch einen oder durch mehrere Zeugen. Umstritten bei der Festlegung des Monatsbeginns ist die Rolle der Astronomen (munadschdschim) und der Mathematiker (ahl al-ma’rifa bil-hisab), die es in der frühislamischen Gesellschaft noch nicht gab und die später allein durch Berechnungen (hisab) ohne Sichtung der Mondsichel den Monatsanfang festzulegen bestrebt waren.
Die Festlegung des Ramadanbeginns gibt in der arabisch-islamischen Welt bis in die Gegenwart hinein jedes Jahr Anlass zu kontroversen Diskussionen. Denn der Verzicht auf die Sichtung der neuen Mondsichel als Anfang des Ramadans und die stattdessen geführte astronomische Berechnung führen zwangsläufig zur Ignorierung des prophetischen Gebots „fastet erst, wenn ihr sie seht“.
In Ägypten bestimmt das erste Neulicht in Assuan den Beginn des Ramadans, wobei das gesichtete Neulicht telefonisch nach Kairo gemeldet wird und anschließend die Ausrufung des Ramadans erfolgt.
Die Berechnung des Ramadan ist also gar nicht so einfach, wie man sieht.
Erstaunlich ist, dass hier das religiöse Buch versucht, den Zeitpunkt und die Länge des Ramadan zu bestimmen, was aus astronomischer Sicht natürlich schwierig ist. Ich kenne keinen vergleichbaren Versuch aus der Bibel. Allerdings kenne ich nicht die ganze Bibel und könnte mir vorstellen, dass sich derlei z. B. in den Büchern Moses, wo viele Regeln festgehalten sind, versteckt.
Wer hier theologisch mehr drauf hat, bitte gerne in die Kommentare für alle lesbar damit. Mein lieber Freund, Pfarrer und Mitleser Volker, könnte hier vielleicht mehr wissen.
Im Islam wird also durch den gregorianischen Kalender konsequent und in viel stärkerem Maße, wie bei uns, ein Mondkalender mit geführt.
Da der Mond nicht sauber unserem Jahreslauf sich unterordnet, wandert der Fastenmonat in etwa 30 Jahren ein mal durch den ganzen Jahreslauf. Ramadan im Winter dürfte etwas leichter zu schaffen sein, aber im heißen Sommer, wenn tagsüber nichts getrunken werden darf, stelle ich ihn mir hart vor.
Weil das den Nomaden in der Wüste etc. durchaus auch bewusst war, schrieb der Prophet Mohammed einige Regeln auf, wie der Ramadan für Kinder, Kranke, Alte, Schwangere und sonstige schwache Menschen abgemildert oder gar ausgesetzt werden kann.
Puh, das war jetzt aber viel Kalender und Erlebnisse.
Ich wünsche mir davon, dass der Artikel wenigstens etwas zum Respekt anderer Glaubensgemeinschaften, und damit meine ich wirklich alle, beitragen kann.
Der Jahreslauf unserer Sonne
Liebe Leser*innen,
heute, 20.03.2021, ist gleichzeitig Frühlingsanfang. und der Tag der Astronomie, bei dem der Mond im Fokus steht. Astronomisch bedeutet Frühlingsanfang, dass Tag und Nacht an diesem Tag gleich lang sind. Da vor allem wegen unseres Schaltjahres sich astronomisch alles um etwa sechs Stunden verschiebt, kann dieser astronomische Zeitpunkt mal auf den 20.03, den 21.03 und sogar auf den 22.03 fallen. Das gleiche gilt natürlich dann auch für den astronomischen Herbstanfang im September und für die Sonnenwenden im Juni und Dezember.
Ich schrieb darüber in Welcher Frühlingsanfang ist der richtige.
Ganz besonders in den Wintermonaten mit Kälte und Schmuddelwetter denkt man sich oft:
„Wieso dauert denn das so lange, bis die Tage wieder merklich länger werden?“
Gegen Ende des Sommers empfindet man das Gegenteil:
„Wieso werden die Tage so schnell wieder kürzer?“
Den größten Sprung unserer Empfindungen erzeugt natürlich die Umstellung auf die Sommerzeit und die Rückstellung auf die Winterzeit , welche eigentlich die normale Zeit ist. Da verschiebt sich der Sonnenauf- und Untergang von einer Nacht auf die andere um eine Stunde nach hinten, wenn die Sommerzeit beginnt. Dafür haben wir es abends, wie jeder weiß, eine Stunde länger hell.
- Das gefällt uns natürlich, weil zu dieser Zeit, wie wir noch sehen werden, die Tage sowieso schon wieder erheblich länger, das Wetter meist schon wieder besser und wärmer sind und wir uns tendenziell im Frühling und Sommer sowieso eher nach Feierabend länger draußen aufhalten wollen.
- Nach der Umstellung auf die Winterzeit finden wir es zwar schade, dass es abends wieder eine Stunde früher dunkel wird, andererseits erfreuen wir uns auch, dass es zunächst morgens nicht mehr ganz so dunkel ist, und unsere Kinder eventuell noch etwas Tageslicht haben, wenn sie früh zum Schulgang aufstehen müssen.
- Wir freuen uns, wenn wir bei der Umstellung auf die Winterzeit eine Stunde „geschenkt“ bekommen.
Nichts desto Trotz handelt es sich dabei um unsere Empfindungen und Wahrnehmungen, die sich durchaus je nach Beruf, Lebenslage und anderen Faktoren stark unterscheiden können. Diese Subjektivität schlägt sich in der jährlich wiederkehrenden Diskussion nieder, ob die Zeitumstellung nun abgeschafft werden soll, oder nicht. Mit Astronomie hat diese von Menschen gemachte Zeitverschiebung aber nichts zu tun. Von daher gehen wir einen Schritt weiter und lassen die Zeitumstellung zunächst mal außen vor. Gehen wir für das folgende davon aus, dass es sie nicht gäbe, wie das bis Anfang der 80er des letzten Jahrhunderts ja auch war.
Wir werden das Phänomen, dass die Tages- und Nachtlänge sich im Jahreslauf verändert nun etwas näher betrachten.
Wer sich etwas auskennt wird mit Recht sagen:
„Na klar. Das liegt an den Jahreszeiten.“
„Volltreffer“ würde ich zu dieser Aussage sagen, denn das stimmt. Aber wie funktioniert das genau. Die Hauptfrage, die uns beschäftigen wird ist, ob z. B. die Tage an beiden Enden, zwischen Sonnenauf- und Untergang gleichmäßig länger oder kürzer werden und wenn nicht, wieso denn nicht?
Die aufmerksame Leser*in merkt schon, dass dem scheinbar nicht so ist. Ansonsten hätte ich diese Frage nicht in den Raum gestellt. Dann versuchen wir sie zu beantworten, was ohne Bilder gar nicht so einfach ist, aber versuchen wir es trotzdem.
Unsere Jahreszeiten entstehen dadurch, dass die Erdachse um etwa 23 Grad gekippt ist. Ich betone hier nochmals ausdrücklich. Sie entstehen nicht dadurch, was manchmal, und gar nicht so selten, angenommen wird, dass die elliptische Umlaufbahn der Erde um die Sonne dafür verantwortlich sei, weil die Erde ja dadurch manchmal etwas näher und dann wieder etwas weiter von der Sonne entfernt ist. Dieser Strahlungsunterschied, den wir dadurch erleben, schlägt nicht zu Buche und reicht auf keinen Fall für die Jahreszeiten. Kurios ist an dieser Stelle, dass ausgerechnet im Winter, Anfang Januar, die Erde ihren sonnennächsten Punkt auf ihrer Bahn durchläuft, wo es ja dann, wenn das stimmen würde, am wärmsten sein sollte. Über dieses Kuriosum werde ich mal extra schreiben.
Halten wir also nochmal fest, dass die gekippte Erdachse für die Jahreszeiten und damit auch für die Veränderungen der Tages- und Nachtlängen verantwortlich ist.
Stellen wir uns nun im nächsten Schritt vor, dass unsere Erdachse aufrecht stünde und dass die Erde sich nicht im Laufe eines Jahres einmal um die Sonne bewegt. Gehen wir sogar so weit, und halten die Erde an, so dass sie sich auch nicht mehr um sich selbst dreht.
Als letztes gehen wir noch davon aus, dass der Abstand der Erde zur Sonne trotz Stillstand immer gleich bliebe, als wären beide mit einer langen Stange verbunden. Normalerweise geht das natürlich nicht, denn so eine lange Stange gibt es nicht und außerdem würde eine Erde, die nicht um die Sonne kreist, also um sie herum fällt, von ihr mit der Zeit angezogen und in einem gewaltigen Inferno in ihr verglühen und verpuffen.
Also, was passiert dann.
- Der Erdstillstand bedeutet, dass es keinen Tag-Nacht-Rhythmus mehr gibt. Die Sonne bescheint in dem Fall immer dieselbe Seite der Erde. Dort wäre es immer Tag und auf der anderen Seite wäre es immer Nacht. Das will niemand. Und noch etwas merkwürdiges passierte dann.
Wir könnten, außer vielleicht nachts durch unseren Mond, den Tag und die Nacht nicht in Zeiteinheiten einteilen. Denken wir uns den Mond mal auch weg, denn er spielt für unsere Betrachtungen keine Rolle. Wir hätten also keine zeitliche Orientierung.
Im nächsten Schritt geben wir nun der Erde einen seitlichen Schubs, wie man das früher mit einer kleinen Peitsche mit einem Spielzeug-Kreisel tat, so dass sie sich, wie ein solcher beginnt, sich wieder um sich selbst zu drehen. Sagen wir in gewohnter Geschwindigkeit und natürlich wie gewohnt links herum. - Nun dreht sich die Erde wieder. Wir haben wieder Tag und Nacht. Allerdings wäre es so, dass die Tage und auch die Nächte stets gleich lang blieben. Vermutlich wäre es nur an den Polen immer dunkel, weil dort kein Sonnenlicht hin käme. Erinnern wir uns, dass wir noch immer keinen astronomischen Jahreslauf hätten, weil wir alle Nacht den selben Sternenhimmel zur selben Zeit sehen würden. Die Erde würde sich zwar unter dem Sternenzelt drehen, und am Tage wäre die Wanderung der Sonne beobachtbar, aber sie, und auch die Sonne nicht, würden durch keine Sternbilder wandern. Keine gute Vorstellung für Astrologen, aber auch den Astronomen würde das nicht gefallen. Immerhin wäre es jetzt wieder möglich, die Zeit zu messen. Die Sonnenuhr wäre hier bei schönem Wetter sehr zuverlässig und wer weiß. Vielleicht würde man mechanische oder digitale Uhren bauen, die mit dem Tageslauf im Gleichgang gingen. Mit denen wäre eine Zeitmessung zusätzlich zur Beobachtung des Sternenhimmels dann auch wieder bei jedem Wetter möglich. Nebenbei bemerkt wäre es dabei unerheblich, in welche zeitlichen Einheiten die Menschen den Tag und die Nacht einteilen würden. Astronomen fänden vielleicht eine Möglichkeit, aber es könnten alle möglichen Einteilungen werden, z. B. die Einteilung in zehn Tages- und zehn Nachtstunden. Damit ließe sich immerhin ganz gut rechnen.
Von einem Standort aus könnte man, wie gesagt, natürlich in Ost-West-Richtung die Sonne wandern sehen, was man ebenfalls zur Zeiteinteilung am Tage nutzen könnte, siehe Sonnenuhr.
Und noch etwas wäre anders als wir es gewohnt sind.
Wäre die Erde eine auf der Ekliptik stehende Walze und würden wir alle auf ihrer runden Seitenfläche leben, ich glaube man nennt diese Fläche oder Hülle auch Mantel in der Geometrie, dann hätten alle Menschen quasi die gleiche Sicht auf die Sonne. Sie stünde zu jeder Zeit für alle gleich hoch am Himmel,
Alle würden die Sonne in Ost-West-Richtung wandern sehen.
Ich denke nicht, dass es einen Unterschied machte, ob man an der Nord- oder Südkante der Walze lebte, weil die Sonne so unfassbar viel größer als die Erde ist.
je nach Tageszeit natürlich.
Die Nord- und Südfläche der Walze wären mit Sicherheit unbewohnt, da es dort ohne Sonnenschein ungemütlich kalt wäre, noch kälter vermutlich, als wir das von unseren Polkappen her kennen.Da die Erde aber nun mal eine Kugel ist, so stünde für die Äquatorianer die Sonne am höchsten am Himmel. Desto weiter nördlich oder südlich man lebte, desto flacher zöge die Sonne ihren Kreis. Außer vielleicht an den Polen, wo sie vermutlich nie zu sehen wäre, was übrigens bei unserer Walze mit Sicherheit so wäre.
- 3) So, es ist so weit. Wir nehmen die vorhin gedachte Verbindungsstange zwischen Erde und Sonne weg und schubsen nun die Erde so an, dass sie sich auf der Kreisbahn um die Sonne bewegt, wie wir das gewohnt sind. Nun kann sie durch ihre Drehung um die Sonne selbst dafür sorgen, dass sie der Anziehung der Sonne trotzt und auf ihrer Bahn bleibt.
Ja, ich weiß. sie bewegt sich auf einer Ellipse, aber letztlich ist der Kreis ein Sonderfall der Ellipse, bei dem beide Brennpunkte aufeinander liegen, und außerdem ist die Erdbahn auch real fast kreisrund.Nun haben wir zwar noch immer Tag-Nacht-Gleiche, können aber zumindest nachts wieder einen astronomischen Jahreslauf betrachten. Wir können natürlich jetzt auch wieder unseren Mond mit einbeziehen. Den haben wir vorhin nicht betrachtet, weil er für unsere Überlegungen keine Rolle spielt. Und deshalb ignorieren wir ihn auch weiterhin.
Und jetzt wird es langsam etwas unübersichtlich wegen der Erddrehung um sich selbst und der Erdbewegung um die Sonne.
- Im letzten Schritt kippen wir nun unsere Erdachse wieder um 23 Grad. Da die Erde eine Kugel ist und sich nun zusätzlich zu unseren Drehbewegungen auch noch die geometrische Tatsache der Perspektive auf die Sonne, täglich etwas verändert, so beschreibt sie vom selben Standpunkt aus den Mittagspunkt betrachtet, eine schräg liegende Acht, ein Analemma. Dieses sieht je nach Breitengrad etwas anders aus.
Vor längerer Zeit erwähnte ich mal relativ beiläufig bei meiner Vorgesetzten, dass ich gerne mal ein Analemma taktil ertasten würde. Ich hatte das schon fast vergessen, aber dann kam mein Geburtstag. Bei uns in unserem wunderbaren Team ist es üblich, dass jeder zu seinem Geburtstag eine sowohl bunt als auch taktil gestaltete Karte erhält. Diese liebe Kollegin gestaltete mir zu meiner großen Freude eine Geburtstagskarte mit einem Analemma. Außerdem legte sie noch eine große A4-Darstellung desselben bei, damit auch noch die Beschriftung in Punktschrift darauf passte. Das finde ich wirklich sehr wertschätzend und rührend von ihr, dass sie sich das merkte und umsetzte. Es ist mir halt immer wieder eine große Freude und ein Segen, dass ich an so einem wunderbaren Institut, wie dem Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) arbeiten darf. Nirgendwo sonst könnte ich Meine Begabungen zu Wissenschaft und Pädagogig so gut einbringen als dort. Außerdem ist am SZS meine Behinderung keine Einschränkung, sondern eine Qualifikation die ich für die Ausübung meiner Aufgaben benötige. Nicht zuletzt unterstützen mich immer wieder, das erwähnte ich schon häufiger, und kann es nicht oft genug tun, alle Mitarbeitenden in meinen inklusiven Tätigkeiten zur Astronomie.
Dank dafür an alle SZSler.
OK, zurück zum Thema.
Am Äquator sollte es sich kaum ausbilden, weil sich auch dort aufgrund des Winkels zur Sonne auch die Jahreszeiten zwischen den Wendekreisen kaum bemerkbar machen.Am meisten prägt sich das Analemma natürlich in der Nähe der Polkappen aus, zwischen der Mitternachtssonne und dem langen Winter ganz ohne Sonne. Am Nord- und Südpol ist die Acht wahrscheinlich sogar offen, weil es ja dort jeweils Monate ganz ohne Sonnenlicht gibt.
Da dieses Analemma schwer in Worten zu beschreiben ist, bitte ich euch sehende Astronom*innen unter euch, die hier mitlesen, dass ihr mich bitte entweder via Mail, oder noch besser in den Kommentaren, mich auf eventuelle Fehler in meiner Vorstellung, aufmerksam macht.
Ich darf fast zum Schluss natürlich nochmal erwähnen, dass die stärkste Konsequenz dieser gekippten Erdachse unsere Jahreszeiten sind. - zu guter letzt
wer das mal verfolgen möchte, wie unterschiedlich sich die Länge der Tage und Nächte im Jahreslauf verändern, wie ungleichmäßig die Zeiten der Sonnenauf- und untergänge sich verändern und wie sich die Zeit des Mittagspunktes langsam verspätet, um sich dann wieder zu verfrühen, dem empfehle ich beispielsweise die auch für blinde Menschen recht zugängliche App Lunasolcal für Smartphones. Mit Calsky könnte das auch klappen, obwohl ich momentan nicht genau weiß, ob die noch online sind. Habe was gehört, dass es Calsky eventuell nicht mehr gibt, was sehr schade wäre. Wer es aufwändiger mag und sehen kann, denn für unser eins nicht zugänglich, kann es mit Stellarium versuchen.
Ein klassischer Papier-Kalender tut es natürlich auch. Er sollte sich aber mit den Daten schon ungefähr auf den Standort beziehen, wo ihr wohnt.Da all diese Daten vom Breiten- und Längengrad, von eurem Standort also abhängig sind,
erspare ich euch für den Moment eine langweilige Tabelle mit den Daten meines Standortes. Achtet einfach mal auf die Veränderungen von Sonnenaufgang, Sonnenhöchststand und Sonnenuntergang. Schreibt etwas mit und ihr werdet das Phänomen selbst erleben, was viel interessanter sein dürfte, als euch durch eine langweilige Tabelle zu wühlen.
Beobachtet vielleicht auch mal, wenn ihr eine Reise tut, was momentan ja eher schwierig ist, wie sich die Zeiten durch euren Standordswechsel verändern. Von Karlsruhe bis Berlin habe ich Veränderungen von einigen Minuten gefunden. Wer das beobachtet und nachher noch immer behauptet, dass die Erde flach sei, dem ist nicht mehr zu helfen…
Wie auch immer.
Wir haben weiter oben schon die Sonnenuhr erwähnt. Die hat es langsam schwer, wirklich genau zu gehen. Aus diesem Grunde steht an vielen Sonnenuhren eine sog. Zeitgleichung. Sie berücksichtigt die Erdkrümmung, Erddrehung und die sich veränderte Perspektive auf die Sonne. Wie sie genau funktioniert, erspare ich uns für den Augenblick. - Und jetzt noch eine Anmerkung zum guten Schlusse
In diesem Jahr fällt der Tag der Astronomie mit dem Frühlingsanfang zusammen.
Das Thema dieses Tages ist in diesem Jahr der Mond. Da darf ich es mir natürlich auch nicht nehmen lassen, auch einen zwar schon etwas älteren, aber nicht minder aktuellen und sehr inklusiven Bericht zu diesem Thema bei zu steuern.
In diesem Artikel geht es um die Frage:
Sich blind auf dem Mond orientieren, geht das?
Auch damit wünsche ich euch einen guten Frühlingsanfang und viel Freude bei diesem schönen Motto des Tages der Astronomie 2021.
/li>Durch die dazu gekommene Drehung der Erde um die Sonne passiert es, dass wenn man vom selben Standpunkt aus den Mittagspunkt, an dem die Sonne am höchsten steht betrachtet, dass sich die Sonne in einem halben Jahr etwas verspätet und dann wieder verfrüht.
Das liegt daran, dass die Erde sich auf ihrer Bahn nach jedem Erdentag auch wieder etwas weiter auf ihrer Bahn um die Sonne bewegt hat. Somit ist es so, dass die Sonne, wenn die Erde ihre Drehung um sich selbst komplett vollführt hat, entweder noch nicht aufgeht, weil die Erde ihr hinterher läuft. Ein halbes Jahr später ist es dann umgekehrt. Der Tag beschreibt somit auf unserer ‚Erde mit senkrecht stehender Achse einen Strich, der sich langsam etwas nach links verschiebt und ein halbes Jahr später wieder nach rechts.
Nun wollen wir aber endlich auch unsere Jahreszeiten wieder zurück haben, damit unser Klima wieder passt.
Jetzt wünsche ich, vor allem auch den blinden Leser*innen viel Erfolg bei euren astronomischen Langzeit-Beobachtungen.
Das ist mal wieder eine sehr inklusive Geschichte, denn als Mensch mit Blindheit eine astronomische Langzeitbeobachtung zu machen, ist äußerst inklusiv.
Zum Frauentag, 08.03.2021 – Die kleine Schwester – Sophie Brahe
Liebe Leser*innen,
Noch immer ist die Gleichstellung von Frauen in Forschung, Wissenschaft, aber leider auch noch in so vielen anderen Dingen längst nicht erreicht.
auch in diesem Jahr möchte ich aus diesem Grund der Tradition treu bleiben, zum Weltfrauentag, 08.03.2021, einen Beitrag zu veröffentlichen, in welchem eine Astronomin als Beispiel für große Frauen aus der Wissenschaft gewürdigt werden soll
Manchen von euch dürfte schon in der Überschrift aufgefallen sein, dass der Nachname unserer heutigen Hauptperson durchaus kein unbekannter Name ist.
Und ja, es geht tatsächlich um ein Familienmitglied der Brahes, der Familie, aus welcher der große Astronom Tycho Brahe, der später mit Johannes Kepler zusammenarbeitete, entstammte.
Wie ihr merken werdet, ähnelt Sophies Geschichte durchaus des Lebensweges von Frau Lucretia Herschel, die gemeinsam mit ihrem großen Bruder Wilhelm, später aber auch alleine, großartige Astronomie trieb.
Ich schrieb über dieses großartige Geschwisterpaar zum Frauentag 2018.
Dass Tycho seine Schwester derart förderte und unterstützte, hätte ich von ihm nicht gedacht, denn er soll wohl sehr reizbar und nicht unbedingt ein angenehmer Zeitgenosse gewesen sein. Gegenüber seiner Schwester war das wohl offensichtlich anders.
Sophie Brahe wurde am 24. August 1559 auf Schloss Knutstorp, Schonen, geboren.
Sie verstarb 1643 in Helsingør.
Sie, die Schwester von Tycho Brahe, war eine dänische Astronomin
Sophie Brahe war das jüngste der zwölf Kinder von Otte Brahe (1518–1571) und Beate Clausdatter Bille (1526–1602). Ihre Eltern gehörten zu den reichsten und einflussreichsten Familien in Dänemark. Ihr Vater wurde 1563 Mitglied des Reichsrats und später Gouverneur von Helsingborg. Ihre Mutter verwaltete nach dem Tod des Vaters dessen Güter und war von 1584 bis 1592 Oberhofmeisterin der gleichnamigen Königin.
Sophie besaß eine ausgezeichnete Ausbildung. Neben Dänisch sprach sie auch Deutsch. Ihre wissenschaftlichen Kenntnisse musste sie sich größtenteils selbst und gegen den Widerstand ihrer Familie, die wissenschaftliche Tätigkeit für unangemessen für Adlige und ganz besonders für adlige Frauen ansah, aneignen. Unterstützt wurde sie von ihrem älteren Bruder Tycho Brahe. Er unterrichtete sie in Gartenbaukunst und Chemie. Ihre Kenntnisse in der Astronomie, die sie am meisten reizte, eignete sie sich selbständig an, denn Tycho schienen Mathematik und Astronomie als zu kompliziert für ein Mädchen. Da sie nicht Latein hatte lernen dürfen, ließ sie auf eigene Kosten lateinische Bücher übersetzen. Ihr Bruder erkannte ihre Fähigkeiten bald an, so dass sie schon als Jugendliche häufig mit ihm zusammenarbeitete. In seinem Schlossobservatorium Uranienborg auf der Öresundinsel Ven vor Landskrona führten sie gemeinsam Himmelsbeobachtungen durch und verfassten einen neuen Fixsternkatalog von tausend Himmelsobjekten. Gemeinsam beobachteten und beschrieben sie am 11. November 1572 die erste bekannte Supernova, am 8. Dezember 1573 eine Mondfinsternis und 1577 einen Kometen. Ihr eigener Anteil an den Arbeiten ihres Bruders ist mangels Aufzeichnungen nicht genau zu rekonstruieren. Pierre Gassendi berichtet jedoch in seiner Biographie über Tycho Brahe von ihren hervorragenden Kenntnissen.
Die Zusammenarbeit wurde um 1579 von einer erzwungenen Heirat mit dem 33-jährigen Otto Thott und der Geburt des Sohnes Tage Thott (1580–1659) unterbrochen. Sophie legte bei Eriksholm (heute Trolleholm), dem Gutshaus ihres Mannes in Schonen, einen berühmten Garten an, erweiterte ihre chemischen und medizinischen Kenntnisse durch das Studium von Paracelsus und war für die Gutsuntertanen als Ärztin tätig. 1587 überschrieb ihr König Friedrich II., der Tycho sehr förderte, das nahegelegene Gut Årup bei Ivetofta, dessen Kirche sie renovieren und neu ausstatten ließ. Die Kirchenausstattung ist teilweise erhalten.
Nachdem Brahes Ehemann 1588 gestorben war, erzog sie den Sohn und verwaltete ihre Güter. Als Witwe genoss sie größere Freiheit und konnte ihre Studien in Chemie und Medizin fortsetzen und die gemeinsamen Erforschungen der Gestirne mit ihrem Bruder wieder aufnehmen.
Dafür reiste sie mehrmals im Jahr nach Ven. Gemeinsam mit ihm und auch selbständig fertigte sie Horoskope an. Zu dieser Zeit verfasste sie einige eigene Schriften zur Astronomie, die ihr Bruder zu veröffentlichen plante. Diese sind jedoch nicht erhalten. Sie begleitete ihren Bruder auch bei öffentlichen Anlässen, zu denen seine bürgerliche Frau nicht zugelassen war.
1590 verlobte sie sich mit Einverständnis ihres Bruders Tycho mit dem dänischen Adeligen und Alchemisten Erik Lange. Langes Schwester war mit ihrem Bruder Knut verheiratet. Lange verschwendete durch seine Experimente sein ganzes Vermögen und musste 1592 wegen seiner hohen Schulden nach Norddeutschland fliehen. Aus dieser Zeit stammt das 1594 von Tycho Brahe im Stil von Ovid verfasste lateinische Gedicht Urania Titani, ein fiktiver Brief, in dem Urania (Sophie Brahe) die Trennung von Titan (Lange) beklagt. Die Zusammenarbeit der Geschwister endete, als Tycho 1597 erst nach Wandsbeck zu dem Humanisten Heinrich Rantzau und nach dessen Tod 1598 nach Prag an den Hof des kultur- und wissenschaftsbegeisterten Kaisers Rudolf II. zog, wo er 1601 starb. Sophie blieb mit ihren Sohn in Eriksholm zurück. 1598 heiratete ihre gleichnamige Nichte, Tochter ihres Bruders Axel, eine ebenfalls hochgebildete Frau, den Gelehrten Holger Rosenkrantz, mit dem Sophie und Tycho Brahe in wissenschaftlichem Austausch standen.
Als im folgenden Jahr ihr Sohn Tage Thott zu einer mehrjährigen Bildungsreise ins Ausland aufbrach, begleitete Sophie Brahe ihn nach Hamburg und traf dort 1599 den hochverschuldeten Erik Lange wieder und unterstützte ihn. Nach Tychos Tod und einer mehr als zehnjährigen Verlobungszeit heirateten Sophie und Erik Lange 1602 in Eckernförde. Ihre Familie akzeptierte ihre Eheschließung und ihre wissenschaftlichen Studien nicht und hielt die ihr zustehenden Gelder zurück, weshalb das Ehepaar zunächst in Armut lebte, wie Sophie in einem erhalten gebliebenen Brief an ihre Schwester Margaretha klagte. Nach der Hochzeit zogen sie auf ihr Gut Årup, wo sie auch selbst alchemistische Studien durchführte. 1613 starb Erik Lange in Prag, wo er seit 1608 getrennt von seiner Ehefrau gelebt hatte.
Nach Langes Tod ließ Sophie Brahe sich in Helsingør nieder und verfasste eine Genealogie der dänischen Adelsfamilien. Das 1626 abgeschlossene Manuskript umfasst 900 Seiten und wird heute in der Universität Lund aufbewahrt.[6] Nach ihrem Tod wurde sie nicht in Ivetofta beigesetzt, wo bereits ein Grabstein für sie angefertigt war, sondern an der Seite ihres ersten Mannes in der Grabkapelle der Familie Thott in der alten, im 19. Jahrhundert durch einen Neubau ersetzten Kirche von Torrlösa.
Nach Sophie Brahe heißt seit 2006 die Sophie-Brahe-Gemeinschaftsschule in Berlin.
So, das war mein Beitrag zum Weltfrauentag 2021.
Als Quellen dienten mir, wie so oft, Wikipedia und dazu noch ein Artikel der @Riffreporter, den sie mal hinter einem Türchen eines Adventskalenders versteckten.