Bladventskalender22, 19.12. Ein Uhrenerlebnis

Meine lieben,
zu Weihnachten werden gerne auch mal Armband- oder andere Uhren verschenkt. Wieso auch nicht. Ich bekam meine ehrste Armbanduhr von meinen Großeltern als ich zehn Jahre alt war. Es war eine mit Klappdeckel, so dass ich die Uhrzeit ertasten konnte. Sie war über viele Jahre mein ständiger Begleiter und mein ganzer Stolz.

Die Uhr scheint stille zu stehen, bis endlich die Tür zum Wohnzimmer, dem geschmückten Baum, den Tellern mit den Leckereien und den Geschenken sich öffnet. Das war zumindest schon in meiner Kindheit so.

Und wenn dann endlich die Glocken erklingen, so werden diese heutzutage auf jeden Fall von einer Uhr elektrisch gesteuert und nur noch selten von Menschen mit Seilen in den Händen angetrieben.
Ein Grund, euch heute mal ein Uhrenerlebnis zu schildern, das ich in diesem Herbst hatte.
Und etwas inklusiv war es außerdem.

Ein Highlight war in diesem Jahr ein Ausflug nach Straßburg, den ich mit dem Evang. Blinden- und Sehbehindertendienst Baden machen und auch etwas mit gestalten durfte,
Neben einer Bootsfahrt auf der Ill und einem phantastischen französischen Essen, besuchten wir das Straßburger Münster und die astronomische Uhr.
Leider durften wir sie nicht anfassen, aber wir konnten die Mittagsglocke hören und wie der Hahn drei Mal krähte. Das klang sehr lustig, weil es halt ein mechanischer Hahn war. Und weil die Uhr deutlich mehr ist als eine Uhr, die nur die Zeit anzeigt, lohnt es sich, hier mal in Erinnerung an den Ausflug kurz darüber zu schreiben.
Außerdem spielen Uhren gerade zur Weihnachtszeit eine ganz besondere Rolle.
Im Werbetext für diese Sehenswürdigkeit heißt es:

Die Astronomische Uhr, ein Meisterwerk aus der Renaissance, ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Mathematikern und Technikern. Uhrmacher aus der Schweiz, Bildhauer, Maler und Automatenhersteller arbeiteten hier Hand in Hand. Das heutige Uhrwerk stammt aus dem Jahr 1842. Die Hauptattraktion der Uhr ist ihr Figurenspiel, dessen Figurenautomaten sich täglich um 12.30 Uhr gesammelt in Bewegung setzen. Zu dieser Stunde sieht man dann die verschiedenen Lebensstufen, die – personifiziert als Kind, junger Mensch, als Erwachsener und als Greis – vor dem Tod vorbeidefilieren. Weiter oben sieht man die Apostel, die vor Christus vorbeiziehen. Ihr Umlauf wird begleitet vom Flügelschlagen und Krähen eines großen Hahns. Vor der Uhr erhebt sich der herrliche Engelspfeiler, der auf ganz eigene Weise das Jüngste Gericht versinnbildlicht.“

In Prag steht eine ähnliche Uhr. Was derartige Uhren zu astronomischen Uhren werden lässt, ist nicht, dass einige Püppchen tanzen. Das gibt es auch bei guten Schwarzwalduhren. Es ist, was sie über die Zeit hinaus noch anzeigen können. Leider ging der Führer im Münster nicht darauf ein, was die Uhr alles Astronomisches zu bieten hat.
Ich war vorbereitet, und durfte, besser gesagt tat es einfach, einen Kurzvortrag vor der Uhr halten, um das zu ergänzen, was unausgesprochen blieb. Das zog auch einige andere Besucher:innen an, die mir lauschten.

Grundsätzlich waren die Kirchen wegen ihrer Kalender und Feiertage, die immer wieder neu berechnet werden mussten, stets an der Messung der Zeit, des Jahreslaufes und ä. interessiert. Bei all dem spielte der nächtliche Blick in den Himmel, der Sonnenverlauf und die Mondphasen entscheidende Rollen. Ein Beispiel dafür ist die komplexe Vorausberechnung des Osterfestes. Die muss zuverlässig sein, weil daran Fastenzeiten, Pfingsten, Fronleichnam und mehr hängt. Über die Berechnung des Osterfestes schrieb ich ausführlich auf meinem Blog in Wieso ist Ostern manchmal so früh und manchmal so spät.
Fpür unser Weihnachtsfest ist das kein so großes Problem, weil es an einem festen Datum hängt.
Auch der Islam war zu Anfang ein großer Förderer der Wissenschaft und der Astronomie, weil die Berechnung des Ramadans ebenfalls vom Mond abhängt und sehr komplex ist. Darüber schrieb ich in meiner
Ostergeschichte für Respekt und Toleranz.
Was aber, wenn Wolken den Blick auf Sonne, Mond und die ganze Sternenpracht verwehren? Dann blieb früher nur der Blick in alte Aufzeichnungen, Mond- und andere astronomische Tabellen, Kalender und Sternenkataloge. Das ist mühsam und birgt Fehler und konnte schlimme Konsequenzen nach sich ziehen. In alter Zeit wurden die beiden chinesischen Hofastronomen, Hi und Ho, geköpft, weil sie vergaßen, eine Sonnenfinsternis vorauszusagen. Somit konnten die Menschen nicht rechtzeitig mit Trommeln und Geschrei den Himmelsdrachen vertreiben, der von Zeit zu Zeit die Sonne zu verschlucken, bzw. sie mit seinem Schwanz einzufangen versuchte.
Dass die Sonne wenige Minuten später wieder voll am Himmel stand, half den beiden leider auch nicht mehr.
Aber zurück zur Uhr. Wie schön und praktisch wäre es doch, wenn man Uhren hätte, die einem die Himmelsmechanik im Modell anzeigen können.
Und genau so ein Meisterwerk ist die Straßburger Uhr. Sie zeigt neben der Zeit und ihrem Puppenspiel folgendes an:

  • Das Datum: Hier ist mechanisch zu bedenken, dass man durchaus nicht einfach einen Tag weiter schalten kann, wenn der große Minutenzeiger 24-mal herum ist. Nicht alle Monate haben gleich viele Tage, und noch schlimmer. Es gibt Schaltjahre. Wer sich noch an die alten mechanischen Armbanduhren mit dem kleinen Datums-Fenster erinnert. Das war eine Scheibe mit den Zahlen 1 – 30 am Rand. Das war ein Kompromiss. Also musste man diesen Kalender in jedem Monat anpassen, indem man die Uhr vor oder zurück dreht. Unser französisches Ührchen kann das besser. Ihre Mechanik bildet sogar die Jahrhundert-Schaltregeln des gregorianischen Kalenders ab.
  • Ostern:
    Sie zeigt auch wunderbar die Positionen von Sonne, Erde, Mond und der damals bekannten Planeten an. Bei den Planeten kann sich das Uhrwerk einige Ungenauigkeit leisten. Nicht aber bei Sonne, Erde, den Jahreszeiten und den Mondphasen. Das alles brauchen wir für unser Osterfest. Zu bedenken ist hier, dass von Neumond zu Neumond 29,53 Tage im Mittel vergehen. Das muss dann wieder auf unsere Monate passen etc. Das ist gar nicht trivial, dieses auf Zahnrädchen, Federn und Antriebsriemen abzubilden.
  • Astrologisches:
    Die Uhr zeigt auch an, in welchem astrologischen Sternzeichen wir uns aktuell befinden.
  • Finsternisse:
    Sonnen- und Mondfinsternisse kann sie zwar darstellen, aber nicht vorausberechnen. Das können diese Uhren und anderen Modelle des Himmelsschauspiel nicht, weil Finsternisse von Abständen, Bahnebenen und vielem mehr abhängen. Das ist mechanisch kaum abbildbar.

Zum Schluss noch kurz etwas Geschichte.
Schon um 200 vor Christus soll Archimedes mit Hilfe seiner „sphera“ die Bahnen von Erde und Mond beschrieben haben. Leider ist von dieser sphera außer einer vagen Beschreibung Ciceros nichts überliefert geblieben. Ganz im Gegensatz zum 2000 Jahre alten Antikythera Mechanismus, dessen Überreste Fischer vor der griechischen Küste entdeckt haben. Das bemerkenswert komplexe Räderwerk gilt vielen als ein antikes Himmelsmodell. Ich glaube jedoch eher, dass es eine Art Kalender war. Die den mechanischen Himmelsmodellen verwandten astronomischen Uhren waren bereits im 15. und 16. Jahrhundert hoch entwickelt, wie unser Beispiel in Straßburg zeigt. Älter ist auch das Jovilabium des Dänen Ole Rømers von 1677, ein Mechanismus, der seine Bahnbeobachtungen der wichtigsten Jupitermonde veranschaulichen sollte. Wer mehr über das Himmelsschauspiel wissen möchte, darf ich meinen Artikel Das Schauspiel des Himmels im Modell wärmstens empfehlen.
Vielen Dank an alle Mitwirkenden, die diesen schönen Ausflug möglich gemacht haben.
Es war mir eine große Ehre, einige astronomische Worte zur Uhr an euch vor der Uhr halten zu dürfen.
Und ja, schenkt euch ruhig Uhren zu Weihnachten. Am besten solche, die man noch hören kann. Mich faszinieren Uhren, aber nicht die digitalen. Die langweilen zu sehr, wenn man sie auseinander baut.

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