Meine lieben,
Heute wenden wir uns, was ich viel zu selten tue, mal wieder den Frauen zu, die wesentliche Dinge zu Astronomie und sonstigen Wissenschaften beigetragen haben.
Bis heute sind Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen leider noch immer unterrepräsentiert. Die Statistiken sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Trotz Frauenbewegung, Emanzipation, Erziehungsurlaub auch für Männer, gesetzliche Gleichberechtigung und dafür aufgeschlossene Männern, ist es noch nicht gelungen, diesen Missstand in den Griff zu bekommen.
Dennoch hat es immer wieder Frauen gegeben, die trotz Benachteiligung, Unterdrückung, Bildungsverbot und Leben in einer streng patriarchaisch dominierten Gesellschaft, großartiges in Wissenschaft, z. B. der Astronomie, geleistet haben. Sie setzten sich in einer harten Männerwelt durch und waren vielleicht sogar öfter, als man denkt, die schlaueren Köpfe. Zumindest zeugen einige Dokumente davon, dass viele starke kluge Frauen die Fäden ihrer Professoren-Männer in Händen hielten…
Bis in biblische Zeiten hinein, kann man diese Phänomene beobachten. Somit scheint der Satz
Der Mann kann noch so viele Dinge bauen – Es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen
mehr Wahrheitsgehalt zu haben, als manchen lieb ist.
nachdem wir uns gestern überlegt hatten, wieso die meisten Sterne fünf Zacken haben, befassen wir uns heute damit, woraus Sterne gebacken werden. Genauer gesagt kommt hier eine Frau ins spiel, die zwar vermutlich auch weihnachtlich süße Sterne backte und von ihren Kindern ausstechen ließ, aber im wesentlichen heraus fand, woraus die Sonne und somit auch alle anderen Sterne gemacht sind.
So lasst uns also das Türchen vom 03.12.2022 öffnen, indem wir die Person und das Lebenswerk von Cecilia Payne würdigen.
Sie fand heraus, woraus unsere Sterne hauptsächlich bestehen, aus Wasserstoff und Helium. Das war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts durchaus noch nicht bekannt. Man stellte sich vor, dass z. B. unsere Sonne ganz ähnlich aufgebaut sei, wie unsere Erde.
Mit ihrer Entdeckung musste sich diese Frau gegen sehr namhafte männliche Wissenschaftler durchsetzen.
Sie studierte ab 1919 Naturwissenschaften, insbesondere Astronomie, an der Universität Cambridge, die damals aber Frauen keine akademischen Grade zuerkannte. Ab 1923 arbeitete sie im Rahmen eines Programms zur Frauenförderung des Observatoriums der Harvard-Universität als erste Doktorandin von Harlow Shapley. Sie arbeitete mit Annie Jump Cannon zusammen, die sich mit der Auswertung von Sternspektren beschäftigte.
1925 wurde sie am Radcliffe College promoviert, denn auch Harvard war dafür zu konservativ. Allgemein wurde damals angenommen, dass es keine signifikanten Unterschiede in der stofflichen Zusammensetzung zwischen der Erde und den Sternen, wie der Sonne, gab. In ihrer Dissertation wies sie jedoch nach,
dass das Aussehen von Sternenspektren im wesentlichen daher rührte, dass durch die hohen Temperaturen in den Sternen das meiste Material unterschiedlich ionisiert vorliegt, und nicht daher, dass Sterne derart komplex zusammen gesetzt wären, wie unsere Erde.
Sie fand heraus, dass Sterne im wesentlichen aus Wasserstoff und Helium bestehen.
Ihren Befund, Wasserstoff und Helium seien die Hauptbestandteile, musste sie allerdings unter dem Druck von Henry Norris Russell, Shapleys Lehrer, widerrufen. So fügte sie in ihre Arbeit die bemerkung ein:
almost certainly not real
Nach unabhängigen Messungen bestätigte Russell aber 1929 dieses Ergebnis. Ihre Doktorarbeit wurde im Nachhinein als die „zweifellos brillanteste Doktorarbeit“ aus dem Fachbereich Astronomie bezeichnet.
1956 wurde sie die erste weibliche Professorin für Astronomie der Harvard University.
Hier noch einige Fakten zu ihrer Person
1931 wurde Payne amerikanische Staatsbürgerin. Auf einer Reise durch Europa 1933 lernte sie in Deutschland den in Russland geborenen Astrophysiker Sergej I. Gaposchkin kennen. Sie verhalf ihm zu einem Visum für die Vereinigten Staaten, und die beiden heirateten im März 1934 und ließen sich in Lexington, Massachusetts, nieder. Payne fügte den Namen ihres Mannes zu ihrem eigenen hinzu, und die Payne-Gaposchkins hatten drei Kinder: Edward, Katherine und Peter. Sie starb in ihrem Haus in Cambridge, Massachusetts, am 7. Dezember 1979. Kurz vor ihrem Tod ließ Payne ihre Autobiografie als The Dyer’s Hand privat drucken. 1984 wurde sie in dem Band Cecilia Payne-Gaposchkin: an autobiography and other recollections nachgedruckt.
Paynes jüngerer Bruder Humfry Payne (1902–1936), der die Schriftstellerin und Filmkritikerin Dilys Powell heiratete, war Direktor der British School of Archaeology in Athen. Paynes Enkelin Cecilia Gaposchkin ist Professorin für spätmittelalterliche Kulturgeschichte und französische Geschichte am Dartmouth College.
Seit 1936 war Payne-Gaposchkin Mitglied der American Philosophical Society.[6] 1943 wurde sie in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.
Sie erhielt unter anderem folgende Ehrungen
1934 Annie J. Cannon Award in Astronomy
1976 Henry Norris Russell Lectureship
Der Asteroid (2039) Payne-Gaposchkin wurde nach ihr benannt.
Für heute werde ich es bei diesem für meine Verhältnisse kurzen Artikel belassen,
denn ich habe etwas besseres und sehr hörenswertes für euch.
Anfang Januar strahlte SWR2-Wissen eine Folge über diese großartige Astronomin aus. In dieser Sendung ist sogar ihre Stimme zu hören.
Aus diesem Grunde schicke ich euch gleich auf die Seite, wo ihr die Sendung entweder direkt anhören, bzw. sowohl die Audio-Datei, als auch das Skript zur Sendung herunterladen könnt. Das kann ich euch an dieser Stelle nicht ersparen, dass ihr auf die Seiten des SWR müsst, weil ich das Audio aus Gründen des Urheberrechts nicht direkt auf dem Blog veröffentlichen darf.
Lehnt euch also zurück und hört euch diese äußerst spannende und wissenswerte Sendung an.
Wer Probleme mit der Bedienung der Seiten des SWR hat, darf sich z. B. über das Kontaktformular gerne an mich wenden. Wir finden einen Weg.
Was für eine Dumme Frage. Damit uns warm wird. Und das fragt der Blindnerd ausgerechnet in diesen Zeiten, wo noch nicht klar ist, ob und zu welchen Kosten wir gut und warm durch den bevorstehenden Winter kommen.
Ja, 19 Grad im Büro sind jetzt schon ganz schön schattig. Aber gerade jetzt, so finde ich, ist die beste Zeit, diese Frage in die Krise hinein zu stellen, um der ganzen Misere vielleicht doch noch etwas spannendes und lehrreiches abgewinnen zu können.
Also, ruhig die provokante Frage nochmal gestellt.
warum heizen wir im Winter?
Ist doch klar. Die Heizung oder der Ofen sorgen dafür, dass die Luft sich erwärmt, und dass wir uns dann im warmen Zimmer wohlfühlen können.
Ein Student der Physik würde vielleicht auch sagen, wir erhöhen die Energie im Zimmer, so dass sich die Bewegung der Luft-Moleküle erhöht, was wir als Wärme wahrnehmen.
Die Flucht
Nun ist es aber so, dass Moleküle mit mehr Bewegungsenergie auch mehr Platz benötigen. Wäre unser Zimmer hermetisch luftdicht abgeschlossen, würde tatsächlich der Druck in unserem Zimmer steigen. Umgekehrt geht natürlich auch. Wenn ich mit der Pumpe ein Fahrad aufpumpe, drücke ich die Luft im Kolben zusammen, und die Pumpe erwärmt sich. Unsere Kühlschränke funktionieren mit einem Kompressor und einem geschlossenen Rohrsystem voller Kühlflüssigkeit. Die Maschine entnimmt dem Kühlschrank Wärmeenergie und gibt sie nach außen über eine Fläche von Radiatoren ab. Deshalb haben die meisten Kühlschränke hinten ein Gitter, dass die Abwärme ins Zimmer entweichen kann.
Es wird also nicht kälter in einem Zimmer, wenn man einen Kühlschrank offen stehen lässt, sondern sogar wärmer, weil er beim „Versuch“ zu kühlen, Energie in Form von Strom verbraucht. Aber zurück zu unserem beheizten Zimmer.
Wenn wir, sagen wir mal von 15 Grad auf 19 Grad aufheizen, dann dehnt sich die Luft im Zimmer aus und zwar um etwa 1/273 des Volumens pro Grad, wenn wir bei unserer Zimmerluft von einem idealen Gas ausgehen. Ein Ideales Gas ist eines, zwischen dessen Molekülen keinerlei andere Kräfte wirken.
Da unser Zimmer nicht luftdicht ist, werden uns diese vier Bruchteile der Luft durch Tür- oder im schlimmeren Fall auch durch Fensterritzen entwischen. Diese entweichende Luft nimmt aber gerade so viel Energie mit, wie sie von der Heizung erhalten hat, und durch welche ihre Flucht erst möglich wurde.
Der Druck und die verbleibende Energiemenge im Zimmer bleibt also gleich.
Die Rückkehr
Wenn ich eine Flasche Wein aus dem kalten Keller hole, um sie temperieren zu lassen, geschieht das umgekehrte. Die Flasche kühlt tatsächlich das Zimmer etwas ab, die Raumluft zieht sich zusammen, und zum Druck- und Energieausgleich strömt etwas Luft von außen in das Zimmer hinein.
Die große Frage
Warum wird es uns beim Heizen dennoch warm, und auch der gute Rote wird vielleicht nach einer Stunde eine angenehme Trinktemperatur erreicht haben. Wer eine Decantiere besitzt, kann das etwas beschleunigen, da in ihr der Rote eine größere Oberfläche hat, über die er neben Sauerstoff auch mehr Wärmeenergie pro Zeit aufnehmen kann.
Dass es also nach unseren Vorüberlegungen dennoch warm im Zimmer wird, wenn wir heizen, scheint irgendwie paradox zu sein. Und genau das ist es. Dieses Phänomen wird tatsächlich Heizparadoxon genannt. Vor dem Wissen kommt immer das Staunen. Gestaunt haben wir jetzt genug. Jetzt wollen wir es auch wissen. Dann ist dieses „Wunder“ zwar nicht mehr so absurd, aber nicht minder schön, denn schön warm haben wir es alle gerne.
Spurensuche
Natürlich führt uns unsere Spurensuche in die Physik, genauer in die Thermodynamik.
Moment mal,
mögen manche fragend sagen.
Davon hat der Blindnerd doch schon mal geschrieben. Wo war es gleich? Ach ja, als er uns vom Wesen der Zeit berichtete. Da war doch was mit Ordnung, Unordnung, geschlossenen Systemen, irgend welchen Hauptsätzen und Energie.
Stimmt genau. Im Zweihundertsten Artikel ging es um das Rätsel der Zeit und um Prozesse, die in ihr ablaufen. Auch heizen ist solch ein Prozess…
Für die Erklärung unseres Heizparadoxons müssen wir also tatsächlich wieder die Thermodynamik bemühen.
Die Antwort
Thermodynamisch betrachtet ist jedes Zimmer ein offenes System. Durch Wärmetransport tauscht es Energie mit der Außenwelt aus. Darüber hinaus kommt es auch zum Materieaustausch (Entweichende warme Luft).
Eine erste Erkenntnis ist also, dass es nicht nur auf die Energie ankommen kann, wenn wir es in einem Zimmer warm haben wollen.
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik lehrt uns, dass Energie weder aus nichts erzeugt, noch vernichtet werden kann. Eine Energieform kann lediglich in eine andere umgewandelt werden.
Wäre der erste Hauptsatz jedoch schon die ganze Wahrheit, gäbe es keine Energiekrise, noch wäre es gerechtfertigt, für Energie Geld zu zahlen, denn dann wäre es beispielsweise möglich, dass die auch in kalter Umgebung reichlich vorhandene thermische Energie von selbst ins warme Zimmer fließt.
Wir erinnern uns
an die beiden Begriffe Ursache und Wirkung.
Zuerst steht die heile Tasse auf dem Tisch, bevor sie zerbrochen am Boden liegt.
Zuerst muss die Milch aus ihrer Tüte in den Kaffee fließen, bevor sie sich mit ihm durchmischen kann, bevor die Entropie ansteigt, um den Milchkaffee zu bilden, und bevor die kalte Milch den heißen Kaffee, hoffentlich nicht zu stark, abkühlt.
Wärme geht also immer nach kalt und nicht umgekehrt.
Trotzdem ist es möglich, dass Wärme von kalt nach warm fließt, wenn
wir entsprechend nachhelfen.
So nutzen manche Heizungsanlagen die Energie der kalten Außenluft oder des kalten Grundwassers. Weil dabei die Entropie verringert wird, funktioniert das. Es wird mittels Wärmepumpen Energie in das Heizungssystem gepumpt.
Denken wir in diesem Zusammenhang an unser Legohaus, das unter Einbringung unserer Hände-Energie entstand. Im Gegensatz zum Legohaufen ist dort die Entropie, also das Durcheinander, geringer. Diese Pumpen verbrauchen meist Strom.
Kommen wir aber jetzt auf den Ausgangspunkt zurück und fragen, wie es möglich ist, dass die Temperatur im Zimmer durch das Heizen steigt, obwohl die Energie konstant bleibt. Entscheidend ist, dass durch das Aufheizen des Zimmers sich die Teilchenzahl der Luft verringert, weil ein kleiner Teil, siehe oben, uns durch die Ausdehnung der Luft entwischt ist.
Da die Temperatur eng mit der ungeordneten thermischen Bewegung, genauer, der mittleren Bewegungsenergie der Luftteilchen verknüpft ist, verteilt sich die Energie folglich auf weniger Teilchen. Diese besitzen nunmehr eine größere mittlere Bewegungsenergie, und wir spüren eine höhere Temperatur.
Wir besitzen halt leider nur einen Sensor, unsere Haut, für Temperatur, und keinen für Energie.
Tja, meine lieben, und damit ist das Wunder entzaubert. Lasst mich den Artikel mit einigen Wünschen beschließen:
Wünschen wir für alle genügend Wärme diesen Wintergut zu überstehen.
Wünschen wir für alle, dass sie sich diese leisten können.
Und mein letzter Wunsch ist Wärme in unsere Herzen, damit wir uns gegenseitig helfen, das alles gut zu überstehen.
ihr kennt das ja von mir, dass es hier nicht immer und zwangsläufig um Astronomie gehen muss. Ein großes Thema ist für mich die Inklusion. Es gibt sogar eine eigene Kategorie auf dem Blog dafür, wo nur die Themen angezeigt werden, welche sich mit inklusiven Inhalten beschäftigen. So auch heute.
Gestern, am 18.09.2022 fand endlich mal wieder nach drei Jahren im Rahmen des Baden-Marathon ein Inklusionslauf statt. Dort konnten sich Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen und Beeinträchtigungen mit ihren Begleitpersonen als Team anmelden. Das tat ich dann auch gemeinsam mit meiner sehenden Kollegin. Wir beteiligten uns schon einmal 2018 an diesem Lauf. 2019 konnten wir nicht, und dann kam die Pandemie. Über den Lauf von 2018 schrieb ich in Inklusion hautnah erleben.
Und so traten wir beide mit neuem Namen und von meiner Kollegin präparierten T-shirts an.
Altes Team mit neuem Namen
Ich erwähnte ja schon an anderer Stelle, dass unser Institut, das früher Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) hieß, sich Anfang 2022 den Namen ACCESS@KIT gegeben hat, weil der die inklusiven Arbeitsfelder, die wir mittlerweile abdecken deutlich besser widerspiegelt. Längst sind wir über die Unterstützung von Studierenden mit Sehbeeinträchtigung hinaus gewachsen und außerdem war das Wort „Sehgeschädigt“ sprachlich absolut nicht mehr vertretbar. Man wird ja nicht durch „sehen“ geschädigt, nicht war?
Aber zurück zum Lauf.
Vor dem Start
Es fanden sich gegen 13 Uhr 94 Laufteams zum Start am Schlossplatz Karlsruhe ein. Die waren so unterschiedlich und divers, dass es nicht inklusiver sein konnte. Vor dem Start
zahlreiche Einrichtungen für Menschen mit Einschränkungen, wie z. B. die Lebenshilfe, die Reha-Südwest und die Caritas, aber auch z. B. die Schule für Menschen mit Sehbeeinträchtigung, ein Verein der „Rollikits“ heißt, Regenbogen und viele andere,
wollten diesen sechs Kilometer langen Lauf nicht gegeneinander, sondern Miteinander und füreinander bewältigen.
Ob im Rollstuhl, im Liegerad, mit Prothesen, Stöcken oder anderer Einschränkung, war der Weg das Ziel.
Als wir gemeinsam am Startplatz eintrafen, schlug uns sofort eine unglaubliche Stimmung und Fröhlichkeit entgegen.
Einige der Teams wurden über Lautsprecher vorgestellt. Da wurde unmittelbar wieder klar, wie viel Diversität unsere Gesellschaft zu bieten hat. Ich bin immer wieder erstaunt ob der Anzahl an Organisationen und Einrichtungen, die es alleine nur in Karlsruhe für Menschen mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen gibt.
Aber nicht nur Menschen mit Einschränkungen waren zu sehen. Sowohl beim Marathon, als auch beim Inklusionslauf konnte man andere Sprachen hören und Menschen mit anderer Hautfarbe wahrnehmen. Gerade für Migranten und Flüchtlinge sind solche Veranstaltungen eine ideale Chance der Inklusion, weil sie sprachliche,soziale und ethnische Benachteiligungen überwinden helfen.
Hintergrund
Und diesmal stand der lauf ganz im Zeichen der Pandemie und möglicherweise auch des unsäglichen Krieges in Europa.
Überall konnte man Erleichterung hören, dass nun endlich mal wieder so ein Lauf möglich sei. Sätze wie
„Seit über zwei Jahren konnte ich nicht mehr trainieren“,
„Endlich komme ich mal wieder unter Leute“,
„Ich bin fast durchgedreht vor Einsamkeit und weil ich so eingesperrt war“
habe ich am Startplatz von allen Seiten vernommen.
Endlos könnte ich hier fortfahren. Wenn alle Welt z. B. im Sommer 2020 von „Lockerungen“ sprach und glaubte, man dürfe jetzt wieder alles machen, dann war das und ist es noch immer für viele Menschen mit Beeinträchtigung nicht der Fall.
Viele leben in Einrichtungen, wo sie versorgt werden. Man durfte sich nicht besuchen. So war beispielsweise an ein Weihnachtsfest 2020 überhaupt nicht und 2021 nur sehr eingeschränkt zu denken.
Viele gehören zur Risikogruppe, so dass sie sich ganz besonders schützen und isolieren mussten, und teilweise noch immer müssen.
Man kann von beschützenden Werkstätten für Menschen mit Behinderung halten, was man will. Es gibt an diesem System in der Tat sehr viel zu kritisieren, was wir aber heute nicht tun werden.
Vielen Menschen gibt so eine Einrichtung oft die einzige Tagesstruktur, die sie haben. Sie gehen gerne dort hin. Sie treffen andere Menschen und können ihre Bedarfe leben. Viele Monate waren diese Werkstätten komplett geschlossen. Wie erklärt man einem Menschen mit einer geistigen Behinderung,
wieso es jetzt erst mal lange Zeit nicht zur Arbeit geht,
wieso wir eben die Oma nicht mehr besuchen,
wieso die Sportgruppe ausfällt
und wieso es keinen Nachmittag mit Kaffee und Kuchen mehr gibt.
Wenn der Geist das nicht erfassen kann, dann erfährt die Seele derlei um so direkter. Häufig funktioniert ja auch der Rückkanal nicht, so dass die betroffenen Menschen ihren Schmerz nicht teilen können.
Andere von uns wurden diskriminiert.
Keine Haushaltshilfe mehr, weil sie zur Risikogruppe gehört,
keine Einkaufshilfe im Laden,
Probleme mit dem Abstandhalten,
monate langes Homeoffice
betrafen andere, die vielleicht noch mobiler und selbstständiger ihr Leben gestalten können.
Vor diesen Hintergründen und Schicksalen muss man diesen Lauf sehen.
Ich schrieb über meine persönliche Situation in meinem Corona-Report. Aber genug davon. Jetzt wird gelaufen.
Der Lauf
Was für eine Befreiung. Welche Freude und welche Wärme uns da gestern sofort wieder entgegenschlug, war, und das meine ich genau so, wenn es vielleicht auch etwas kitschig klingen mag, zum weinen schön.
Ich war freudig gerührt, und meiner sehenden Kolleging ging es ebenso.
Endlich fiel der Startschuss und es ging los.
Wir hatten uns, wenn überhaupt, zum Ziel gesetzt, unter eine Stunde zu kommen.
Das erreichten wir schließlich auch.
Die Stimmung auf der ganzen Strecke war großartig. Immer wieder gab es Schausteller und Gruppen, die mit Trommeln, Musik und Applaus einen wieder anfeuerten, oder mit frischen Getränken willkommene Stärkungen darreichten.
Der Sports- und Kampfgeist wehte überall.
Für viele Teilnehmende mit vor allem geistigen Beeinträchtigungen ist so ein Lauf oft eine von sehr wenigen Gelegenheiten des Jahres, mal aus der Tristesse des Alltages zwischen Wohnheim und beschützender Werkstatt, auszubrechen, sich und ihren Körper anders zu erleben und das Gefühl eines Erfolges zu verspüren.
Da wird ungefiltert vor Freude gelacht, gejauchzt, geschrien und umarmt. Da werden im Überschwang von Freudenausbrüchen Sprints hingelegt, welche die Begleitpersonen ohne Einschränkung verzweifelt mit flehendem Blick zurücklassen, er oder sie möge bald vor Erschöpfung wieder langsamer werden.
Nicht sichtbar sind im Alltag die sehr zahlreichen “unsichtbaren” Beeinträchtigungen, die Betroffene nicht minder einschränken können. So sind beispielsweise psychische Beeinträchtigungen oft nicht wahrnehmbar, und ermangeln häufig gesellschaftlicher Toleranz und Akzeptanz. Auch diesen Grupierungen bietet so ein Lauf die Chance für den Schritt in die Öffentlichkeit.
Meine Kollegin und ich waren durch ein etwa 20 cm langes Seil verbunden, das an den Enden Holzgriffe hatte, von denen jeder von uns einen in der Hand hielt.
Das ermöglicht zum einen Armfreiheit für beide Läufer und zum anderen kann die sehende Begleitperson durch Zug am Seil Richtungsinformationen geben.
Wir hielten über die ganzen sechs Kilometer ein recht strammes Tempo durch und sparten Kraft, indem wir nur dort kleinere Sprints hinlegten, wo man befürchten musste, fotografiert oder gefilmt zu werden, oder, wo besonders häftig applaudiert wurde, und die Stimmung super war.
Und so kamen wir dann mit erreichtem Vorsatz, nach einer Zeit von 51 Minuten und 19,8 Sekunden im Ziel an.
Fazit
Eines ist sicher. Dieser Lauf dürfte für viele Menschen mal wieder einer der glücklichsten Momente ihres Lebens gewesen sein, denn sie in den letzten Jahren erleben durften.
Hier wurden Leistungen und persönliche Rekorde und Erfolge erzielt, die einem lange durch den nicht immer einfachen Alltag tragen.
Für meine Kollegin und mich hat es sich sehr gelohnt, bei diesem Inklusionslauf mitzumachen. Derlei Veranstaltungen sollte es öfter geben, damit vor allem diejenigen Mitmenschen, die wegen einer sozialen, gesellschaftlichen, körperlichen oder seelischen Einschränkung in Werkstätten, Kliniken, Wohnheimen oder sonst wo versteckt leben müssen, stärker ins Bewusstsein rücken. Es geht hier weniger um diejenigen Menschen mit Einschränkung, die heldenhaftes leisten, sondern um die Antihelden in dieser Gesellschaft, die hier durch so einen Lauf Gemeinsamkeit, Wertschätzung und Zugehörigkeit erleben können.
Außerdem setzt so eine Veranstaltung Zeichen gegen Faschismus, Ausländerhass etc.
Wir sind mehr und wir wollen Inklusion,
Diversität und Inklusion bereichert unser Leben in allen Belangen. Und sind wir mal ehrlich. Jeder von uns hat doch irgendwo eine Beeinträchtigung. Wenn wir das kapierren, wenn wir hier den Schalter im Kopf umlegen, dann haben wir verstanden, worum es bei all dem geht.
keiner von euch hat es gemerkt. Und mir ist es auch eben erst aufgefallen, als ich gerade mal wieder Updates auf dem Blog gefahren habe. Ganz leise hat sich das Ereignis diese Woche davon geschlichen. Ich habe mit dem letzten Artikel die Zweihundert (200) geknackt. Das ist ein schöner Grund zu feiern.
Seit 2017 bin ich nun mit Blindnerd unterwegs. Also ich staune selbst, denn 200 Artikel in nicht mal fünf Jahren und dann noch von der Länge, wie ihr das manchmal auch zu eurem Leidwesen von mir kennt und gewohnt seid,.
das kann sich schon sehen lassen.
Also feiern wir:
Der Erste
Der Willkommens-Artikel erschien genau am 23.10.2017.
Er taucht immer als letzter Artikel auf, wenn ihr durch eine ausgewählte Kategorie blättert. Dann wisst ihr immer, dass danach nichts mehr kommt.
Die ersten Gehversuche
In den ersten fünfzig ging es natürlich zunächst mal darum, dass ich mich bei euch vorstellte, wo ich arbeite, was ich mache und wie ich Astronom und Blogger Wurde.
Immerhin hatten wir in dieser Zeit auch zwei Jubiläen, 30 Jahre Studienzentrum für Sehgeschädigte, wo ich arbeite, und das mittlerweile Access@KIT heißt. Das andere Jubiläum waren 500 Jahre Reformation, das uns immerhin einen einmaligen zusätzlichen Feiertag bescherte. Tatsächlich habe ich etwas astronomisches zu Martin Luther gefunden.
Dann ging es natürlich sehr viel um die Gravitationswellen und deren Entdeckung.
Vieles davon findet ihr auf den Seite 19 und auf Seite 20 des Blogs.
Weitere Highlights waren für mich natürlich die Ankunft meiner Lego-Mondrakete und einer taktilen Mondkarte, welche die Wand meines Büros ziert.
Das findet ihr alles mit Beldern und beschrieben unter Auf den Mond und zurück mit Lego und Ankunft meiner taktilen Mondkarte.
Dann durfte ich in dieser Zeit langsam Workshops an Schulen halten, was mir leider durch die Pandemie, als es gerade so richtig los gehen sollte, komplett wieder weggebrochen ist.
Ich schrieb darüber in Astronomie für benachteiligte Kinder.
Wer von euch an einer Schule arbeitet, und mich gerne dort mal für einen Workshop buchen würde, darf sich gerne vertrauensvoll an mich wenden. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mir dieses Netzwerk wieder aufbauen könnte.
Passend dazu durfte ich im Rahmen eines inklusiven Sportangebotes eine ganz wunderbare astronomische Sportstunde erleben.
Nicht zuletzt führte ich Kategorien auf dem Blog ein, weil die Sache doch langsam unübersichtlich wurde. Die findet ihr unter der Überschrift „Kategorien“ (Ebene 2) aufgelistet.
Das absolute Ding war sicherlich die Ehre, die mir zu Teil wurde, als ich einen Vortrag und einen Workshop auf der Jahrestagung der internationalen astronomischen Union in Wien halten durfte.
Hier empfehle ich den wunderbaren Gemeinschaftsbeitrag mit Bildern Inspiring Stars
Es lohnt sich auch, wenn man sich nochmal darüber klar wird, welch hohes Gremium da tagte. Darüber gibt es nichts mehr.
Schaut mal in Was ist die IAU.
Und schließlich begingen wir die fünfzig noch sang und klanglos mit dem Supermond am 19.02.2019 dem Supermond
Die nächsten Fünfzig
Die 100 knackten wir am 23.04.2020.
Hierzu brauche ich gar nicht viel schreiben, denn es gab dazu einen langen Jubiläums-Artikel mit ausgewählten Highlights und Beiträgen. Dort konntet ihr sogar mit abstimmen, welcher davon euch am besten gefallen hat.
Zu dieser Feier bitte hier lang.
Die einhundertfünfzig
Die 150 knackten wir am 13.10.2020.
an den Artikel davor, die Einhundertneunundvierzig, erinnern sich bestimmt noch viele. Wir begaben uns auf Entdeckungsreise zu den Monden des Uranus und wie die Protagonisten aus Williams Shakespeares Stücken als Namensgeber der sehr zahlreichen Saturnmonde her halten mussten. Also ich fand die Geschichte des Theater und Schauspiel am Himmel sehr spannend und aufregend.
Bei euch kam sie jedenfalls sehr gut an.
Davor hielt mich fast ein halbes Jahr ein Projekt in Atem. Ihr wisst schon. Die Reise zu den schwarzen Löchern. Hier wurde aus einem etwa dreistündigen Vortrag eine elfteilige Serie. Von Archimedes über Johannes Kepler, Isaac Newton, Cavendish und anderen bis hin zu Albert Einstein durchliefen wir alle Stationen, wie die Gravitation entdeckt, Masse und Volumina zusammen hängen, mit welcher Kraft die Erde alles anzieht, wir wogen den Mond, die Erde und andere Himmelskörper. Nach und nach lernten wir über Einstein, Eigenschaften des Lichtes und des Vakuums dann die heimliche Herrscherin über Raum und Zeit kennen, die Gravitation, die schwächste der vier Grundkräfte des momentan gültigen Standardmodells der Physik. Am Ende mussten wir uns mit sterbenden Sternen beschäftigen, wie sie zu weißen Zwergen, zu Neutronensternen oder gar als schwarze Löcher enden können. Diese untersuchten wir genauer, denn sie waren das Ziel dieser Reise.
Das Projekt machte es nötig, dass ich die Kategorie „Den schwarzen Löchern entgegen“ einführen musste.
Sehr viel Anklang fand bei euch der Artikel zu Navigation auf hoher See. Es ging um die sehr menschelnde Geschichte der ersten schifftauglichen Uhr und deren Erfinders.
Wer die Geschichte nochmal lesen möchte, findet sie unter David gegen Goliat.
Ein richtig großes Projekt, vermutlich das umfangreichste und arbeitsintensivste war der Versuch des Weihnachtskalenders 2021. Zum Glück wurde dieser sehr gut von euch aufgenommen und mit vielen schönen Kommentaren belohnt. Ich hoffe, ich bekomme auch wieder für dieses Jahr einen Adventskalender hin. Auf jeden Fall sammle ich schon Themen für ein Motto, das ich euch noch nicht verraten werde, weil ich es selbst noch nicht genau weiß.
Die Kategorie zu diesem Kalender heißt ganz einfach Weihnachtspost.
Noch viele schöne Artikel könnte ich euch hier in Erinnerung rufen. Zum Glück gibt es ja den zur passenden Feier, wo ihr das alles nochmal nachlesen könnt. Feier zum 150sten Artikel auf Blindnerd
Und wie geht es weiter?
Und so halten wir also den 08.09.2022 als Datum für die 200 fest.
Jetzt sollten eigentlich noch einige feierliche Worte kommen. Aber wie soll man die an sich selbst richten. Vielleicht mögt ihr ja das ein oder andere Wort in die Kommentare fallen lassen, damit das ganze noch etwas festlicher wird.
Auf jeden Fall wird es Blindnerd noch weiterhin geben. Noch wird die Liste der ungeschriebenen Artikel eher länger anstatt kürzer.
Ich freue mich über euch alle, die ihr teilweise schon von Anfang an treu dabei seid. Ich freue mich auch über jede Beteiligung von euch, auch über Kritik. Und wenn ihr mal ein Thema habt, worüber ihr gerne mal einen Artikel von mir lesen würdet, sehr gerne.
Also, gehen wir in alter Frische die nächsten einhundert Artikel an.
meine lieben,
nach über zwei Jahren Pandemie bin ich seit dem 07.05.2022 wieder auf der Astro-Bühne zurück. Endlich mal wieder ein Event mit Anwesenheit, nicht online und vor allem draußen im freien.
Ich durfte den Inklusionstag auf der Landesschau in Neuenburg am 07.05. mitgestalten.
Von diesem Erfolg möchte ich euch hier kurz berichten und dieses tolle inklusive Erlebnis mit euch teilen.
Geplant war so ein Event schon vor der Pandemie, aber diese vereitelte es bis jetzt. Ich wurde angefragt, ob ich mir vorstellen könne, einen Astronomie-Tag zu gestalten. Nach zwei Jahren im Hamsterrad war ich dazu natürlich sofort bereit. Und so plante ich mit den Veranstaltern einen Messestand für Buchverkauf und für die Ausstellung meiner vielen Modellene. Mit meiner sehenden Kollegin brainstormte ich inhaltlich ein Poster und sie setzte es dann für mich am Rechner um. Mit den Technikern klärte ich die Bedingungen auf der Bühne ab, z. B. Soundsystem etc. Ich buchte in einem günstigen Hotell Zimmer für meine Assistenz und mich, und so konnten wir das Event zu einem sehr entspannten Wochenende ausbauen.
Und so nahm der Inklusionstag seinen Lauf.
Der Aufbau des Standes war sehr entspannt. Zunächst war noch nicht viel los. Es war zu befürchten, dass wir, wie leider bei derlei Veranstaltungen oft, bei all den anderen Angeboten der Gartenschau, übersehen würden.
Grundsätzlich wurden die Stände der Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen nicht gut besucht. Das galt beispielsweise für den Stand des Blindenvereins Südbaden, der direkt neben meinem war.
Bei mir haben die Leute zumindest am Anfang den Stand auch nicht überrannt, aber spätestens nach dem Kinderworkshop, den ich um 12 Uhr hielt, änderte sich alles. Der Workshop fand in einem kleinen Amphitheater statt, aber die Kinder saßen weniger auf den steinernen Stufen, sondern zogen die Sitzsäcke und die Wiese direkt vor meiner Bühne vor. So muss es im Amphitheater zugegangen sein, wo die kleine Momo aus gleichnamigen Roman von Michael Ende, lebte. Hat mich alles sehr stark daran erinnert. Ich bin zwar nicht Momo, aber an Gigi Fremdenführer kam ich mit meiner Show sicher locker ran.
Die Technik war rasch installiert. Ich arbeitete mit einem externen Player, über welchen ich Weltraumgeräusche abspielte und einem drahtlosen Headset, wie man es in Fernsehsendungen trägt. Durch einen vorhandenen Monitor-Lautsprecher konnte ich mich sehr gut hören. Die Techniker lobten, dass ich mich in derlei Dingen so gut auskenne und wünschten sich, dass alle ihre Technik so gut im Griff hätten, wie ich die meine.
Nun war alles startklar.
Wir fingen mit der Landung von Matthias Maurer an, redeten über unser Sonnensystem und die Raumstation. Ich bin immer wieder verblüfft darüber, wie viel Weltraumwissen die Kinder aus den Medien aufschnappen und in ihre Kinderwelt einbauen. Das war ein sehr quirliger Workshop. Da wurden Fragen geschrien, Antworten auf meine Rätsel und Fragen rein gerufen, und, und, und. Einfach eine wahre Freude.
Diese Kinder kamen natürlich alle mit ihren Eltern danach an meinen Stand, schauten alles an, nahmen alles in die Hand, stellten Fragen, und die Erwachsenen kauften sogar einige Bücher.
Mein Poster, natürlich mit neuem Namen und Logo, wurde sehr bewundert. Ich wurde sogar mehrfach gefragt, ob man es mitnehmen darf.
Vielleicht drucken wir das nächste mal einfach noch einige auf A4 zum verschenken.
Blinde meinen oft, dass bei derlei Präsentationen so etwas nicht so wichtig sei. Ich finde aber schon, dass Poster und andere visuelle Dinge sehr wichtig sind. Wir Blinden leben als Minderheit in der Welt der Sehenden. Und in der muss man den Augen etwas anbieten, wenn man wahrgenommen werden möchte.
Mein Stand ging nun von Mund zu Mund. Somit war dann mein Vortrag für Erwachsene um 15:00 Uhr richtig gut besucht.
Alle waren darüber verblüfft, wie inklusiv die Astronomie tatsächlich ist.
Ich schrieb viel darüber in meinen Jahresrückblicken. Es gibt, wen nur die Artikel zu Inklusion interessieren, die Möglichkeit bei den Kategorien diese auszuwählen.
Ich habe auch Menschen dadurch angelockt, dass ich zehn Minuten vor Beginn etwas Sphärenmusik abspielte, in welche ich immer wieder ankündigende Sätze sprach. Klang bissel so, wie ein Schausteller auf dem Rummelplatz, hat aber gewirkt.
Die Resonanz danach war großartig, das Interesse riesig und der Stand war dann bis zum Schluss sehr gut besucht.
Manche äußerten, dass sie mir gerne im bequemen Sitzsack noch weitere Stunden zuhören wollten.
Der aufkommende Abendwind meinte zwar immer wieder, meine Posterwand umwehen zu müssen, aber sie fiel stets dort hin, wo niemand war. Keine Gefahr also.
Mir taten die anderen Aussteller zwar etwas Leid, aber ich habe meine positive Resonanz wirklich verdient. Schon im Vorfeld plante und organisierte ich alles weitgehend für mich selbst.
Ich überlasse nichts mehr dem Zufall. Man kann nicht davon ausgehen, dass Veranstalter die Bedarfe blinder Referenten kennen. Für die Planung und Durchführung meiner Veranstaltungen besitze ich mittlerweile richtige Checklisten, die ich abarbeite. Ohne derlei kein Raketenstart.
Ich bin halt wirklich in derlei schon ein Vollprofi. Meine Assistenz hatte manchmal Mühe, mir und meiner Geschwindigkeit geistig zu folgen, aber er hat seine Sache ganz hervorragend gemacht.
Hach, wie hat das alles nach über zwei Jahren mal wieder gut getan. Ich bin wirklich auch stolz auf das Poster.
Ohne zu übertreiben kann ich zusammenfassend sagen: „Ich kam, sah und siegte.“
Der Blindnerd ist auf der Bühne zurück.
Hier zwei Dinge, die mir absolut am Herzen liegen. Dafür muss zu aller Astronomie wirklich Zeit sein.
Eine Begleiterscheinung vieler Kriege, Hungersnöten und anderer Katastrophen sind Menschen, die von irgendwo nach woanders fliehen müssen. Sie versuchen neuen Fuß zu fassen und zu migrieren.
Wir wissen alle, dass das nun innerhalb von Europa leider stattfindet. Ohne näher auf diese Misere eingehen zu wollen, möchte ich anmerken, dass jeder von uns etwas tun kann. Mit dem Gedanken, nichts ändern zu können in Lethargie zu verfallen, ist niemandem geholfen. Bitte überlegt euch, womit ihr euren Beitrag leisten könnt, um jenen fliehenden Menschen oder denen, die im Kriegsgebiet verharren müssen zu helfen. Welche Möglichkeiten es hier gibt, findet ihr leicht im Netz und in sonstigen Medien. Jede Hilfe zählt. Es muss nicht gleich eine Wohnung sein, die man zufällig gerade übrig hat…
Ein weiteres Anligen ist mir noch folgendes
Alle wissen, dass ab Sonntag mehr oder weniger fast alle Corona-Regeln aufgehoben werden sollen. Manche Bundesländer, z. B. Baden-Württemberg rudern aber schon wieder etwas zurück, indem Teile der Maskenpflicht erhalten bleiben sollen.
Ich für meinen Teil werde die Masken genau so konsequent tragen, wie in den letzten beiden Jahren. Ich muss nicht alles tun, was theoretisch wieder erlaubt wäre. Gerade wir Menschen mit Sehbeinträchtigung sollten uns überlegen, ob es ob der Tatsache, die Abstände richtig einhalten zu können, vernünftig ist, künftig überall, wo man darf, auf die Maske verzichten zu wollen. Das aber nur als Anmerkung. Jeder von uns muss das selbst verantworten und für sich entscheiden.
Auf jeden Fall: Lasst euch bitte impfen, sofern noch nicht geschehen.
Vielen Dank für euer Verständnis dieser Anmerkungen.
Aber nun zum Thema der Himmelskörper mit Migrationshintergrund.
Was ist gemeint
Alles im Weltall bewegt sich irgendwie. Himmelskörper stoßen zusammen, Galaxien fliehen voneinander oder bewegen sich aufeinander zu. Alle Galaxien bewegen sich merkwürdigerweiße auf einen Punkt, den großen Attraktor zu, und, und, und.
Zum Anfang, als unser Sonnensystem vor 4,5 Milliarden Jahren entstand, gab es in unserem Sonnensystem etwas, das man die Migration von Planeten nennt. Kurz gesagt, waren die Planeten nicht immer von innen nach außen so aufgereiht, wie sie es heute sind.
Mit Migration ist daher gemeint, dass Planeten durchaus erheblich ihre Bahnen im Laufe der Zeit ändern können.
Lasst uns von dem guten alten Merksatz ausgehen, der Eselsbrücke für die Reihenfolge der Planeten:
Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten.
Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel.
Nun ist es aber so, dass die alte Version dieses Satzes nicht nur seit 2006 seine Gültigkeit verlor, sondern heute weiß man, dass er nach der Entstehung unseres Sonnensystems nicht die heutige Reihenfolge der Planeten beschrieb, und das nicht deshalb, weil man die Planeten um- oder anders benannt hätte, war ja noch niemand da, der Namen hätte geben können, sondern tatsächlich deshalb, weil sich manche Planeten auf anderen Bahnen befanden als heute. Sie sind woanders hin migriert.
Besonders die vier letzten Planeten, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, befanden sich sehr wahrscheinlich auf anderen Bahnen in einer anderen Reihenfolge. Modelle besagen, dass sie ihre jetzigen Bahnen erst ungefähr nach siebenhundert Millionen von Jahren nach Entstehung der Sonne eingenommen haben. Wie das kam, ist eine sehr spannende Geschichte, die mit der Entstehung unseres Sonnensystems beginnt.
Exkurs über Sternen- und Planetenentstehung
Ein Stern entsteht, indem eine große Wolke aus Gas und Staub unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert. Ist die Materie, Wasserstoff, im inneren dieses Protosterns derart verdichtet, dass die Temperatur auf etwa zehn Millionen Grad ansteigt, dann beginnt Wasserstoff zu Helium zu verschmelzen. Der Stern ist gestartet. Darüber werden wir in späteren Artikeln zu unserer Sonne noch genauer berichten.
Das übrige Material der Gas- und Staubwolke sammelt sich nun wegen seiner Rotation allmählich als protoplanetare Scheibe um den neuen Stern herum. Nun hat man also außen in einer Ebene eine Scheibe aus Staub und Gas, in deren Inneren der neue Stern sitzt, der entweder noch ein Protostern ist, bzw. sich schon langsam anschickt, sein Fusionskraftwerk zu zünden.
Mikro kleine Staubpartikel stoßen nun durch die Bewegung der Scheibe aneinander und verbacken und verkleben zu größeren „Bröckchen“. Sie halten entweder durch Ladung oder sonstige chemischen Prozesse zusammen. Dieses setzt sich nun mit den größeren Teilchenverbünden fort, die nun etwa zentimetergroß sind und mit der Gaswolke mit schwimmen.
Diese Teilchen stoßen nun ihrerseits wieder zusammen und verbinden sich zu größeren Körpern.
Ab einer Größe von etwa 10 m, entkoppeln diese Körper vom Gas der Wolke und besitzen nun derart viel Gravitation, und Trägheit dass sie sich selbstständig auf Kepler-Umlaufbahnenum den Stern bewegen können.
Desto weiter außen die Brocken sich befinden, desto langsamer bewegen sie sich um ihren Stern. Und nun nimmt die „Heimliche Herrscherin“, die Gravitation die Sache in die Hand. Diese Planetesimale können mit ihrer Schwerkraft nun wieder kleine Partikel an sich binden und noch wachsen. Als Planetesimale bezeichnet man diese Brocken ab etwa einer Größe von einem Kilometer Durchmesser. Diese stoßen nun ihrerseits zusammen und bilden Planeten aus Eis und Staub.
Somit räumen die massereicheren Brocken langsam in der Scheibe auf, ziehen die kleineren zu sich und bilden dann quasi einen „leeren“ streifen ohne Brocken. Mit dem verbleibenden Gas verhält es sich anders. Planeten mit weniger als ungefähr zehn Erdmassen haben eine zu geringe Gravitation, um das verbliebene Gas der Wolke an sich zu binden. Das dem so ist, können wir im Alltag erleben. Unsere mit Helium gefüllten Ballons würden nicht in die Höhe steigen, könnte die Erde mit ihrer Gravitation das Helium festhalten. Somit gibt es in unserer Atmosphäre quasi kein Helium, und den leichteren Wasserstoff auch höchstens in Spuren chemischer Reaktionen hier auf Erden. Die anderen Bestandteile unserer Atmosphäre sind deutlich schwerer als Helium und Wasserstoff. Deshalb kann diese unsere Erde festhalten.
Die Entwicklung derartiger Stein- und Eisplaneten ist somit erst mal abgeschlossen. Ob sich nachher Leben darauf bildet, ob sie Vulkanismus besitzen werden oder sonst was, spielt sich danach auf ihrer Oberfläche ab und hat im wesentlichen nichts mehr mit ihrer Entstehungsgeschichte, man könnte es auch Geburt nennen, zu tun.
Schwerere Planeten, also mehr als 10 Erdmassen können aber im Laufe der Zeit ob ihrer Gravitation bis zu einem vielfachen ihres eigenen Gewichtes Gas aus der verbliebenen Scheibe dauerhaft an sich binden. Auf diese Weise entstehen riesige Gasplaneten, die alle einen festen Kern besitzen. Beim größten Planeten des Sonnensystems, dem Jupiter entfallen etwa 95 % seiner Masse auf seine riesige Gashülle, bestehend aus Wasserstoff und Helium.
Nahm vorher die Dichte des Gases der Scheibe von innen nach außen ab, so ist sie nun dort, wo die Planeten ihre Bahnen ziehen stark ausgedünnt, vielleicht sogar leer. Außerdem befinden sich neben und um die Planeten herum noch diejenigen Brocken, die bisher noch nicht eingefangen wurden, bzw zu klein waren, um es zu erwachsenen Planeten geschafft zu haben. Das sind dann vor allem Asteroiden und Kometen. Nach zehn bis zwanzig Millionen Jahren ist nun das Gas der Scheibe aufgebraucht. Entweder es befindet sich in den Gasplaneten, oder es wurde vom Sternwind in den Raum gepustet. Es gibt auch noch andere Mechanismen, wie das Gas verloren gehen kann. Alle Phänomene der Planetenentstehung können aber so noch nicht erklärt werden.
Modellierungsprobleme
Somit wurden zunächst Modelle entwickelt, die die Masse und Elementverteilung im Sonnensystem oder sonstigen prä sstelaren Gaswolken zu erklären versuchen. Dabei geht man z. B. vom heutigen Zustand des Sonnensystems aus, und versucht mit all diesen Parametern so zu rechnen, damit man über Simulationen das Sonnensystem erhält, wie es damals gewesen sein könnte. Derartige Modelle setzen natürlich voraus, dass die Naturgesetze damals vor 4,5 Milliarden Jahren schon dieselben waren, wie wir sie heute kennen. Bisher spricht nichts dagegen. Das Universum bestand somit auch damals nicht aus einer Harry-Potter-Insel, auf welcher andere Gesetze gegolten haben.
Probleme bereiten aber bei diesen Modellen u. A. die Entstehung der Planeten Uranus und Neptun. Obwohl ihre festen Kerne größer als zehn Erdmassen sind, konnten sie so viel Wasserstoff und Helium an sich binden, das mindestens einer Erdmasse entspricht. Nach den Modellen können die beiden Planeten nicht so weit draußen entstanden sein, wo sie sich momentan befinden. Die Dichte der Gasscheibe wäre zu gering, damit die beiden überhaupt genügend Gas hätten ansammeln können. Selbst Jupiter, der deutlich näher an der Sonne ist, hätte auf dieser Bahn zu lange gebraucht, um zu dem zu werden, was er heute ist. Kurz um. Die Planeten können nicht dort entstanden sein, wo sie sich heute befinden. Die Planeten müssen viel näher an der Sonne herangewachsen sein. Dort, wo die Dichte der Gasscheibe deutlich höher war, und sie mehr Gas hätten einsammeln können. Danach muss es dann eine Umordnung der Planeten gegeben haben, Migration eben.
Das Nizza-Modell
2005 haben Wissenschaftler anhand des sog. Nizza-Modells versucht zu erklären, welche Ordnung das Sonnensystem früher hatte, und wie es sich zur heutigen Anordnung umsortiert hat. Ja, Astronomen machen manchmal schöne Dienstreisen. Außer dem Modell, dürften sie es auch sonst in Nizza schön gehabt haben.
Das Nizza-Modell nimmt an, dass die vier Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun ursprünglich auf nahezu kreisförmigen, kompakten Bahnorbits liefen. Außerdem geht es davon aus, dass bei der Planetenentstehung eine Scheibe von Planetesimalen entstand, die von außerhalb der Planetenorbits bis hinaus zu einer Entfernung von 35 AU (1 AU = Abstand Erde-sonne =150 Mio Kilometer))
reichte und eine Gesamtmasse von etwa 35 Erdmassen hatte.
Die Riesenplaneten des Sonnensystems streuten nun zunächst vereinzelt Planetesimale aus der Scheibe, indem sie diese Brocken durch ihre Schwerkraft heraus warfen.
Dabei wurde Drehimpuls übertragen, und die Bahnen der Planeten änderten sich leicht. Mit numerischen Simulationen kann gezeigt werden, dass dadurch Saturn, Uranus und Neptun langsam nach außen wanderten und Jupiter nach innen.
Nach ein paar hundert Millionen Jahren (500–800 Mio. nach Entstehung der Sonne) kam es zu einer 2:1-Resonanz zwischen Jupiter und Saturn. Das bedeutet, dass der innere der beiden die Sonne in der Zeit zweimal umrundet, die der äußere für einen Umlauf benötigt. Dadurch störten sich die beiden gravitativ derart, dass sich die Sache aufschaukelte.
Dadurch stiegen die Exzentrizitäten, und das System destabilisierte sich.
Die Exzentrität ist ein Maß dafür, wie stark die elliptische bahn von einer normalen Kreisbahn abweicht.
Die Planeten Saturn, Uranus und Neptun kamen einander und der Scheibe aus Planetesimalen nahe. Dadurch wurden die Planetesimale praktisch schlagartig zerstreut, ein Teil der Planetesimale flog in das innere Planetensystem und löste dort das Große Bombardement aus. Davon zeugen die Krater der Planeten Merkur, Venus und Mars. Auch die Erde besitzt derartige Krater, z. B. das Nördlinger Ries oder den Chicxulub-Krater, dessen Einschlag die Klima-Katastrophe ausgelöst haben soll, die für das Ende der Dinosaurier verantwortlich zeichnet.
In etwa 50 Prozent der simulierten Modelle kommt es dabei auch zu einem Platzwechsel zwischen den zwei äußersten Gasplaneten Uranus und Neptun
Nach etwa hundert Millionen Jahren erreichten die Planeten schließlich ihre heutigen Entfernungen, ihre Exzentrizitäten wurden gedämpft und das System stabilisierte sich wieder.
Neben den Positionen, Exzentrizitäten und Inklinationen der Riesenplaneten und dem großen Bombardement erklärt das Modell noch eine Reihe weitere Eigenschaften des heutigen Sonnensystems . So kann man beispielsweise die Bahnen und Herkunft von Monden erklären.
Unter Inklination versteht man den Winkel, in welchem die Planetenbahn zur Ekliptik gekippt ist.
Auch der Kuipergürtel wird mit diesem Modell plausibel. Er beschert uns immer wieder Kometen und befindet sich jenseits der Neptun-Bahn. Er enthält u. A. den Rest, der bei der Entstehung des Sonnensystems in keine Planeten eingebaut wurde.
Weitere Erklärungen des Modells waren spontan auf den ersten Blick auch für mich nicht ganz verständlich, weshalb ich hier mal darauf verzichte. Ist eh schon wieder zu lang geworden.
Auf jeden Fall wisst ihr jetzt, was Migration im All bedeutet. Und denkt doch bitte an meine Herzenssachen zum Anfang des Artikels.
Heute ist der 08.03., Welt-Frauentag. Was liegt näher, so einen Tag zu begehen, als dass ich mir Gedanken über große Frauen in Astronomie und Wissenschaft mache. Das seid ihr ja von mir gewöhnt, dass an jedem 08.03. eine Wissenschaftlerin gewürdigt wird.
Bis heute sind Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen leider noch immer unterrepräsentiert. Die Statistiken sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Trotz Frauenbewegung, Emanzipation, Erziehungsurlaub auch für Männer, gesetzliche Gleichberechtigung und dafür aufgeschlossene Männern, ist es noch nicht gelungen, diesen Missstand in den Griff zu bekommen.
Dennoch hat es immer wieder Frauen gegeben, die trotz Benachteiligung, Unterdrückung, Bildungsverbot und Leben in einer streng patriarchaisch dominierten Gesellschaft, großartiges in Wissenschaft, z. B. der Astronomie, geleistet haben. Sie setzten sich in einer harten Männerwelt durch und waren vielleicht sogar öfter, als man denkt, die schlaueren Köpfe. Zumindest zeugen einige Dokumente davon, dass viele starke kluge Frauen die Fäden ihrer Professoren-Männer in Händen hielten…
Bis in biblische Zeiten hinein, kann man diese Phänomene beobachten. Somit scheint der Satz „Der Mann kann noch so viele Dinge bauen – Es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen“ mehr Wahrheitsgehalt zu haben, als manchen lieb ist.
So lasst uns den Weltfrauentag 2022 damit begehen, indem wir die Person und das Lebenswerk von Cecilia Payne würdigen. Sie fand heraus, woraus unsere Sterne hauptsächlich bestehen, aus Wasserstoff. Das war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts durchaus noch nicht bekannt. Man stellte sich vor, dass z. B. unsere Sonne ganz ähnlich aufgebaut sei, wie unsere Erde.
Heute werde ich euch allerdings keinen ausschweifend langen Artikel schreiben, denn ich habe etwas besseres und sehr hörenswertes für euch.
Anfang Januar strahlte SWR2-Wissen eine Folge über diese großartige Astronomin aus. In dieser Sendung ist sogar ihre Stimme zu hören.
Aus diesem Grunde belasse ich es heute mit vielen Worten, und schicke euch gleich auf die Seite, wo ihr die Sendung entweder direkt anhören, bzw. sowohl die Audio-Datei, als auch das Skript zur Sendung herunterladen könnt. Das kann ich euch an dieser Stelle nicht ersparen, dass ihr auf die Seiten des SWR müsst, weil ich das Audio aus Gründen des Urheberrechts nicht direkt auf dem Blog veröffentlichen darf.
Lehnt euch also zurück und hört euch diese äußerst spannende und wissenswerte Sendung an.
Wer Probleme mit der Bedienung der Seiten des SWR hat, darf sich z. B. über das Kontaktformular gerne an mich wenden. Wir finden einen Weg.
das hier ist kein politischer Blog. Es ist zu den aktuellen Ereignissen alles von vielen gesagt. Wir erleben Dinge, die sich nicht in Worte fassen lassen.,
Ich bin natürlich betroffen. Allerdings kenne ich mich in diesem Konflikt und dessen Historie viel zu wenig aus, um hier qualifiziert mitreden zu können.
Dennoch möchte ich mich an dem Geschehen in so fern beteiligen, dass ich über eine Zeit berichte, die viele Parallelen zur Gegenwart in sich birgt. Eine Zeit, in welcher wir ebenfalls einem Atomkrieg recht nahe waren, möglicherweise sogar näher als heute,
einer Zeit, in welcher es mir wirklich gut ging, vermutlich die Zeit meines Lebens, in welcher ich am meisten inkludiert, gebraucht und akzeptiert wurde.
Es geht um die Zeit so zwischen 1982 und 1992, zehn Jahre also.
Es geht um die Zeit, in welcher ich mich immer wieder in die Friedensbewegung einbrachte.
Ich weiß, dass dieser Artikel etwas überlang ist, aber das muss jetzt einfach sein.
Es kann auch sein, dass ich aus der Erinnerung heraus nicht immer die zeitliche Abfolge einhalten kann. Ist halt alles schon verdammt lang her.
Als letztes merke ich noch an, dass dieser Artikel nicht gegendert ist. Wenn ich Lehrer, Erzieher oder Betreuer schreibe, meine ich immer alle und nicht nur ausschließlich Männer.
Ich finde, dass gendern gerade für uns Menschen mit Blindheit, die mit Bildschirmlesern arbeiten müssen, häufig den Lesefluss auf Punktschriftzeile oder mit Sprachausgabe sehr beeinträchtigt, aber nun zum Thema:
Der Beginn
Wie soll es anders sein, alles begann mit der Liebe zu einem Mädchen, meiner ersten Liebe. Ich kam gerade von einem Klinikaufenthalt zurück, der fast 3/4Jahre in Anspruch nahm. Es gab da irgendwo eine Ausstellung, die wir mit der Blindenschule besuchten. Das Mädchen war dort als Sängerin eingeladen. Sie sang Friedenslieder, z. B. „We Shall overcome“, Hannes Wader, Bettina Wegener und viele andere. Ich kannte viele dieser Lieder schon, weil mein großer Bruder diese Musik hörte, auf Friedensdemos ging etc. Er hatte mich schon angesteckt, zum Leidwesen unserer sehr konservativen Mutter.
Nun sang also dieses Mädchen für den Frieden. Und das mit einer Inbrunst und Kraft, dass es um mich geschehen war. Ich kniete mich tatsächlich vor sie hin, hörte zu und sang auch mit.
Mir war sofort klar, dass ich das auch machen wollte. Ich wollte mit ihr Seite an Seite für den Frieden kämpfen und singen. Ich hatte gerade keine gute Zeit hinter mir. Es gab nicht viele Menschen, die damals an mich glaubten. Ich hatte eine sehr schwierige Jugend, und unsere Familie war auch eher kaputt. Viele Lehrer hatten mich quasi aufgegeben.
Dennoch fasste ich eines Tages meinen Mut und fragte sie, ob wir „zusammen gehen“ wollten. Sie glaubte an mich. Ich weiß noch, dass sie sagte, „Das könne doch nicht alles sein“, was Du bist und was man von Dir hört. Sie sagte „ja“.
Von nun an wollten wir die Welt verbessern. Wir gingen auf die Straße des spießigen Nestes, in welchem unsere Blindenschule stand, und sangen unsere Lieder für Frieden, Freiheit und gegen Ausländerhass. Das wurde nicht überall gerne gesehen. Bisher war es so, dass wir Blinden eher hinter dem Zaun unserer beschaulichen Blindenschule verweilten. Wir kamen nur zusammen mit unseren Erzieherinnen heraus. An politischen Entwicklungen kam trotz Radio nur wenig zu uns herein. Das änderte sich durch die Friedensbewegung erheblich.
Vorbilder
An unserer Blindenschule gab es viele Zivildienstleistende, die die Unterstützung von Menschen mit Behinderung, dem Militärdienst vorzogen. Diese Generation von Zivis war sehr in der Friedensbewegung, bei den gerade neu entstandenen Grünen, bei Amnesty International oder sonst wo engagiert. Einige von ihnen spielten auch Gitarre und kannten all die schönen Lieder. Bei den Lehrern und Erziehern gabes im Grunde zwei Lager. Es gab die alten sehr konservativen Lehrer, die schon auch mal nach alter Tradition die Hand ausrutschen ließen und die uns Blinde unbedingt vor der Sünde der Sexualität zu bewahren suchten. Leider waren die noch in der Überzahl und lenkten die Geschicke in Internat und Schule. Das andere Lager, meist jüngere, entstammte u. A. der 68er-Bewegung. Sie brachten diesen Geist zunächst verhalten in unsere Reihen Und als Sandra und ich viele mit unseren Ideen und Liedern ansteckten loderte ein Feuer und ein Geist auf, den es in diesen Mauern vorher noch nie gegeben hatte.
Und damit nicht genug. Durch diese, meine Verbindung, verbesserte sich meine schulische Leistung derart, dass ich die Klasse, obwohl ich über ein halbes Jahr nicht am Unterricht teilnehmen konnte, als Klassenbester abschloss. Dieser Klinikaufenthalt machte mich so erwachsen, dass ich nach meiner Rückkehr das Gefühl hatte, alle hätten in dieser Zeit keinen Unterricht gehabt.
Es kam nun mehr und mehr vor, dass wir mit unseren Zivis oder den Erziehern der zweiten Gruppe auf Friedenskonzerte gingen, Wir erlebten Joan Baez, Hannes Wader, Franz Josef Degenhardt life und beteten sie an. Man las uns auch aktuelle Zeitungsartikel, Flugblätter u. Ä. vor. Zu derlei Material hatten wir Blinden damals ob bewusst gewollt, oder wegen der technischen Möglichkeiten, keinerlei Zugriff. Somit bildeten wir uns und entwickelten uns zu richtigen Friedensbeweglern.
Kontakt zu Ausländern
Bald schon fanden wir auch Kontakt zu Ausländern. Ich kannte damals viele Chilenen, Italiener und Türken. Wir gingen in deren Familien ein und aus. Wir erfuhren vieles über deren Kultur, aßen und tranken mit ihnen, und merkten, dass alle Vorurteile, die uns anerzogen wurden, nicht stimmten. Einige z. B. türkische Gastarbeiter-Familien hatten natürlich auch blinde Kinder, die dann an unsere Schule kamen. Im Internat waren die bald bestens inkludiert. In Sport und Freizeit gab es keine Berührungsängste. Ich glaube sogar, dass wir Blinden uns mit derlei leichter tun. Bei uns spielt das Aussehen keine Rolle. Außerdem ist es für uns normal, eine Behinderung zu haben. Das kann auch eine Sprachbarriere sein. Die wurde aber rasch überwunden. Feierten unsere türkischen Mitschüler ihren Ramadan, dann waren deren Koffer angefüllt mit vielerlei türkischen Spezialitäten, die wir vorher so noch nicht kannten. Tagsüber feierten wir den Ramadan zwar nicht mit, in dem wir gefastet hätten, aber sobald die Sonne unten war, wurde eine orientalische Tafel aufgeschlagen, die ihres gleichen suchte.
Wir gewöhnten uns auch an deren Musik. Fand im Keller ein Disco-Abend mit Tanz statt, so war türkische Pop-Musik bald so selbstverständlich, wie die unsere. Es wurde zu allem getanzt.
Anders lief es leider oft im schulischen Bereich ab.
Bis auf wenige Ausnahmen, wurden unsere Gastarbeiter-Kinder viel zu wenig gefördert. Da waren welche dabei, von denen ich sicher sagen kann, dass die heute mit Hochschulabschluss einem gut bezahlten Job hätten nachgehen können, wenn man ihnen denn die Chance gegeben und sie entsprechend unterstützt hätte. Viele von denen landeten später in Werkstätten für Menschen mit Behinderung und verließen die Schule ohne Hauptschulabschluss. Das prangerten wir natürlich an. Oft erhielten wir kräftigen konservativen Gegenwind.
Zensuren und Verbote
Unserer Schulleitung schmeckte es gar nicht, dass ich mittlerweile Schulsprecher war. Unsere Schülerzeitung „Der Friedensbote“ wurde stark zensiert. galt es eine Rede zu halten, musste die vorher komplett geschrieben und vorgelegt werden. Dennoch gelang es mir häufig, in der Rede abzubiegen und plötzlich kamen Worte aus meinem Mund, die überhaupt nicht im Script standen.
Das brachte mir unter den Lehrern Ärger, manchmal Strafarbeiten, aber auch viel Anerkennung und Applaus ein, die zwei Lager eben.
Nun war gerade die Zeit, als man uns die Pershings vor die Nase setzen wollte und Giftgas im Pfälzer Wald gelagert wurde. Und ja, der saure Regen tötete gerade unseren Wald.
Genug themen also, für die es sich zu singen und zu spielen lohnte.
Dazu versammelte ich wer Lust hatte, auf der großen wiese in der großen Pause. Wir sangen und diskutierten. Selbstverständlich hörte niemand von uns, dass die Pause längst zuende war.
Schließlich wurde unsere kleine Friedensdemo vom Lehrkörper aufgelöst.
Alle strömten zurück in ihre Klassenzimmer. Für mich war ein anderer Weg vorgesehen.
Begleitet von einer Lehrerin fand ich mich im Büro des Direktors wieder. Noch nie zuvor war ich in diesem Raum. Ich wusste nicht mal genau, wo dieses Büro lag.
Dieser hatte dann so schöne Attribute wie „Aufrührer“, „Kommunist“ „utopischer Linker“ und noch einiges mehr für mich parat. Für sechs Wochen wurde mir mein Ausgangsschein entzogen. Den bekam man, wenn man ein Mobilitätstraining mit dem Stock absolviert hatte. Je nach Trainingsstand durfte man sich dann außerhalb des Schulgeländes bewegen. Den Ausweis hinterlegte man stets an der Pforte, damit immer klar war, wer noch draußen war.
Das war das höchste Privileg, die höchste Auszeichnung, selbstständig nach draußen zu dürfen. Um so härter war der Entzug dieses Dokumentes als Strafe.
Eingesperrt für sechs Wochen wegen einiger harmloser Friedenslieder und einer überzogenen großen Pause.
Natürlich gab es Stellen, an welchen man locker über den Zaun nach draußen kam, aber das war sehr gefährlich, denn man konnte draußen von einem Lehrer oder Erzieher gesehen werden. Natürlich haben wir das in so mancher Nacht getan, aber im Grunde war es wirklich dumm, denn die darauf folgenden Strafen konnten sogar einige Tage Schulverweis oder noch schlimmeres bedeuten. Das ließ man also besser bleiben. Ich überbrückte diese sechs Wochen Ausgangssperre ganz anders.
Wenn man Mobilitätstraining bekommt, dann gibt einem der Trainer schon mal eine kleine Aufgabe, um zu testen, wie selbstständig man schon war. Mal musste man einen Ort finden, mal etwas einkaufen und manchmal kam auch ein Behördengang dazu. So bei mir. Meine Trainerin schickte mich mal ins Rathaus. Ich sollte für sie ein Dokument beglaubigen lassen. Das kannte ich vorher noch nicht. Als ich dann meinen Ausgangs-Schein bekam, tat ich genau das. Ich ließ einige Kopien anfertigen und diese beglaubigen. Eigentlich wollte ich damit nur das Original-Dokument schonen, indem ich immer eine beglaubigte Kopie vorlegte. Ich weiß noch, dass die Pförtnerin sich sehr darüber freute, dass ich so viel Acht auf meinen Original-Ausweis gab. Das kam mir jetzt gut zu Pass. Ohne zu zögern händigte ich dem Direktor meinen Ausweis aus. Das mit den beglaubigten Kopien rettete mir den Arsch. Es kam nie heraus. Ich sollte auch noch eine Strafarbeit anfertigen, aber das ließ ich bleiben, da ich wusste, dass derlei mit hoher Wahrscheinlichkeit versanden würde. Hätte man mich daran erinnert, dann hätte ich das Teil halt geschrieben, aber da geschah, wie vermutet, nichts mehr.
Körperlich konnte ich in der Schule nie glänzen. Bundesjugendspiele waren der blanke Horror für mich. Materiell stand ich den anderen Kindern immer hinterher, weil wir eben sehr arm waren. Aber mein scharfer Geist und Verstand half mir aus so vielen Miseren heraus. Ich tat Dinge, von denen ausgegangen wurde, das kein blindes Kind derlei tun würde und viel zu brav sei.
Das Vermächtnis
Nun kam die Zeit, dass mein Mädchen auf das Gymnasium nach Marburg wechselte. Mich ließ man dort wegen meiner schwierigen Vergangenheit nicht hin. Geld, uns zu besuchen, hatten wir keines. Anrufen war schwierig und so hatten wir nur Briefe in Punktschrift. Mir war aber immer klar, dass ich Sandras Werk weiter treiben wollte. Das war noch klarer, denn sie verstarb an der Krankheit, die sie erblinden ließ.
Eine Gitarre musste her, aber die Aussicht, eine über die Familie zu bekommen, war zunächst gleich null. Ich fand eine auf dem Sperrmüll. Im Grunde war es ein fürchterliches Instrument, aber man konnte noch Saiten darauf spannen und spielen lernen.
Unterricht hatte ich nie. Ich ließ mir die Griffe von ganz verschiedenen Menschen aus der Friedensbewegung zeigen. Nach sechs Wochen war ich dann so weit, dass ich viele Lieder schon begleiten konnte. Ein Zivildienstleistender lieh mir bald schon seine Gitarre, damit ich etwas besseres unter die Finger bekam.
Und so ging die Friedensarbeit weiter. Ich sang, wurde besser und auf der Gitarre virtuoser und fühlte mich in so vielen Dingen absolut integriert und angenommen. Ob Zeltlager, Lagerfeuer, Gottesdienste oder Friedensveranstaltung. Wenn man singen und gut Gitarre konnte, war man der König und die Blindheit spielte keine Rolle mehr.
Mittlerweile erkannte meine Großmutter, dass es nicht mehr zu ändern war mit mir. Sie sah ein, dass ich jetzt endlich mal eine eigene Gitarre bräuchte. Und so gingen wir eines Nachmittages in unseren kleinen aber gut sortierten Musikladen auf dem Dorf und es wurde eine Gitarre gekauft.
Das war das erste mal, dass ich etwas besaß, womit meine anderen fünf Geschwister nichts anfangen konnten.
Etwas, das nur mir alleine gehörte.
Etwas neues und nicht gebrauchtes oder abgetragenes.
Etwas, womit ich mich ausdrücken konnte.
Da ich auch auf Familienfesten, Weihnachten, Geburtstagen etc. spielte, hielt sich der Neid meiner Geschwister in Grenzen.
Nun begann ich auch langsam meine eigenen Friedenslieder zu schreiben. Schließlich wollte ich Liedermacher werden. Es waren einige ganz nette Liedchen dabei. Mit einem gewann ich sogar mal „Jugend musiziert“. Dafür durfte ich mit meinem Vater als Begleitung nach Berlin fliegen. Das erste mal in einem Flugzeug. Das erste mal wirklich einen Auftritt mit Radio, Fernsehen und Presse. Das alles war für mich so beeindruckend, dass ich fast nichts mehr davon weiß.
Aber an den Applaus nach meinem Friedenslied kann ich mich noch gut erinnern. Er schmeckte vorzüglich. Heute stehe ich eher in Sachen Astronomie auf Bühnen, aber manchmal kommen musikalische Auftritte noch vor.
Friedensarbeit im Unterricht
Ganz viel Friedensarbeit geschah bei uns im Handarbeits-Unterricht. Wir durften unsere Casetten mit unseren Liedermachern abspielen. Wir durften über Philosophie und Politik sprechen, z. B. über das Kommunistische Manifest und mehr. Voraussetzung war nur, dass nebenher die Handarbeit gemacht wurde. Da ich geschickte Hände habe, war das für mich nie ein Problem.
An unserer Schule durfte ich einen ganz hervorragenden Religionsunterricht besuchen. Diese Lehrerin unterhielt mit ihrem Verein ein Haus für Friedensarbeit. Darin veranstaltete sie mehrere Seminare für uns. Hier durften wir die jüdische Religion und deren Kultur kennen lernen. Wir besuchten sogar die Synagoge in Mannheim und konnten auch die jüdischen Lieder mitsingen, die sie uns vorher beigebracht hatte. Wir bauten eine Laubhütte, feierten den Schabat und viele andere jüdischen Feste mit. Somit haben wir dann auch die christliche Religion besser verstanden, weil Jesus auch Jude war. Hieraus ergaben sich ganz wunderbare Kontakte in die jüdische Gemeinde Mannheims hinein. Das war eine wunderbare und sehr inklusive Friedensarbeit.
Diese Lehrerin ermöglichte es mir, den Kirchentag zu besuchen. Auch das war ein großartiges Erlebnis für mich. Mit so vielen Menschen gemeinsam Friedenslieder zu singen, gemeinsam Gottesdienst zu feiern und all die anderen vielen Veranstaltungen dort zu besuchen, war überwältigend für mich.
Der Blindnerd auf Demos
Ich nahm nun auch mehr und mehr an Demos teil. Meistens verliefen diese friedlich, aber einmal wurden wir in Mannheim eingekesselt. Ich stand gerade mit meiner Gitarre und Mundharmonika, wie Bob Dylan, auf einem LKW und sang. Da ging es plötzlich los. An einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich spürte, wie ein Gummiknüppel tut und weiß seither, wie Tränengas schmeckt. Zum Glück retteten mich meine Leute. Heutzutage gehe ich nur noch auf Demos, wenn sie wirklich friedlich sind, z. B. Mahnwachen, oder ich bleibe mit Begleitperson ganz am Rand, damit ich abhauen kann. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, aber es wäre äußerst dumm und unvernünftig, würde ich mich als blinder und langsam auch schon älterer Mensch in den Hexenkessel begeben.
Die Kleidung machts
Natürlich trug ich auch eine Jeans-Jacke, die mit allerlei Buttons bestückt war. Von „AKW + Rüstung ne“, „Frieden schaffen ohne Waffen“ und, und, und, war alles dabei. Mein größter Stolz war ein metallener Anstecker, der zwei Hände darstellte, die ein Gewehr zerbrechen. Das war kein Button, sondern so richtig als 3D. Es war damals sehr schwer, diesen Anstecker zu bekommen. Wenn ich doch nur wüsste, wo der hin gekommen ist. Naja, die Jacke gibt es auch längst schon nicht mehr.
Meine Gitarre war natürlich auch mit Aufklebern aus diversen Alternativläden bespickt.
Wenn ich mal z. B. für Besucher bei meiner Großmutter spielte, in dem Fall natürlich Volkslieder, dann zeigten diese oft auf meine Gitarre. Meine Oma sagte dann nur: „So ist er halt politisch eingestellt“. Sie war eine moderne und streitbare Frau. Sie war offen für alles und diskutierte gerne mit mir.
Wenn es ihr zu bunt wurde, drohte sie damit, dass es kein Abendessen geben würde. Das geschah aber nie.
Einmal brachte ich ihr eine Jeans-Tasche und einen „Atomkraft nein danke“-Button. Ich fragte sie, ob sie mir das nach dieser Vorlage, natürlich entsprechend größer, auf diese Tasche sticken würde. Sie tat es ungeachtet des politischen Inhalts und fing nicht mal eine Diskussion dagegen an.
Als die Tasche fertig war, fragte ich meine Oma, ob sie mir auch ein Hakenkreuz darauf gestickt hätte.
Ohne Zögern bejahte sie dieses mit der Begründung, dass das Hakenkreuz schon Jahrtausende alt und nur von den Nazis missbraucht worden sei. Und das sagte sie, obwohl sie den Krieg und das Regime erlebt hatte.
Bevor ich jetzt „endlich“ mal zum Ende komme, hier noch ein Erlebnis ganz besonderer Art.
Frieden und Inklusion in Reinform
Als 1986 das Kernkraftwerk in Tschernobyl explodierte, befand ich mich gerade auf dem kleinen badischen Kirchentag in Bretten. Natürlich verfolgten wir das ganze im Radio etc. Wir überlegten uns, wie wir die neuesten Geschehnisse bei uns am Stand allen zugänglich machen könnten. Wir entschieden uns dafür, die Nachrichten aus dem Radio einfach abzuschreiben und aufzuhängen. Da ich von allen am besten und sichersten Schreibmaschine konnte, das lernt man an der Blindenschule, fiel diese Aufgabe mir zu. Inklusiver geht Friedensarbeit kaum.
Ich könnte hier noch über viele Veranstaltungen schreiben, z. B. über unser Friedenskonzert zum Golfkrieg 1, aber ich denke, es reicht jetzt mit Beispielen. Klar ist, dass wir einiges aus dieser Zeit nun dringend wieder neu beleben müssen und dies auch tun.
Jetzt hoffen wir natürlich, dass sich dieser unsägliche Krieg durch die Weltgemeinschaft bald stoppen lässt. Diesem einen Manne, der ihn zu verantworten hat, muss Einhalt geboten werden.
Meine lieben,
Heute geht es mal nicht um Astronomie, sondern um gefühlte Dankbarkeit.
Ja, ich weiß, dass ich vor vielen Artikeln geschrieben habe, dass das C-Wort nicht mehr auf diesem Blog erscheinen soll, und dabei bleibt es auch. Dennoch möchte ich gerne mit euch etwas positives zum Thema Pandemie teilen.
Immer wieder kommt es vor, dass ich mir vorstelle, was gewesen wäre, wenn die Pandemie in meiner Kindheit ausgebrochen wäre.
Diese Vorstellung löst in mir trotz aller Widrigkeiten große Dankbarkeit aus, dass die Pandemie erst jetzt in unser aller Leben trat. Um diese Dankbarkeit geht es in diesem Artikel.
Aus meinem Buch
Am 21. Februar 1969 wurde ich als fünftes von sechs Kindern in Schopfheim geboren. Da ich zwei Monate zu früh das Licht der Welt erblickte, musste ich zunächst in den Brutkasten. Nach dem damaligen Stand der Medizin wurden Frühgeburten mit reinem Sauerstoff versorgt. Nicht selten, so auch bei mir, führte dies zu einer Augentrübung, die der Grund für meine Blindheit ist. In den Industrienationen war diese Art der Erblindung die häufigste Ursache.
Medizinisch betrachtet galt ich immer als zu 100% erblindet, verfügte aber, bis ich Mitte 20 war, über eine hell-dunkel-Wahrnehmung, die sich dann mit der Zeit verschlechterte und verloren ging. Aufgewachsen bin ich mit meinen zwei Brüdern und drei Schwestern in einer Arbeiterfamilie. Somit führte vor allem mein Vater uns schon als Kinder an technische Dinge heran und lehrte uns den Umgang mit Werkzeug und Werkstoffen wie Holz. Ich erinnere mich noch, dass ich als kleines Kind Zeitungen reißen musste, aus denen anschließend mit Kleister Pappmaschee angerührt wurde, womit mein Vater die Landschaft für seine riesige elektrische Eisenbahn modellierte.
Von meiner Mutter wurden wir schon als Kinder stets zur Arbeit und Mithilfe in Haus, Hof und Garten herangezogen. Jeder musste für alle etwas übernehmen und war dafür verantwortlich. Schon mit vier oder fünf musste ich auf einem Schemel stehend Geschirr abtrocknen. Dabei habe ich übrigens sehr viele Volkslieder gelernt. Später half ich dann auch im Garten bei der Ernte mit.
Aufgrund der Größe unserer Familie konnte auf meine Einschränkung nicht viel Rücksicht genommen werden. Ich war bei allem dabei, musste bei allem helfen und von mir wurde dasselbe wie von meinen sehenden Geschwistern verlangt. Das war nicht immer fair. Es würde in der heutigen Zeit, in welcher blinde Kinder oft überbehütet werden, niemand mehr verlangen, dass ich als blindes Kind beispielsweise auf dem Feld helfe, Kamille zu pflücken. Es dauert einfach länger, wenn man die Blümchen ohne Augen suchen muss, und ich war ob dieser Langsamkeit oft frustriert und entmutigt und verlor das Selbstvertrauen. Andererseits verdanke ich dieser harten Schule eine Selbstständigkeit und Fertigkeit in so vielen Dingen, die ein blindes Kind heutzutage kaum noch erlangen kann, weil Kinder im Allgemeinen meist nicht mehr in diesem Maße im Haushalt mithelfen müssen. Somit kann ich heute retrospektiv große Dankbarkeit für meine nicht immer einfache Kindheit empfinden. Vor dem Hintergrund des Inklusionsgedanken möchte ich hier nicht versäumen zu erwähnen, dass ich für meine klassische Ausbildung in Blindentechniken, wie Blindenschrift, Mobilitätstraining und sonstiger lebenspraktischer Fertigkeiten, die ich in sechzehn Jahren an verschiedenen Blindenschulen und Einrichtungen erlernen durfte, sehr dankbar bin.
All dies ist mir auch in der heutigen Zeit, wo im Blindenwesen viel mehr moderne Technologie Einsatz findet, eine große Hilfe. Der Inklusionsgedanke und dessen Umsetzung ist ein fließender Prozess und muss sich entwickeln. Dabei dürfen aber die unverzichtbaren Blindentechniken nicht auf der Strecke bleiben, was momentan leider in manchen Fällen geschieht. Dies aber nur am Rande.
Meine Kindheit
So wuchs ich also mit meinen Eltern und fünf Geschwistern in einer Sozialwohnung relativ ärmlich auf. Unsere Kinderzimmer waren so klein, dass lediglich zwei Stockbetten und der Kleiderschrank darin Platz fanden. Später, als meine Geschwister schon ausgezogen waren, hatte ich eines dieser kleinen Zimmer dann für mich alleine. Als dann z. B. eine Musikanlage und der Computer dort Einzug hielten, war das zimmer eng voll. Es verblüfft mich noch immer, wie viel Platz ich heute benötige und habe, und wie wenig davon wir als Kinder hatten. Es versteht sich von selbst, dass wir daher die meiste Zeit draußen im Wald, in meiner Oma Garten oder uns sonst wo herum trieben. Telefon hatten wir natürlich keines. Als wir es bekamen, war ich schon fast erwachsen und mit der Hauptschule fertig. Ein Auto, mit dem wir hätten Ausflüge machen können, gab es auch erst, als ich längst schon erwachsen war.
Jeder weiß, dass es natürlich auch kein Internet gab. Das war ja erst langsam vernünftig ab Mitte der neunziger zu benutzen.
Mit all diesen Umständen hatte ich noch Glück, denn ich war in verschiedenen Blindenschulen immer unter der Woche im Internat. Dort war alles modern. Ich hatte mein eigenes Bett, einen Schrank, ein kleines Schließfach und sogar ein eigenes Waschbecken.
Ich erinnerte mich noch ganz genau, dass ich nach dem Feuer und dem Ofen suchte, denn es kamm immer warmes Wasser aus der Leitung. Das war für mich ohne Ofen nicht vorstellbar.
Es gab dort viel Platz, viel Spielzeug und viele Möglichkeiten zu musizieren oder Sport zu treiben.
Es gab in diesem Internat auch eine Krankenstation. Ich erinnere mich auch daran, dass unsere Wohngruppe mal wegen Scharlach oder Masern unter Quarantäne gesetzt wurde. Die schützende Impfung dagegen gab es noch nicht.
Da unsere Gruppe nur aus Erst- und Zweitklässlern bestand, kam die Lehrerin dann halt in die Wohngruppe, um das wichtigste zu unterrichten. OK, wir durften nicht raus, bzw. nur dann, wenn niemand anderes auf dem Spielplatz war. Aber alles in allem war das alles noch zu ertragen, denn wir Kumpels waren ja unter uns und hatten uns. Dass wir an den Wochenenden in der Quarantäne nicht heim durften, war für manche schlimm, aber für mich eher nicht. Wir, die von weiter her kamen, durften sowieso nur alle vierzehn Tage heim und von Heimweh wurde ich glücklicherweise nie sonderlich geplagt.
So war ich also nur an jedem zweiten Wochenende und in den Ferien daheim, was natürlich den Nachteil hatte, dass ich die Kinder im Dorf überhaupt nicht kannte und mich später dann mehr und mehr von unserer Familie entfremdete, weil ich eben eine ganz andere Entwicklung nehmen durfte.
Was wäre gewesen, wenn…
So, und nun stellt euch vor, in diese Zeit wäre eine Pandemie gefallen.
Mein geliebtes Internat wäre sofort geschlossen worden und ich hätte nach hause müssen.
Ohne Telefon, Computer, Hilfsmittel und Internet wäre an Unterricht absolut nicht zu denken gewesen. Ich hatte damals nicht mal eine eigene Punktschrift-Schreibmaschine. Punktschriftbücher sind groß und sperrig. Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Schule die Versorgung auf dem Postweg hätte sicher stellen können.
Meine Eltern hatten keine Zeit, uns zu unterrichten. Wenn es in der Schule nicht lief, dann setzte es etwas, aber ansonsten… Naja, das waren noch andere Zeiten.
Abgeschnitten von allen Freunden säße ich daheim herum.
Meine Geschwister hätten natürlich auch keine Schule. Ich weiß nicht, wie sie mit Material versorgt worden wären. Damals war es ja sogar noch schwierig, Kopien anzufertigen. Wir lernten noch mit Kohlepapier in der Schreibmaschine zu schreiben oder schrieben manchmal in diesem Matrizen-Format für die spätere manuelle Vervielfältigung.
Die einzigen Tische, auf welchen Hausaufgaben oft unter Mamas Fuchtel gemacht wurden, standen im Wohnzimmer und in der Küche. Das wäre für uns sechse deutlich zu eng geworden.
Mein großer Bruder und meine große Schwester hatten einen kleinen weiteren Tisch in ihrem Zimmer, aber diesen Krieg hätten wir kleinen niemals gewonnen, dieses Zimmer nur ohne Erlaubnis betreten zu dürfen.
Wie gesagt. Telefon und Internet gab es nicht. Und für stundenlange Gespräche von der Telefonzelle aus, hätten uns unsere Eltern das Geld niemals gegeben, weil sie es einfach auch nicht hatten.
Im ersten Lockdown durfte man ja nicht mal raus. Meine Mutter wäre mit uns in der Wohnung durchgedreht. Sie wurde schon leidlich, wenn es mehrere Tage regnete, und wir nicht raus konnten. Einen eigenen Garten hatten wir nicht, und in die meiner Großeltern oder meines Onkels durfte man ja nicht.
OK, mein Vater wäre vielleicht auch daheim. Er war bei Konflikten oft etwas der ausgleichende Pol, aber das hätte er auch nicht ausgehalten. Da bin ich mir sicher.
Unsere Familie war auch ohne Pandemie nicht sehr stabil. Es gab recht viel Gewalt und Geschrei. Es wäre alles, aber auch wirklich alles eskaliert bei uns.
Und jetzt?
Aber nun bin ich schon älter und die Pandemie kam.
Gäbe es die heutige Technologie nicht, dann wäre ich, weil ich quasi alleine lebe, hilflos. Es könnte sogar sein, dass ich mich vorübergehend in ein Heim begeben müsste, damit ich wenigstens grundversorgt wäre. Auf jeden Fall hätte ich Hilfe und Unterstützung benötigt.
Natürlich ist vieles schlimm. Natürlich fühle ich mich oft einsam. Natürlich habe ich mit dem Abstandhalten etc. Probleme. Natürlich sitze ich oft auch im Hamsterrad und fühle mich wie der Panther in Rainer-Maria Rilkes Gedicht, das ihr hier anhören könnt. außerdem schrieb ich über all diese negativen Dinge ausführlich in meinem C-Report, um das C-Wort zu vermeiden…
Aber Dank heutiger Technologie und Internet sieht die Situation doch etwas positiver aus:
Ich kann arbeiten.
Ich kann mich bilden,
ich kann mich online mit Lebensmitteln versorgen.
ich kann mich mit Menschen online treffen, wenn ich einsam bin.
Ich gehöre zu der Gruppe von Arbeitnehmern, die sich all dieses auch noch finanziell leisten kann.
Ihr seht es ja selbst, wie der Blog richtig fett geworden ist.
Ich durfte so vieles auch lernen.
Für all das bin ich unendlich dankbar. Es hilft mir, die dunklen Zeiten besser zu überstehen, wenn ich mir derlei immer mal wieder vergegenwärtige. Ihr könnt das ja auch mal für eure Situation versuchen. Es ist sehr erfüllend, entspannend und tut einfach nur gut.
Denkt auch an die Dinge, die momentan wieder möglich sind. Denkt auch daran, dass die Tage schon wieder länger werden. Wir dürfen auf den Frühling hoffen. Der kommt ganz bestimmt.
Schnüffelnasen aufgepasst, heute geht es mal darum, wie es im Weltall riechen könnte.
Die anderen Sinne
Unser Sehsinn, sofern vorhanden, wird durch einen klaren Sternenhimmel befriedigt. Teleskope können hier dann noch mehr bieten.
Den Tastsinn bediene ich reichlich in meinen Vorträgen, sofern sie nicht online stattfinden MÜSSEN, durch meine zahlreichen Tastmodelle und Grafiken.
Den Hörsinn rege ich stets dadurch an, dass wir uns beispielsweise das Radioprogramm von Sternen, Pulsaren, Planeten, Kometen, verschmelzenden schwarzen Löchern und kollidierenden Neutronensternen anhören. In der Kathegorie Mit dem Ohr am Teleskop gibt es reichlich Hörbeispiele dazu.
Den Geschmacksinn können wir nicht bedienen, denn es ist viel zu wenig Mondstaub oder sonstiges Material aus dem All bisher mitgebracht worden, als dass wir uns ein Pröbchen davon z. B. als Gewürz im Supermarkt kaufen könnten. Allerdings bin ich schon mit einem Kuchen in Form der Himmelsscheibe von Nebra beglückt worden, sowie auf meinem Vortrag, den ich für die Caritas 2017 hielt. Dort gab es Kometenküchlein, Planeten-Frikadellen, Zimtsterne und noch so einiges astro-kulinarisches mehr, was sich die Küche der Lebenshilfe mit ihren eifrigen schwerbehinderten Mitarbeitenden so für mich ausdachte.
Die Autorin Dava Sobel erzählt uns in ihrem Buch „Die Planeten“ davon, dass ihre Freundin, die in einen Forscher verliebt war, der in einem Labor arbeitete, in welchem Mondstaub erforscht wurde , seine Angebetete mit einer winzigen Menge von Mondstaub beglückte, den diese Dame in innigster Liebe zu ihm verspeist haben soll. Der dürfte etwas sandig geschmeckt haben, obwohl die Probe so klein war, dass es fraglich ist, ob überhaupt etwas davon geschmeckt werden konnte. Schade um das Geschenk, denn die Dame hat es leider wieder ausgeschieden, somit ist dieses Pröbchen der Menschheit für immer verloren.
Außerdem ist diese Dame offenbar nicht mehr mit diesem Forscher zusammen.
Nun denn. Bleibt also noch die Nase als Sinnesorgan übrig.
Weltall für die Nase
Zunächst einmal riecht es im Weltall überhaupt nicht, da es dort keine Luft gibt, die einen Geruchsstoff transportieren könnte. Außerdem ist das Vakuum im All so stark, dass viel zu wenige Teilchen aus dem All in unsere Nase kämen, um einen Geruch zu erzeugen, könnten wir dort auch nur einen Atemzug tun.
Gerüche werden hier auf der Erde durch die Luft transportiert. Pflanzen, Tiere, Müll, Meer, wenn man kocht, alles riecht und wird von uns als gut oder übel empfunden. Wissenschaftlich ist belegt, dass Gerüche in uns sehr starke Erinnerungen auslösen können.
Entfernen wir uns also von der Erde, um die Gerüche des Alls zu empfangen.
Steigen wir durch unsere Atmosphäre auf, dann werden wir erst mal immer weniger Gerüche wahrnehmen, weil unsere irdischen Düfte nicht so hoch gelangen. Es riecht also nach nichts, nach Luft.
Spätestens in der Ozonhülle unserer Atmosphäre würden wir einen leicht süßlichen Geruch wahrnehmen, wenn wir dort noch atmen könnten. Ozon können wir manchmal im Sommer riechen, wenn es sich in Bodennähe durch zu viel Feinstaub und dessen Interaktion mit dem Sonnenlicht und dem Sauerstoff bildet. In manchen Schwimmbädern wird das Wasser neben Chlor auch mit Ozon rein gehalten, weil Ozon eine sehr radikale chemische Verbindung aus drei Sauerstoffatomen ist. Wenn man mit einer Folie sich über die Haare streicht, so dass kleine Funken entstehen und die Haare dann zu Berge stehen, dann kann man manchmal auch einen süßlichen Duft wahrnehmen. Das ist Ozon, was sich dadurch bildet, dass sich Folie und Haare gegeneinander statisch aufladen. In diesem Ladungspotential verliert der Sauerstoff vorübergehend Elektronen und bildet die riechenden Moleküle des Ozon.
Übrigens riecht Sauerstoff oder Luft sicher auch irgendwie, aber das nehmen wir nicht wahr, weil dieser Duft stetig um uns weht. Die Erddrehung nehmen wir auch nicht wahr, weil sie immer da ist und sich nicht verändert.
Die ersten Düfte aus dem All brachten wohl die Astronauten der Apollo-Missionen mit. In zahlreichen Berichten kann man von einem Duft lesen, der sich nach der Rückkehr der beiden Astronauten in der Kapsel verbreitet hat, der ungefähr an Schießpulver erinnert.
Die Astronauten waren über und über mit Mondstaub bedeckt, der sich sehr hartnäckig an ihre Raumanzüge heftete. Es ist nicht nur so etwas, wie Sand am Strand. Der Mondstaub ist teilweise noch viel feiner, vielleicht wie Mehl, Puderzucker oder noch feiner. Dieser Staub ist nun stetig dem Sonnenwind ausgesetzt, der aus geladenen Teilchen und sonstiger Strahlung besteht. Das verändert diese Staubteilchen chemisch. Sie laden sich beispielsweise auf, was auch mit ein Grund ist, weshalb sie sich so willig an die Anzüge der Mondfahrer klebten. Als die Astronauten nun völlig „verdreckt“, meine Mutter hätte mit mir ihre Freude gehabt, in die saubere und klinisch reine mit Sauerstoff gefüllte Kapsel zurück kamen, begann der Mondstaub chemisch mit dem Sauerstoff zu reagieren und erzeugte wohl diesen brandigen Schießpulvrigen Duft. Ich stelle ihn mir so ähnlich vor, wie es bei der Knallerei zu Silvester riecht. Ein Brand ohne Flamme also. Gut möglich, dass dieser sich auch in den Laboren ausgebreitet hat, als man die Mitbringsel vom Mond auspackte und untersuchte.
In jeder Fragestunde, die Kinder mit Alexander Gerst, Matthias Maurer oder anderen Astronauten und Kosmonauten in der Raumstation führen durften, wird die Frage nach dem Geruch in der Raumstation gestellt. Dass diese Frage immer wieder kommt beweist, wie wichtig Düfte für uns sind. Wie geschmacklos scheint uns unsere Nahrung, wenn wir erkältet sind, wenn also unsere Nase nicht mit genießen kann.
Die Bandbreite der Beschreibungen des typischen Weltraumgeruchs reicht von heissem Metall und Ozon über Schmelz- und Schweissbrennergeruch bis zu Grillgeruch und versengtem Steakfleisch.
Peggy Whitson, die sich auf der Internationalen Raumstation ISS aufgehalten hat, beschreibt es so:«Es ist ein Geruch, wie man ihn riecht, kurz nachdem eine Pistole abgefeuert wurde.» Neben der rauchig-verbrannten Note wurden aber auch fast bittere Nuancen wahrgenommen und sogar Anflüge von Himbeere und Rum.
Der Astronaut Scott Kelly, der rund ein Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS verbrachte, bemerkte den Geruch erst, als er die Luke einer Versorgungskapsel öffnete, die zuvor in Kontakt mit dem Weltall gewesen war. Ihn erinnerte der Weltraumgeruch an Wunderkerzen.
Alexander Gerst, der deutsche Astronaut, Geophysiker und Vulkanologe, sagte:
Für mich riecht der Weltraum nach einer Mischung aus Walnuss und den Bremsbelägen meines Motorrads.
Sein US-Kollege Reid Wisemann fühlte sich an den Geruch eines Stapels nasser Wäsche erinnert – und Gerst räumte ein:
Da hat er nicht ganz unrecht.
Wenn eine Raumkapsel an der ISS ankoppelt, dann entsteht so viel Hitze, dass ein metallisch brandiger Geruch entsteht. Außerdem dürften die Dichtungen den Duft erzeugen, den Gerst als Bremsbelege interpretiert.
Nach jedem Außeneinsatz nehmen die drin gebliebenen einen Geruch der Rückkehrer wahr. Draußen, dem Sonnenwind ausgesetzt ionisiert vermutlich etwas die Oberfläche der Raumanzüge. Ich könnte mir vorstellen, dass dann drinnen ein etwas ozoniger Geruch entsteht, weil die Ionen auf den Raumanzügen mit der Luft reagieren.
Die Raumstation selbst hat natürlich bei all der Technik dort drinnen auch ihren Eigengeruch. Und ja, wen wundert es, dass der Geruch auch mit feuchter Wäsche in Verbindung gebracht wurde. OK, die treiben dort oben schon auch Körperhygiene und wechseln ihre Wäsche, aber das alles deutlich seltener als wir es hier tun. Das mit dem Duschen wird wohl auch eher funktional geschehen und vermutlich ohne unsere ganzen Deos und sonstigen Düfte.
Ein Chemiker in England hat mal die Chemikalien gemischt, die man auf dem Komet Juri (67P) mit der Raumsonde Rosetta und dem Lander Philae
und vorher mit der Sonde Giotto auf dem Halleyschen Kometen entdeckt hatte. Er präparierte Ansichtskarten damit. Man konnte sich also nach Komet stinkende Karten besorgen.
Sie stinken wirklich,
erzählt Frau Professor kathrin alt-weg in Folge 79 des Podcasts @Raumzeit. Sie musste einen geschenkten Karton dieser stinkenden Karten aus ihrem Büro verbannen. denn z. B. Schwefelwasserstoff riecht nach faulen Eiern, und der wurde auf den Kometen unter vielen anderen übelriechenden Stoffen entdeckt.
Das Parfum
Und jetzt kommt zum Schluss noch ein Highlight.
Also früher war ich manchmal etwas mittelalterlich unterwegs. Ich besuchte Mittelaltermärkte, hörte derartige Musik, hatte ein Gewand und weil wir manchmal auch etwas düster unterwegs waren, benutzten wir zu solchen Veranstaltungen häufig ein Parfum, das moderig roch. Was liegt da näher, als dass man auch mal versucht, ein Parfum zu kreieren, das nach den Beschreibungen der Astronauten nach Weltall riecht, und das gibt es tatsächlich.
Vor einigen Jahren kreierte die Weltraumorganisation Nasa gemeinsam mit dem Parfümeur Steve Pearce ein Parfum mit dem spezifischen Weltraumgeruch. Die ursprüngliche Idee war es, mit dem Weltraumparfum Astronaut:innen besser auf ihren Aufenthalt im All vorzubereiten. Seit vergangenem Jahr ist das Eau de Space als Unisexparfum im Handel erhältlich. Das Parfum mit synthetisch-rauchiger Note vermittelt zumindest eine Ahnung davon, wie der Himmel riecht.
Also ich werde es mir auf jeden Fall mal besorgen, obwohl es vermutlich unverschämt teuer sein wird. Ich habe da mal was von 650 Dollar gelesen.
Vielleicht spendiert es mir ja mal eine unserer Leser*innen…