Kometengeschichten 6 – Kometenschweife und Sternschnuppen


Liebe Leserinnen und Leser,

lange ist es her, aber jetzt meldet sich der Blindnerd nach seinem Erholungsurlaub wieder zurück.
Dieses Frühjahr und Sommer waren astronomisch vom Erscheinen des Kometen Neowise und dann natürlich auch durch die jährlich wiederkehrenden Sternschnuppen der Perseiden im August geprägt. In meinem hinter mir liegenden Sommerurlaub in Österreich war ich nicht untätig. So durfte ich beispielsweise drei Astronomie-Abende gestalten. In einem brachte ich die Kometen und die Sternschnuppen zusammen. Es wäre doch schade, würde aus dieser Verschmelzung meiner diversen Artikel kein neuer Artikel entstehen. Außerdem schließt er den Kreis, indem wir uns nochmal Kometen und Sternschnuppen zuwenden. Viel gäbe es noch über Kometen zu erzählen. Sicher findet sich dazu zu gegebener Zeit wieder eine Gelegenheit. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen dieses ersten Artikels nach meinem schönen Sommerurlaubs.

In „Kometenbahnen“ beschrieb ich, dass die erste entdeckte Gemeinsamkeit aller Kometen, unabhängig aus welcher Richtung sie kamen war, dass ihre Schweife stets von der Sonne weg zeigen. Änderten sie ihre Richtung, schwang auch der Schweif herum, so dass dieses wieder gegeben war. Lapidar erwähnte ich in diesem Zusammenhang den Sonnenwind und ging nicht weiter darauf ein. Deshalb hier noch einige Worte dazu.

Wenn eine Dampflock an windstillen Tagen fährt, dann wird ihre Rauch- und Dampfwolke stets hinter ihr her gezogen, weil der Luftwiderstand des Fahrtwindes sie nach hinten bläst. Im Vakuum des Weltalls gibt es keinen Wind der Widerstand gegen die Fahrtrichtung und den Schweif des Kometen, der aus Gas, Staub und Teilchen besteht, leisten könnte. Oder doch? Somit sollte sich überhaupt kein Schweif, in welche Richtung auch immer, ausbilden, sondern aller „Kometendampf“ sollte sich wolkenartig um ihn herum bewegen. Der Sonnenwind ist es, der Kometenschweife von der Sonne weg bläst. Das klingt so einfach, gab aber lange viele Rätsel auf.

Eine Vermutung der Herkunft des Sonnenwindes war, dass eventuell ihr starkes Licht und ihre sonstige Strahlung eine Art Druck, also Wind, auf die Ausgasungen der Kometen ausüben könnte. Der schottische Physiker James Clerk Maxwell
(13. Juni 1831 – 5. November 1879) wies in seinen theoretischen Arbeiten darauf hin, das Licht eventuell im Vakuum wie ein schwacher Wind wirken könne. Ein Russischer Wissenschaftler, dessen Name ich nicht schreiben kann, weil ich ihn nur aus einem Audio habe, er lebte 1866 – 1911, bestrahlte 1901 in einer Vakuumkammer ultraleichte Spiegel, die ganz leicht aufgehängt waren. Damit konnte er generell den Lichtdruck nachweisen und messen. Von da an nahm man fast ein halbes Jahrhundert nun an, dass der Druck des Sonnenlichtes für die Auslenkung der Kometenschweife von der Sonne weg, verantwortlich sei. Dann zeigte sich aber, dass dieser Lichtdruck unmöglich stark genug sein konnte, die Schweife auszubilden. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts untersuchte der englische Wissenschaftler Edward Arthur Milne (1896 – 1950) auf theoretischem Wege die Zusammenhänge in der Sonnenatmosphäre. Er berechnete die Anziehungskraft der Sonne auf Teilchen der Atmosphäre und verglich sie mit der nach außen treibenden Kraft des Strahlungsdrucks. Er kam zum Schluss, dass an der Oberfläche der Sonne es durchaus möglich sein sollte, dass Teilchenströme von ihr ausgingen, die zusätzlich zum Strahlungsdruck z. B. auf die Kometenschweife wirken könnten. Er sagte einen Teilchenstrom aus geladenen Protonen, der von der Sonne weg strömt voraus. Als man nun in den 50ern des letzten Jahrhunderts begann, die Sonne mit Raketen, Satelliten und Raumsonden zu erkunden, (Siehe Der Sonne entgegen – Der Aufbruch), stieß der italienische Physiker Bruno Rossi tatsächlich auf eine sehr schnelle Strömung von geladenen Teilchen, den Sonnenwind. Es besteht kein Zweifel mehr, dass dieser Sonnenwind die Gaswolke, die einen Kometen bei Annäherumg an die Sonne umgibt, zu einem von der Sonne weg zeigenden Schweif streckt.

Nun stellt sich aber die Frage, was mit der Materie geschieht, die der Komet längs des Schweifes verlässt. Er sammelt sie doch bestimmt nicht wieder ein, und kann sie einfach verschwinden? Verschwinden kann natürlich nichts. Die gasförmigen Moleküle oder Atome, wie z. B. Wasserdampf, verlieren sich einfach im Vakuum des interplanetaren Raumes. Was geschieht aber mit dem Rest, dem Staub, den Felsbröckchen etc, die stets den zweiten Schweif eines Kometen ausbilden?
Sie verteilen sich nach und nach auf der gesamten Kometenbahn. Ganz besonders dann, wenn ein Komet sich auflöst, wie beispielsweise der Komet Lovejoy, oder der Komet Biela.
Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis dieses Sommers zu den Sternschnuppen. Sie sind sehr oft Teilchen aus Kometenschweifen, die in der Atmosphäre der Erde verglühen, wenn die Erde die Bahn, also die Hinterlassenschaften eines Kometen kreuzt. Ich schrieb schon darüber, dass Aristoteles Sternschnuppen für atmosphärische Erscheinungen hielt. In gewisser Weise hatte er damit sogar Recht, denn zu leuchten beginnen die Kometenteilchen tatsächlich erst in der Atmosphäre. Aus diesem Grunde werden sie auch Meteore (Griechisch für hoch in der Luft) genannt. Das ist aber noch nicht alles.
Schon aus alter Zeit existieren Berichte, dass es Metallklumpen oder Steine vom Himmel regnete. Das hielten Astronomen und andere Wissenschaftler zunächst für Unsinn. Der Schweizer Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672 – 1733) war einer der ersten, der die Möglichkeit vom Himmel fallender Steine in Betracht zog. Er äußerte 1607 den Verdacht, dass hier ein Zusammenhang zu den bekannten Meteoren und Sternschnuppen bestehen könnte. Rund hundert Jahre später nahm sich der Physiker Ernst Florens Friedrich Chladni (1756 – 1827) der Sache an. Er sammelte vom Himmel gefallene Steine und begann, sie zu untersuchen, was gar nicht so leicht war, denn so oft passiert es ja dann glücklicherweise doch nicht, dass es Steine regnet. In seinem Buch veröffentlichte er 1794 schließlich die Behauptung, dass es durchaus passiert, dass Brocken aus dem Weltall gelegentlich mit der Erde zusammen stoßen können. Er meinte auch, dass, wenn solche Klumpen in die Atmosphäre eindrängen, sie vom Widerstand der Luft gebremst würden, sich dadurch erhitzten und als Sternschnuppen verglühten. Wenn nicht alles von so einer Schnuppe verdampfe, dann schlüge der Rest als vom Himmel regnender Stein auf der Erde ein. Von da an löste sich langsam die Skepsis der anderen Wissenschaftler. Als ein französischer Physiker 1803 Proben aus einem Gebiet Frankreichs untersuchte, wo besonders viele Steine regneten, klärte sich die Sache schließlich endgültig auf. Steine und Eisenklumpen konnten tatsächlich vom Himmel fallen. Solche Objekte nannte man von nun an Meteoriten. Und hier beginnt ein interessantes Wirrwar von Worten. Ist ein Bröckchen, das unsre Erde treffen soll noch im Weltall, es muss wesentlich kleiner, als ein Asteroid sein, dann heißt das Ding Meteorid. Tritt es seine heiße Spur durch die Atmosphäre an, dann ist es ein Meteor. Das, was von der Sternschnuppe noch übrig bleibt, nennt man schließlich Meteorit, wenn man es findet. Die meisten Sternschnuppen verglühen aber vorher und es kommt nichts außer vielleicht etwas Staub unten an.

So gab es beispielsweise im November 1833 einen Meteor-Sturm unglaublichen Ausmaßes. Wie Schneeflocken fielen sie herab. Die Menschen fürchteten sich sehr. Sie glaubten, dass nun die Sterne vom Himmel fielen, wie es im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, voraus gesagt ist. Sie befürchteten das Ende der Welt. Das Schauspiel muss man sich vor allem mal vor dem Hintergrund vorstellen, dass der Himmel damals nachts noch wirklich dunkel war. Lichtverschmutzung gab es wenig bis keine. Nacht war damals wirklich schwarze Nacht und keine graue Dämmerung, wie heutzutage in unseren Städten. Nun ja, die Welt ging nicht unter, ansonsten gäbe es diesen Artikel und dessen Schreiber nicht… Auch stehen noch alle Sterne an ihren gewohnten Plätzen und kein gefallener Stern fehlt.

Legt man die Zeiten der Vorkommen vieler Sternschnuppen mit den Erscheinungszeiten, den Kometenbahnen und den Richtungen, aus denen sie kommen übereinander, stellt man recht bald fest, dass der Zusammenhang klar war. Viele Sternschnuppenströme stammen von dem, was Kometen zurück lassen, wenn sie uns besuchen und bei der Umrundung der Sonne ihre Schlankheitskur zu vollführen.
Nicht alle Meteore und noch weniger solche, von denen noch ein Meteorit übrig bleibt, stammen aus den „Dreckspuren“ die Kometen so hinterlassen. Es gibt genügend Brocken, die von Kollisionen von Asteroiden her rühren, die uns dann und wann treffen. Und wie gefährlich es sein kann, wenn diese Brocken richtig groß sind, schrieb ich in „Droht Gefahr durch Asteroiden„.
Dieser spektakuläre Meteor-Sturm schien aus dem Sternbild Löwe zu kommen, also von den Leoniden. Hier kommt es offenbar alle 33 Jahre zu einem besonders starken Aufkommen von Sternschnuppen. Leoniden gibt es jedes Jahr, aber halt nicht so ein Maximum. Auch andere Meteor-Schauer kann man Sternbildern zuordnen, z. B. kreuzt die Erde stets im August die Kometenbahn des längst aufgelösten Kometen „109P/Swift-Tuttle“, der für die Perseiden verantwortlich zeigt. Sie scheinen aus dem Sternbild Perseus zu kommen.
Die Mai-Aquariden gehören zum Halleyschen Kometen, der seine Spur alle 76 Jahre wieder neu auffüllt.
Wie oben schon bei den Perseiden erwähnt, stammen manche Meteorströme von Kometen, die es schon längst nicht mehr gibt, z. B. der Strom der Andromediden, heute Bilieden, gehört zum verschwundenen Kometen Biela. Da hier kein Nachschub mehr vom Kometen kommt, regnet es aus so einer Spur stets weniger und weniger Sternschnuppen, bis man sie letztlich nicht mehr vom sonstigen Sternschnuppen-Hintergrund, den es immer gibt, unterscheiden kann.

Man kann sich nun ängstlich die berechtigte Frage stellen, ob es nicht sein könne, dass die Erde und ein Komet mal kollidieren. Man kann nie nie sagen, aber das ist äußerst unwahrscheinlich, weil der Komet selbst nur einen kleinen Punkt auf seiner breit von Teilchen übersähten Bahn darstellt. Die Teilchendichte ist so dünn, dass nicht mal dann etwas passiert, wenn die Erde direkt durch den Schweif eines Kometen fliegt, wie es beispielsweise 1910 geschah, als die Erde durch den Schweif des Halleyschen Kometen flog. Ich schrieb in „Kometengeschichten 4“ über die Furcht und die Befürchtungen, die die Menschen damals hatten.

Und mit dieser beruhigenden Tatsache enden wir für heute.
Es grüßt euch herzlich

Euer Blindnerd.

Kometengeschichten 5 – Kometenbahnen

Liebe Leserinnen und Leser,

Nachdem ich im letzten Artikel über die weit verbreitete Kometenangst berichtete, geht es heute darum, dass nicht alle vor Angst gelähmt in Erwartung des Bösen an den Himmel und die Kometen starrten, sondern diese mit Nüchternheit und Gelassenheit als besondere Himmelsobjekte betrachteten und verstanden.

Aus dem Jahre 1472 ist beispielsweise überliefert, dass kein geringerer Astronom als Johann Müller, eher unter dem Namen Regio Montanus bekannt, mutig und entspannt Kometen beobachtete. Dieser Müller war derjenige, dessen hervorragende Sternenkarten für die Seefahrt (ephimeriden) Kolumbus sein Leben verdankte. Ich schrieb darüber in Eine Mondfinsternis als Lebensretterin.

Jener vermaß gemeinsam mit einem seiner Studenten die Bahn eines Kometen. Sie versuchten seine Bahn Stück für Stück zu konstruieren. Es ist schon eigenartig, dass vorher niemand derartiges versuchte. Selbst aus alten asiatischen oder arabischen Quellen ist mir zumindest nichts bekannt.

Die erste Gemeinsamkeit

Gleich sechs Kometen erschienen zwischen 1531 und 1539. Sie wurden von mehreren Astronomen vorurteilsfrei beobachtet, z. B. von dem italienischen Astronomen Girolamo Fracastoro. Jener veröffentlichte 1538 ein Buch in welchem er festhielt, dass Kometenschweife stets von der Sonne weg zeigen. Sein deutscher Kollege, Peter Apian, verfolgte diese Kometen ebenfalls, wusste allerdings nichts von Fracastoros Arbeit. Auch er erwähnte diese Eigenart der Kometenschweife in seinem Buch 1540. Er ergänzte seine Schrift sogar noch mit einer Zeichnung,auf welcher ein Komet mit seinen Schweifen relativ zur Sonne dargestellt war. Wenn Kometen auch unberechenbar erscheinen und verschwinden konnten, so schien es doch zumindest so zu sein, dass alle der Regel gehorchen mussten, dass die Schweife stets von der Sonne weg zeigten. Immerhin. Dann waren Kometen vielleicht doch auch gewissen anderen Regeln unterworfen, die man nur bisher noch nicht sah…
Heute weiß man, dass die Schweife aller Kometen stets vom Sonnenwind weg von ihr geblasen werden.

Der alte Glaube

Der gute alte Aristoteles vertrat die Ansicht, dass alle Himmelskörper die Erde auf festen ihnen eindeutig zugewiesenen Bahnen umrundeten. Weil Kometen kamen und gingen, rechnete er sie nicht zu den Himmelskörpern, sondern hielt sie für langsam brennende Feuer in den oberen Luftschichten. Wenn Kometen atmosphärischer Natur waren, mussten sie näher als die anderen Himmelskörper bei der Erde sein. Somit sollten sie sogar näher sein als der Mond. Das war nämlich schon den alten Griechen klar, dass er der nächste Himmelskörper ist. Wie auch immer. Die Autorität Aristoteles war so groß, dass seine Lehren über 2000 Jahre gültig blieben.

Erschütterungen

Dieser Glaube und Grundfeste wurde im Jahre 1577 erschüttert. In diesem Jahr tauchten gleich zwei Kometen auf, von deren zweiten der dänische Astronom Tycho Brahe von seiner dänischen Insel aus, wo er sich ein riesiges Observatorium baute, beobachtete. Tycho hatte die Idee, die Entfernung dieses Kometen zu vermessen. Dann sollte man erfahren, ob sie wirklich atmosphärisch nahe objekte darstellen, oder nicht. Hierfür bediente er sich der Paralaxen-Methode. Hier macht man sich die Tatsache zu nutze, dass Winkel zu beobachteten Objekten aus der Sicht unterschiedlicher Positionen verschieden sein sollten. Hält man sich einen Daumen vor die Nase, so erscheint er vor dem Hintergrund nach links oder rechts verschoben, wenn man ihn abwechselnd mit nur einem unverdeckten Auge betrachtet. Akustisch geht das z. B. mittels eines Küchenradios vor welches man sich eher mal links oder rechts positioniert auch. Somit können auch diejenigen Leser*innen, die nicht sehen können, diese verschiedenen Betrachtungswinkel auch akustisch erleben.

Die Verschiebung der Winkel wird immer kleiner, desto entfernter die betrachteten Objekte sind. Das ist der Grund, weshalb man nicht einfach unter einem Stern hindurch spazieren kann, wie unter einer Straßenlaterne. Somit ist die Parallaxe ein Maß für die Entfernung. Kennt man die Distanz zweier Beobachtungsorte, so lässt sich der Abstand berechnen. So bestimmten schon die alten Griechen die ungefähre Entfernung zum Mond.

Also vermaß Tycho die Winkel zu seinem Kometen. Diese verglich er dann mit den Daten, die ein befreundeter Astronom in Prag ermittelte. Sie unterschieden sich nicht von Tychos winkeln. Da die Entfernung beider Standorte bekannt war, konnte das nur bedeuten, dass der Komet weit entfernt sein musste, da die Winkelunterschiede deutlich kleiner waren als das, was man mit damaligen Messinstrumenten auflösen konnte.

Tychos Komet musste somit ungefähr vier mal so weit weg sein als der Mond. Wäre er kleiner gewesen, hätte er eine Parallaxe messen sollen.
Man kann an dieser Stelle gar nicht hoch genug einschätzen, was für ein exzelenter Beobachter Tycho war, denn es standen ihm keine Teleskope zur Verfügung. Kometen waren also scheinbar keine atmosphärischen Objekte, sondern kamen von weit her. Ich möchte hier noch erwähnen, dass es bei Tychos Komet sich nicht um den Halleyschen Kometen handelte, wie immer wieder mal angenommen wird und der nachher noch wichtig ist.

Ein U für ein I

Zu dieser Zeit hatte Nikolaus Kopernikus gerade sein Buch veröffentlicht, in welchem er die Sonne als Mittelpunkt des Sonnensystems postulierte, um welche sich alle Planeten drehen sollten. Johannes Kepler , Assistent von Tycho Brahe zeigte schließlich, dass die Planeten auf elliptischen Bahnen die Sonne umlaufen. Nun stellte man sich die Frage, ob vielleicht nicht auch Kometen sich auf sehr stark exzentrischen Bahnen um die Sonne bewegen könnten, so stark, dass sogar Kepler, der einen Kometen beobachtete glaubte, dass er sich auf einer geraden Bahn bewegen würde. In dem Fall käme er dann nur ein einziges mal vorbei, um dann für immer im All zu verschwinden. Als schließlich das Fernrohr erfunden war, fand ein italienischer Astronom, dass die Bahn eines Kometen, den er beobachtete durchaus in Sonnennähe wohl stark gekrümmt sei, und erst mit zunehmender Entfernung eher wie eine Gerade erschien. Die Bahn glich somit einem U, in dessen Bogen die Sonne stand. Eine solche Bahn wird Parabel genannt. Auch in dem Fall konnte ein Komet, ob U- Parabel oder I-förmige Bahn nur ein Mal vorbei kommen, bevor er dann für immer verschwand. Das war unbefriedigend. Somit zogen manche Astronomen in Betracht, es könnte sich bei den Kometenbahnen um sehr lang gestreckte elliptische Bahnen handeln,so dass sich die Kometen für viele Jahre nicht mehr beobachten ließen, weil sie zu weit weg waren, um dann irgendwann wieder zurück zu kehren. Otto von Guericke äußerte diese Vermutung. So faszinierend diese Vorstellung auch war, so fehlten damals die mathematischen Möglichkeiten, solch eine Bahn zu berechnen. Erst wenn dies berechenbar wurde, konnte man Kometen als Objekte des Sonnensystems komplett akzeptieren. Ein Jahr nach Guerickes Tot, 1687 veröffentlichte Isaac Newton seine universalen Schwerkraftgesetze. Damit hatten Astronomen erstmals ein Werkzeug zur Hand, womit sich derlei Bahnen berechnen ließen. Dieses Schwerkraftgesetz ließ es durchaus zu, dass sich ein Komet auf einer sehr gestreckten Ellipse um die Sonne bewegen konnte. Mittels Entfernung und Bahngeschwindigkeit eines Kometen um die Sonne, sollte sich die Bahn Stück für Stück berechnen lassen. Der Astronom Halley, ein guter Freund Newtons und später Namensgeber eines periodischen Kometen, versuchte solch eine Berechnung. Das kostete ihn Jahre. Er sammelte alle Kometenpositionen, die er auch aus älteren Daten finden konnte und setzte Kometenbahnen zusammen. Hierfür untersuchte er zweidutzend Kometen, in der Hoffnung, Regelmäßigkeiten ihrer Wiederkehr zu finden. Dabei stieß er u. A. auf den Kometen, den Johannes Kepler 1607 verfolgt hatte, und der durch die gleiche Himmelsgegend gezogen war, wie der Komet von 1682. Auch ein Komet des Jahres 1531 von Apian und fracastoro beobachtet, siehe oben, war durch diese Region gezogen. Ebenso jener aus dem Jahre 1456 von welchem Regio Montanus, siehe oben, berichtet hatte.

Halley fiel auf, dass hier Regelmäßigkeiten erkennbar waren. Sie erschienen stets um ungefähr 76 Jahre mit gewissen geringen Abweichungen. Das legte die Vermutung nahe, dass es sich bei allen vier Objekten um ein und dasselbe gehandelt haben könnte. Es würde sich auf einer sehr lang gestreckten elliptischen Bahn bewegen, auf der der Komet eben nur alle 75 – 76 Jahre zurück kommen konnte.
Das „entweder, oder“ bei der Rückkehr-Zeit rührt daher, dass Kometen auf ihren langen Bahnen von den großen Planeten, wie Jupiter gravitativ beeinflusst werden. Dadurch ändern sich ihre Bahnen leicht, und sie könnten sich verspäten. Außerdem erfahren Kometen leichte Bahnänderungen, wenn sie in Sonnennähe aktiv werden. Ihre ausgestoßenen Schweife und Koma funktionieren dann wie Antriebsdüsen, die leichten Einfluss auf die Bahn nehmen können, indem sie den Kometen verblasen.
Nach langem Zögern veröffentlichte Halley schließlich seine Berechnungen und sagte die Wiederkehr seines Kometen aus dem Jahre 1682 für das Jahr 1758 voraus. Diese Voraussage musste für Halley ziemlich enttäuschend gewesen sein, da er ihre Erfüllung kaum erleben konnte.
So ist das in Raumfahrt und Astronomie oft, dass Missionen etc. eine generationsübergreifende Sache sind.

Halleys Bestätigung

Lasst mich zum Schluss noch einige Sätze darauf verwenden, ob Halleys Voraussage sich bestätigte.
Die aufmerksame Leserschafft dürfte zwischen den Zeilen schon bemerkt haben, dass sie sich tatsächlich erfüllte. Ansonsten hätte man seinen Kometen vermutlich nicht den Halleyschen Kometen, also nach ihm benannt. Es bedarf schon einiger Geduld, wenn man über ein halbes Jahrhundert darauf warten muss, um zu sehen, ob Halleys Prophezeihung stimmt, oder eben nicht. Daher geriet seine Voraussage fast schon in Vergessenheit, da die Astronomen sich bis da hin längst anderen Dingen zugewendet hatten. Außerdem konnten die meisten Zeitgenossen von Halley nicht davon ausgehen, die Wiederkehr seines Kometen noch erleben zu können. Als dann das Jahr 1758 kam, verstrich einer nach dem anderen Monaten, ohne, dass sich der Komet zeigte. Er schien sich entweder zu verspäten, oder Halley hatte nicht recht gehabt. Französische Astronomen gingen zwar Halleys Berechnungen nochmal durch, um das Datum der Wiederkehr genauer zu bestimmen, aber der Komet glänzte auch zu diesem verbesserten Datum durch Abwesenheit, weshalb das Interesse der Profi-Astronomen an der Sache vermutlich auch rasch geschwunden sein dürfte. Nun ist aber gerade die Astronomie auch eine Wissenschaft für Amateure. Der Himmel gehört eben allen Menschen. Solch ein Liebhaber-Astronom, der wohlhabende Bauer Johann Georg Palitzsch aus der Gegend von Dresden wartete ab November 1758 geduldig auf Halleys Komet. Es ist wichtig, sich mit den Sternen vertraut zu machen, in welcher Gegend man den Kometen erwartet, ansonsten übersieht man ihn sicher.
Am 25.12. fand er ihn schließlich. Was für ein Weihnachtsgeschenk. Das rüttelte die Berufs-Astronomen wach und kam einer Sensation gleich.
Mich freut es immer, wenn ein Amateur mit seinen bescheidenen Mitteln derlei finden. Zeigt uns das doch auch, wie inklusiv die Astronomie tatsächlich ist.
Halleys Vorraussage stimmte, und der Komet trägt seinen Namen zurecht.
Und damit schließt sich der Kreis zu unserer zweiten Kometengeschichte, in welcher ich die Mission Giotto beschrieb, die den Halleyschen Kometen aus der Nähe betrachtete.
Das war 1986. Da war ich gerade 17 Jahre alt. Wenn alles gut läuft, komme ich nochmal in diesen Kometen-Genuss. Meine Großeltern hätten es beide geschafft, wenn er in ihrem 18. Lebensjahr erschienen wäre. Ich hoffe auf meinen guten Gen-Pool…
So, das war jetzt mal wieder etwas länger. Ich hoffe, es hat euch etwas gefallen. Wenn ja, dürft ihr das gerne teilen, liken und kommentieren.
Es grüßt euch aus dem Sommerurlaub
Euer Blindnerd.

Kometengeschichten 4 – Sag beim Abschied leise servus


Liebe Leserinnen und Leser,

Sag beim Abschied leise servus

, sang Karl Moik in seinem Musikantenstadel, den ich als Kind ertragen musste, weil meine Eltern und Großeltern diese Sendung sehr liebten. Naja, zugegeben. Ich fand das damals gar nicht so schlimm und war auch sehr von der Sehnsuchtsmelodie ergriffen, die der damals zehnjährige Walter Scholz glasklar auf seiner Trompete blies, so dass Karl Moik weinen musste. Es kann auch der kleine Stephan Ross gewesen sein. Das weiß ich nicht mehr so genau. Ergreifend kitschig war es auf jeden Fall.

Sehnsucht kommt oft nach einem Abschied und der Hoffnung auf ein Widersehen. Abschied müssen wir so langsam vom Kometen Neowise nehmen, der in den letzten Wochen so viele Astronom*innen im Bann hielt. Ich war sehr beeindruckt, wie viele Fotos hier durch das Internet zischten. OK, ich konnte sie nicht sehen, aber mich faszinierten ganz besonders diejenigen, die auch noch mit Erklärungen versehen waren, welche Tricks, welche Teleskope, welche Kameras oder welche Smartphones dazu benutzt wurden, den Kometen einzufangen. Es gab auch richtige Zauberer, denen es beispielsweise gelungen ist, den Kometen mit Landschaft, mit der ISS, oder sonst wie abzulichten. Aber wie das so im Leben ist. Was für die einen ein trauriger Abschied ist, lässt andere erleichtert aufatmen. Heute geht es mal um die Angst, die die Menschen schon seit alter Zeit vor Kometen hatten.

Kometen haben die Menschen offenbar schon immer erschreckt. Das liegt sicher auch daran, das sie sich über die himmlischen Gesetze hinWeg zu setzen scheinen. Alle anderen Himmelskörper, Sterne, Sonne, Mond und Planeten bewegen sich nämlich auf regelmäßigen Bahnen. Bei den Sternen ist diese Regelmäßigkeit besonders offenkundig. Sie ziehen jede Nacht mit stets gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Himmel und behalten dabei ihre Positionen zueinander unverändert bei. Bei Sonne und Mond ist die Regelmäßigkeit schon schwerer zu erkennen. Die Mittags Höhe der Sonne ändert sich mit dem Laufe des Jahres und der Mond nimmt zunächst zu und dann wieder ab, und verändert seine Phasen Gestalt von Nacht zu Nacht. Bei den Planeten schließlich beobachten wir sogar Veränderungen der Geschwindigkeit und eine gelegentliche Umkehrung der Bewegungsrichtung. all diese Veränderungen sind aber so regelmäßig, dass man daraus die Positionen der Himmelskörper weit in die Zukunft hinein Voraus bestimmen kann. Anders bei den Kometen. Sie erscheinen plötzlich und ohne Vorwarnung am nächtlichen Himmel zumeist als LichtSchwache Objekte und kommen aus nicht vorhersehbaren Richtungen. Bis zum nächsten Kometen können 50 oder mehr Jahre vergehen. Einer kann aber auch schon im nächsten Monat auftauchen. Die Astronomen des klassischen Altertums kannten die Gesetzmäßigkeiten für die Bewegung der anderen Himmelskörper, mussten aber bei den Kometen leider passen. Sie konnten nicht voraussagen, wann ein Komet auftauchen würde, geschweige denn an welcher Stelle des Himmels er erscheinen werde und auch über seine Sichtbarkeitsdauer konnte man keine Prognosen anstellen. Dies ist von besonderer Bedeutung angesichts des damals weit verbreiteten Aberglaubens, man könne aus den Positionen von Sonne Mond und Planeten vor dem Hintergrund der Sterne die Zukunft voraus sagen. Aufgrund der Bewegung dieser Himmelskörper veränderte sich der Anblick von Nacht zu Nacht und von Jahr zu Jahr. Ein Geheimcode, so glaubte man. Und die weisen Astrologen versuchten daraus Entscheidungshilfen für die Menschen ableiten zu können. Dieser Irrglaube, die so genannte Astrologie, hat seine Anziehungskraft auf abergläubische Zeit genossen leider bis heute nicht verloren. Wenn aber die Kometen völlig unerwartet auftauchen, mussten sie etwas ungewöhnliches ankündigen.
Und da etwas ungewöhnliches von den meisten Menschen Katastrophen gleichgesetzt wird, galt die Erscheinung eines Kometen stets als Schreckensnachricht. Diese Deutung wurde durch das Aussehen der Kometen noch verstärkt.

Sonne und Mond zeigen sich immer als kreisförmige Scheiben. Sterne sind für das bloße Auge stets Lichtpunkte, die über den Himmel wandern. Der Mond nimmt im Laufe des Monats zu und wieder ab.
Planeten, auch als Scheibchen sichtbar, zeigen zwar manchmal merkwürdige Bewegungen, indem sie rückwärts zu laufen scheinen, was allerdings nur eine Frage der Perspektive und ihrer Geschwindigkeiten zueinander ist, aber dennoch sehr periodisch und regelmäßig. Kein Grund zur Beunruhigung also.

Ein Komet hingegen hat die Gestalt eines leuchtenden Dunstkreises, von dem eine schmale leicht gekrümmte und schwach leuchtende Struktur, seine Schweife ausgehen. Diese zeigen stets weg von der Sonne, da der Sonnenwind die Schweife immer von der Sonne weg bläst.
Kometen erscheinen unangekündigt und scheinbar ohne Regelmäßigkeit. Bis zum nächsten Erscheinen eines Kometen können Jahre vergehen, aber es kann auch schon einer im nächsten Monat erscheinen. Alles sehr ungewiss. Auch die Richtung, aus welcher ein Komet erscheint, ist nicht vorhersehbar. So kam der Komet Neowise, von dem wir uns langsam verabschieden müssen, von der Bahnebene der Planeten her gesehen, eher von oben, also Norden herein. Man sah ihn stets in der Nähe des großen Wagens und des Bären. Ich denke, Menschen auf der Südhalbkugel hatten nicht viel bis gar keine Gelegenheit, ihn zu sehen. Kometen verhalten sich auf jeden Fall nicht so, wie man es von der unverrückbaren Regelmäßigkeit der Himmelsmechanik, die man damals zugrunde legte, erwartete.
Und weil die Sterne, die Sonne, die Planeten und der Mond so präzise ablaufen, entstand die Astrologie, in welcher man bis heute versucht, die Zukunft voraus zu sagen. Noch immer gibt es Menschen, die daran glauben und ihr Leben danach ausrichten. Wem das gut tut, der mache ruhig so weiter. Es schadet nichts, so lange ihr das ganze nicht zu einer Weltanschauung aufblast.

Heute verfügen wir über bessere Instrumente. Wir wissen, dass Kometen sich auf sehr elliptischen Bahnen bewegen können, so dass ihre Wiederkehr Tausende von Jahren dauern kann, etwa 7000 Jahre beim aktuellen Kometen Neowise. Es kann gut sein, dass es langperiodische Kometen gibt, die das letzte Mal sichtbar waren, als es die Menschheit noch nicht gab, bzw. erst sichtbar sein werden, wenn es uns vielleicht nicht mehr gibt. Langperiodische Kometen sind solche, deren Umlaufzeit um die Sonne länger als 200 Jahre dauert.
Das Thema „Kometenbahnen“ ist so komplex, dass ich ihm einen eigenen Artikel widmen muss.
Zurück zur Kometenangst.

Das Wort Komet leitet sich vom Griechischen Wort für Haar ab.
im Altertum galt es als Zeichen der Trauer, wenn eine Frau ihr Haar offen über die Schultern trug. Sie war so betroffen, dass sie keine Zeit fand, sich um ihre Haartracht zu kümmern. was also lag näher, als in einem Kometen ein schlechtes Omen zu erkennen, wenn sein Aussehen dem Haupt einer Frau gleicht, die aus Trauer ihr Haar vom Winde zerzausen lässt.
und wie anders sollte man das Erscheinen eines Kometen interpretieren, denn als Vorboten eines kommenden Unheils. nachdem sich die Verknüpfung von Kometen und Unglück erst einmal bei den Menschen festgesetzt hatte, entdeckten sie in der Gestalt des Kometen noch ganz andere Dinge.
Den Schweif hielt man häufig für ein Schwert, oder einen Säbel und sein Kopf für ein abgeschlagenes Haupt.
Und so nahm die Kometen Angst ständig zu.

Immer, wenn Kometen auftauchten, achteten die Menschen ganz besonders auf irgendwelche schrecklichen Ereignisse, die sie dann in Verbindung mit dem Auftauchen des Kometen brachten. Solche Zusammenhänge Galten dann als Beweis für schlechte Nachrichten und Ereignisse. Oft wurden diese Zusammenhänge auch erst im nachhinein mit historischen Ereignissen verknüpft. Da kam es schon vor, dass man, wie bei Finsternissen auch, die Daten der Geschehnisse etwas anpasste. Immer gab es schon stets Schreckensmeldungen von Kriegen, Unwettern, Seuchen etc, ob ein Komet am Himmel stand, oder nicht. So war es nicht schwer, eine Schreckensbotschaft einem Kometen zu zu ordnen, wenn denn einer erschien.

  • So tauchte beispielsweise im Jahre 44 v. Chr. ein Komet am Himmel auf, der später als Vorbote der Ermordung Caesars angesehen wurde.
  • Ebenso musste ein Komet aus dem Jahre elf v. Chr. für die Ermordung des römischen Staatsmannes Marcus Agrippa, im Jahr zuvor her halten.
  • Ein weiterer Komet, der 837 n. Chr. erschien, wurde nachträglich als Ankündigung des Todes von Ludwig dem frommen drei jahre später gedeutet.
  • So sollte der Komet, der 66 n. Chr. erschien, die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. prophezeit haben.
  • Der Komet des Jahres 1066 n. Chr. sollte dem englischen König Harald die Niederlage gegen Willhelm, den Normannen, ⠀im Herbst gleichen Jahres offenbaren.
  • Ein Komet aus dem Jahre 1456 galt als himmlische Reaktion auf die Eroberung Konstantinopels durch die Türken, Drei Jahre zuvor.
  • Ich schrieb schon im vorigen Artikel, dass man 1910 Blausäure im Schweif des Halleyschen Kometen fand. Viele glaubten damals, dass nun alles Leben auf Erden ausgelöscht würde, wenn die Erde durch diesen Schweif flöge. Wenn dem so gewesen wäre, gäbe es diesen Artikel wohl eher nicht.

⠀Diese Beispiele zeigen deutlich, dass man leicht Ereignisse Kometen zuordnen kann.
Was des einen Freud, ist des anderen Leid.
Es ist aber durchaus nicht so, dass es hier nur um schlechte Prophezeiungen geht. Die Normannen freuten sich ebenso über die Eroberung Englands, wie die Türken über die Erstürmung Konstantinopels.

Was unnseren Kometen, den Neowise betrifft, so konnte ich keinen Schwurbel dazu finden, was aber nicht heißen soll, dass es keinen geben wird. Man sieht an obigen Beispielen, dass die Zuordnung von Kometen zu historischen Ereignissen auch erst später erfolgen kann. „Nachher ist man immer schlauer.“

Kometen scheinen immer Bringer von etwas zu sein. Die einen bringen Sieg, andere Leid, vielleicht kam das Wasser und das Leben durch sie auf die erde, und nicht zuletzt wird der Stern von Betlehem oft als Komet mit Schweif dargestellt. In dem Fall bringt er den Messias und Erlöser…

Wie auch immer. Ich wünsche Neowise eine gute Reise und dass wir mit unserer Welt künftig so umgehen werden, dass ihn in weiteren 7000 Jahren weitere menschliche Astronom*innen fasziniert erblicken können und ihre Fotos über welche Kanäle auch immer, untereinander teilen mögen.

Kometengeschichten 3 – Kometensuche Inklusiv


Liebe Leserinnen und Leser,

Derzeit wird auf allen Kanälen der Astronomie im Grunde fast nur darüber gesprochen, dass der Komet Neowise momentan gut über Deutschland zu sehen ist. Es kommt durchaus nicht oft vor, dass man Kometen mit bloßen Augen sehen kann. Die meisten lassen sich nur in Fotos erkennen. Aber diesmal ist es eben so, dass man ihn einschließlich seiner Koma und seinen zwei Schweifen mit den Augen sehen und sogar mit dem Smartphone brauchbare Bilder schießen kann, was man so hört.

„Quengel, Ich will auch mitmachen…“ denke ich mir da oft. Und ja, was soll ich sagen. Dank einer „Wunderapp“ kann ich auf meine Art tatsächlich mitmachen. Darum geht es heute.

Auch ich habe meinen Kometen am Himmel. Ich kann ihn nicht sehen, kann ihn nicht hören, aber ich kann zu ihm finden und in seine Richtung schauen. Wie er aussieht etc. erklären mir die anderen und wie so ein Eiswürfel funktioniert, weiß ich eh ungefähr.
Mit bissel assistiver Technologie wird der Sternenhimmel auch für blinde Augen und Ohren transparent und super inklusiv.
Der Schlüssel zu diesem Erlebnis trägt den Namen Universe to Go.
Mein Erlebnis ist ein Beispiel dafür, wie moderne Kommunikations- und assistive Technologie uns ganz neue Türen öffnen.

Was ist U2G?

Das System besteht aus zwei Komponenten, einer App für IOS und einer Art Brille, in die man das Smartphone mit dem Bildschirm nach unten einlegt. Über Spiegel bekommen Sehende zusätzliche Informationen in ihre Welt der Sternenbeobachtung eingespielt. Unten im Artikel noch etwas mehr dazu.
Hier nun, wie ich Neowise fand:

Auf inklusiver Kometensuche

Im ersten Schritt ging ich die Einstellungen von U2G durch und überprüfte, ob z. B. Audioguide eingeschaltet ist. Den braucht man nämlich, damit der Sternenhimmel spricht. OK, alle Checklisten waren erledigt „We are ready for lounch.“

Als nächstes öffnete ich U2G und wählte den Astrobrillen-Modus. Nun forderte mich mein Smartphone auf, dass ich es oben mit der Kamera nach links kopfüber in die Brille einlegen solle. OK, Iphone rein und Klappe zu.
Da ich die App aus verschiedenen Gründen mal neu installieren musste, wurde meine Geduld nun etwas auf die Probe gestellt, denn ich erhielt die Einführung, obwohl ich schon weiß, wie man dieses „Raumschiff fliegt“. Naja, hatte ich bei den Einstellungen übersehen.

Jetzt ist U2G im Erkundungsmodus. Das bedeutet, dass ich mich drehen und meinen Kopf anheben oder senken kann. Dabei werden mir auch am Tage ungefähr die Sterne oder Deepsky-Objekte angesagt, in deren Richtung ich schaue. Was man angesagt bekommt, ist mit reichlichen Parametern einstellbar. Das führt jetzt aber hier zu tief in U2G.

Und jetzt wirds bissel difizil. Es geht nun darum, U2G in den Suchmodus zu bringen. Dazu senkte ich meinen Kopf ganz tief und hob ihn dann wieder wagerecht. Diese Geste öffnet und entsichert das Menü. Sehende haben nun eine Hand als Cursor und die Menüeinträge. Gesteuert wird nun mit dem Kopf.
Ganz vorsichtige kleine Nickerchen nach unten bringen mich zum Such-Menü. Ein entschlossenes Nickerchen nach rechts öffnet das Untermenü. Nun suchte ich nach dem Unterpunkt „Kometen“, denn man kann auch nach Sternen, Planeten, der ISS oder sonst was suchen.
Ich gebe zu, die Bedienung dieses Menüs muss mit viel Übung erlernt werden.
Und nun öffnete sich eine Liste mit seeeeehr vielen Kometen, die gerade mit Instrumenten oder im Fall Neowise auch ohne, am Himmel zu sehen sind.
Das strapazierte zugegeben die Geduld sehr stark, da das N ungefähr in der Mitte der Liste liegt. Bisher ist es leider so, dass man sich die ganze Liste vorlesen lassen muss. Ich setzte die Brille ab, unterlegte sie mit etwas, das auf dem Schreibtisch herum lag, damit U2G die Liste weiter durchgeht, und holte mir erst mal einen Kaffee. Als ich zurück kam, war die Liste schon beim H. Gefühlt Stunden später, kam er dann endlich, ich hörte den Namen „Neowise“. In wahrheit war es nur eine viertel Stunde…
Vorsichtig kippte ich die Brille nach rechts, um die Auswahl von Neowise zu bestätigen, denn verlieren wollte ich ihn jetzt nicht mehr. U2G akzeptierte meine Geste und begann mich zu Neowise zu führen.

Ich wusste von sehenden Astronom*innen auf twitter, dass ich ihn ungefähr beim großen Wagen oder dem Bären suchen sollte. Ich weiß natürlich, wo Norden in meinem Büro ist. U2G dirigierte mich mit Sprachkommandos wie Links, Rechts, Hoch und Runter zum Neowise. Kurz bevor man ihn hat, wirds ganz schön frickelig
Durch viel Übung mit U2G weiß ich ungefähr, wo ich hin muss, wenn ich ein Sternbild als Start habe. Das verkürzt die Suche natürlich sehr. Vielleicht das noch am Rande. Wenn ich mit U2G auf die Sternenreise gehe, dann gehen über mir die Lichter an. Allerdings reduziere ich im Kopf jedes Sternbild auf einen einzigen Lichtpunkt, weil das für mich keine große Rolle spielt, wie ein Sternbild aussieht. Das erschließe ich mir mit taktilen Abbildungen, wenn ich das genauer wissen möchte.

Es ist zwar kein Video, aber ich habe hier mal eine Aufnahme eingestellt, wie das klingt, wenn ich als blinder Sternengucker mit U2G etwas suche.
Zum Hörbeispiel geht es hier lang.

Fazit

  • Wie gesagt, konnte ich lediglich zum Kometen finden, aber sich erklären zu lassen, wo er ungefähr ist, ist eine Sache. Es selbst zu tun, ihn selbst zu suchen und dann auch zu finden ist etwas viel größeres. Selbst machen und erleben ist ein deutlich stärkerer Eindruck, als wenn einem das verbal beschrieben wird.
  • Die totale Mofi von 2015 konnte ich mit U2G ebenfals nachvollziehen.
  • Den Merkurtransit habe ich mit U2G hautnah selbst erlebt. Darüber durfte ich für Universe2Go einen Artikel über mein ersten Merkurtransit schreiben.
  • der Weihnachtsvollmond 2015 war auch ein Erlebnis, das ich mit U2G nachvollziehen konnte.
  • Verfolge ich die ISS, dann merke ich genau, wie schnell sie sich durchs Bild bewegt, indem ich einfach die Suche nach ihr wiederhole. Ich merke dann, wie sich meine Position im Raum rasch ändert.
  • Die Überraschung, wieviele Kometen immer irgendwo fliegen, ist der Hammer.
  • Grundsätzlich kann ich sagen, das U2G mein räumliches Himmelsverständnis erheblich verbessert hat.
    Natürlich muss ich auch erst mal suchen und mich zurecht finden, denn ich weiß auch nicht zu jeder Urzeit und Jahreszeit den passenden Himmel und was genau über oder unter dem Horizont ist. Aber nach kurzer Orientierung, Finden des Polarsterns und des großen Bären, weiß ich schon ungefähr, wie ich von einem zum anderen Sternbild gelange.
    Vor allem erlebt man über das Jahr wirklich sehr gut die Neigung der Erdachse zur Ekliptik und zum Zodiak.
  • Nun ja, bei all den wunderbaren Möglichkeiten darf man nicht verschweigen, dass die Benutzung von U2G nicht ganz trivial ist. Wie das bei einem sich entwickelnden System so ist, läuft noch nicht alles ganz rund, oder ist noch nicht fertig entwickelt. Es war ein steiniger Weg, den Martin und ich gegangen sind, bis alles so lief, wie es zumindest derzeit möglich ist. Früher gab es beispielsweise nach jedem IOS-Update Probleme. Dieser erhebliche Frustfaktor scheint seit einigen IOS-Versionen behoben zu sein.
  • Also ich würde schon sagen, dass man gute Chancen hat, U2G kennen und lieben zu lernen, wenn man es mag, mit Technik und Software zu spielen, und wenn man etwas ein Nerd ist.
    Ohne etwas Biss und Durchhaltevermögen, kann es leicht zäh werden, oder man muss sich halt etwas mehr helfen lassen.
    Hilfreich könnte zumindest am Anfang sehende Unterstützung sein, oder, dass man es in einem Workshop mit Mehreren kennenlernt.
  • Die Funktionsweise von U2G zeigt, dass diese Technologie der augmented reality durchaus Potential hat, auch für uns blinde Menschen sehr hilfreich zu sein. U2G spannt einen virtuellen sphärischen Sternenhimmel auf. Es wäre denkbar, auch andere Dinge in so einen Raum zu packen, um uns die Welt zu erschließen.

Nun folgt noch zum Schluss ein kleiner historischer Abriss darüber, wie es dazu kam, dass U2G sprechen lernte.

Wie alles begann:

Wie einige von euch wissen, durfte ich im Februar 2015 im Rahmen eines Vortrages mein Buch auf dem Literatursalon des BVN in Hannover vorstellen, das im Oktober 2015 erschien.
Zur Veranschaulichung der astronomischen Inhalte bestand im Anschluss an meinen Vortrag die
Möglichkeit, taktile Modelle und Grafiken abzutasten und anzusehen. An dieser kleinen Ausstellung beteiligte sich auch Utz Schmidtko, der damalige Leiter der barrierearmen Sternwarte St. Andreasberg der indem er einige wunderbare taktile Modelle der Mondscheibe und verschiedener Sternbilder beisteuerte.
Utz brachte mich mit dem Entwickler, Martin Neumann, von Universe2Go in Kontakt.
Auch Martin war anwesend und zeigte mir sein Projekt.
Wir fragten uns, ob es möglich sei, U2G für Menschen mit Blindheit zugänglich zu machen, was ich mir ehrlich gesagt erst mal nicht vorstellen konnte, denn Astronomie-Apps sind in der Regel höchst grafisch und nicht zugänglich.
Nun ja, wir brainstormten das ganze und es war sofort klar, dass wir uns hervorragend ergänzen und beflügeln würden.
Universe2Go besteht aus einer Art Brille, einem Iphone und einer App. Das Iphone wird in die Brille eingelegt und ermöglicht es so, den Sternenhimmel zu erkunden, indem man die auf dem Handy dargestellten Sternkonstelationen mit dem sichtbaren Sternenhimmel abgleichen kann. Interessanter weise bietet diese App auch sehr viel akustische Erlebnisse, die das Projekt extrem attraktiv auch für unseren Personenkreis macht.
Zu vielen Himmelsobjekten sind gesprochene Texte zur Erläuterung hinterlegt. So kann man sich über Entfernung, Helligkeit, Größe und viele weitere Parameter informieren. Außerdem sind schöne Geschichten, z. B. aus der Griechischen Mythologie hinterlegt.

Bis heute stehe ich mit Martin in gutem Kontakt und trage beratend zur Barrierefreiheit der weiteren Versionen bei und wir sind mittlerweile sehr gute Freunde geworden.

Universe2Go ist aber nicht mehr der einzige akustische Sternenhimmel, der Menschen mit Blindheit oder Restsehvermögen, Astronomie zugänglich macht.
Es gibt seit einigen Jahren auch noch die wunderbare Sprechende Himmelsscheibe das Projekt eines blinden Physikers, der auch hier mitliest. Realisiert wurde dieses Unikat über den Verein Andersicht e. V.

Nun soll aber zum Schluss der Entwickler von U2G selbst zu Wort kommen. Er wird uns nun berichten, wer er ist, was das Projekt will, wie er dazu kam und er wird damit den Artikel abrunden.
Bühne frei für Martin:

Die Astronomie hat mich schon als kleine Junge fasziniert. Daher regte sie meinen Erfindungsreichtum schon oft an und ich überlegte mir, wie man Menschen wieder häufiger dazu bringen kann, sich mit dem Sternenhimmel zu befassen. Seit der Einführung des iPhone sind viele Astronomie-Anwendungen für Smartphones entwickelt worden, die quasi wie eine interaktive (Kosmos-)Sternenkarte immer jeweils den Himmelsausschnitt auf dem Bildschirm anzeigen, der auf einer gedachten Linie dahinter liegt. Doch diese Anwendungen verleiten oft dazu, nur auf den Bildschirm zu starren und vom eigentlichen Erleben des Sternenhimmels abzulenken. Daher habe ich universe2go entwickelt. Dies funktioniert im Prinzip ähnlich, aber statt auf einen Bildschirm schaut man durch eine transparente Scheibe an den Sternenhimmel und bekommt zusätzlich Informationen zu den beobachteten Sternen, Sternbildern, Planeten und Deep-Sky-Objekten wie Galaxien, Sternhaufen und Nebel angezeigt. Das Projekt habe ich übrigens auf meinem 3D-Drucker entwickelt und eine Anschubfinanzierung über Crowd Funding (StartNext) und Crowd Financing (Zencap) eingeholt.

Utz Schmidtko von der Sternwarte Sankt Andreasberg hat mich kontaktiert und dadurch wurde ich überhaupt erst einmal darauf aufmerksam gemacht, dass sich auch blinde und sehbehinderte Menschen für Astronomie interessieren. Dann habe ich einen ganz tollen Vortrag von Gerhard im Februar 2015 in Hannover gehört, bei dem er aus seinem autobiografischen Buch vorgelesen hat. Das hat mich sehr beeindruckt und ich habe sofort beschlossen, universe2go auch für sehbehinderte Menschen nutzbar zu machen. Zum Glück machte meine Erfindung auch Gerhard neugierig und war schnell begeistert von den Möglichkeiten, die darin stecken auch wenn der bisherige Weg zur Nutzung des Programms für ihn noch sehr steinig war. Ich bin daher sehr froh, dass mich Gerhard nun mit seinem Enthusiasmus und mit Vorschlägen und Kritik dabei unterstützt universe2go für blinde Menschen leicht nutzbar zu machen.“

Hier kommen jetzt noch einige Links zu Universe2Go. Ich hoffe, die funktionieren noch alle, denn ich habe sie aus einem alten Text recycelt.

  • Käuflich erwerben kann man universe2go bei Astroshop.
  • Hier lang geht es zu häufig gestellten Fragen.
  • Herunterladen kann man sich universe2go hier:
    Für Android
    Für IOS
  • Zur Homepage von U2G geht es hier lang.
  • universe2go wurde teilweise über Crowd Funding finanziert:
    Die Crowd-Funding Kampagne bei StartNext: gibt es hier.
  • Mehr über den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte von universe2go:
    Zeitungsartikel im Kölner Stadtanzeiger Blog-Artikel
    ZauberDerSterne-Blog schrieb hier.
    Clear Sky Blog verewigte U2G hier.

Kometengeschichten 2 – Mein erster Kontakt


Liebe Leserinnen und Leser,

Um 7000 Jahre müssen wir warten, bis der momentan sichtbare Komet Neowise wieder erscheint. So lange braucht der Komet, mit dem ich quasi meinen ersten Kontakt zu Kometen hatte, nicht.
In den ersten siebzehn Jahren meines lebens habe ich wohl mal das Wort Komet gehört, wusste aber wenig bis gar nichts über sie. Meine Flamme und Liebe zu ihnen entzündete sich 1986 an folgender Geschichte:
Zitat aus Blind zu den Sternen:

Glücklicherweise war am nächsten Tag schulfrei, sonst hätte ich im Fernsehen nicht erleben dürfen, wie die Raumsonde Giotto durch den Kometenschweif des Halleyschen Kometen flog. Hier waren sogar die auftreffenden Partikel zu hören, denn die Sonde hatte einen Sensor dafür hinter ihrem Schutzschild. Bedauerlicherweise erblindete die Kamera leider recht früh, weil ein Partikel den Schutzschild durchschlug. Nichtsdestotrotz gibt es Bilder des Kometenkerns, der Koma und seines Schweifes. Diese Mission war eine Glanzleistung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Hätte sie nicht funktioniert, böte sich erst wieder das Jahr 2061 an, da der Komet nur alle 76 Jahre erscheint. Sein Auftauchen war durchaus nicht immer willkommen. Im Jahre 1910 fand man mittels Spektralanalyse des Schweifes Blausäure darin. Panikmacher dachten, jetzt würden alle eines Todes durch Blausäure sterben, wenn die Erde durch den Schweif fliegt.
Ein Englischer König wurde gekrönt, als der Komet gut sichtbar am Himmel stand. Es war kein gutes Omen für ihn, denn er verstarb noch im selben Jahr.
Der Fernsehsprecher erklärte sehr ausführlich, wie ein Komet aussieht, in welche Richtung sein Schweif zeigt und dass der Sonnenwind den Kometenschweif stets von der Sonne weg wehen lässt. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass es einen Sonnenwind aus geladenen Teilchen gibt. Dieses Wissen hat mich damals sehr bereichert: der Schweif, der einer Fahne gleich im Sonnenwind weht.
Für jemanden, der einen Kometen zeichnet, ist das selbstverständlich, weil man ihn immer so sieht. Für einen Menschen mit Blindheit ist das keinesfalls selbstverständlich: Beschreibt oder zeigt man ihm das nicht, wird er es nie erfahren. Es ist ein schönes Gefühl, an den Sonnenwind zu denken. Die Vorstellung passt gut zur Wärme, die wir von ihr empfangen.
Aber auch hier wieder das schon bekannte Bild, dass wir Blinden keinerlei Zugang zu Astronomie hatten.
Da war ich quasi ein Einser-Schüler und wusste dennoch mit meinen 17 Jahren nicht, wie ein Komet aussieht.

Ich wusste nicht, dass sie aus Eis und Staub bestehen. Ich wusste nicht, dass sie einen Gas-Schweif und einen Teilchen-Schweif besitzen und wusste auch nichts über ihre Bahnen.
Spannend war für mich natürlich auch, dass bis heute Kometen nicht nur als Unheilsbringer dienen, sondern eventuell Kandidaten dafür sind, wie das Wasser auf die Erde gekommen sein könnte. Es wäre sogar möglich, dass sie die chemischen Formeln auf die Erde brachten, welche letztlich Leben ermöglichten.
Zu dieser Weltraum-Chemie hat Tim Pritlove noch nicht lange her, eine Raumzeit-Folge veröffentlicht, die ich wärmstens empfehle.
In Folge 79 interviewte Tim eine Professorin, die maßgeblich an den Missionen Giotto und der Nachfolgemission Rosetta beteiligt war und viel zum Thema Kosmische Chemie erzählt. Im gleichen Podcast werden in Folge 20 die beiden Missionen Giotto und Rosetta genauer behandelt. Der DLF brachte eine wunderbare Folge in Wissenschaft im Brennpunkt zu Rosetta heraus, die ich aber leider wegen Urheberrechten nicht hier teilen darf.
die @Riffreporter haben in ihren @Astrogeo-Podcast vor einigen Jahren auch maleine Folge mit der Dame aufgenommen. Zu dieser sehr hörenswerten Folge geht es hier lang.

So, meine lieben, das war meine zweite Kometengeschichte, mein erster Kontakt. Wenn sie gefallen hat, dann lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen. Und wer durch meinen Auszug aus meinem Buch vielleicht jetzt darauf aufmerksam und neugierig wurde, der oder demjenigen sei gesagt: „Ja, das Buch gibt es noch.“ In der Menüleiste des Blogs oder gleich hier findet ihr alle wichtigen Informationen zu meinem Buch.
Bis zum nächsten Mal grüßt euch ganz herzlich
euer Blindnerd.

Kometengeschichten 1 – Der Jupitercrash


Seid herzlich gegrüßt,
Momentan haben wir einen Star am Himmel. Seit mehreren Jahren ist endlich mal wieder ein Komet am Morgen- und am Abendhimmel zu sehen. Sein Name ist @neowise. Über den werde ich aber heute nicht schreiben, weil hierfür noch ein Experiment aussteht, aus welchem ich eine weitere Kometengeschichte verfassen werde, wenn es denn gelingt. Nichts desto Trotz nehme ich den Kometen zum Anlass, hier mal einige Kometengeschichten zu bringen, in welchem ich Erlebnisse mit Kometen schildern werde. Hier kommt eine dieser Erinnerungen:

im Juli vor 26 Jahren stürzte der Komet Shoemaker-Levy 9 in den Gasplaneten Jupiter. Ich erinnere mich daran, dass dieses Ereignis große Aufmerksamkeit und Präsenz in den Medien hatte.
Lasst uns kurz dieses Spektakels gedenken und uns daran erfreuen:

Shoemaker-Levy 9 (kurz auch SL9) war ein 1993 entdeckter Komet. Seine offizielle Bezeichnung ist D/1993 F2 (Shoemaker-Levy). Das „D“ in seiner Bezeichnung steht für das englische „disappeared“ („verschwunden“) und zeigt an, dass der Komet nicht mehr existiert. Seine Bruchstücke schlugen im Juli 1994 auf dem Planeten Jupiter ein. Er erhielt seinen Namen, weil er der neunte kurzperiodische Komet war, der von Carolyn und Eugene Shoemaker zusammen mit David H. Levy entdeckt wurde.

Kometen, die eine Umlaufzeit von unter 200 Jahren haben, nennt man kurzperiodische Kometen. Es sind solche, die von den großen Gasplaneten durch gravitative Einflüsse ins Innere des Sonnensystems gezogen wurden.
Es gibt Kometen, deren Bahnen so exzentrisch sind und so weit über den Rand des Sonnensystems hinaus ragen, dass ihre Wiederkehr Jahrtausende dauert. Sicherlich gibt es sogar Kometen, die die Menschheit seit Bestehen, noch nie gesehen hat, weil ihre Periode zu lang ist.
Kometen können aus allen Richtungen kommen, z. B. von oben die Ekliptik durchstoßen oder von unten.
Der Komet wurde erstmals auf einem Foto nachgewiesen, das am 24. März 1993 mit einem 46-cm-Schmidt-Teleskop am Mount-Palomar-Observatorium in Kalifornien aufgenommen wurde.

Ein Schmidt-Teleskop ist ein Beobachtungsinstrument, das ausschließlich für die Astrofotografie geeignet ist. Man kann damit nicht selbst beobachten. Ich erspare uns jetzt die Einzelheiten.

Der Japanische Astronom Shuichi Nakano sagte den erwarteten Zusammenstoß als Erster voraus. Die Beobachtung wurde in der Folge von anderen Astronomen bestätigt. Rasch wurde klar, dass es sich um einen ungewöhnlichen Kometen handelte. Er befand sich nahe am Planeten Jupiter und war in mehrere Fragmente zerbrochen.

Der Komet geriet vermutlich schon während der 1960er Jahre unter die starken Gravitationskräfte des Jupiter und wurde so in eine stark elliptische Bahn um den Planeten Jupiter gezwungen.
Aufgrund der Gezeitenkräfte zerbrach der Komet, der ursprünglich einen Durchmesser von rund 4 km gehabt haben dürfte, in 21 Fragmente zwischen 50 und 1000 m Größe, die sich auf einer mehrere Millionen Kilometer langen Kette aufreihten.
Man gab jedem Fragment einen Buchstaben (A – W), wobei das I und das O wegen der Verwechslung mit den Ziffern 1 und 0, nicht verwendet wurden.

Nur zwei Monate nach der Entdeckung zeigte die Bahnbestimmung der Astronomen, dass die Kometenstücke im Juli 1994 mit dem Planeten Jupiter kollidieren würden.
Zwischen dem 16. Juli und dem 22. Juli 1994 schlugen die Bruchstücke des Kometen Shoemaker-Levy 9 in Jupiters südlicher Hemisphäre mit einer Geschwindigkeit von 60 km/s ein und setzten dabei die Energie von 50 Millionen Hiroshima-Bomben / 650 Gigatonnen TNT frei.

Wann kommen wir sprachlich endlich von diesen Hiroshima-Bomben und dem TNT weg, um Energiemengen zu beschreiben…

Dies war das erste Mal, dass die Kollision zweier Körper des Sonnensystems und die Auswirkungen eines solchen Impakts direkt beobachtet werden konnten.
Obwohl die Einschlagstelle aus Sicht der Erde knapp hinter dem „Rand“ Jupiters lag und somit nicht direkt einsehbar war, konnten die Astronomen sogenannte „Plumes“ (heiße Gasblasen, ähnlich einem „Atompilz“) über den Rand Jupiters aufsteigen sehen. Aufgrund der raschen Rotation von Jupiter wurden die Einschlagstellen nur wenige Minuten nach den Impakten von der Erde aus sichtbar. Es zeigte sich, dass sie dunkle Flecken mit Durchmessern bis zu 12.000 km in der Atmosphäre Jupiters hinterlassen hatten, die über Monate hinweg sichtbar blieben.

Das erstaunt mich sehr, denn man sollte doch meinen, dass ein Loch in der Gashülle Jupiters gleich wieder „zugeweht“ werden sollte.
Aber es waren ja nicht nur Löcher, sondern aeben riesige Blasen aufgeheizten Gases. Das kann dann schon mal bissel dauern, bis die wieder abkühlen.
Ich habe hier einen taktilen Ausdruck der gestreiften Jupiteroberfläche an meiner Bürotüre hängen. Darauf sind diese Einschlagsstellen auch zu sehen und zu tasten.

Einzig die Raumsonde Galileo konnte aus einer Entfernung von 1,6 AE die Impakte direkt beobachten.

Eine AE, Astronomische Einheit, oder auch AU, Astronomic Unit, ist der mittlere Abstand Erde-Sonne, etwa 150 Mio Kilometer, oder 8 Lichtminuten.

Aufgrund einer defekten Parabolantenne waren die Kapazitäten der Raumsonde für die Datenübertragung allerdings beschränkt, und es konnten nicht alle Messwerte zur Erde übermittelt werden. Hinzu kam, dass Galileo infolge der Challenger-Katastrophe erst mit drei Jahren Verspätung zum Jupiter geschickt wurde. Hätte der Starttermin 1986 stattgefunden, hätte die Raumsonde die Einschläge aus nächster Nähe im Jupiterorbit verfolgen können.

In den Spektren der Plumes wurden große Mengen molekularen Schwefels (S2) und Kohlenstoffdisulfids (CS2) gefunden, mehr als durch die Explosion eines vergleichsweise kleinen Kometenkerns hätte freigesetzt werden können. Man vermutet den Ursprung daher in tieferen Atmosphärenschichten des Jupiter. Weitere nachgewiesene Moleküle sind Kohlenstoffmonoxid (CO), Ammoniak (NH3) und Schwefelwasserstoff (H2S). Auch Emissionslinien von Eisen, Magnesium und Silizium wurden beobachtet: Die Hitze der Explosionen muss also ausgereicht haben, diese Metalle zu verdampfen. Wasser wurde in geringeren Mengen beobachtet, als das zunächst erwartet worden war. Vermutlich wurden die Wassermoleküle durch die Hitze aufgespalten.
Das ist spannend, dass man gleich noch etwas messen konnte, was offensichtlich vom Jupiter stammte. Klar, wenn etwas wo einschlägt, sieht man auch bissel was von dem, was das Innere des getroffenen Körpers enthält.

Muss alles in allem ganz schön gestunken haben. SH2 riecht beispielsweise nach faulen Eiern. Ammoniak riecht nach Schweinestall. Wir werden noch in meinen weiteren Kometen-Geschichten davon hören, dass Kometen scheinbar gern mal vor sich hin stinken, wenn die Sonne sie antaut.

So, das war mal eine Kometengeschichte, die für den Kometen leider nicht gut ausging.
Bis zum nächsten mal grüßt euch
Euer Blindnerd.

Wenn Sehende blinde Menschen fragen


Liebe Leserinnen und Leser,

nicht selten kommt es vor, dass ich als blinder astronomisch interessierter Mensch Dinge gefragt werde, die ich selbst noch nie gesehen habe. Wen wunderts. Im all hat fast niemand noch viel gesehen. Außer einigen Sternen hat auch der Mensch mit den besten Augen und Messinstrumenten nicht viel auf dem Konto. Etwa vier Fünftel des Universums sind für Licht-Augen nicht sichtbar. Und von dem Fünftel, was wir sehen, verbirgt sich noch so einiges hinter Staubwolken. Die Astronomen haben mittlerweile zwar Tricks, auch für Augen unsichtbare Dinge sichtbar, und auch hörbar zu machen, aber sehen ist das halt nicht.

Vor einigen Jahren, als ich gerade neu in einen Astronomie-Verein eingetreten war, wollte dieser im Rahmen eines Tag der offenen Türs einen Workshop für Neueinsteiger anbieten. Hier sollte in einem Vortrag erklärt werden, was man mit verschiedenen Messinstrumenten, Fernglas, Linsenteleskop, Spiegelteleskop etc. sehen kann und womit man finanziell tragbar einsteigen könnte.

Der Macher dieses Workshop fiel leider aus. In seiner Not rief der Organisator der Veranstaltung mich an. Er fragte mich, ob ich diesen Workshop und Vortrag übernehmen würde. Spontan sagte ich zu und bereitete mit meiner sehenden Assistenz die Folien für den Vortrag vor.
Einige Wochen später rief er mich bestürzt an und entschuldigte sich überschwänglich und herzzerreißend dafür, dass er mich als blindes Mitglied um so einen visuellen Gefallen gebeten hatte. Ich war noch so neu im Verein, dass er meine Blindheit einfach nicht auf dem Schirm hatte. Dann musste ich diesem sehr netten Menschen leider sagen, dass das Kind quasi schon in den Brunnen gefallen sei, weil der Vortrag mit seinen Folien und allem schon fertig war. Ich tröstete ihn, indem ich ihm sagte, da wir den Vortrag am hellichten Tage halten, kann niemand etwas von dem ausprobieren, was ich erzähle. Wie auch immer. Ich hielt den Vortrag unter einer sehr dunklen Sonnenbrille und verriet erst auf der vorletzten Folie, dass ich blind bin. Das war äußerst inklusiv und großartig.

In der Hauptschule sparte man das Thema Optik aus, weil wir blind sind und viele von uns mit Licht nichts anfangen könnten. Außerdem wäre es dann auch zu kompliziert für uns, meinten die Lehrer*innen. Zum Glück hatte ich später Anfang der 90er Jahre im Rahmen meines Physik-Nebenfachs im Studium nochmal die Möglichkeit, Optik zu lernen. Ich fand Optik eines der leichtesten Themen in diesem Studium. Wenn ich da an die Thermodynamik oder die Quantenmechanik mit ihren vielen langen Gleichungen denke, dann bin ich heute noch froh, die Klausuren bestanden zu haben.

Ich erzähle euch das alles, weil es immer wieder vorkommt, dass ich über an sich nur sehbare Phänomene befragt werde. Und wisst ihr was, das ist überhaupt nicht ungewöhnlich. Ich lebe ja in unserer gemeinsamen Welt, die nun mal einfach eine Welt des Sehens ist, mit allen vor- und Nachteilen, die das mit sich bringen kann. Im Gespräch darf ich immer wieder feststellen, dass unsere Welten gar noch so weit voneinander entfernt liegen. Es geschieht quasi nie, dass ich völlig daneben liege, wenn ich mir etwas visuelles vorstelle.

Deshalb schreibe ich heute mal über Seh-Fragen, die Sehende an den Blinden stellen.

Wie sieht der Himmel anderswo aus, fragte mich neulich eine blinde wunderbare Freundin. Gute Frage dachte ich. Wie sieht der Himmel denn bei uns aus?
Auf der Erde haben wir die helle Sonne, manchmal Wolken, die sehr unterschiedlich aussehen können, z. B. Regenwolken, Schäfchen, Gewitterwolken etc. Und Dann ist da irgendwo überuns der Himmel, der blaue Himmel. Und wenn man in die Ferne blickt, dann stößt der Himmel an der Horizont-Linie mit der Erde zusammen.
Und es ist bei uns auch an bewölkten Tagen, wo man keine Sonne sieht, überall ungefähr gleichmäßig hell.
Und nachts haben wir natürlich unseren Mond, der zu und abnimmt und manchmal einen Hof hat, wenn ein Vulkan gerade mal wieder viel Staub und Asche in die Atmosphäre geblasen hat.
Und dann sind da natürlich unsere Planeten, die ihre Stellungen zueinander ändern und gemeinsam mit unseren Sternen viel Raum für astrologische Schwurbelei bieten.
Manchmal huscht die internationale Raumstation durchs Bild und die vielen hunderte Kleinsatelliten verschmutzen unseren Nachthimmel und unsere Stadtbeläuchtungen etc. tun das auch, so dass der Himmel nachts an manchen Orten gar nicht mehr ganz dunkel wird.

Es ist noch gar nicht lange her, als man noch nicht wusste, dass die galaktischen Nebel auch Gebiete mit Sternen sind, die aber unser Sehsinn nicht einzeln auflösen kann.

Manchmal haben wir Glück und es ereignen sich Sonnen- und Mondfinsternisse. Nicht selten kann man auch Kometen erspähen, die von weit her kommen und u. U. tausende Jahre zu uns unterwegs waren.
Manche Haarsterne waren vielleicht da, als es uns Menschen noch gar nicht gab.

Zum Leidwesen aller Astronomen flackern und romantischer ausgedrückt funkeln die Sterne. Schuld daran ist die wabernde störende Atmosphäre, deren Dichte und Dicke sich dauernd blubbernd ändert. Sie ist halt nicht ganz durchsichtig. Sie ist der Grund dafür, dass unser Himmel blau ist. Wenn morgens und abends das Sonnenlicht in flachem Winkel durch dickere Luftschichten dringen muss, wird der blaue Anteil des Lichtes ausgefiltert, weshalb wir Morgenrot und Abendrot wahrnehmen. Ja, in Wirklichkeit haben wir dauernd nahezu alle Farben des Lichts. Das verrät sich in der Wunderbaren Ansicht eines Regenbogens. Kleine Wassertropfen in der Atmosphäre wirken wie Prismen und fächern das weiße Licht in seine einzelnen Farben auf.
So sieht grob der Himmel auf der Erde aus.

Wie sieht er aber woanders aus?
Die ersten, die ein Blick durch dieses Fenster hatten, waren unsere Mondfahrer. Da ist zunächst der Mondtag. Er dauert einen Monat lang. Das bedeutet, dass es ungefähr 14 Tage lang hell, und 14 Tage lang dunkel auf dem Mond ist. Der Mond hat keine Atmosphäre. Das hat weitreichende Konsequenzen, was den Anblick des Himmels vom Mond aus betrifft. Auffällig ist, dass der Himmel auf dem Mond nicht mehr blau, sondern schwarz ist. Man sieht die gleißende Sonne oder nachts auch Sterne. Diese flackern auf dem Mond nicht mehr, weil man nicht durch eine wabernde Atmosphäre blicken muss, um sie zu sehen. Es ist auf dem Mond auch nicht gleichmäßig hell, wie bei uns, da er keine Atmosphäre besitzt, an deren Teilchen das Tageslicht gleichmäßig gestreut wird. Das bedeutet, dass es in Blickrichtung dunkel ist, wenn man die Sonne im Rücken hat. Schattenwürfe auf dem Mond sind viel klarer und deutlicher. Selbstverständlich gibt es auf dem Mond durch die fehlende Atmosphäre und Wasserdampf auch kein Wetter. Der Mond hat kein Magnetfeld. Das bedeutet, dass jeder Kompass dort nicht funktioniert. Auch Polarlichter gibt es aus diesem Grunde auf dem Mond nicht zu sehen.

Astronauten berichten, dass man dort alles ganz nah sieht, weil keine Atmosphäre vorhanden ist. Man kann also Entfernungen nicht mehr so einschätzen. Bemerkenswert ist auf dem Mond der nahe Horizont. Der Mond ist viel kleiner als die Erde. Das bedeutet, dass sich seine Krümmung (Kugelform) deutlich früher bemerkbar macht, wenn man den Blick in die Ferne schweifen lässt. Man hat also auf dem Mond immer das Gefühl, gleich am Rande der „Scheibe“ zu stehen. Wo auf dem Mond keine Sonne hin kommt, z. B. in einen Krater, dort ist es auch dunkel, weil es kein Zwielicht auf ihm gibt. Das macht sich auch in den Temperaturen auf dem Mond bemerkbar.

Es ist natürlich klar, dass man auf dem Mond keinen Mond sieht, weil man sich ja auf ihm befindet. Ein Foto ging um die Welt, dass ein Astronaut von Apollo8 aus schoss. Dort ist die Erde in ihrer blauen Luftblase zu sehen. Man sieht Wolken, Wasser und Kontinente. Auch Wüsten und große Städte kann man sehen. Das Foto zeigt, wie zerbrechlich unser Raumschiff Erde ist. Vergleicht man sie mit einem Apfel, so ist die Atmosphäre nicht dicker als seine Schale. Mondfinsternisse sollten ein beeindruckendes Schauspiel bieten. Ohne die helle Sonne würde man auf der der Erde zugewandten Seite beleuchtete Städte sehen, die sich langsam am Mond vorbei drehen. Sonnenfinsternisse dürften sich auf dem Mond kaum von normalen monatlichen Neumond-Ereignissen unterscheiden. Die sehen auf Erden deutlich spektakulärer aus.

Und naja, hören kann man auf dem Mond auch nichts. weil es keine Luft dort gibt, die den Schall transportieren würde. Die Astronauten hörten dort ihre eigenen Schritte nicht. Wahrscheinlich hörten sie schon etwas, weil ihr Raumanzug voll Luft gepumpt war. Vielleicht ein Rascheln, ein Klopfen, ein Rauschen der Überlebenssysteme etc. Aber etwas vom Mond hörten sie leider sicher nicht. Ich denke, es sollte sich im Mondstaub ungefähr so anhören, wie wenn man durch guten Schnee läuft, wenn es dort eben eine schalltragende Atmosphäre gäbe.

Physisch muss es auf dem Mond aber genial sein. Man wiegt dort nur ein sechstel seines normalen Körpergewichtes. Das bedeutet, dass unsere Muskeln, die zur Fortbewegung unseres Körpers auf Erden ausgebildet sind, ganz viel Kraft haben. Damit können wir beispielsweise sehr hoch springen. Auch wenn man hin fällt, tut es vermutlich auf dem Mond nicht mehr so weh. Also, bei allem wunderlichen Anblick auf dem Mond. Man kann dort nicht leben.
Interessant ist es aber schon mal, sich Gedanken darüber zu machen, wie dort so die Perspektive ist. Der erste, der das versuchte, war Johannes Kepler in seiner Mondgeschichte, über die ich vor Jahren schon schrieb.

Auf unserem inneren Planeten, dem Merkur, über dessen Mysterium mit den zwei Sonnenaufgängen ich schon schrieb, sind die Verhältnisse ähnlich. Keine Atmosphäre, große Hitze und sehr lange Tage. Der Merkur hat keine Monde. Was man allerdings interessantes sehen könnte ist, dass die Sonne unterschiedlich groß erscheint. In seinem sonnennächsten Punkt ist der Merkur etwa nur ein Drittel so weit von ihr entfernt, wie die Erde. Das bedeutet, dass man die Sonne dann neun mal so groß wahrnehmen sollte. Selbst in seinem sonnenfernsten Punkt ist der Merkur noch so nahe an der Sonne, dass man sie vierfach so groß sehen sollte, wie auf der Erde, da sein Abstand von ihr ungefähr die Hälfte des Erdabstandes beträgt.
Natürlich könnte man auf dem Merkur auch sehen, wie die anderen Planeten kreisen. Hören kann man auf dem Merkur natürlich auch ohne Atmosphäre nichts. Vielleicht kleinere beben, wenn man das Ohr an ihn legte. Ein Ruf in das Vakuum würde auf Merkur leider auch ungehört verhallen.

Auf der Venus wäre es ganz davon abgesehen, dass es an ihrem Boden um 400 Grad heiß ist, ziemlich interessant. Sie hat eine Atmosphäre, die 100 mal schwerer ist, als die bei uns. Das bedeutet, dass ein laues Lüftchen, das wir auf Erden angenehm empfinden würden, uns auf der Venus glatt umhauen würde. Die Venus erlebt momentan einen unglaublichen Treibhauseffekt. CO2, Schwefelsäure und andere unschöne und lebensfeindliche Gase würden uns das leben schwer machen. Die Sonne würde man vermutlich in dieser dicken und wolkigen Atmosphäre nie sehen. Man hätte nur ein fahles rötliches Zwielicht. An Sterne und den Mond ist auf der Venus nicht zu denken. Immer wolken verhindern den Blick auf die Sterne und einen Mond hat die Venus leider nicht.

Allerdings dreht sich die Venus falsch herum. Sie steht quasi auf dem Kopf. Vermutlich hat ein Einschlag sie auf den Kopf gekippt und möglicherweise auch den Treibhauseffekt auf ihr ausgelöst, weil z. B. alle Vulkane auf ihr gleichzeitig hoch gegangen sein könnten. Die Sonne auf Venus zieht also von West nach Ost.

Klingen würde in dieser dicken Atmosphäre alles viel tiefer wie bei uns. Helium, davon hören wir später, macht eine Micky Maus Stimme. Die dicke Venus-Luft macht alles tiefer.

Wo momentan jeder hin will, na klar, auf dem Mars.
OK, wirklich gut leben kann man auf dem Mars auch nicht. Die Luft dort ist sehr dünn und ihr fehlt das für uns wichtige Gas, der Sauerstoff. Ohne Treibhaus ist es auf dem Mars auch recht kühl. Immerhin hat der Mars zwei Monde, die Angst und Schrecken heißen, (Phobos und Deimos).
Auf dem Mars wögen wir auch ungefähr nur 1/3 unseres Gewichtes auf der Erde und durch die dünne Atmosphäre würden wir alles ganz leise hören. Es gab in der Vergangenheit schon Mars-Missionen, die ein Mikrophon dabei hatten, aber die sind leider dort nie angekommen.
Naja, momentan gibt es eine große Diskussion, ob es tatsächlich Metan auf dem Mars geben könnte. Metan wäre ein Bioindikator für eventuelles Leben. Tja, wie es aussieht, hat der Rover auf dem Mars seine eigenen Abgase gemessen. Das übertrage ich jetzt mal besser nicht auf menschliche Ausdünstungen…

Jetzt überschreiten wir die Schneegrenze unseres Sonnensystems und überlegen uns, wie das alles auf einem unserer großen Gasplaneten sein könnte.

Zunächst mal ist es schwierig, bei einem Gasplaneten die Atmosphäre zu bestimmen. Er besteht ja aus fast nichts anderem. Naja, da orientiert man sich an der Erde. Bei einem Gasplaneten, wie dem Jupiter, Saturn Uranus und Neptun definiert man einfach den Boden der Atmosphäre dort, wo auf der Erde Normaldruck herrschen würde. Boden hat man bei einem Gasplaneten zwar dann noch nicht unter den Füßen, weil es noch viele Kilometer weiter gasförmig weiter geht, aber man kann dann die Situation einfach vergleichen. Also der Jupiter hat viele Wolken und es herrschen häftige Stürme auf ihm. Die Wolken zeigen sich als sichtbare Bänder. Er dreht sich sehr schnell. Einer der großen Stürme auf Jupiter bilden den roten Fleck in der Nähe des Südpols. Das ist ein unglaublicher Sturm, wie er hier auf Erden vermutlich nie stattfinden kann. Jupiter hat ein enormes Magnetfeld. Das bedeutet, dass auf ihm enorme Polarlichter herrschen sollten. Das Wetter sollte viele Gewitter mit großartigen Blitzen und Gewittern erzeugen. Selbiges haben Raumsonden wohl auch schon gesehen. Die Sonne auf Jupiter wirkt schon deutlich kleiner als bei uns auf der Erde. Das wird natürlich nach außen hin zum Saturn, wo die Sonne nur noch die Größe eines Stecknadelkopfes hat, noch dramatischer. Ein Gasplanet und unsere Sonne auch rotiert nicht gleichmäßig, wie ein Starrer Körper. Die Sonne rotiert beispielsweise am Äquator rascher, als in ihrem Polregionen. So etwas geschieht bei Gasplaneten auch. Das bedeutet, dass die Lebewesen auf so einem Gasplaneten unterschiedliche Tageslängen hätten. OK, beim Jupiter-Jahr könnte man dann alle wieder einfangen, weil sich dieses durch seinen Umlauf um die Sonne definiert. Naja, auf einem Planeten wie Jupiter oder Saturn hätte man schon Probleme mit dem Mondkalender. Nach welchem Mond soll man ihn denn schreiben? Io, Europa, Ganymed und Kallisto.

Die Monde dieser Planeten sind durchaus interessant. Jupiters Europa oder Saturns Titan geben schon interessante rätselhafte Aufgaben auf. Es gäbe hier noch viel zu schreiben. Ich wollte in diesem Artikel einfach mal zeigen, wie interessant es ist, sich auch als blinder Mensch damit zu beschäftigen, was normalerweise einfach nur zu sehen ist.

Es kann gut sein, dass dieser Artikel sich noch weiter entwickeln wird. Ich stelle jetzt einfach mal die erste Version davon online.

Gehabt euch wohl, tragt fleißig eure Schnutendeckel und bleibt gesund.

Es grüßt euch herzlich

Euer Blindnerd.

Merkur – ein romantischer Ort


Liebe Leserinnen und leser,

in diesen Tagen, Mitte Mai 2020, soll bei guten Bedingungen der Merkur neben der Venus und der Mondsichel sogar bei uns gut zu sehen sein. Das ist nicht so einfach, weil der Merkur sehr klein ist und meistens wie der Mond bei Neumond von der Sonne überstrahlt wird. Deshalb sieht man ihn, wenn überhaupt nur am Morgen- oder Abendhimmel nahe bei der Sonne. Der große Astronom Kopernikus soll einer Legende nach auf seinem Sterbebett gesagt haben, dass es ihm zu Lebzeiten nie vergönnt gewesen wäre, den Merkur zu sehen. Aber der Merkur war schon in der Antike bekannt, weil man ihn eben manchmal mit bloßem Auge sehen kann. Merkur machte auch wegen seiner merkwürdigen elliptischen Bahn auf sich aufmerksam. Erst durch die Relativitätstheorie konnte die sog. Periheldrehung des Merkur erklärt werden. Damit ist gemeint, dass sich die ganze Merkurbahn langsam um die Sonne dreht. Somit verschiebt sich dann auch sein Perihel, sein sonnennächster Punkt. Die Newtonsche Himmelsmechanik reichte nicht aus, diese zu beschreiben.
Heute wollen wir uns mal mit einer Merkwürdigkeit befassen, die es so in unserem Sonnensystem nur auf dem Merkur zu beobachten gibt.

Der Lauf der Sonne auf Merkur

Man würde sich dort sehr über den Lauf der Sonne wundern, wenn man sich denn dort aufhalten könnte. Von einem Sonnenaufgang zum nächsten vergehen auf dem Merkur 176 Tage. Außerdem scheint die Sonne auf dem Merkur bei Sonnenauf- und Untergang aus dem Gang zu geraten. Am Äquator bleibt sie zur Mittagszeit kurz stehen, läuft dann etwas rückwärts, dann hält sie erneut an, um dann wieder ihren normalen Lauf von Ost nach West wieder aufzunehmen. Noch merkwürdiger wird alles, wenn man sich 90 Grad links oder rechts vom Mittagspunkt befindet, wo die Sonne gerade im Begriffe ist, auf- bzw. unter zu gehen. Man würde dort einen doppelten Sonnenauf- oder Untergang erleben. Also wenn die Sonne am Merkur-Morgen erscheint, verschwindet sie nochmal kurz unter dem Horizont, um dann endgültig richtig aufzugehen. Ebenso am Abendhimmel. Dort geht sie zunächst unter, erscheint dann nochmals kurz über dem Horizont, um sich dann zur Nacht zu begeben.
Dieses Kuriosum gibt es nur auf dem Merkur in unserem Sonnensystem. Was geht da vor.

Auf erden ist alles, wie es sein soll

Jeder weiß, dass sich die Erde links herum gegen den Uhrzeigersinn dreht, weshalb die Sonne von Ost nach West über den Himmel zu laufen scheint. Es ist auch bekannt, dass die Erde ungefähr 24 Stunden für eine Umdrehung benötigt. Für ihren Umlauf um die Sonne benötigt sie ein Jahr, ungefähr 365 Tage. Beim Merkur ist das alles anders.

Wie denn?

Bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts dachte man, dass der Merkur uns stets dieselbe Seite zeigt. So ist das bei unserem Mond. Dessen Drehung um sich selbst entspricht genau seiner Umlaufzeit um die Erde, einem synodischen Monat. Deshalb sehen wir seine Rückseite nie. So dachte man sich das eben auch von Merkur. Mit Teleskopen, Radar und Raumsonden, als man Struktur auf dem Merkur ausmachen konnte, fand man heraus, dass er sich doch etwas schneller um sich selbst dreht, als ein Umlauf um die Sonne dauert.
Er zeigt uns eben doch nicht immer dieselbe Seite.

Für eine Umdrehung benötigt Merkur 58,646 Tage. Für einen Umlauf um die Sonne benötigt er 87,969 Tage. Das bedeutet, dass wenn Merkur zweimal die Sonne umrundet, dreht er sich dreimal um sich selbst. Und damit nicht genug. Merkurs bahn ist extrem elliptisch. An seinem sonnenfernsten Punkt, dem Aphel, beträgt sein Abstand zur Sonne rund 70 Millionen Kilometer. In seinem sonnennächsten Punkt, dem Perihel ist er nur noch knapp 46 Millionen Kilometer von ihr entfernt. Dagegen verglichen laufen Erde und Venus fast auf Kreisbahnen.
Das bedeutet, dass Merkurs Winkelgeschwindigkeit auf seiner Bahn sehr stark variiert. Keplers zweites Planetengesetz besagt, dass der Fahrstrahl eines Planeten stehts gleiche Flächen zu gleicher Zeit überstreicht. Der Fahrstrall ist die gedachte Hilfslinie zwischen Stern und Planet. Ist nun unser Merkur an seinem entferntesten Punkt von der Sonne, ist sein Fahrstrahl länger. Wenn der zu gleicher Zeit eine gleiche Fläche überstreichen soll, bedeutet das, dass Merkur sich langsamer auf seiner Bahn bewegen muss, um diese Bedingung zu erfüllen. Das „Kuchenstück“ ist dann zwar länger, aber deutlich schmaler. In Sonnennähe beschreibt der Fahrstrahl dann zur selben gegebenen Zeit ein kürzeres, aber breiteres „Kuchenstück“, ganz davon abgesehen, dass der Kuchenrand keinen Kreis beschreibt, weil es sich um eine elliptische Bahn handelt, aber als Bild geht es so.

Nun haben wir alle Fakten beieinander, um Merkurs Sonnen-Wunder zu erklären.

Von Winkeln und Verhältnissen

Zunächst ist es so, dass ein Beobachter auf dem Merkur die Sonne im Laufe eines Merkur-Jahres immer größer wahrnimmt, so lange Merkur sich auf sein Perihel zubewegt. Entfernt er sich dann wieder von ihr, erscheint die Sonne wieder kleiner. Bei dieser starken Exzentrizität der Merkurbahn würde man das deutlich sehen. Den Effekt hätten wir gern bei unserem Supermond…

Wir haben oben gefunden, dass Merkur drei Umdrehungen innerhalb zweier Merkur-Jahre (Lauf um die Sonne) vollführt.
Die Geschwindigkeit, mit welcher Merkur sich um sich selbst dreht, bleibt konstant. Bei Drehungen spricht man gerne von Winkelgeschwindigkeiten, also von der Änderung des Winkels pro Zeit. Für die Eigendrehung des Merkur ist die konstant.
Beim Lauf um die Sonne auf merkurs extrem elliptischer Bahn ist das durchaus nicht so, denn sonst wäre keplers Gesetz mit den Flächen und dem Fahrstrahl nicht erfüllbar. Man kann also sagen, dass die Winkelgeschwindigkeit der Eigenrotation des Merkur ungefähr 1,5 mal größer ist, als die durchschnittliche Winkelgeschwindigkeit seines Laufes um die Sonne. Betrachtet man aber nun die Position des Merkur auf seiner Bahn, ändert sich dieses Zahlenverhältnis sehr stark. Im sonnenfernsten Punkt ist die Winkelgeschwindigkeit um 0,68 mal kleiner als die mittlere Winkelgeschwindigkeit und im Perihel um den Faktor 1,53 größer. Somit stehen im Aphel die beiden Winkelgeschwindigkeiten 1,5 (Eigendrehung konstant) zu 0,68 und im Perihel 1,5 (Konstante Eigendrehung) zu 1,53 (Bahnumlauf).
Was fällt hier auf:
Je näher der Merkur seinem sonnennächsten Punkt kommt, desto größer wird seine Bahngeschwindigkeit. Das Verhältnis zur konstanten Winkelgeschwindigkeit der Eigendrehung steigt also vom Aphel mit 0,68 bis zum Perihel mit 1,53 an. Nun ist das Verhältnis plötzlich anders herum.

Konsequenzen

Die Winkelgeschwindigkeit der Eigendrehung ist im Verhältnis zur Umlauf-Winkelgeschwindigkeit plötzlich kleiner. Das bedeutet, dass die Sonne für den Beobachter plötzlich rückwärts läuft, denn negatives Geschwindigkeitsverhältnis bedeutet entgegengesetzte Richtung.

Und was passiert an dem Punkt, wo das Verhältnis 1,5 zu 1,5 ist? Dort steht die Sonne kurz still und kehrt ihre Richtung von einem Beobachter aus gesehen entweder wieder in die richtige Richtung um, dass sie wieder von Ost nach west läuft, oder in die falsche.

Und was bedeutet das für den Beobachter an einer der Tag-Nacht-Grenzen? Genau. Die Sonne läuft rückwärts und tut nochmal, was sie schon tun wollte, nämlich auf- oder unterzugehen.

Und wie kommen wir auf die Tageslänge von über 180 Tagen, obwohl die Sonne sich in 54 Tagen um sich selbst dreht? Das liegt am Verhältnis von Merkurtag zu Merkurjahr. Hat die Sonne von ihrer Umdrehung her den Merkurtag beendet, hat sie sich erheblich auf ihrer Bahn weiter gedreht, Wir Erinnern uns Drei Umdrehungen in zwei Umläufen. Deshalb dauert die Zeitspanne so lange.

Liebesurlaub auf dem Merkur

Puh, das war jetzt kompliziert, oder?
Aber für Verliebte wäre das doch wirklich super romantisch mit den zwei Sonnenauf- und Untergängen.
Auch für Sonnenanbeter gibt es auf dem Merkur ein Plätzchen. Sie sollten die Caloris Planitia besuchen. Es ist das Becken der Hitze auf Merkur. Dieser Einschlagskrater hat einen Durchmesser von 1,500 km. Es ist der Ort, bei dem zum Zeitpunkt jedes zweiten Perihel-Durchgangs die Sonne im Zenit steht. Und sie verlängert das Sonnenbad noch etwas, denn sie wandert ja am Perihel kurz rückwärts. Näher kommt man der Sonne so wohl nicht und bei molligen mehreren Hundert Grad und ohne schützende Atmosphäre, dürfte sich die erwünschte Bräune rasch einstellen.

Und eins noch zur Urlaubs-Saison auf Merkur:
Jahreszeiten in dem Sinne, wie wir sie durch unsere um 23 Grad geneigte Erdachse auf der Erde haben, gibt es auf Merkur nicht, da seine Achse nur um 0,01 Grad gekippt ist. Man kann sagen, er steht aufrecht. Seine sehr elliptische Bahn bewirkt aber, dass die Sonneneinstrahlung variiert. Dieser Effekt hat auf Erden wegen der fast kreisförmigen Bahn keine Auswirkung. Allerdings bewirkt die Exzentrizität der Erdbahn, dass unser Sommer ungefähr vier Tage länger als der Winter ist. Es ist noch nicht ausgemacht, ob an den Polem von Merkur Skiurlaub möglich sein könnte. Kann sein, dass es Eis in Kratern an den Polen gibt, wo nie Sonne hin kommt. Möglicherweise muss man dann selbst die Piste beleuchten.
Und auch Kunstkenner kommen auf Merkur durchaus auf ihre Kosten. Besuchen sie doch Rembrandt, den größten Krater des Merkur. Bedenken Sie, dass die Kleiderordnung hierfür durchaus einen veritablen Raumanzug verpflichtend vorsieht. Und ob Sie dort Gemälde finden werden, ist äußerst fraglich. Wie dem auch sei. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.
Naja, ob aber jemals Menschen in diese heiße Wüstenwelt ohne Atmosphäre reisen möchten, sei dahin gestellt.

Jetzt warten wir erst mal, bis in einigen Jahren die Raumsonde BepiColombo am Merkur ihre Forschungsarbeit aufnimmt. Apropos Merkur und Missionen:
Folge 43 des Podcasts Raumzeit beschreibt die Mission sehr hörenswert und in Folge 44 dieses Podcast geht es um den Merkur an sich.
Inspiriert zu diesem Artikel hat mich das Buch Sternstunden des Universums von Harald Lesch, das es bei Audible auch als Hörbuch gibt.
Wie auch immer:
Bis Bepicolombo am Merkur ist, wird es aber noch viele neue Artikel auf Blindnerd geben.

Es grüßt euch herzlich
Euer Blindnerd.

Die Strahlkraft der Sonne


Liebe Leserinnen und Leser,

Bis vor wenigen Jahrzehnten war nicht klar, wo die Sonne ihre Energie für so lange Zeit unerschöpflich her nimmt und uns damit wärmt und Leben spendet. In den nächsten Artikeln wird es genau um diese Geschichte gehen, wie man sich langsam der Wahrheit näherte.
Eigentlich dachte ich, ich könnte dieses Thema in einem Artikel abfrühstücken. Das erwies sich aber schon bei der Stoffsammlung als Ding der Unmöglichkeit.
Deshalb geht es heute erst mal um grundsätzliche Fragen, z. B. wieviel Strahlung und Energie wir überhaupt von unserem Heimatstern erhalten. In weiteren Artikeln werden wir dann alle weiteren Aspekte des Kraftwerks Sonne untersuchen.

Die Strahlkraft der Sonne

Auf jeden Quadratmeter einer im Erdabstand von der Sonne außerhalb der Erdatmosphäre aufgestellten und auf sie ausgerichteten Fläche fällt in jeder Sekunde die Energie von 1360 Joule pro Quadratmeter.
Unser Quadratmeter empfängt somit eine Strahlungsleistung von 1,4 Kilowatt. Auf einen Quadratmeter der Erdoberfläche trifft aber wesentlich weniger. Zum einen bleibt ein Teil der Energie in der Erdatmosphäre stecken, zum anderen kommen die Strahlen nicht immer und überall senkrecht von oben. Die Hälfte der Zeit liegt unser Quadratmeter im Dunkel der Nacht, und bei schlechtem Wetter erreichen ihn die Sonnenstrahlen nur stark geschwächt. Die Wolken reflektieren dann die Sonnenenergie wieder in den Raum zurück. So erhält in Mitteleuropa der Quadratmeter durchschnittlich nur etwa 100 Watt. Immerhin, wollte man die Sonnenenergie, die dieser Quadratmeter im Jahr erhält, mit Heizöl decken, müsste man etwa 100 Liter verbrennen.
Das alles weiß man aber erst, seit bekannt ist, wie weit die Erde von der Sonne entfernt ist, und wie die Größenverhältnisse dieser Körper ist.

Die Vermessung des Sonnensystems

Wir wissen, wieviel die Strahlung der Sonne für uns Menschen bedeutet, was bedeutet sie für die Sonne?
Dazu müssen wir zuerst wissen, wie weit wir von ihr entfernt stehen.
Eine nahe Sonne könnte die Energie von 100 Litern Heizöl pro Jahr und Quadratmeter leichter liefern als eine entferntere. Denn von der nach allen Richtungen gleichmäßig in den Raum gehenden Energie, fängt eine Fläche mehr auf, wenn sie nahe bei der Sonne steht, als wenn sie in großem Abstand von ihr beleuchtet wird. Nahe am Feuer ist es immer wärmer, als davon entfernt zu stehen.
Es gilt das einfache Abstands-Quadrat-Gesetz:
Verdoppelt man den Abstand zwischen strahlendem Körper und empfangender Fläche, dann fängt sie nur ein Viertel auf, bei dreifachem Abstand nur ein Neuntel.

Zu diesem Gesetz muss ich euch unbedingt eine kleine Geschichte erzählen, wie unser Mathematiklehrer uns blinden Schüler*innen die Wirkung beschrieb:

Wie uns Blinden das Abstands-Quadrat-Gesetz und die Strahlensätze veranschaulicht wurden

Unser Mathematiklehrer brachte mal einen Dia-Projektor in den Unterricht mit. Er hatte ein Dia mit einem aufgeklebten Dreieck, kleiner als ein Fingernagel in den Projektor gesteckt. Das Bild ließ er nun auf eine weiße Fläche projizieren. Diese weiße Holzwand war mit kleinen Löchern bedeckt. Mit drei Stiften durfte jetzt jemand, aus der Klasse, der noch einen kleinen Sehrest hatte, die Ecken des dargestellten Dreiecks fixieren. Diese Eckpunkte wurden dann mit einem Hosengummi verbunden. Ich war verblüfft, wie riesig das projizierte Dreieck im Gegensatz zum winzigen Original war.
Das Original hatte, wie gesagt, eine Kantenlänge von wenigen Millimetern. Die Projektion war mindestens 30 cm lang.
Nun aber zurück zu unserem Thema.

Bestimmung der Entfernung Erde-Sonne

Wie weit entfernt zieht nun die Erde ihre Bahn um die Sonne? Wir
haben es erst verhältnismäßig spät erfahren. Obwohl die Griechen die Entfernung des Mondes recht gut kannten, lagen ihre mit raffinierten und im Prinzip korrekten Methoden gewonnenen Sonnenentfernungen nur etwa bei einem Zehntel des richtigen Wertes. Die Wahrheit erfuhren die Menschen erst im Jahre 1672.

Damals kam der Planet Mars der Erde besonders nahe. Diese Gelegenheit wurde in Paris und bei einer Expedition nach Cayenne benutzt, die unter der Leitung des französischen Astronomen jean Richer (1630-1696) stand. Beobachtet man den Mars von zwei Orten auf der Erde gleichzeitig, so steht er für jeden Beobachter vor etwas verschiedenen Stellen des Fixstern-Himmel-Hintergrundes. je kleiner der Abstand Erde-Mars, desto größer der Unterschied.
Allerdings muss man zur Bestimmung des Marsabstandes genau wissen, welche Entfernung zwischen den beiden Mess-Orten liegt.
Kurz zuvor hatte der französische Astronom jean Picard (1620-1682) den Radius der Erdkugel
gemessen. Mit der Größe der Erde war nun auch der Abstand Paris-
Cayenne recht genau bekannt. So konnte man den Abstand Erde-Mars
ermitteln. Das war der Anfang der Vermessung des Planetensystems.
Kennt man den Abstand zweier Planetenbahnen und die Zeiten, in
denen sie von ihren Planeten einmal durchlaufen werden, so kann man die Abstände der Bahnen zur Sonne errechnen. Man benötigt dazu das Dritte Keplersche Gesetz, das aus den beobachtbaren Umlaufzeiten zweier Planeten das Verhältnis ihrer Bahndurchmesser liefert. Da die Umlaufzeiten der Planeten leicht zu bestimmen sind, erfuhr man 1672, dass die Sonne etwa 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist.
„Etwa“ deshalb, weil die Erde eine elliptische Bahn um die Sonne beschreibt.
Inzwischen gibt es bessere Methoden, das System von Sonne und
Planeten auszulosen, und wissen es genau: Im Mittel sind Sonne und Erde 149598000 Kilometer voneinander entfernt. Das Sonnenlicht benötigt etwa acht Minuten, um diese Strecke zurückzulegen. Würde an einem Tag mittags um 12.00 Uhr die Sonne schlagartig verlöschen, wir würden es erst um 12.08 Uhr gewahr.

Nachdem man die Entfernung der Sonne ermittelt hatte, wusste man auch, wie groß sie ist. Am Himmel erscheint sie als eine Scheibe, deren Durchmesser einem Winkel von einem halben Grad entspricht. Mit einer einfachen Dreiecksberechnung erhielt man dann einen Sonnendurchmesser von 1,4 Millionen Kilometern. Das ist etwa das 110fache des Durchmessers der Erde. Setzten wir unseren Planeten in die Mitte der Sonne, so würde der Mond immer noch im Sonneninneren um uns kreisen. Man könnte die Sonnenkugel mit mehr als einer Million Erdkugeln auffüllen.

Aus der hier bei uns auf den Quadratmeter treffenden Strahlungsleistung der Sonne und aus der nunmehr bekannten Entfernung kann man die Strahlkraft der gesamten Sonne bestimmen. In Millionen Watt (Megawatt) ausgedrückt ist es eine 21stellige Zahl!

Was die Sonne in jeder Sekunde an Strahlung in den leeren Raum hinaus verschwendet, könnte eine Million Jahre lang den gesamten Energiebedarf der Menschheit decken.

So, meine lieben, das waren jetzt mal einige Grundlagen zur Strahlkraft der Sonne. Im nächsten Schritt können wir uns dann langsam an das Kraftwerk der Sonne und der Diskussion darüber nähern, wie es funktioniert.
Bis da hin grüßt euch herzlich
Euer Blindnerd.

Die Radiosonne


Liebe Leserinnen und Leser,

heute stelle ich euch mal ein weiteres Gesicht unseres Muttersterns vor.
Schon in vorigen Beiträgen fiel immer mal wieder das Wort „Radiosonne“, bzw. dass bei Missionen auch Instrumente zur Messung von Radiostrahlung der Sonne mit an Bord waren. Die Entdeckung, dass die Sonne Radioprogramm sendet, wurde aber bereits hier auf Erden gemacht.
Die Radiostrahlung der Sonne gehört zum sog. Weltraumwetter.
In Droht Gefahr durch unsere Sonne beschrieb ich, dass es durchaus für uns aus verschiedensten Gründen gefährlich sein kann, wenn uns ein von einem Radiosturm begleiteter Ausbruch der Sonne erreicht.

Folgende Geschichte, die sich 1942 im zweiten Weltkrieg zugetragen hatte, markiert eindeutig den Beginn der Erforschung der Radiosonne. Was war geschehen:

Die Geburt der Radio-Astronomie

Der große Radiosturm von der Sonne im Februar 1942 markiert den
Anfang der modernen Entwicklung der Radioastronomie.
Gegen 7 Uhr mitteleuropäischer Zeit bewegt sich der Verband auf der Höhe von Cherbourg. Vizeadmiral Otto Ciliax ist zufrieden. Bald werden sie die zwei Stunden Verspätung aufgeholt haben. Aber der schwerste Teil der Wegstrecke steht den drei Schlachtschiffen noch bevor. Erst vier Stunden nach dem Auslaufen in Brest war den Besatzungen der Scharnhorst, der Gneisenau und der Prinz Eugen das Ziel der von
Hitler angeordneten Operation bekanntgegeben worden. Das war vor
fünf Stunden. Die drei Schlachtschiffe sind auf ihrem Weg durch den
englischen Kanal nach Wilhelmshaven, um in der Nordsee zum Schutz der Erztransporte von Norwegen nach Deutschland eingesetzt zu werden. Noch hat sie das englische Radarsystem nicht bemerkt. Tatsächlich
wird der Verband erst um 13.18 Uhr ausgemacht. Da hat er bereits die
engste Stelle des Kanals passiert. Die dann folgenden Angriffe können
nicht mehr verhindern, dass die Operation, die unter dem Decknamen
„Cerberus“ läuft, erfolgreich beendet werden kann. Die Schiffe erreichen planmäßig ihre deutschen Bestimmungshäfen. Das englische Radar hatte am 12. Februar 1942 versagt.

Die Deutschen rühmten danach die sorgfältige Vorbereitung, bei der man schon vorher regelmäßig Störsendungen ausgestrahlt hatte, damit die Engländer bei einer starken RadarstÖrung während der Stunden, auf
die es am 12. Februar ankam, keinen Verdacht schöpften. War das Unternehmen gelungen, weil die Deutschen das englische Radar gestört hatten? Winston Churchill hatte schon kurze Zeit nach dem Durchbruch der Schiffe durch den Kanal »atmosphärische Störungen« für das
Versagen verantwortlich gemacht. Einige Wochen danach wurde das
englische Radarsystem wieder gestört. Wollten die Deutschen angreifen? Alles war in Alarmbereitschaft, doch kein Angriff erfolgte. Inzwischen hatte sich ein junger Physiker, j. Stanley Hey, der Sache angenommen. Bald hatte er herausgefunden, dass die Störungen nicht deutschen Ursprungs waren, sondern von der Sonne kamen.

Inzwischen weiß man, dass die Sonne nicht nur Licht und Wärme aussendet, dass von ihr nicht nur die den koronalen Löchern entweichenden Gasmassen an der Erde vorbei strömen. Die Sonne beliefert
uns auch mit einem reichhaltigen Radioprogramm. Den Entdecker der
Radiostrahlung der Sonne aber, der sich vorher mit der Physik von
Kristallen befaßt hatte, ließ das neue Thema nicht mehr los. Stanley Hey
wurde ein angesehener Radioastronom.

Wie wird die Sonne zum Radiosender?

Woher kommen die Radiowellen der Sonne? Sie entstehen nicht anders als in einer Rundfunkstation. Die Antenne eines Rundfunksenders ist ein elektrischer Leiter. In ihrem Metall sind die den Raum zwischen den Ionen des Metalls ausfallenden Elektronen frei beweglich. Der Sender zwingt sie, längs des Antennendrahtes rhythmisch vor und zurückzuschwingen. Die bewegten Elektronen erzeugen einen
elektrischen Strom, der mit ihrer wechselnden Bewegung ständig seine Richtung ändert. Wie jeder Strom ist auch der Wechselstrom in der Antenne von einem Magnetfeld begleitet. Mit der wechselnden Stromrichtung polt sich das Feld ständig um. Radiowellen sind nichts anderes als Lichtwellen, nur sind ihre Wellenlängen größer. Statt bei zehntausendstel Millimetern liegen sie bei Millimetern bis zu Hunderten von Metern. Die in der Antenne entstehenden Radiowellen bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum.
Normalerweise sorgen die starken anziehenden Kräfte zwischen den negativen Elektronen und den positiven Ionen des Sonnenplasmas dafür, dass das Plasma stets neutral ist. Sind irgendwo die positiven Ladungen im Überschuß,
dann ziehen sie aus der Nachbarschaft Elektronen herbei, die mit ihren negativen Ladungen den positiven Überschuss neutralisieren. Wenn ein Plasma sich selbst überlassen bleibt, dann wird es elektrisch neutral.
Zu derartigen Ladungsverschiebungen kommt es schon alleine dadurch, dass die Sonne brodelt, wie ein Kessel mit kochendem Wasser und dass sie in verschiedenen Schichten sogar unterschiedlich rasch rotiert.

Werden aber die Elektronen und Ionen gegeneinander bewegt, etwa durch äußere Einflüsse, dann kann dieses Ladungsgleichgewicht gestört werden. Versuchen die starken elektrischen Kräfte die Neutralität wiederherzustellen, so beginnen die Elektronen gegen die Ionen zu schwingen. Da sie mit Bewegungen von Ladungen verknüpft sind, rufen sie Ströme und Magnetfelder hervor. Die Frequenz des Hin- und Her schwingens der Elektronen nennt man die Plasmafrequenz. Sie liegt
um so höher, je dichter die Elektronen stehen. In der Sonnenkorona liegt
die Plasmafrequenz bei zehn Millionen Schwingungen in der Sekunde.
Dabei entstehen Radiowellen mit Wellenlängen von 30 Metern. In der
Nähe der Sonnenoberfläche liegt die Plasmafrequenz wegen der höheren Elektronendichte bei hundert Milliarden Schwingungen in der Sekunde. Die dazugehörenden Radiowellen liegen bei Wellenlängen von MilliMetern und weniger.
Wenn in unterschiedlichen Schichten der Sonne, bzw. Tiefen Wellenlängen unterschiedlicher Länge entstehen, bedeutet das, dass man je nach dem, in welcher Welle man die Sonne betrachtet, unterschiedlich tief in sie hinein schauen, bzw. hinein hören kann.

Aber nicht nur bei regelmäßigen Schwingungen strahlen Elektronen Radiowellen aus, sondern auch wenn sie unregelmäßig bewegt, etwa an einem Hindernis in ihrem Flug gebremst werden. Das kann zum Beispiel geschehen, wenn ein Elektron in die Nähe eines Ions, also eines Atoms, kommt, dem ein oder mehrere Elektronen fehlen. Die Anziehung, die das positive Ion auf das negative Elektron ausübt, lenkt es von seiner geraden Bahn ab. je nachdem, wie nahe die beiden Teilchen aneinander vorübergehen und wie rasch sie sich aneinander vorbeibewegen, wird das Elektron mehr oder weniger gebremst. Bei jeder Änderung seines Fluges sendet es einen kleinen Strahlungsblitz aus. Bald begegnet es dem nächsten Ion oder einem anderen Elektron. Wieder
wird es abgelenkt. Ständig sendet es daher Radiowellen aus. In jedem
Gramm des heißen Sonnengases gehen in jeder Sekunde von Milliarden und Abermilliarden Elektronen Strahlungsblitze aus. Doch wegen der schlechten Durchlässigkeit des Gases der Sonnenatmosphäre erreicht uns nicht alle Strahlung, die dort erzeugt wird.

Die Sonne als Radiospiegel

Eine wichtige Eigenschaft des Plasma-Zustandes, in welchem sich die Sonnenmaterie befindet ist, dass man nicht so einfach von außen magnetische Felder in ein Plasma einbringen kann. Das bedeutet, dass von außen kommende Radiowellen von der Sonne reflektiert werden, wie von einem Spiegel. Somit sollte sich das Weltall in ihr spiegeln, wie das Wohnzimmer in einer Christbaumkugel.
Ob dem so sei, wurde im September 1958 in folgendem Versuch ausprobiert.
Es ging darum, Radioechos von der Sonne zu empfangen.
Das Areal der Radaranlage der Universität in Stanford in Kalifornien bestand damals aus vier Einzelantennen, die über eine rechteckige Fläche von etwa fünf Hektar verteilt waren. Da die Anlage nicht bewegt werden kann, stand die Sonne fast nie in ihrer Blickrichtung. Nur für wenige Tage im Jahr, jeweils im April und im September wies der nach Osten gerichtete Radarstrahl fÜr etwa 30 Minuten auf die Sonne. Diese Gelegenheit wurde im September 1958 zum ersten Mal genutzt. Bei
einer Wellenlänge von 11.7 m wurden Radarsignale zur aufgehenden Sonne geschickt. Die Botschaft war denkbar einfach. Für 30 Sekunden wurde ein gleichförmiges Signal gesendet. Danach folgten 30 Sekunden Funkstille, wieder 30 Sekunden Signal und wieder 30 Sekunden Schweigen. Das wurde 15 Minuten lang fortgesetzt. Dann wurde die
Antenne vom Sender abgekoppelt und mit dem Empfänger der Anlage verbunden.
Die Zeitdauer von 15 Minuten war nicht zufällig gewählt. Ein Signal, das sich wie eine Radarwelle mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, benötigt etwa acht Minuten, um von der Erde zur Sonne zu gelangen. Die gleiche Zeit braucht es für den Rückweg. Etwa eine Minute nach dem Umschalten war also – wenn alles gutging – das erste Radarecho von der Sonne zu erwarten. Im Prinzip hätte man die gesamte Sendung der letzten Viertelstunde im Echo wieder hören müssen: 30 Sekunden Signal, dann Stille, Signal, Stille usw.
So einfach ging es nicht. Die Sonne sendet ja selbst Radiowellen aus,
auch solche im Bereich der Betriebsfrequenz der Anlage. Diese Störstrahlung lässt die Echos nur schwer erkennen. Man erhielt in erster Linie die Radiowellen der äußersten Koronaschichten. Das schwache Echo der von Menschen erzeugten Signale war darin nur schwer auszumachen. Die Schwierigkeit gleicht der eines Mannes, der aus dem Lärm eines Münchner Oktoberfestzeltes den Zuruf eines mehrere Tische entfernt sitzenden Bekannten herauszufiltern versucht.
Mit Hilfe von modernen statistischen Methoden gelang es aber nicht nur, das Echo wirklich zu erkennen, sondern auch herauszufinden, wie die Sonne die Signale bei der Reflexion verändert hat. Wenn sich die
reflektierende Materie bewegt, dann ändert der Doppler-Effekt die
ursprüngliche Frequenz. Kommt der das Signal zurückwerfende Stoff auf die Radaranlage zu, so ist das Echo kurzwelliger als die ursprünglich ausgesandte Welle. Bewegt er sich weg, ist das Echo langwelliger. Die
Echos von der Sonne kommen aber von der mit der Sonne rotierenden Korona. Die Drehung bewirkt, dass das Radarsignal sowohl auf die Stellen der Korona trifft, die sich infolge der Rotation von uns wegbewegen,
wie auch auf den Teil, der sich gerade auf uns zu dreht. Ein Teil des
Echos zeigt also eine größere Wellenlänge, der andere Teil eine kleinere als das Ausgangssignal. Das Echo enthielt also auch Information über die Rotation der Sonnenkorona.
Zum anderen gelang es, aus dem Echo etwas über die Bewegungen in der Korona selbst zu erfahren. Wir wissen bereits, dass Materie in der Korona längs der magnetischen Feldlinien von der Sonne nach außen
fliegt und zum Sonnenwind wird. Deshalb herrscht in der Korona eine einheitliche Windrichtung, von innen nach außen. Die Radarechos wurden auch durch diese Bewegung beeinflußt.
Sie waren im Mittel kurzwelliger, ein Zeichen, dass Materie, die sich auf
uns zu bewegt, die irdischen Signale zurückgeworfen hat. So gelang es, die Geschwindigkeit des Sonnenwindes in der Korona zu messen. Man fand, dass er mit mindestens 20 km/s nach oben bläst.

Misst man die Radiostrahlung bei Sonnenausbrüchen, geben sie viel Information über den Ausbruch selbst. Man hat hier beispielsweise zur Kathegorisierung der Flares die Radioausbrüche in verschiedene Typen eingeteilt, aber das ist richtig komplizierte Sonnenphysik und Radioastronomie.

Heute hat sich die Radioforschung an der Sonne längst zur Radioastronomie entwickelt, da es noch deutlich mehr Radioquellen als nur die Sonne oder andere Sterne in unserem Universum gibt. Über diese werden wir uns sicher noch in anderen Artikeln unterhalten.

Nun zum Schluss noch eine Ankündigung einer kleinen Feier auf Blindnerd. Der nächste Beitrag wird der hundertste Artikel sein. Dafür überlege ich mir, wie ich das mit euch zelebrieren kann.

Bis dahin
Alles gute

Euer Blindnerd.