Das Schauspiel des Himmels im Modell


Liebe Leserinnen und Leser,

ich hoffe, ihr alle hattet ein frohes und schönes Osterfest 2019. Das Wetter war zumindest in Süddeutschland sehr passend.

Ostern ist das Fest der astronomischen Berechnungen. Vom Frühlingsanfang über den Ostervollmond, der Berechnung des Ostersonntags bis hin zur Ausnahme des alle 19 Jahre wiederkehrenden Osterparadox, haben wir alles hier schon behandelt.

Nun ist es aber so, dass der Umgang mit Tabellen und Zahlen nicht eines jeden Menschen Sache ist. Schön wäre doch, wenn man sich das mal vorstellen könnte, wie sich das mit Neumond, Vollmond, Ostersonntag, Finsternissen etc. wirklich plastisch zum Angreifen verhält.
Das haben sich Astronomen, Uhrmacher und sonstig technisch begabte Menschen schon immer überlegt, wie man das Himmelsschauspiel auch in Modellen hier auf Erden abbilden kann.

Über die Geschichte derartiger Modelle des Sonnensystems, auch Orreries gennant, hat ein Freund schon vor einiger Zeit mal etwas geschrieben. Es ist mir eine große Ehre, dass ich das hier veröffentlichen darf, und er fühlt, zumindest hat er mir das so geschrieben, sich geehrt, dass ich das auf meinem Blog veröffentlichen möchte.

Ich werde seinen Text unverändert lassen und kennzeichne, sollte ich etwas meinerseitz ergänzen wollen.
Wie er sich damals als Person vorstellte, passe ich sprachlich etwas an die Gegenwart an.
Eine letzte Vorbemerkung noch: Der Text ist schon etwas älter. Somit kann es sein, dass sich erwähnte Personen nicht mehr mit Orreries beschäftigen, bzw. die Fakten anderweitig nicht mehr ganz passen.
Das soll uns hier nicht stören, da es dem Text und seiner Schönheit nicht abträglich ist.

So, lieber Matthias. Die Bühne gehört jetzt Dir:

Vorstellung:

Liebe Astrofreunde,

Eingeladen hat mich Gerhard Jaworek, auf Blindnerd zu veröffentlichen, den ich in meiner Funktion als 2. Vorsitzender des Kulturvereins Orgelfabrik kennengelernt habe. Wir hatten im Juni 2016 und 2018, ein mobiles Planetarium in die große Halle der Orgelfabrik Durlach gebracht. Im Begleitprogramm hat Gerhard Jaworek am 18.6.2016 einen Vortrag über seine Erfahrungen als blinder Astronom gehalten.

Anmerkung von mir: 2017 durfte ich selbigen Vortrag im gleichen Planetarium halten, als es in Sarlouis, seinem Heimathafen im Theater am Ring, gastierte. 2020 wird es dann wieder in der Orgelfabrik Durlach zu Gast sein. Ihr werdet davon hören. So, bitte Matthias:

Wenn ich mal nicht die Sterne nach Durlach hole bin ich Journalist mit eigenem Magazin (Inch by Inch– INCH, ein Sprachlernmagazin für technisches Englisch). Als Astronomiebegeisterter muss ich mich immer beherrschen, nicht allzu viele „Weltraumgeschichten“ ins Heft zu nehmen.

„Die Himmelsmechaniker“ ist die deutsche Fassung eines Artikels über Orreries, also mechanischer Modelle des Planetensystems, der damals auch in „Astronomie Heute“ erschienen ist.

Wie ihr seht, habe ich es eher mit den Planeten und der Technik als mit den Sternen an sich. Falls mir hier mal wieder was Spannendes unter die Feder kommt, werde ich euch auf dem Laufenden halten.

Die Himmelsmechaniker

Per Kurbelantrieb zu den Planeten – nur noch zwei Orrery-Macher verstehen sich auf die jahrhundertealte Kunst, mechanische Modelle des Sonnensystems zu bauen.
Der Weg zu den Sternen ist beschwerlich. Steinig, schmal und zugewachsen. Er führt zu einem kleinen, einsamen Cottage nahe Hebden Bridge im Norden Englands. Durch eine niedrige, mit Efeu überwucherte Tür und über eine schmale Treppe gelangt man in die Werkstatt von John Gleave, Ausgangspunkt für eine Reise durchs Sonnensystem. Mit nur wenigen Handbewegungen schickt Gleave seine Gäste von den sanften, grünen Hügeln draußen vor dem Fenster hin zu Merkur und Venus. Kurzes Verweilen, ein genauer Blick auf unsere Erde und den Mond und schon geht es locker aus dem Handgelenk weiter zu Mars, Jupiter und Saturn. Das Spiel der Planeten ist Gleaves Leidenschaft, die Himmelmechanik ihm so vertraut wie das Innere einer Uhr. Dabei ist der scheue, jung gebliebene 60jährige weder Astronom noch Raketeningenieur. Ein Blick in seine Werkstatt verrät, woraus sein Universum gemacht ist: Drehbank, Fräsmaschine und Teilscheibe. Uhrmacherwerkzeuge, Lupe und Mikrometerschraube. Feine Messingzahnräder, Scheiben mit eingravierten Sternzeichen, handbemalte Kugeln und poliertes Holz. John ist Gleave Orrery-Macher – einer der letzten, die heute noch ihren Lebensunterhalt mit dieser alten Kunst verdienen.

„Orreries sind mechanische, Uhrwerken nicht unähnliche Modelle des Sonnensystems, die die Bewegung der Planeten und ihrer Monde nachbilden,“ erklärt John Gleave. Dazu zählen einfachen Sonne-Erde-Mond-Modelle mit Riementrieb und Handkurbel ebenso wie die so genannten „Grand Orreries“, in denen hoch komplizierte Werke aus Messingzahnrädern mehrere Planeten und sogar jeden einzelnen ihrer Monde getrennt antreiben. Die Bezeichnung Orrery geht dabei zurück auf den vierten Grafen von Orrery, Charles Boyle, der 1712 ein Sonne-Erde-Mond-Modell bei John Rowley, einem Londoner Instrumentenbauer, bestellte.

Ein Graf greift nach den Sternen

Ganz im Gegensatz zur Herkunft ihres Namens liegt der Ursprung der Orreries im Dunkeln. Denn Rowleys Mechanik war nicht die erste ihrer Art. Schon um 200 vor Christus soll Archimedes mit Hilfe seiner „sphera“ die Bahnen von Erde und Mond beschrieben haben. Leider ist von dieser sphera außer einer vagen Beschreibung Ciceros nichts überliefert geblieben. Ganz im Gegensatz zum 2000 Jahre alten Antikythera Mechanismus, dessen Überreste Fischer vor der griechischen Küste entdeckt haben. Das bemerkenswert komplexe Räderwerk gilt vielen als ein antikes Orrery. „Ich glaube jedoch eher, dass es eine Art Kalender war,“ wirft Gleave ein, der neben seinen Orreries schon mehrere Exemplare des Antikythera-Mechanismus rekonstruiert hat. Die den Orreries verwandten astronomischen Uhren waren bereits im 15. und 16. Jahrhundert – und damit lange vor der Bestellung des Grafen von Orrery – hoch entwickelt, wie die Beispiele in Prag und Straßburg zeigen. Älter ist auch das Jovilabium des Dänen Ole Rømers von 1677, ein Mechanismus der seine Bahnbeobachtungen der wichtigsten Jupitermonde veranschaulichen sollte.

Der Prototyp des klassischen Orreries jedoch stammt von George Graham. Neben vielen Instrumenten für die Wissenschaftler der Aufklärung entwarf er zwischen 1704 und 1709 einen Mechanismus, dessen Räderwerk die komplizierte Bewegung des Mondes und der Erde um die Sonne nachbildete. Rowleys Auftragsarbeit für den Earl of Orrery war schlicht eine überarbeitete Version von Grahams Mechanismus.

„Anfangs wurden Orreries ausschließlich für Wissenschaftler, Bildungseinrichtungen oder reiche Sammler angefertigt, wobei Größe und Komplexität immer weiter zunahmen. Erst später kamen dann einfache und billige Geräte auf den Markt, was Orreries in viktorianischer Zeit sehr populär machte. Doch mit der Einführung optischer Planetarien verschwanden deren mechanische Vorfahren fast spurlos,“ fasst Gleave 300 Jahre Orrerybau zusammen. Ein erster Vorbote dieses Niedergangs war wohl Adam Walkers Eidouranion von 1770, eine Art transparentes Orrery mit Projektor. Das Schicksal der mechanischen Orreries besiegelt jedoch Carl Zeiss, als er 1924 mit seinem noch heute in Planetarien verwendeten Projektor die Darstellung der Himmelskörper und ihrer Bewegungen revolutionierte.

Anmerkung von Blindnerd:
Ganz wunderbar ist zum Thema Planetarien die Folge des CRE-Podcast von Tim Pritlove
Zur CRE-Folge
Außerdem vom gleichen Autor
Über das Großplanetarium Berlin

OK, Matthias, bitte weiter im Text

Die Kunst Planeten zu bewegen

Warum wagt es heute noch jemand gegen diese perfekten Lichtschauen mit wenig mehr als ein paar Messingzahnrädchen anzutreten? Warum will jemand ein beinahe ausgestorbenes, weil überflüssig gewordenes Handwerk erlernen? „Vor über 20 Jahren habe ich einen Roman gelesen, in dem es um die Bewegung der Planeten ging,“ erinnert sich Gleave an den Beginn einer Leidenschaft. „Ich wollte verstehen, was da passiert und da ich als Kunstmaler wenig mit Formeln anfangen kann, schien mir ein Orrery der beste Weg, die Kopernikanischen Gesetze zu begreifen. Leider musste ich schnell feststellen, dass Orreries sehr teure Sammlerstücke sind. Da mich aber als Künstler die mechanische Schönheit dieser Stücke fasziniert hat und ich ohnehin einmal mit Metall arbeiten wollte, kam ich auf die Idee, selbst ein Orrery zu bauen. Das erstes Modell hatte anfangs noch eine einfache Riemenübersetzung, die ich jedoch nach einem Uhrmacherkurs durch Zahnräder ersetzt habe. Keine einfache Sache übrigens, irgendwie scheint mein Künstlerhirn nicht dafür gemacht zu sein, Übersetzungsverhältnisse und Getriebefunktionen zu verstehen.“
Ganz offensichtlich hat Gleave inzwischen auch die mechanischen Künste gemeistert: Ungefähr 170 Orreries sind in seiner Werkstatt bisher entstanden, von einfachen Erde-Mond-Modellen bis hin zu aufwendigen Grand Orreries – einschließlich eines Modells mit einem beringten Saturn, dessen größte Monde sich unabhängig voneinander bewegen. Und manchmal übertreibt er es auch ein bisschen. „Mein größtes Orrery hatte einen Durchmesser von 1,6 Metern,“ erinnert er sich. „Leider habe ich zu spät gemerkt, dass es nicht durch die Tür passt. Letztendlich musste ich es wieder komplett auseinander nehmen und die Garage meines Nachbarn als Werkstatt anmieten. Heute baue ich vorzugsweise nur noch Orreries bis 1,2 Meter, der Größe meiner Haustür.“
Das Tischmodell an dem er gerade arbeitet, passt locker durch die Tür. Der goldglänzende Mechanismus reproduziert die Bewegungen des Merkur, der Venus, der Erde und des Monds. Unter einer golfballgroßen Messingsonne dreht sich ein balkenförmiges Gehäuse, vollgestopft mit Zahnrädern. „Die aufwendige Mechanik ist nötig, um den Metonischen Zyklus des Mondes und seine Bahnneigung zu reproduzieren,“ erklärt Gleave den wohl wichtigsten Grund, warum – damals wie heute – Orreries überhaupt gebaut werden.

Meton von Athen entdeckte 432 vor Christus, dass sich die Mondphasen ungefähr alle 19 Jahre am selben Tag des selben Monats wiederholen. Eine Tatsache, die sich beispielsweise in der Berechnung des Osterdatums widerspiegelt. Da sich der Mond nicht nur um die Erde, sondern gleichzeitig mit ihr um die Sonne bewegt, unterscheidet sich der von der Erde aus beobachtete Mondzyklus leicht von der aus dem Weltall betrachteten Dauer einer Erdumkreisung. Zu kompliziert? Wie wär’s dann mit der Tatsache, dass die Bahn des Mondes nicht wie die der meisten anderen Monde in der Äquatorebene ihres Planeten sonder ungefähr fünf Grad geneigt zu der Ebene liegt, die die Erde um die Sonne beschreibt. Was im übrigen der Grund dafür ist, dass es nicht jeden Monat zu einer Mondfinsternis kommt. Komplett verwirrt? Da hilft ein Orrery. Ein paar Drehungen an der Kurbel von Gleaves Kunstwerk und schon ist klar, was so schwer zu erklären ist.

Anmerkung von Blindnerd:
2015 viel der Vollmond direkt auf Heilig Abend, 24.12. Da stellte ich mir natürlich di Frage, wann das denn das nächste mal so sein wird. Ich dachte mir, wenn Finsternisse gewissen Zyklen gehorchen, dann muss es doch mit dem Vollmond ähnlich sein, der auf ein gewisses Datum fällt.
Auch dieser Weihnachtsvollmond gehorcht dem Meto-Zyklus. Und wie Matthias schon erwähnte, spielt er in die Berechnung des Ostertages mit hinein. Gerade dieses Jahr hatten wir das Oster-Paradoxon. Ich schrieb im Artikel Fällt Ostern 2019 aus darüber.

OK, Bitte, Matthias, fahre fort. Entschuldige bitte die Unterbrechung.

Obwohl solche Komplikationen schon von Rowley in seinem Ur-Orrery berücksichtigt wurden, hält Gleave sich nicht allzu sehr an die historische Vorlage. „Im Allgemeinen sind meine Orreries keine exakten Repliken bestehender Geräte. Dazu bin ich wohl noch zu sehr Künstler. Mein Ziel ist es genaue, aber vor allem ästhetisch ansprechende Orreries zu bauen.“

Welten fürs Wohnzimmer

Ein Sinn für Kunst und Ästhetik ist wohl ebenso eine Voraussetzung für den Beruf des Orrery-Machers wie mechanisches Geschick. „Außerdem braucht es die Geduld eines Engels, die Kraft Samsons und das Bankkonto eines Rockefellers,“ beschreibt Brian Greig aus dem australischen Melbourne den Versuch, mit dem Bau von Orreries seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ein sehr erfolgreicher Versuch im Übrigen, zumindest für seine Kunden, die seine Meisterwerke seit Jahren schätzen. Greig begegnete seinem ersten Orrery im Sotheby Katalog seines Onkels, eines Kunstsammlers. Die Schlichtheit dieser mechanischen Universen war es, die seine Liebe entfachte. Eine Liebe, die 1990 mit seinem ersten, selbstgebauten Orrery endlich ihre Erfüllung fand.
Heute ist daraus eine breite Palette geworden, von Kopien der klassischen englischen Modelle Rowleys und Grahams bis hin zu speziellen Orreries: Ein Tellurium etwa, das die Jahreszeiten verdeutlicht, ein Lunarium, das die komplizierte Bewegung unseres Mondes beschreibt und sogar ein Mars Orrery mit den Monden Phobos und Deimos. Dessen Besonderheit sind elliptische Zahnräder, die das zweite Keplersche Gesetz – der Radiusvektor eines Himmelskörpers überstreichen in gleicher Zeit gleiche Flächen – berücksichtigen. Eine von den meisten Orreries stillschweigend vernachlässigte Komplikation; statt astronomisch korrekten Bahnen wird in der Regel nur das Verhältnis der Umlaufzeiten wiedergegeben. „Mein Lieblingsstück jedoch ist eine Replik von Edward Troughtons Orrery von 1800,“ meint Greig und nimmt ein klassisches Modell der inneren Planeten, der Erde und des Mondes aus dem Regal. „Für das Erste habe ich volle drei Jahre gebraucht.“ Einen nicht unwesentlichen Teil davon verbrachte er damit, den Kurator des Science Museum in London zu überreden, Papierabriebe vom Original machen zu dürfen. Nicht ungewöhnlich für Greig: Der Australier ist absolut detailversessen. Stundenlang kann er mit dem Vergrößerungsglas über alten Stichen oder Photos brüten und Zähne zählen. Und es passiert schon mal, dass er von einem Kurator aus dem Museum geworfen wird, weil er eines der wertvollen Originale röntgen lassen wollte.
Ist aber der Plan eines alten Orreries erst einmal rekonstruiert, schließt sich Greig fräsend- und drehenderweise in seiner Werkstatt ein. Die Zahnradherstellung ist aufwendige Handarbeit: Zuerst wird mit der Schlagschere ein Messingblech grob zurechtgeschnitten und in der Drehbank auf den gewünschten Durchmesser gebracht. Mehrere dieser Messingscheiben spannt er anschließend in eine Fräsmaschine mit Teilscheiben ein, mit der er jeden Zahn einzeln, oft sogar in mehreren Durchgängen fräst. Versuche, diese zeitaufwendige Prozedur abzukürzen, sind kläglich gescheitert: „Die Idee, die Zahnräder mit einer modernen Laserschneidmaschine auszuschneiden, haben wir schnell wieder aufgegeben – das stark reflektierende Messing hat beim ersten Versuch den Spiegel zerstört und die Maschine erstmal für einen Monat lahm gelegt.“ So betreibt Greig den Bau von Orreries bis heute noch als echtes Handwerk, das zwar sehr mit der Uhrmacherkunst verwandt ist, schon immer aber eher von Instrumentenbauern denn von Uhrmachern ausgeübt wurde. Eine Tradition der sich auch der 63 jährige Greig verpflichtet fühlt: „Ich hasse Uhrenläden. Das Ticken erinnert mich immer daran, dass meine Zeit abläuft.“
Und davon braucht Greig jede Menge. In einem normalen Orrery stecken drei Monate Arbeit, jährlich verlassen nicht mehr als drei bis vier Stück seine Werkstatt. Wie seit jeher setzt sich seine Kundschaft aus Universitäten, Museen und reichen Sammlern zusammen, die noch ein schmuckes Stück für Ihre Bibliothek suchen. Keine billige Anschaffung, schon ein einfaches Erde-Mond-Orrery kostet um die 3000 Euro. Dennoch sind Greigs Auftragsbücher gut gefüllt. Sicher, ein Besuch im Planetarium ist günstiger und wahrscheinlich lehrreicher und Computerprogramme ermöglichen äußerst realistischere Reisen durch unser Sonnensystem. Dennoch strahlen diese Himmelsmechaniken eine ungebrochene Faszination aus. Wie magisch ziehen sie jeden an, der in ihre Nähe kommt und wecken in ihm fast automatisch den Wunsch, eines dieser Wunderwerke zu besitzen. Vielleicht ist es ja die Wärme von Messing, Emaille und poliertem Holz, die uns die ansonsten so kalten, astronomischen Gleichungen näher bringt. Vielleicht das beruhigende Gefühl, dass die mächtigen Himmelskörper in immer gleichen Bahnen laufen, die wir mit einem Hand gemachten Räderwerk nachbilden können. Oder vielleicht sind Orreries einfach nur deshalb so faszinierend, weil sie dem Traum, per Kurbelantrieb zu den Planeten zu reisen, am nächsten kommen.

Schlussbemerkung von Blindnerd:

So, lieber Matthias. Vielen Dank für diese wunderbaren Ausführungen.
Auch ich besitze ein ganz kleines Modell des Sonnensystems, ein solar betriebenes China Gadget, das ein Bausatz war und kaum zwanzig Euros gekostet hat. Was solls, immerhin.
Tja, ob ich als blinde Person jemals irgendwo ein Orreri anfassen darf, wage ich zu bezweifeln. In dem Fall kann ich es ob der filigranen Verarbeitung, der fragilen Bauweise und des Preises vielleicht sogar traurigen Herzens nachvollziehen und verstehen.
Aber wer weiß. Mich faszinieren Uhren Orreries und solche mechanischen Dinge sehr.
Dir nochmal vielen herzlichen Dank für Deinen Artikel, der zweifellos ein Juvel auf meinem Blog darstellt.

bis zum nächsten mal grüßt euch
Euer gerhard.

Die Finsternis an Karfreitag und der zerrissene Tempelvorhang


Seid herzlich gegrüßt,

Nachdem wir uns bereits zu Ostern damit beschäftigten, wie der Ostertag astronomisch und kalendarisch berechnet wird, und nachdem wir 2019 wegen des Osterparadoxons schon wieder so spät Ostern feierten, beschäftigen wir uns diesmal mal etwas spekulativ mit einigen Vorkommnissen, die sich an Karfreitag zugetragen haben wollen.

Es geht mir hier nicht darum, religiöse Ereignisse in Frage stellen zu wollen, aber man kann ja mal schauen, ob so eine Geschichte einen astronomischen Hintergrund hat, oder nicht.
In den Evangelien ist davon die Rede, dass sich zum Zeitpunkt der Kreuzigung der Himmel für mehrere Stunden verdunkelte und der Vorhang des Tempels zerriss.
Bei Mathäus liest sich das so:

Mt 27,45 Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.
Mt 27,46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Als Jesus schließlich verstarb, heißt es weiter:

Mt 27,50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.
Mt 27,51 Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus.
Mt 27,52 Und die Erde erbebte und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf
Mt 27,53 und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen

Das sollte es uns Wert sein, sich damit zu beschäftigen, was es vor allem mit dieser Finsternis auf sich hatte.
Das Jüdische Pessach-Fest wurde ähnlich terminiert, wie heute unser Osterfest. Somit lag es stets deutlich nahe an Vollmond.
Sonnenfinsternisse sind stets Neumond-Ereignisse.
Somit ist, wenn man den Evangelisten glauben schenkt, zum Zeitpunkt der Kreuzigung Jesu, keine Sonnenfinsternis möglich.
Es könnte aber sein, dass die Kreuzigung in der Überlieferung fälschlicherweise mit dem Pessach-Fest zusammengelegt wurde.
Ungewöhnlich ist das nicht. Das hat man mit Schlachten und erscheinenden Kometen auch immer mal wieder gemacht, dass man die Ereignisse so terminierte, dass der Komet ein Omen für den Ausgang der Schlacht war…

Der Evangelist Lukas schrieb doch klar und deutlich, dass die Sonne ihren Glanz verlor.

Lk 23,44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde,
Lk 23,45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei.
Lk 23,46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.

Bemüht man einen Katalog der Finsternisse, z. B. den von Oppolzer oder Mucke, kann man herausfinden, welche Finsternisse es um das Jahr 30 herum in Palästina gab.
Vorausgesetzt, es handelte sich wirklich um eine normale astronomische Sonnenfinsternis, und nicht um eine theologisch außer der Reihe stattfindende Finsternis, für welche nicht die Naturgesetze, sondern ein göttlicher Ratschluss verantwortlich war.

Wie dem auch sei, findet man im Jahre zehn vor Christus eine Sonnenfinsternis,
eine weitere am 24.11.29 und eine am 30.04.59. Somit würde allenfalls diejenige des Jahres 29 ungefähr zeitlich auf die Kreuzigung passen.
Sie stimmt auch gut mit anderen Datierungen der Geschichte Jesu überein, der nach heutiger Erkenntnis ungefähr um das Jahr sieben v. Chr. geboren ist. Nur mit dem Pessach-Fest ist sie nicht vereinbar.
Man kann auch mit der kostenlosen Software Stellarium oder Calsky versuchen, die Finsternisse zu finden. Allerdings weiß ich momentan nicht genau, ab welchem Jahrhundert die Software ungenau rechnet.
In dem Buch „Schwarze Sonne, roter Mond“ von Rudolf Kippenhahn ist die Suche nach der Oster-Finsternis sehr schön erklärt.

Seltsam an dieser Finsternis ist, dass sie über drei Stunden gedauert haben soll. Eine Sofi kann im günstigsten Fall nie länger als acht Minuten währen.
Eine Mondfinsternis könnte schon so lange andauern, findet aber bei Nacht statt.

Wir werden es hier nicht lösen, was es wirklich war. Vermutlich von allem ein bisschen.
Sollte die Natur dieses für uns bis heute so wichtige Ereignis mit einer Sonnenfinsternis unterstrichen und markiert haben, können sich auch viele nichtreligiöse Menschen dieser Schönheit nicht entziehen, die das mit sich brächte.
Finsternis, Erdbeben und zerrissener Vorhang könnten aber auch einfach der damals verwendeten Bildersprache entstammen.

Zum Vorhang des Tempels lässt sich wenig sagen. Ich las einmal, dass ein Sturm vermutet wurde. Dieser könnte die Verdunkelung des Himmels mit dem vom Wind zerrissenen Vorhang in Verbindung bringen. Das ist aber sehr spekulativ.
Genau genommen gab es zwei Vorhänge, die wurden jährlich erneuert. Einer vor dem Eingang in das Heiligste als Abgrenzung zum Vorhof und der zweite die Abgrenzung zum Allerheiligsten mit der Bundeslade, wo nur einmal im Jahr der Hohepriester hinein durfte. In 2. Mose 26,31 steht, wie der Vorhang für die Stiftshütte gemacht wurde und für den vorderen Teil eine Decke. Für den Tempel war alles nur größer.
Interessant ist hier folgendes:
Der Vorhang verbarg stets das Allerheiligste des Tempels. Normalerweise konnte und durfte niemand dahinter sehen. Jetzt zerreißt dieser Vorhang, und man könnte mal sehen, was sich dahinter verbirgt, und jetzt ist es, so ein Pech, genau in diesem Moment finster. Somit sieht man auch wieder nichts.
So, oder so ähnlich schlüpft uns das Göttliche und Heilige oft durch die Finger, wenn wir es ergründen wollen.
Die schönste und beeindruckendste Vertonung des zerreißenden Tempelvorhangs gibt es bei Johann Sebastian Bach in seiner Mathäuspassion zu hören. Das lohnt sich wirklich.

Astroplauderei


Seid herzlich gegrüßt,

heute möchte ich euch mal wieder etwas für die Lauscherchen anbieten.
Es hat durchaus mit „Das Ohr am Teleskop“ zu tun.
Und das erwartet euch:

Nach einer kurzen Einführung geht es zu einer Podcast-Folge von Merkst.de, die Stephan Merk, der Macher dieses sehr hörenswerten Podcastes, mit mir aufgenommen hat.
„Vielen Dank, lieber Stephan für diese Ehre. Es hat mir sehr viel Freude bereitet.“
Er ist einer der größten Blogger und Podcaster, der mir in der Blinden- und Sehbehindertenwelt, bekannt ist. Meistens podcastet er über Audio- und andere Technologien, aber nun hat er sich entschlossen, mal einige Interviews mit Menschen aus der Community zu führen, die irgendwie etwas außergewöhnliches machen. Da liegt es natürlich nahe, dass er mal auf mich mit meinem seltsamen Hobby stieß.
Eigentlich gehört hier der Link zu Stephans Projekten hin, aber dann lest ihr vielleicht hier nicht mehr weiter, also später…

Bevor es los geht:
Ich möchte an dieser Stelle für alle, die vielleicht nicht so mit dem Format des Podcasts vertraut sind darauf hinweisen, dass ein Podcast etwas viel freieres, als ein Interview ist.
Das werdet ihr beim Hören merken. Da wird manchmal abgeschweift, man hört Gedankensprünge und manchmal werden Sätze vor Begeisterung und im Überschwang vielleicht nicht ganz zuende gesprochen. Aber das ist eben Podcast. Man ist hier nicht in ein enges Korsett einer Radiosendung zwischen Musik, Werbung und Zeitvorgaben gepackt.
Was Podcasts sind und wieso ich sie so sehr liebe, verlinke ich weiter unten nochmal.
Also trafen wir uns virtuell und plauderten über Astronomie.
Als Einführung und Vorspann, als Vorstellungsrunde sozusagen, hört ihr ein Interview, das Stephan im letzten Frühjahr auf der Sightcity 2018 in Frankfurt mit meinem Arbeitskollegen führte. Der erzählt darüber, was unser Studienzentrum für Sehgeschädigte ist, welche Unterstützung wir anbieten, was bei uns studiert wird, und welche Hilfsmittel und Technologien bei uns eingesetzt werden, um ein Studium in Inklusion zu ermöglichen.
Diese Einführung mit meinem Freund und Kollegen ist mir ganz wichtig, denn ohne das Zentrum, an dem ich seit nun mehr zwanzig Jahren tätig bin, könnte ich meine Vorträge, Seminare und Freizeiten niemals in dieser Qualität anbieten.

„Dank an unser ganzes Team, dass ihr mich mit eurer Kraft und Arbeit hier unterstützt.“

Nach diesem Vorspann, der dauert etwa 13 Minuten, geht es dann ungefähr 90 Minuten auf meine Sternenreise mit Stephan.

Unten in dem Blogbeitrag findet ihr dann noch einige Links die die angesprochenen Themen etwas vertiefen und natürlich auch zu Stephans Projekten führen.

Nun Mixe sich wer mag, einen pan galaktischen Donnergurgler, oder auch was anderes,
lehnt euch zurück, klickt auf den Podcast und habt Freude mit dem Interview.
Zur Podcast-Folge auf Merkst.de
Interview als herunterladen.

Zu Stephan und seinen Projekten findet ihr hier.

Link Wieso ich Astronom wurde, erklärte ich euch
in Wieso ich Astronom wurde

Wer sich für mein Buch interessiert, hier in Kürze die wichtigsten Daten.
Titel:
„Blind zu den Sternen – Mein Weg als Astronom“

Autor: Gerhard Jaworek
Erschienen im Aquensis-Verlag Baden-Baden unter der Rubrik Menschen am 01. Oktober 2015
ISBN: ISBN: 978-3-95457-134-5

Buchrückseite:
Wie kann ein blinder Mensch eine Liebe zur Astronomie entwickeln, ohne je einen Stern gesehen zu haben? Gerhard Jaworek, Diplom-Informatiker am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT), gilt medizinisch als vollblind.
Trotzdem ist Astronomie seine Leidenschaft. In diesem Buch beschreibt er lebendig und anschaulich, wie sein naturwissenschaftliches Interesse und seine Neugierde schon im Kindesalter geweckt wurden, wie er sich diese Welt mit seiner Blindheit erobern konnte und welche Chancen die Astronomie für gelebte Inklusion bietet.

Das Buch ist im Handel für 14 Euro erhältlich es gibt es als Papier-Version, als Ebook und für mitglieder der Blindenhörbüchereien wurde es in Marburg aufgelesen.

„Mit dem Ohr am Teleskop“ heißt eine Serie auf meinem Blog die Astronomie unter dem Höraspekt betrachtet.
Mit Mit dem Ohr am Teleskop führte ich allgemein in das Thema ein.

Im Artikel Klingende Planetenbahnen könnt ihr hören, was ich mit dem Klang der Planetenbahnen meinte.

Nun hoffe ich, dass ihr nicht völlig erschlagen seid von dieser Fülle an Informationen.

Alles gute und bis zum nächsten mal grüßt euch
euer Gerhard.

Eine Mondfinsternis als Lebensretterin


Seid herzlich gegrüßt

Dann will auch ich mich nicht lumpen lassen, und mal über eine Mondfinsternis mit Tragweite schreiben.
Kolumbus und die Mondfinsternis vom Februar 1504:

Er war mit seiner Mannschaft auf Jamaika gestrandet. Der Sturm hatte die Schiffe zerstört und teile der Mannschaft begannen zu meutern.
Auch Nahrung und Wasser wurden knapp.
Außerdem mussten sie mit Racheangriffen der Ureinwohner rechnen, die sie zuvor geplündert hatten.
Nun erkannte Kolumbus, dass eine Mondfinsternis bevorstand. Hierfür benutzte er astronomische Karten zur Navigation des Astronomen Johannes Müller.
Er ist vermutlich eher unter dem Namen Regio Montanus bekannt, was der lateinische Name seines Heimatortes Königsberg, bedeutet.
Kurz um, wandte sich Kolumbus mit dieser Tatsache derart an den Häuptling, dass er für den Fall, dass keine weitere Hilfe von Seitens der Eingeborenen käme, er seinem christlichen Gott befehlen würde, ihnen Leid zu zu fügen. Als Zeichen, dass dieser Gott es Ernst meine, werde er in der folgenden Nacht dem Mond den Glanz nehmen.

Zum Glück sagten Kolumbusens Sternkarten die Mondfinsternis richtig voraus, ansonsten wären vermutlich einige in den Kochtöpfen der Ureinwohner  gelandet.
So aber, bekamen diese Angst und versorgten die Mannschaft weiterhin mit Nahrung und was sonst von Nöten war, um die Heimreise antreten zu können.

Johann Müller aus Königsberg war einer der größten Mathematiker und Astronomen des 15. Jahrhunderts.
Er ist auch unter dem Namen „Regio Montanus“ bekannt. Dieser Lateinische Name, leitet sich aus seinem Geburtsort „Königsberg“ ab.
Er erstellte u. a. Sternkarten und Sterntafeln für Seefahrer, die sich großer Beliebtheit erfreuten und die Navigation deutlich verbesserten.
In Wikipedia steht unglaublich viel von ihm.
Hätte Kolumbus nicht seine Efimeriden auf seinen Schiffsfahrten benutzt, so wäre es ihm hier sicher richtig schlecht ergangen und es hätte ihn vermutlich das Leben gekostet. Dank Müller blieb er am Leben.

Taugt ein Stern als Navi, um einen Stall zu finden?


Seid weihnachtlich gegrüßt,

Vor vielen Jahren, ich glaube, es war 2013, hatte ich einen kleinen Mailwechsel mit einem Freund, der Pfarrer ist und auch hier mit liest, über das Thema, was denn der Stern von Betlehem überhaupt gewesen sein soll.
Und darum geht es:
„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. … Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.“

Daraus ist dann ein kleiner Text mit einigen Betrachtungen zum Stern von Betlehem entstanden, den ich hier gerne nochmal aufwärme und mit euch teile.
Bitte nicht wundern, dass der Text in der dritten Person geschrieben ist. Offenbar habe ich vor fünf Jahren so geschrieben. Das schreibe ich jetzt nicht nochmal um, dokumentiert es doch auch die Entwicklung meines Schreibstils.

Mit diesem Beitrag entlasse ich sie und euch in den wohl verdienten Weihnachtsurlaub. Ich melde mich dann zwischen den Jahren nochmal mit meinem obligatorischen astronomischen Jahresrückblick.
Also, los geht es. Was war er denn nun, der Stern von Betlehem?
Eine Supernova war es nicht, denn ansonsten könnten wir ihre Reste als Nebel wahrnehmen, der dann vielleicht sogar einen Neutronenstern in sich bergen würde. Mit viel Glück würde dieser Neutronenstern sich so geschickt drehen, dass seine Radioimpulse uns als tickendes und tackendes Geräusch erreichen würden, das wir mit Radioteleskopen letztlich auch hören könnten.

Eine Sonnenfinsternis oder etwas ähnliches war es wohl auch nicht, denn sonst wäre er anders beschrieben worden. Es gibt Geschichten in der Bibel, welche besser auf Sonnenfinsternisse passen würden.

Viele Planetarien bieten immer wieder eine Zeitreise zurück um das Jahr null herum an, um zu sehen, ob der Stern eventuell sichtbar wird.
Nun ja, nach heutigem Wissensstand war es kein Stern, sondern vermutlich eine besonders helle Konstellation der Planeten Mars und Venus.
Es geht mir hier nicht darum, das Weihnachtswunder zu widerlegen, aber es muss erlaubt sein, zu fragen, wie es war, wie es funktioniert, und ob es so sein kann, wie es erzählt wird.
Die Geschichte ist auch absolut würdig, unter die Lupe genommen zu werden, denn sie ist die einzige mir bekannte Geschichte der Bibel, in welcher der Sternenhimmel als Navigationshilfe benutzt wird.
Ein Kandidat zur Sternen-Navigation wäre der vierzigjährige Marsch des Volkes Israel durch die Wüste gewesen, aber hier wollte Gott offenbar ganz sicher gehen und führte Moses als Feuersäule und als Wolke auf dem richtigen und direkten Weg nach Kanaan.
Für die Schiffsreisen der Bibel brauchte man kaum Sternen-Navigation, denn sie verliefen meist an Küsten entlang, durch Flüsse, oder über Seen. Das ist alles mit Sichtkontakt als Navigationshilfe machbar. Zur zeitlichen Orientierung reichten Sonne und Mond aus.
Somit ist und bleibt die Ankunft der drei Könige die vermutlich einzige Navi-Geschichte der Bibel.
Da Pfarrer hier mitlesen, die es vielleicht besser wissen, bitte sofort widersprechen, wenn dem nicht so ist.

OK, zurück zum Stern von Betlehem.
Das „Was“ bleibt etwas im Nebel der Zeitrechnung verborgen. Für die folgenden Betrachtungen nehmen wir allerdings einen Stern an und nehmen die Geschichte wörtlich.

Wir kommen nun zur Frage, ob ein Stern überhaupt eine derart genaue Navigation ermöglicht, dass es Königen aus dem Morgenland möglich ist, bis ins Abendland, bis in die richtige Stadt, und letztlich punktgenau bis an den richtigen Stall zu navigieren.
Damit wir uns die Sache besser vorstellen können, fangen wir mit der Navigation aus der Nähe an. Es wird nun öfters von Sehen, von Winkeln, von Perspektive etc. die Rede sein. Diese Begriffe sind Begriffe der Sehwelt und für Menschen mit Blindheit eventuell schwer nachvollziehbar.
Sie funktionieren aber auch akustisch. Die zwei Augen werden zu zwei Ohren, eine Sehrichtung mit einem Winkel wird zum Hörerlebnis aus einer Richtung, Nah und Fern bedeuten dann laut und leise, und schließlich wird Helligkeit zur Lautstärke.
Nachdem diese Analogien geklärt sind, kehre ich zu den Begriffen der visuellen Welt zurück.

Navigation hat immer mit Richtung und Entfernung zu tun. Richtung und Entfernung nehmen wir mit unseren Augen wahr. Wohl gemerkt, mit beiden Augen.Die unterschiedliche Sicht beider Augen auf einen Punkt ergeben die Perspektive.

Beispiel:
* Strecken Sie die Hand vor sich aus.
* Halten Sie einen Finger auf Höhe ihres Gesichtsfeldes.
* Bedecken Sie nun abwechselnd ihr linkes und rechtes Auge.
* Nehmen Sie wahr, wie sich ihr Finger, Ihr Punkt gegen den Hintergrund verschiebt.

Mit einem Küchenradio, vor welches Sie sich stellen und den Ohren funktioniert es auch. Verschließen Sie das rechte Ohr, hören Sie das Radio von links, obwohl sie davor stehen und umgekehrt.
Wie auch immer entsteht der Raum durch die unterschiedliche Perspektive beider Organe.

Für Navigation bedeutet das:
Desto näher ein Punkt bei uns ist, desto genauer können wir ihn mit Augen oder Ohren ausmachen und auffinden.

Widerholen Sie das Beispiel z. B. in einer Turnhalle und verlegen ihren Punkt auf die von ihnen gegenüberliegende Wand, werden Sie merken, dass sich ihr akustischer oder vor allem ihr visueller Punkt längst nicht mehr in dem Maße gegen den Hintergrund verschiebt, wie zuvor. Sie sehen ihn zwar noch, nicht aber besonders genau.
seine Position. Verlegen wir den Punkt nach draußen, z. B. dass Sie nachts ein Licht in der Ferne sehen, so können Sie sich sogar leicht drehen, ohne, dass sich ihre Perspektive wesentlich ändert.

Spazieren Sie unter dem Sternenhimmel, so ist die Entfernung so groß, das Sie quasi nicht unter einem Stern, wie unter einer Laterne hindurchlaufen können.
Der Sternenhimmel scheint derselbe zu bleiben. Natürlich ändert sich der Sternenhimmel, indem sich die Erde unter ihm hindurch dreht, aber das lässt sich so nicht direkt erleben.

Sie legen auf ihrem Spazierweg zuwenig Strecke zurück, als dass sich ihre Perspektive zu den Sternen verschieben könnte.
Sie tut es natürlich, aber einen derart kleinen Winkel können Sie mit ihren Augen selbst dann, wenn Sie noch andere Sterne als Referenz zuhilfe nähmen, nicht auflösen.
Meines Wissens nach sind die Insekten diejenigen Wesen mit der besten Winkelauflösung ihrer Augen. Sie können sehen, dass sich die Erde dreht, wenn sie auf einem punkte verharren und in die Sonne schauen.

Das bedeutet, dass es für unser Navi-Problem nicht möglich ist, genau auf einen Stern, oder wenigstens fast genau, zu zu laufen, geschweige denn hinter einem her. Eine Ungenauigkeit sagen wir von ein zwei Kilometern wäre auf freier Fläche vielleicht noch möglich, da man den Stall noch erspähen könnte. Der Blick von einem hohen Berg herab könnte zumindest am Tage, während dessen der Stern von der Sonne überstrahlt worden sein dürfte, die Aussicht zum Stall hinunter ins Tal erleichtern. Wäre der Stern heller als die Sonne, würde ich mir aus astronomischer Sicht langsam Gedanken um unser aller Leib und Leben machen.

Selbst Sonne, Mond und eine gute Kenntnis des Sternenhimmels könnten die Situation nur unwesentlich verbessern.
Durch Himmelskunde könnte man sicherlich das Abendland finden und möglicherweise sogar die ungefähre Breite, auf welcher der Stall liegen soll, aber die Ungenauigkeit wäre dann noch immer so hoch, dass eine Stadt in das Quadrat passen würde, in welchem sich der Stall befinden soll.
Auch Seefahrer lebten mit diesem Dilemma.
Den Weg über den Ozean, von Kontinent zu Kontinent, von Insel zu Insel kann man mit guter nautischer Erfahrung, wozu auch Kenntnisse in Astronomie zählen, noch schaffen.
Nicht selten gingen aber Schiffe verloren. Vor allem funktioniert dieses Navi bei Sturm und Wolken leider nicht.
Auch ein Kompass zeigt nur nach Norden, hilft aber ansonsten nicht weiter.
So setzte die Englische Krone einen sehr hohen Geldbetrag für denjenigen aus, der eine seetaugliche Uhr entwickelte. Dies tat dann Harrison.
Mittels dieser Uhr und dem Sonnenstand konnte man immerhin an der Zeit Englands ausgerichtet den Längengrad bestimmen, auf welchem man sich mit seinem Schiffchen befand.
Zeigte die Uhr nach Englischer Zeit Mittag an und hatte man auf dem Boot dunkle Nacht, so musste man auf der anderen Seite der Erde sein.
Kometen und Meteore rechnete man früher als Erscheinungen der Luft zu, weil sie sich rasch bewegen, mussten sie nahe sein.
Und das muss ein rasches Objekt gewesen sein, denn es zog Laut der Bibel vor ihnen her und blieb dann über dem Stall schließlich stehen.

Erst Tycho Brahe, der wohl größte Beobachter des Himmels des letzten Jahrtausends und Sternbeobachter von Johannes Kepler konnte dies widerlegen.
Er vermaß den Standort eines gut sichtbaren Kometen von seiner dänischen Insel Ven aus. Diese verglich er mit den Daten, die zur gleicher Zeit ein mit ihm befreundeter Astronom in Prag erfasst hatte.
Er wunderte sich, dass die Winkel exakt übereinstimmten, obwohl Prag und Dänemark so weit voneinander entfernd sind. Sollte sich doch die Perspektive entlang einer Kugel auf diese Entfernung doch schon bemerkbar machen.
Daraus schloss Tycho, dass der Komet so weit von uns weg sein müsse, dass der Winkel für die damaligen Messinstrumente nicht auflösbar war.
Schon mit einem verhältnismäßig nahen Kometen wird Navigation derart ungenau, dass man nie ankommen würde. Wie weit müssen denn dann die Sterne entfernt sein?

Ganz ähnliche Versuche wurden im antiken Griechenland gemacht, um den Abstand der Erde zur Sonne zu messen, um ihren Durchmesser zu schätzen und um den Erde-Mond-Abstand zu berechnen. Nicht zuletzt wurde mit dieser Tatsache bewiesen, dass die Erde rund sein muss.

Ich finde es eine ganz wunderbare Geschichte, dass drei Könige unseren Retter besuchen, um ihm zu huldigen.
Sie mögen den Weg mit Gottes Hilfe oder mittels Durchfragen oder sonst wie gefunden haben. Mit Astronomie alleine aber sicherlich nicht.

Ich hoffe, dass sich durch diese für manche vielleicht etwas ketzerisch wirkende Abhandlung dieses Ereignisses, niemand beleidigt fühlt.

Nun hoffe ich, dass euch meine vorweihnachtlich – astronomischen Gedanken etwas Freude bereiten.

Jetzt wünsche ich uns allen eine geruhsame, besinnliche und fröhliche Weihnachtszeit.

Ein kleiner Nikolaus


Meine lieben,
Heute ist Nikolaus. Hier kommt mein kleiner Nikolaus für euch.
Weihnachtsmann mal ganz anders. Es sei hier nebenbei bemerkt, dass ich Weihnachten irgendwie sehr mag. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass Weihnachtsmärkte am Abend in Dunkelheit die stärkste visuelle Erinnerung sind, die ich noch aus der Zeit habe, als ich noch über einen kleinen Sehrest verfügte. Gehe ich heute in Dunkelheit über einen Weihnachtsmarkt, dann erstehen diese Erinnerungen neu und ich ergänze jeden Eindruck an den Ständen mit Licht.
Aber nun einige physikalische Betrachtungen zum Weihnachtsmann:

kennt ihr noch dieses lustige alte Ding?

Es kursiert meist ohne Autor, aber vor etwa 25 Jahren kannte es vor allem an technischen Hochschulen jeder.

Viel Freude und eine besinnliche Vorweihnachtszeit wünscht euch

Euer Gerhard.

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Es gibt gar keinen Weihnachtsmann!
Das sagt jedenfalls die klassische Physik!

1) Keine bekannte Spezies der Gattung Rentier kann fliegen. ABER es gibt 300.000 Spezies von lebenden Organismen, die noch klassifiziert werden müssen, und obwohl es sich dabei hauptsächlich um Insekten und Bakterien handelt, schließt dies nicht mit letzter Sicherheit fliegende Rentiere aus, die nur der Weihnachtsmann bisher gesehen hat.

2) Es gibt 2 Milliarden Kinder (Menschen unter 18) auf der Welt. ABER da der Weihnachtsmann (scheinbar) keine Moslems, Hindu, Juden und Buddhisten beliefert, reduziert sich seine Arbeit auf etwa 15 % der Gesamtzahl – 378 Millionen Kinder (laut Volkszählungsbüro). Bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von 3,5 pro Haushalt ergibt das 91,8 Millionen Häuser. Wir nehmen an, daß in jedem Haus mindestens ein braves Kind lebt.

3) Der Weihnachtsmann hat einen 31-Stunden-Weihnachtstag, bedingt durch die verschiedenen Zeitzonen, wenn er von Osten nach Westen reist (was logisch erscheint). Damit ergeben sich 822,6 Besuche pro Sekunde. Somit hat der Weihnachtsmann für jeden christlichen Haushalt mit braven Kindern 1/1000 Sekunde Zeit für seine Arbeit: Parken, aus dem Schlitten springen, den Schornstein runterklettern, die Socken füllen, die übrigen Geschenke unter dem Weihnachtsbaum verteilen,

alle übriggebliebenen Reste des Weihnachtsessens vertilgen, den Schornstein wieder raufklettern und zum nächsten Haus fliegen. Angenommen, daß jeder dieser 91,8 Millionen Stops gleichmäßig auf die ganze Erde verteilt sind (was natürlich, wie wir wissen, nicht stimmt, aber als Berechnungsgrundlage akzeptieren wir dies), erhalten wir nunmehr 1,3 km Entfernung von Haushalt zu Haushalt, eine Gesamtentfernung von 120,8 Millionen km, nicht mitgerechnet die Unterbrechungen für das, was jeder von uns mindestens einmal in 31 Stunden tun muß, plus Essen usw.

4) Das bedeutet, daß der Schlitten des Weihnachtsmannes mit 1040 km pro Sekunde fliegt, also der 3.000-fachen Schallgeschwindigkeit. Zum Vergleich: das schnellste von Menschen gebaute Fahrzeug auf der Erde, der Ulysses Space Probe, fährt mit lächerlichen 43,8 km pro Sekunde. Ein gewöhnliches Rentier schafft höchstens 24 km pro STUNDE.

5) Die Ladung des Schlittens führt zu einem weiteren interessanten Effekt. Angenommen, jedes Kind bekommt nicht mehr als ein mittelgroßes Lego-Set (etwa 1 kg), dann hat der Schlitten ein Gewicht von 378.000 Tonnen geladen, nicht gerechnet den Weihnachtsmann, der übereinstimmend als übergewichtig beschrieben wird.

Ein gewöhnliches Rentier kann nicht mehr als 175 kg ziehen. Selbst bei der Annahme, daß ein „fliegendes Rentier“ (siehe Punkt 1) das ZEHNFACHE normale Gewicht ziehen kann, braucht man für den Schlitten nicht acht oder vielleicht neun Rentiere. Man braucht 216.000 Rentiere. Das erhöht das Gewicht – den Schlitten selbst noch nicht einmal eingerechnet – auf 410.400 Tonnen. Nochmals zum Vergleich: das ist mehr als das vierfache Gewicht der Queen Elizabeth.

6) 410.400 Tonnen bei einer Geschwindigkeit von 1040 km/s erzeugt einen ungeheuren Luftwiderstand – dadurch werden die Rentiere aufgeheizt, genauso wie ein Raumschiff, das wieder in die Erdatmosphäre eintritt. Das vorderste Paar Rentiere muß dadurch 16,6 TRILLIONEN Joule Energie absorbieren. Pro Sekunde. Jedes. Anders ausgedrückt: sie werden praktisch augenblicklich in Flammen aufgehen, das nächste Paar Rentiere wird dem Luftwiderstand preisgegeben, und es wird ein ohrenbetäubender Knall erzeugt.

Das gesamte Team von Rentieren wird innerhalb von 5 Tausendstel Sekunden vaporisiert. Der Weihnachtsmann wird währenddessen einer Beschleunigung von der Größe der 17.500-fachen Erdbeschleunigung ausgesetzt. Ein 120 kg schwerer Weihnachtsmann (was der Beschreibung nach lächerlich wenig sein muß) würde an das Ende seines Schlittens genagelt – mit einer Kraft von 20,6 Millionen Newton.

Damit kommen wir zu dem Schluß:

WENN der Weihnachtsmann irgendwann einmal die Geschenke gebracht hat, ist er heute tot.

(unbekannter Verfasser)

Zum Vollmond heute Nacht eine Mondgeschichte


Ja, Morgen ist Vollmond. Das kommt vor und ist nichts besonderes an sich.

Besonders ist vielleicht, dass jetzt auch Indien mit einer Raumsonde nach dem Mond greift. Es könnte spannend werden, wer der neue erste Mensch des 21. Jahrhunderts auf dem Mond sein wird, und welche Nation dahinter steckt. Ich fände es schön, wenn es ähnlich, wie die ISS ein grenzen überschreitendes Projekt sein würde; ein Beispiel dafür, dass die Menschheit durchaus in der Lage ist, Hürden und Probleme zu meistern, wenn man sie gemeinsam angeht.

 

Vielleicht wundert ihr euch jetzt, wieso ich nichts über die momentan wirklich unglaublichen und zahlreichen Missionen schreibe, die momentan gestartet sind. Ihr kennt mich ja. Das tue ich immer dann, wenn die Medien davon abgelassen haben. Dann kann ich aus dem vollen schöpfen, und die Sache in meine Art von Kontext einbinden.

Deshalb hier einfach mal eine Mondgeschichte, Keplers Traum zum Mond.

Passend zu einem ganz normalen Vollmond ohne Supermond und ohne Mondfinsternis.
Ich werde nicht zum Werwolf und bin auch sonst nicht mondfühlig.

Trotzdem faszinierte der Mond die Menschen schon immer. Heute erzähle ich kurz etwas über eine Mondgeschichte, die mir auch noch gar nicht so lange vertraut ist.

Ich habe sie aus dem Buch „Das Weltgeheimnis“. Das gibt es wunderbar aufgelesen in der Hörbücherei Hammburg.

 

Kein geringerer, als Johannes Kepler, hatte einen Traum vom Mond. Er verfasste ein Traktat, in welchem er seine Vorstellung vom Mond, wie man dort hin kommen könnte, und welche Lebensbedingungen dort herrschten, festhielt.

Der Text diese Traktats ist heute kaum noch bekannt.
Ein Dämon wird zum Erzähler und berichtet zunächst von dem komplizierten und anspruchsvollen Auswahlverfahren, wer mondtauglich sei. „Keinen von sitzender Lebensart – keinen wohlbeleibten – keinen Wolllüstigen nehmen wir mit, sondern, wir nehmen solche, die ihr Leben im eifrigen Gebrauch der Jagdpferde verbringen, oder die häufig zu Schiff Indien besuchen und gewohnt sind, ihren Unterhalt mit Zwieback, Knoblauch, gedörrten Fischen und anderen von Schlemmern verabscheuten Speisen, zu fristen“…
Wie wichtig diese Tauglichkeitsprüfung ist, wird klar, wenn man sich den Start näher betrachtet.
Die Beschleunigung sei laut Keplers Schrift damit vergleichbar, als würde man mit Pulver über alle Lande hinweg gesprengt.
Aus diesem Grunde, müssten alle Mondfahrer vor dieser Tortur mit Opiaten betäubt werden.
Während des Aufstieges müsste man sich an eine unbeschreibliche Kälte gewöhnen, und hätte mit Atemnot zu kämpfen. Später wird die Reise unbeschwerlicher, da die Schwerkraft der Erde ab- und die des Mondes zu nimmt.
Diese Anschauung ist doch schon sehr modern. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Newtonsche Mechanik mit der dazugehörigen mathematischen Beschreibung der Schwerkraft noch nicht bekannt waren.
Problematisch könnte die Landung werden. Hier eilen Laut Kepler schützend Dämonen voraus, um eine weiche Landung zu ermöglichen. In Keplers Text heißt der Mond plötzlich Levania und die Erde nennt er Volva.
Als Astronom stellt Kepler gleich nach der Ankunft klar, dass der Fixsternhimmel auf Levania dem der Erde sehr ähnlich ist. Es gäbe jedoch gravierende Unterschiede. So geht auf dem Mond die Sonne nur zwölf Mal pro Jahr auf und wieder unter. Somit gingen die Uhren dort sehr viel langsamer.
Tag und Nacht wären gemeinsam einen synodischen Monat lang.
In dieser langen Nacht versinkt der Mond in Kältestarre und seine Bewohner hätten mit wütenden Winden zu kämpfen. Während des darauffolgenden nicht minder langen Tages glüht eine unbarmherzige Sonne nieder und lässt alle Kreatur schmachten. Kepplers Höhepunkt seines Traumes ist der Blick zurück.  Er beschreibt, wie man die Erde riesig vom Mond aus sehen können sollte. Heute wissen wir es von den Apollo-Raumfahrern, die um den Mond kreisen mussten, genauer. Viele Aufgänge und Untergänge der Erde am Horizont des Mondes wurden beschrieben und es gibt atemberaubend schöne Fotos davon. Sie zeigen, wie fragil unser Raumschiff Erde, die Blase, in der wir leben, ist. Gerade Gestern hat @Dlr_next die Kinderfrage vertwittert, was ein Astronaut auf dem Mond wohl sähe, wenn wir Vollmond haben. Na, findet ihr es heraus? Genau, der Astronaut hätte gerade Mittag. Die Sonne stünde für ihn hell am Zenit. Ich bin mir da jetzt nicht ganz sicher, aber ich denke, er würde die Erde vor lauter Sonnenlicht nicht sehen, ähnlich, wie wir den Mond bei Neumond aus dem selben Grund nicht sehen können.
Kepler weiß, dass Erde und Mond ein einfach gekoppeltes System sind. Das weiß er deshalb, weil er erkennt, dass der Mond uns stets dieselbe Seite zeigt. Will sagen, dass wir immer die gleiche Landschaft betrachten und diese sich nicht verschiebt, wie sie es täte, wenn der Mond sich irgendwie anders um sich selbst drehte. Deshalb sieht man den Globus ganz unterschiedlich, je nach dem, wo man sich auf dem Mondball befindet. Diejenigen, die sich auf der sog. „Dark Side“ aufhalten, sehen die Erde niemals.

Für Erdbetrachter auf dem Mond hat die Erde natürlich auch dem Mond ähnliche Phasen, die Mondbetrachter von der Erde aus sehen.

Für Mondbewohner geht die Erde innerhalb eines Monats auf, und wieder unter.

 

Ein weiterer interessanter Effekt, den Kepler nennt, ist die Tatsache, dass sich die Erde einmal Täglich unter dem Mond weg dreht. Dies sieht man an Strukturen des Erdballs die von Ost nach West vorüber ziehen. Das sollte für Mondbewohner besonders schön bei einer totalen Mondfinsternis betrachten lassen. Nächtlich erhellte Städte ziehen langsam vorüber.

Mit einigen geographischen Kenntnissen sollten die Mond-Bewohner ihre Uhren an vorüberziehenden markanten Punkten mit der Erdenzeit synchronisieren können.

Für die Vorstellung, wie man die Erde sieht, nutzt Kepler das geographische Wissen seiner Zeit.
Er teilt den Erdball in zwei Hemisphären ein, aber nicht in eine Nord- und eine Südhalbkugel, sondern in eine West- und Osthalbkugel, wobei Europa, Afrika  und Asien, die alte Welt, auf der Osthälfte und Nord- und Südamerika auf der Westkugel zu finden sind. Dazwischen ist ein großer Ozean.

In der „alten Welt“ erkennt er einen menschlichen Kopf, Afrika, dem sich ein Mädchen in langem Gewande zum Kusse hinneigt. Europa mit Spanien stellen den Frauenkopf dar und Asien ihr Gewand Ihr nach hinten ausgestreckter Arm, der laut Kepler eine Katze anlockt, der Arm als Großbritannien und die Katze als Skandinavien, verfeinern und ergänzen sein Bild. Südamerika vergleicht er mit einer Glocke und dem südlichen Zipfel als Klöppel. Über einen schmalen Strick, ist sie an Nordamerika angehängt.
Als Kepler seinen Traum schreibt, ist die Entdeckung der Welt durch die Seefahrt in vollem Gange. Von Berichten von Weltumsegelungen lässt Kepler sich anstecken und inspirieren. Außerdem verfestigt sich dadurch seine Gewissheit, das kopernikanische Weltbild sei richtig.

Vom Mond aus, kann Kepler seine neue Astronomie aus anderer Perspektive betrachten. Der Globus lässt sich als ganzes begreifen und das kopernikanische Weltgebäude wird offenbar.
Spektakel der besonderen Art sollten Finsternisse sein, die sich vom Mond aus ganz anders präsentieren sollten. Auch diese zieht Kepler in Betracht. Er dreht den Globus, verändert die Positionen von Erde, Sonne und Mond und erschaft sich so einen theoretischen neuen Beobachtungsplatz.

Neu an Keplers Traum ist, die Veränderung der Sichtweise und des Standpunktes. Eine neue hinterfragende, sich selbst misstrauende Denkweise probiert Kepler hier aus. Der Wechsel des Bezugssystems und die Gewinnung von Abstand und einer dadurch veränderten wissenschaftlichen Sicht, öffnen Türen, neues zu wagen und das geozentrische Weltbild zu hinterfragen.

Relativ am Ende seines Traumes, geht Kepler auf den Mond an sich ein. Es gibt Berge und Täler, Winde und Meere und auch Leben.
Er geht auf die Tatsache ein, dass durch die verminderte Schwerkraft die Lebewesen deutlich größer würden mit langen Elefantenbeinen und riesigen Körpern, wobei die Schlangenform vorherrsche. ja, das hat schon viel mit Schwerkraft zu tun, wie groß sich Körper entwickeln können. Wale verenden am Strand, weil ihr Skelett ihr Gewicht unter der Schwerkraft auf dem Land nicht tragen kann. Im Wasser sind sie durch die Auftriebskraft deutlich leichter.

Spoc aus Enterprise hat so große Ohren, weil auf Vulkan, seinem Heimatplaneten, die Luft dünner ist. Dadurch werden alle Geräusche leiser. Das hat dort die Evolution mit größeren Ohren kompensiert.

Nach diesen Überlegungen bricht sein Traum plötzlich ab. Er beendet ihn mit einem starken Regen, der ihn erwachen ließ.

 

Dennoch. Ich finde diesen Traum äußerst spannend. Vor allem, wie sich nüchterne Naturwissenschaft mit der Anwesenheit von Dämonen widerspruchslos fügt, finde ich höchst beeindruckend.

Das findet man allerdings bis heute noch. Ich kenne promovierte Physiker, die in ihrer funtamentalistischen Freikirche leben, dass die Erde in sieben Tagen erschaffen wurde, dass Eva ein Rippchen Adams sei und vielen anderen Unsinn mehr.
Danach gehen sie wieder an ihren Arbeitsplatz und zählen vielleicht Neutrinos…

Ich freue mich, wenn Keplers Traum vom Mond auch euch etwas ergreift.

Es grüßt euch bis zum nächsten mal

Euer Gerhard.

 

Ein Rätsel für euch!!!


Guten Abend zusammen,

heute schreibe ich mal nicht selbst, sondern ich teile etwas mit euch, was ein bekannter Dichter geschrieben hat. Viel Freude damit wünscht euch euer Gerhard.

 

Rätselgedicht Nr. 287
von Friedrich Schiller
Rätsel

Auf einer großen Weide gehen
Viel tausend Schafe silberweiß:
Wie wir sie heute wandeln sehen,
Sah sie der allerälteste Greis.
Sie altern nie und trinken Leben
Aus einem unerschöpften Born,
Ein Hirt ist ihnen zugegeben
Mit schön gebognem Silberhorn.
Er treibt sie aus zu goldnen Toren,
Er überzählt sie jede Nacht,
Und hat der Lämmer keins verloren,
So oft er auch den Weg vollbracht.
Ein treuer Hund hilft sie ihm leiten.
Ein muntrer Widder geht voran.
Die Herde kannst du sie mir deuten?
Und auch den Hirten zeig mir an.

 

Von Schneeflocken, Astronomen und kunstvoll aufgeschichteten Orangen


Heute hat es bei uns geschneit. Einerseits liebe ich ihn, weil er die Welt so schön stille werden lässt. Andererseits geht mir dadurch natürlich jegliche akustische Orientierung verloren.
Trotzdem wollen wir hier auf den Spuren von Johannes Kepler wandeln, der sich intensiv mit den Schneeflocken beschäftigte.

Faszination Schneeflocke

Die vielfältigen und schönen Formen von Schneekristallen haben Menschen schon immer fasziniert. Schneeflocken sind zum einen sehr regelmäßig und harmonisch und
zum anderen scheint die genaue Form stark vom Zufall abzuhängen. Die Vielfalt der Formen ist so groß, dass man sagen kann: „Keine Schneeflocke gleicht der anderen.“ Wie kann es zu einer solchen Mischung aus Vielfalt und Regelmäßigkeit kommen?

  • Welche mathematischen und physikalischen Gesetze bestimmen das Wachstum von Schneekristallen?
  • Können mathematische und physikalische Theorien helfen, die Form von Schneeflocken zu verstehen?

Johannes Kepler war der erste Forscher, der Schneekristalle wissenschaftlich untersuchte.
Er war einer der Pioniere der Schneekristallforschung, und eine in seinen Studien zu diesem Thema formulierte Vermutung konnte erst vor Kurzem bewiesen werden. Kristallwachstum ist auch heute noch ein aktives Forschungsgebiet in Physik, Mathematik und Ingenieurwissenschaften.

Keplers Geschenk

Während seiner Zeit in Prag wird Kepler  von seinem Freund und Gönner Matthäus Wacker von Wackenfels vielfältig unterstützt. So leiht ihm Wacker von Wackenfels sein Fernrohr für nächtliche Beobachtungen, er versorgt ihn mit Büchern, und beide diskutieren über Galileis Entdeckungen. Kepler möchte sich zum Neujahrstag des Jahres 1611 nun mit einem Geschenk bedanken.

Auf seinem täglichen Spaziergang durch das winterliche Prag lösen sich alle Ideen für ein Geschenk in nichts auf, da Kepler über keine finanziellen Mittel verfügt.
Kepler schreibt:

Auf der Karlsbrücke schließlich wurde durch einen glücklichen Umstand Wasserdampf und Kälte zu Schnee und einige Schneeflocken fielen da und dort auf Keplers  Mantel, alle sechseckig und von gefächertem Aussehen.

Kepler schreibt weiter:

das war die richtige Sache für einen Mathematiker, der nichts hat und nichts erhält, etwas zu überreichen, das vom Himmel
fällt und wie ein Stern aussieht“.

Kepler machte sich also daran, für Wacker eine Abhandlung über die sechseckige Form von Schneekristallen anzufertigen. Wie auch seine
Arbeiten über die Planetengesetze, so enthält auch diese Schrift viele neue Gedanken.

Keplers Schrift für Wacker hatte den Titel „Strena Seu de Nive Sexangula“ (Neujahrsgeschenk, oder: Über die
sechseckige Schneeflocke“). Kepler fragte sich, warum Schneekristalle stets eine sechsfache Symmetrie aufweisen. Er schrieb:

Es muss einen bestimmten Grund geben, warum bei Einsetzen des Schneefalls die Anfangsformationen unverändert die Form eines sechseckigen Sternchens haben. Sollte es durch Zufall erfolgen, warum fallen sie dann nicht mit fünf oder sieben Ecken.

Keplers Vermutung

Er spekulierte weiter über die die sechsstrahlige Symmetrie verursachenden Kräfte und kam dabei zu der Frage, wie man Kreise in der Ebene und Kugeln im Raum am dichtesten packen kann. Zwar erwähnte Kepler nicht ausdrücklich eine atomistische Sichtweise, aber er fragte sich, ob die hexagonale Form von dicht gepackten Kugeln im Raum etwas mit der Gestalt von Schneekristallen zu tun hat.
Im Zusammenhang mit diesen Überlegungen stellte Kepler die später nach ihm benannte Keplersche Vermutung auf. Dabei geht es um die Frage, wie sich gleichgroße Kugeln im Raum so anordnen lassen, dass möglichst wenig Zwischenraum bleibt. Kepler vermutete, dass die Lösung die sein muss, die man auf jedem Marktstand beobachten kann.

Zunächst legt man in einer Ebene z. B. Orangen in einem hexagonalen Gitter an. Auf diese legt man nun weitere Orangen  in die tiefsten Punkte der unteren Schicht. So stapelt man nun Schicht für Schicht und erhält die sogenannte hexagonal dichteste Kugelpackung
Diese Kugelpackung besitzt eine Dichte im Raum von ca. 74,05 %. Kepler vermutete im Jahr 1611, dass diese Kugelpackung die dichteste Kugelpackung im Raum ist.
Kepler hatte keinen Beweis seiner Vermutung. Der erste Schritt zu einem Beweis wurde vom deutschen Mathematiker Carl Friedrich Gauß gemacht, der 1831 eine Teillösung veröffentlichte. Gauß bewies, dass die Keplersche Vermutung wahr ist, wenn die Kugeln in einem regelmäßigen Gitter angeordnet werden müssen.
Diese Aussage bedeutet, dass eine Anordnung von Kugeln, welche die Keplersche Vermutung widerlegen würde, eine unregelmäßige Anordnung sein müsste. Der Ausschluss aller möglichen unregelmäßigen Anordnungen ist jedoch sehr schwierig, wodurch der Beweis der Vermutung so schwierig wird. Es ist sogar bekannt, dass es unregelmäßige Anordnungen gibt, die in einem kleinen Bereich dichter als die kubische-flächenzentrierte Packung sind, aber jeder Versuch, diese Anordnungen auf ein größeres Volumen auszudehnen, verringert ihre Dichte.
Nach Gauß wurde im 19. Jahrhundert kein weiterer Fortschritt beim Beweis der Keplerschen Vermutung gemacht. 1900 nahm David Hilbert das Problem in seine Liste von 23 mathematischen Problemen auf – es ist ein Spezialfall von Hilberts 18. Problem.

Der Beweis von Keplers Vermutung

Ein Beweis für die Vermutung wurde fast vierhundert Jahre später, im Jahr 1998, von Thomas Hales (Universität Pittsburgh) gefunden. Hales’ Beweis benutzt viele Fallunterscheidungen, die nur mit Computerhilfe entschieden werden konnten. Mathematiker, die den Beweis als Gutachter geprüft hatten, gaben bekannt, zu „99 Prozent sicher“ zu sein, dass der Beweis richtig sei. Eine Restunsicherheit blieb, da nicht alle am Computer durchgeführten Berechnungen durch die Gutachter nachgeprüft wurden.

Und in noch was war Kepler seiner Zeit weit voraus

Da Kepler mikroskopische Eigenschaften für makroskopische Muster verantwortlich machte, war er seiner Zeit weit voraus. Ohne eine experimentelle Möglichkeit zu
haben, die Struktur der Materie im Einzelnen zu untersuchen, hatte Kepler die Idee, dass regelmäßige Formen durch lokale Regeln begründet werden können. Erst in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelang es mithilfe der Kristallstrukturanalyse, der Wellenmechanik der
Molekülstrukturen und der Thermodynamik der Phasen-Bildung, die Kristallstrukturen des Eises besser zu verstehen. Es zeigte sich, dass die hexagonale Anordnung der
Sauerstoffatome im Eis für die hexagonale Kristallsymmetrie in Schneekristallen verantwortlich ist. Damit wurden
Keplers Spekulationen darüber, dass Packungseigenschaften von Kugeln im Raum für die hexagonale Struktur von Schneekristallen verantwortlich sind, in gewisser Weise bestätigt. Kepler, der stets auf der Suche nach Gesetzen von Regelmäßigkeiten war, hatte hier also die richtige Intuition.

So viel mal für heute zu einer ganz anderen Seite von Johannes Kepler.

Ich hoffe, ihr hattet etwas Freude damit.

Herzliche Schneeflockengrüße

Euer Gerhard.

Das Technikwunder Voyager


Meine lieben Leserinnen und Leser meines Blogs,

Heute ist Nikolaus. Deshalb möchte ich hier auch etwas einigermaßen aktuelles aus dem Sack der Astronomie-Ereignisse lassen.

Es geht um die Voyager-Mission. Seit 40 (vierzig) Jahren, dem05.09.1977  unterwegs aus unserem Sonnensystem heraus.

Das ist die Mission mit den Tonaufnahmen an Bort, die Außerirdische Wesen über unsere Spezies und Herkunft informieren sollen, wenn sie die Sonde finden.

Ich glaube, man kann irgendwo eine schöne CD-Sammlung erstehen, mit Verpackung etc. wo all diese Geräusche zu hören sind. Als Dateien finde ich sie jetzt nicht so spannend, denn es sind ja unsere Klänge. Aber in einer haptisch schönen Box vielleicht?

Ah, jetzt ja. Hier kann man sie sowohl als Schallplatten, als auch als CD vorbestellen.

http://www.ozmarecords.com/voyager

Wer in meinem Buch gelesen hat, erinnert sich vielleicht, dass ich am Beispiel der Voyager-Mission aufgezeigt habe, wie ich mir das Aussehen einer Sonde unter gewissen Umständen Stück für Stück erschließen kann.

OK, was ist geschehen.

Man kann sich vorstellen, dass die Sonde nach so langer Zeit auch langsam altert. Die auf Radioaktivität basierenden Batterien liefern zunehmend weniger Energie. An Sonnenenergie ist dort, wo sie momentan ist, nicht zu denken.

Natürlich wollen wir den Kontakt mit ihr möglichst lange halten, um viel davon mit zu bekommen, wie es im Raum außerhalb des Sonnensystems so zugeht.

Dazu ist es ganz wichtig, dass sich die Sonde immer wieder auf die Erde mit ihrem 3,7 M großen Parabolspiegel (Antenne) ausrichtet. Geht hier nur ein weniges fehl, kann man sich vorstellen, dass auf diese Distanz die Peilung dann dahin ist.

Natürlich wird die Fläche, welche die Sonde befunkt, mit dem Abstand zum Quadrat größer, aber auch genau im selben Verhältnis, werden die Funkwellen schwächer.

Also die Steuerung ist ein Wahnsinn.

Hierfür hat die Sonde extra Düsen zur Lagekontrolle. Das sind kleine Düsen, die kleine Pulse für Bruchteile von Sekunden abgeben können, um der Sonde einen kleinen Schubs in die richtige Richtung zu geben.

Diese Düsen kann die Sonde entweder automatisch selbst auslösen, wenn sie anhand des Startrackers merkt, dass sie etwas die Orientierung verliert. Andererseits können auch von der Erde aus diese Steuerdüsen bedient werden.

Ich beschrieb in meinem Buch, dass das Bandgerät unerwünschte Bewegungen auf die Sonde ausübte, wenn es spulte. Diese wurden mit den Lage-Düsen ausgeglichen, damit die Sonde nicht die Peilung verliert, oder noch schlimmer, sich gar unkontrolliert zu drehen beginnt.

Nun sind diese Düsen langsam gealtert und erlahmt.

Das bedeutet, dass die Sonde durch Sonnenwind, andere Teilchenwinde und vielleicht auch Lichtdruck, mit der Zeit ihre Richtung verliert und sich von der Erde abwendet.

Damit hätten wir sie dann verloren, was in wenigen Jahren auch geschehen wird, ob wir wollen, oder nicht.

Um dies für zwei bis drei Jahre zu verzögern, ist den Ingenieuren der NASA wirklich ein technisches Wunder gelungen.

Neben diesen Steuerdüsen, hat die Sonde auch noch größere Schubdüsen, die sie für große Kursänderungen benötigt, bzw. zum Abbremsen oder Änderung eines Orbits und für die Swing-By-Manöver, um an Planeten Schwung zu holen. Das sind vier an der Zahl. Die Idee war nun, diese vier Düsen für die Steuerung einzusetzen, wofür sie normalerweise nicht gemacht waren.

Diese Düsen wurden das letzte Mal vor 35 (fünfunddreißig“ Jahren, 1982 also, eingesetzt, um am Saturn den Kurs anzupassen.

Seitdem fliegt die Sonde bis auf wenige Korrekturen mit den erwähnten Steuerdüsen  im wesentlichen im freien Fall.

Das ist gewagt, wenn man von starken Düsen etwas erledigen lässt, das normalerweise sensible kleine Steuerdüsen übernehmen. Man muss die Kräfte der  Schubdüsen sehr genau kontrollieren.

Nun war aber das in der Software der Sonde nicht vorgesehen, geschweigedenn, konnte man nur hoffen, dass die Düsen in der Lage sind, diese Genauigkeit zu leisten.

Man versuchte es dennoch. Nur gab es ein weiteres Problem. Die Personen, die sich mit diesen alten Systemen auskannten, waren längst im Ruhestand und lebten im Zweifel vielleicht schon gar nicht mehr.

Die alten Computersysteme waren längst abgebaut und es gab wohl auch kaum noch jemanden, der die alten Computersprachen noch beherrschte, oder sich mit den technischen Details genau auskannte.

So machte man sich auf die Suche. Man fand schließlich noch eine Crew, reaktivierte Ruheständler,  die noch über die entsprechenden Kenntnisse verfügten. Die alte Hardware konnte man schließlich auch wieder rekonstruieren und vermutlich improvisiert aufbauen.

Es wurde nun ein Testszenario, ein Stück Software entwickelt, womit man diese Düsen wieder zünden konnte, wenn sie noch reagieren sollten und nicht gealtert und beschädigt waren.

Die NASA sendete dieses Testprogramm vor wenigen Tagen an die Sonde Voyager I. Neunzehn Stunden mussten die Ingenieure warten, bis sichtbar wurde, ob der Befehl zum einen verstanden und zum anderen auch richtig von der Sonde umgesetzt wurde.

Die Düsen zündeten für einige Millisekunden und gaben der Sonde einen Impuls.

Es hat funktioniert. Das ist ganz erstaunlich nach dieser langen Zeit. Bedenken wir, wie oft wir unsere hochtechnisierten Smartphones wechseln etc.

Mit so einem „unzuverlässigen“ Gerät, würde man vermutlich nicht mal zum Mond fliegen wollen.

Weltraumstrahlung würde vermutlich schon bald das Teil in einen undefinierten Zustand bringen, es abstürzen lassen, und wahrscheinlich sogar physisch beschädigen.

Es besteht nun die berechtigte Hoffnung, dass derlei Manöver die Sonde noch über zwei drei Jahre ausrichten können. Dann behalten wir sie noch und erhalten Daten, wie es ihr da draußen so geht. Danach allerdings ist irgendwann der Sprit alle. Dann hilft kein Befehl mehr. Dann muss sie im freien Fall bleiben, in der Hoffnung, von irgend einem außerirdischen Wesen gefunden zu werden.

Oben ist der Link dessen, was die Wesen anhören können, sollten sie mit dem Plattenspieler klar kommen.

Hoffen wir, und das ist jetzt etwas bissig, sie haben dafür etwas mehr Talent, als so mancher Lehrer aus meiner Schulzeit…

Strom muss sie schon seit Jahren sparen. Längst können nicht mehr alle Instrumente gleichzeitig betrieben werden, da ansonsten das Stromnetz zusammenbrechen würde. Auch das wird sich verschlimmern und sie wird langsam einschlafen.

Den schlaf hat sie sich aber auch dann retlich verdient. So robust, so zuverlässig und so erfolgreich waren nicht viele andere Missionen.

Aber bevor das alles so weit ist, hat die Sonde in ihrem großen Erbe von Daten, auch für uns Audiomenschen etwas hinterlassen. Manche dieser Daten kann man hörbar machen. Es ist dann quasi „Radio Voyager“. Hier ein Beispiel. Es sind elektromagnetische Wellen, die dadurch entstanden sind, dass die Plasmadetektoren von geladenen Teilchen getroffen wurden. Die Teilchendichte war hier extrem dünn und die Sonde befand sich schon „außerhalb“ unseres Sonnensystems. In Anführungszeichen deshalb, weil man heute nicht mehr ganz klar darüber ist, wo unser Sonnensystem wirklich endet. Vermutlich reicht der Einfluss unserer Sonne deutlich weiter ins All hinaus.

http://www.spektrum.de/news/so-klingt-der-interstellare-raum/1213450

 

Jetzt wünsche ich eine besinnliche und ruhige Vorweihnachtszeit. Keine Sorge. Ich melde mich schon nochmal in diesem Jahr.

Beste Grüße

Euer Gerhard.