Liebe Leserinnen und Leser,
Heute geht es um Sternschnuppen im Sommer, um die Perseiden. Es geht auch darum, wie man sie sehen, aber auch hören kann.
„Wie bitte, hören?“ Ja, genau, hören.
Die Perseiden oder auch Laurentiustränen, Tränen des Laurentius genannt, sind ein jährlich im Sommer wiederkehrender Meteorstrom, der in den Tagen um den 12. August ein deutliches Maximum an Sternschnuppen aufweist. Der scheinbare Ursprung dieses Stroms, liegt im namensgebenden Sternbild Perseus.
Das Sternbild soll die Gestalt des griechischen Helden Perseus darstellen, der die tödliche Medusa besiegte. Der Stern Algol repräsentiert das abgeschlagene Medusenhaupt, das er in der Hand hält.
Perseus gehört zu den 48 klassischen Sternbildern, die von Ptolemäus beschrieben wurden.
Bereits im Mittelalter hatten arabische Astronomen die eigenartige Verdunklung des Sterns Algol beobachtet. Der Name leitet sich aus dem arabischen Ras al Ghul ab und bedeutet Haupt des Dämonen.
In meinem Buch im Kapitel „Wissenschaftler mit vier Sinnen“ berichte ich über den gehörlosen Astronomen John Goodricke, der sich mit Sternen beschäftigte, die ihre Helligkeit ändern.
Zurück zu den Perseiden:
Vom 17.Juli bis zum 24. August kann vermehrt mit Sternschnuppen gerechnet werden.
Diesmal fällt das Maximum, die Nacht vom 12. auf den 13.08. auf kurz nach Neumond, denn amm 11.08. findet, leider nicht bei uns, eine partielle Sonnenfinsternis statt, die es nur bei Neumond geben kann.
Für Sternschnuppenjäger bedeutet das, dass der Himmel nicht störend vom Mond aufgehellt wird. Somit steigen die Chancen, Sternschnuppen zu entdecken.
Am besten beobachtet man die Sternschnuppen an einem möglichst dunklen Ort auf dem Land, wo kein Stadtlicht stört. Man legt sich am besten auf eine Wiese auf den Rücken und wendet nach Mitternacht den Blick gen Osten, also in Richtung Erddrehung. Man dreht sich dann quasi mit der Erde in den Meteorschauer hinein.
Am besten sichtbar sind die Perseiden auf der Nordhalbkugel.
Hörbar sind die Perseiden zumindest für Amateurfunker, die einen Empfänger und eine passende Antenne besitzen, auch.
Diese Disziplin des Amateurfunks nennt man Meteor Scatter.
Das ist dann auch wieder mal was für „Das Ohr am Teleskop“.
Wer einen passenden Empfänger und eine Antenne besitzt, kann das Französische Radar-Signal des Weltraumradars GRAVES benutzen. Dieses französische Radarsystem sendet auf 143,050 MHz einen Dauerträger, Dauerton, der über Phasenarray-Antennen den Himmel “abtastet”. Meteoriten, aber auch andere Objekte (Flugzeuge, Satelliten, die ISS, der Mond) reflektieren das Signal und streuen es in alle Richtungen, und diese Reflexionen können dann in Europa gut empfangen werden. Anhand der Doppler-Abweichung erkennt man dann, welches Objekt das Funksignal reflektiert hat: der Mond oder Flugzeuge bewirken eine sich nur langsam ändernde Dopplerabweichung, bei Objekten in Erdumlaufbahn ändert sich die Abweichung schnell, und bei Meteoriten extrem schnell.
Als Einstieg in den Empfang von Signalen des GRAVES Radars empfiehlt es sich, den Aufsatz von Rob Hardenberg, mit Rufzeichen PE1ITR, zu lesen.
Dank @dbsv-jugendclub gibt es hier einen Link, wie sich das anhört. „Sternschnuppen hören“
Was sind nun die Perseiden?
Die Perseiden bestehen aus dem, was der Komet 109P/Swift-Tuttle. bei seinen letzten Besuchen durch erwärmung, schmelzen etc. verloren hat.
Er erscheint ungefähr alle 130 Jahre und entfernt sich dann stets etwas schlanker, als er vorher war. Das nächste Mal wird er um das Jahr 2126 erwartet. Ganz genau kann man das bei Kometen nie sagen, weil ihre Bahn von den Planeten gestört werden können, bzw. sie selbst ihre Bahn ändern, wenn sie aktiv sind. Dann wirkt sich die Aktivität wie kleine Schubdüsen aus.
Die Erde kreuzt auf ihrer Bahn immer um den 12. August die Staubspur, die dieser Komet im All hinterlässt, wenn er vorbei kommt. Die Staubteilchen treffen dabei mit hoher Geschwindigkeit auf die Atmosphäre und bringen die Luftmoleküle zum Leuchten. Die Sternschnuppe ist daher nicht das verglühende Staubkorn selbst, sondern wird durch das Rekombinationsleuchten der ionisierten Luft sichtbar.
Momentan werden die zu erwarteten Sternschnuppen jedes Jahr immer weniger, weil zum einen schon viel in der Erdatmosphäre verglühte und zum anderen sich der Kometenstaub, immer mehr verteilt und somit ausdünnt.
Es wird Zeit, dass er mal wieder vorbei kommt, und seine Bahn für uns mit neuem „Sternenstaub“ auffüllt.
Eines Tages wird der Komet vollständig aufgelöst sein.
Dann wird es die Perseiden nicht mehr geben, weil kein Nachschub an Staub mehr kommt.
Die erste überlieferte Beobachtung der Perseiden fand vor etwa zwei Jahrtausenden in China statt. Danach gibt es Berichte aus Japan und Korea. In Europa stammt die erste bekannte Beobachtung aus dem Jahr 811.
Da das Erscheinen der Perseiden mit dem Fest des Märtyrers Laurentius am 10. August zusammenfällt, der im Jahre 258 das Martyrium auf einem glühenden Rost erlitt, werden sie im Volksmund auch Laurentiustränen oder Tränen des Laurentius genannt. Kurz vor seinem Tod soll Laurentius der Legende nach seinem Widersacher, dem römischen Kaiser Valerian, die folgenden Worte gesagt haben: „Du armer Mensch, mir ist dieses Feuer eine Kühle, dir aber bringt es ewige Pein.“
Hach, wie ist das einfach nett, wenn man in der Astronomie so schön vom Höckchen auf’s Stöckchen kommt.
Jetzt wünsche ich ihnen und euch viele schöne klare Sommernächte mit vielen Sternschnuppen und Wünschen, die dann in Erfüllung gehen.
heute geht es mal in Blindnerd nicht um Astronomie.
Ein wunderbares Ereignis, siehe später, trieb mich dazu, heute mal die Astronomie links liegen zu lassen und hierüber zu schreiben:
Es geht um eine Quelle des Wissens, aus der ich vermutlich mehr schöpfe, als aus Büchern und erst recht, aus Fernsehen. Zeitungen sind für mich sowieso schwer zugänglich.
Es geht um Podcasts. Podcasts sind themenbezogene Sendereihen, bei denen mehr oder weniger regelmäßig neue Folgen oder Episoden erscheinen. Diese Sendungen sind meist Audio, manchmal auch Video. Interessiert man sich für eine Sendereihe, so abonniert man sich den Podcast mit einem geeigneten Podcatcher. Ich nutze für mein Iphone zum mobilen Hören von Podcasts den Podcatcher von Apple, den es im Appstore kostenlos zum Download gibt. Für Windows ist
Es gibt auch einen Podcatcher „Accessible Podcatcher“,
der speziell für unsere Bedürfnisse entwickelt worden ist.
Itunes, Firefox, Edge, Internetexplorer sind Programme, mit denen das auch geht. Das mag ich aber persönlich dafür nicht, weil diese Programme mit allem möglichen anderen Kram überladen und dadurch schwerer und umständlicher zu bedienen sind, finde ich zumindest…
Wie bei einem Newsletter, wird man dann, wenn man den sog. Podcast-Feed abonniert hat, stets informiert, wenn zu einem abonnierten Podcast eine neue Sendung veröffentlicht wurde. Die Feeds findet man auf den jeweiligen Internetseiten der Podcasts, denn jeder Podcast hat eine Seite.
Podcasts werden meist von Shownotes begleitet. Wie das Wort Notes schon sagt, handelt es sich hier um Notizen, die teilweise erst während der Show, aufgrund deren Verlaufes, entstehen. Meist enthalten die Shownotes auch noch Links, die die Inhalte der Folge vertiefen.
Die Shownotes parallel zum Podcast ansehen, geht für uns eher schwierig, weil wir dann den Podcast und die Sprachausgabe hören. Das muss auch gar nicht sein. Ich denke mal, dass weit über 90 % aller Podcasts mobil angehört werden. Die Shownotes sind für danach gedacht.
Und das führt uns zu einem ganz wesentlichen Vorteil von Podcasts gegenüber Fernsehsendungen. Podcast sind grundsätzlich so gestaltet, sofern keine Video-Podcasts, dass sie ohne Bilder auskommen müssen. Insbesondere bei technischen oder Wissenschaftspodcasts bedeutet das, dass alle Details so erklärt werden müssen, dass die Zuhörer sich etwas darunter vorstellen können. Für blinde Menschen ist das natürlich super, denn in vielen anderen wissenschaftlichen Sendungen oder Publikationen, werden die Inhalte visuell so angereichert, dass gesprochene Erklärungen oft sichtbaren Animationen weichen.
Alleine schon von der Themenvielfalt her, übertreffen Podcasts mengenmäßig alles, was uns blinden an Wissen und Bildung in Punktschrift, Hörbuch oder elektronisch zur Verfügung steht. Da es mittlerweile auch viele Radiosendungen zu unterschiedlichen Themen als Podcast zum Herunterladen gibt, kann man die Sendungen dann hören, wenn man Zeit dazu hat. Man muss nichts mehr verpassen, oder Geräte für die Aufnahme programmieren.
Gegenüber Radiosendungen haben Audiopodcasts noch weitere Vorteile. Es sind keine Radiosendungen, die in einem gesteckten Rahmen zwischen Musik, Werbeblöcken und Nachrichten, z. B. einen Interviewpartner zielgerichtet und knapp interviewen. Sie müssen auch nicht die große Masse erreichen, somit ist irgendwie alles erlaubt, was Zuhörer findet.
Podcasts sind keine Interviews. Sie sind eher Gespräche über Themen. Die können auch mal etwas abschweifen, der Gast im Podcast kann unerwartete Dinge zum Podcastleiter sagen und vieles mehr.
Ich denke, ich erkläre jetzt mal an einigen Beispielen, weshalb Podcasts für mich der Brunnen zu Wissen und Bildung schlecht hin geworden sind.
Zu Podcasts kam ich vor mindestens zehn Jahren, eher mehr durch ein Projekt, das sich Klango nannte. Klango sollte ein soziales Netzwerk für blinde Menschen werden. Neben Chatten, Posten und Mail, war die Software ein guter Podcatcher. Mit Podcasts über Hilfsmittel bin ich schließlich eingestiegen. Da gibt es blinde Menschen, die life am Rechner eine gute Homebanking-Software vorstellen. Die Zuhörer hören seine erklärende Stimme und hören auch die Sprachausgabe seines Computers. So kann man alle Schritte der Bedienung lernen, am eigenen Rechner nachvollziehen. Das ist somit eine hervorragende Art online Lernangebote anzubieten.
Viele Apps auf meinem Smartphone habe ich über Podcasts kennen und bedienen gelernt, weil blinde Menschen das aufgenommen und veröffentlicht haben.
Nach und nach, fing ich auch an, immer mehr Radiosendungen und wissenschaftliche Podcasts zu hören.
Mein erster Podcast zu Astronomie und Weltraum ist wirklich ein Juwel. Ich giere jeder neuen Folge entgegen. Es ist der Podcast @Raumzeit von Tim Pritlove.
Tim Pritlove besucht häufig Gesprechspartner, die im Umfeld von Astronomie und Raumfahrt tätig sind. Es ist so unglaublich interessant, die Experten selbst zu hören. In einer seiner ersten Folgen war der erste DDR-Kosmonaut, Sigmund Jähn, Gast bei Tim. Ich finde, das ist viel besser, als lesen. Ich hörte die Stimme eines Astronauten und vernahm, was er erlebte aus seinem eigenen Mund und nicht aus einem Buch, dass entweder er oder jemand anderes über ihn geschrieben hat.
Nichts gegen Bücher. Ich lese und höre sehr viele. Aber für Hörmenschen, wie mich, ist Originalton eine wunderbare Sache, weil Fotos halt nun mal weg fallen.
In Folge 30 hatte er einen Experten zur vergangenen Cassini-Huygens-Mission geladen. Das Highlight in dieser Folge war das Geräusch, als die Sonde Huygens durch die dicke Atmosphäre des Mondes Titan, abstieg. Sie hatte ein Mikrofon dabei, weil man sich erhoffte, Gewittertätigkeit zu hören. Dieses vernahm man nicht, aber den Fahrtwind der durch den Fall der Sonde, entstand.
Ich schrieb ausführlich darüber in „Blind zu den Sternen“, meinem Buch.
Über viele Sonden und Weltraummissionen hätte ich vermutlich ohne diesen Podcast nie etwas erfahren. Sicher fließt in meine Artikel sehr viel Wissen ein, das ich mir aus Podcasts einverleibte und nicht mehr weiß, woher ich es weiß.
Ein weiteres Highlight und Muss für alle, die nur im Ansatz etwas technikbegeistert und nerdig sind, ist der @omegataupodcast
Die beiden Macher dieses Podcasts reisen quasi um die ganze Erde, um Spezialisten zu allen möglichen Themen zu finden. Da geht es mal um den A380, um ein großes Schiff, um österreichische Seilbahnen und Wasserkraftwerke, aber dann geht es auch um Wirtschaft, Technikfolgeabschätzung oder biologische Themen.
Ob Deutsche oder Englische Folge; ganz egal. die beiden, die den Podcast machen, verstehen es, jedes Detail aus dem Gegenstand herauszukitzeln. Da wird jedes Hebelchen und Knöpfchen am Cokpit des Flugzeuges erklärt. Da erfährt man alles über die Funktionsweise. Da hört man im Hintergrund, wie es in einem Stahlwerk klingt und ist ganz nah mit dabei. In folge 1 dieses Podcasts wird ein kompletter Segelflug, den der Macher, Markus selbst fliegt, komplett vom Start bis zur Landung mit Motorgeräusch, Wind, Funkverkehr, Wario und seinen Erklärungen, aufgezeichnet. Da ich selbst gerne segelfliege, natürlich nur mit sehendem Piloten, spürte ich mit der Zeit beim hören den Segelflieger in meinem Körper. Ich saß auf meinem Gitarrenstuhl, hatte quasi den Knüppel in Händen. Irgendwann stellte ich mir dann noch zwei Pedale von Gitarren-Effektgeräten vor meine Füße. Dann war das Erlebnis perfekt.
Gerade in technischen Dingen habe ich unheimlich viel von diesem Podcast mir vorzustellen gelernt. Ich kann wirklich inhaltlich mitreden, wenn es jetzt um Windräder geht, weiß anschaulich, wie Segelflugzeuge aufgebaut sind, habe verstanden, dass Stahlblechband schneller aus der Walze kommt, wie es hinein geht, weil es zwischen den Walzen zwar dünner, aber auch länger wird. So könnte ich Beispiel um Beispiel anfügen, was ich durch diesen Podcast lernen durfte. Das ist ganz besonders für uns blinde Menschen so wichtig, dass wir gute Erklärungen bekommen, was in diesem Podcast immer gegeben ist.
Ein von der Machart her ganz anderer Podcast ist der @minkorrekt (Methodisch Inkorrekt). http://minkorrekt.de/.
Er wird von immer denselben beiden Physikern gehalten. Hier wird in der Regel kein Gast eingeladen.
Dieser Podcast besteht aus mehreren Elementen. Im Kern dieses Podcasts versucht jeder der beiden Macher jeweils zwei wissenschafftliche Paper (Veröffentlichungen) so zu erklären, dass die Menschheit sie versteht. Über Sinn und Unsinn verschiedener Themen und Ergebnisse wird dann auch gesprochen, gescherzt und gelacht. Dieser Kern wird umrahmt von einem physikalischen Experiment der Woche, das man in der Regel im Haushalt nachmachen kann, ein Bier der Woche wird getrunken, dann Nerd-Musik und ein China-Gadget vorgestellt. dann wird viel über den wissenschaftlichen Alltag berichtet. Dieser Podcast ist sehr humoristisch. Die beiden lachen viel und sind unheimlich ansteckend. Und trotzdem lernt und erfährt man hammer viel, ohne, dass man etwas davon merkt.
Hier ist halt die Stärke, dass der eine dem anderen alles erklären muss und dadurch versteht auch die Welt draußen ohne Bild, was gemeint ist. Wie praktisch für uns Blinde.
In einem anderen Podcast, den ich höre @zeitsprung, erzählen sich jede Woche zwei Historiker spannende Geschichten aus der Geschichte.
Hier lerne ich Geschichte, wo die Zusammenhänge und weniger die Jahreszahlen wichtig sind.
„Astrodicticum Simplex“ ist der Podcast des Astronoms, Buchautors und Science Busters, Florian Freistetter. Er erzählt uns wöchentlich eine etwa zehnminütige Geschichte, wie ein Teil des Universums funktioniert.
Und langsam steuern wir auf den Auslöser dieses Artikels über Podcasts zu.
Momentan ist ein aktuelles Highlight, der Shooting Star am astronomischen Podcasthimmel sicher @aufdistanz. @sustickle hat es mit Hilfe eines Croud-Fundings geschafft, den Start von Alexander Gerst am 06.06.2018 life in Baikonur mit zu erleben. Er war mit Kollegen mit einem Reiseveranstalter sechs Tage dort und podcastete jeden Abend über seine Erlebnisse. Er nahm sogar mit einem Mikrofon das Geräusch auf, als die Rakete startete. Das machte extrem Gänsehaut.Hier kommt eine weitere Stärke von Podcasts ins Spiel, die es in diesem Umfang in vorproduzierten Radiosendungen selten gibt. Man hört Emotionen und Zwischentöne und fehlende Worte. Die Rührung mit der hier erzählt wird, wie @Astroalex von einer Frau Abschied nimmt, indem sie ihre Hand von außen an die Scheibe des Busses legt in dem er sitzt und er legt seine raumanzugbehandschuhte Hand von innen dagegen, ist so spürbar, dass man auch etwas Pippi in die Augen bekommt.
Als in der vorletzten Folge des Unterpodcasts von @aufdistanz, @aufdistanzgoesbaikonur, dann die drei Abschied voneinander nehmen müssen, bleiben die Tränen nicht aus. Wenn man sich nach so einem starken Erlebnis voneinander trennen muss, dann überwältigen einem die Gefühle.
Aber das ist es nicht alleine.
Durch diese täglichen Reisepodcasts hat @susticle und seine zwei Mitpodcaster mir als blinden Menschen so viel Astronomie und Weltall geschenkt, dass ich bis heute noch immer keine Worte dafür finde. Ob es der russische Pragmatismus, der Dualismus, dass eine Hightech-Rakete in einem Gebäude mit halb eingestürztem Dach aufbewahrt wird, ob die Aufrichtungder Rakete, der Start und alles andere wird einfach so frei erzählt, als säßen die drei in meinem Wohnzimmer. Mir gefällt dann auch immer, wenn mal etwas im Podcast unklar ist. Es gab Diskusion darüber, wie denn die Rakete mittels eines dicken Stempels genau, aufgerichtet wurde. Alle, auch ich, fragten uns, wo denn diese Vorrichtung denn plötzlich her gekommen sein könnte.
Ich vermutete für mich, dass diese Hebevorrichtung Teil des Zugvagons ist, auf dem die Rakete lag. Die drei kamen, was mich sehr freute, zur gleichen Vermutung. OK, wir wissen es noch immer nicht genau, aber das ist eben auch Podcast. Mitdenken, miträtseln, knobeln und Anteilnehmen.
In all dem, was die hier an Erlebnissen mit uns geteilt haben, ist so viel drin, das… wie schon gesagt, die Worte fehlen.
Ich höre noch zahlreiche andere Podcasts zu Astronomie, Wissenschaft und Technik, aber auch zu Politik und anderen Sozialthemen. Ich kann hier jetzt nicht alle aufzählen. Mir ist wichtig, dass hier das Potential rüberkommt, das Podcasts insbesondere für Menschen mit „Print Disabillity“, eine Einschränkung im Umgang mit Druckmaterialien, bieten. Ganz absichtlich führe ich hier den Begriff der „Print Disabillity“ ein und schreibe nicht „Blinde“. Indem ich das tue, schließe ich auch noch andere Einschränkungen mit ein, z. B. Dyslexie und viele mehr.
Zum dritten Mal in diesem Artikel schreibe ich jetzt, dass ich aus Podcasts mittlerweile einen großen Anteil meines Astronomie-Wissens schöpfe.
Ich bin so dankbar, dass es Podcasts gibt. Ohne sie hätte ich zu so vielen Dingen keinen richtig guten Zugang.
Und was auch super spannend ist. Ich kenne mittlerweile manche der Podcaster persönlich. Es lohnt sich wirklich, mal zu einem Hörertreffen zu gehen, wenn grad mal der Lieblings-Podcaster in der Gegend ist.
Und das nur am Rande. Ich würde selbst auch gerne einen Podcast führen. Bisher suche ich noch nach einem geeigneten Format, das ich mit meiner eingeschränkten Mobilität selbstständig durchziehen kann. Ich kann nicht zu Gesprächspartnern dauernd in fremde Städte ohne Begleitperson fahren und nur Skype-Podcasten ist für mich keine Option und einen Podcast in welchem ich nur monologisiere, kommt nicht in Frage. Somit ist mein Blog quasi mein Kompromiss zu meinem Podcastwunsch. Nicht minder hängt mein Herz und meine Seele an diesem Blog.
Vielleicht ergibt sich ja mal was.
Ach ja, ganz zum Schluss noch eine kleine Kehrseite von Podcasts.
1) Sie machen süchtig.
2) Sie sind leider auch ein Zeitfresser, aber auch ein Wartehelfer.
3) Über Podcasts kommt man leicht in eine Filterblase. Das geht allerdings ohne auch.
So, das ist mal meine Geschichte, wie wichtig Podcasts für mich in meinem Leben geworden sind.
Immer und immer wieder postuliere ich, dass ich die Astronomie für eine der inklusivsten Disziplinen und Hobbys halte, weil es so viel Zugänge zu ihr gibt.
Mit „Das Ohr am Teleskop“ zeigte ich einen akustischen Teilaspekt.
Heute möchte ich ein Erlebnis mit euch teilen, das ich gestern im Rahmen einer Sportveranstaltung machen durfte.
In diesem Semester läuft für Studierende des Faches Sport ein Seminar „Kleine Spiele“. Hierfür müssen die Teilnehmenden entweder alleine oder zu zweit eine inklusive Sportstunde zu verschiedenen Themen ausarbeiten, durchführen und evaluieren.
Diese Stunden laufen unter dem Motto „Inklusiv mobil, bei Studium Sport und spiel“.
Gestern hielt ein Student eine Stunde über das Thema „Soziale Kompetenz verbessern, Teamwork“ ab.
Der hatte so eine unglaublich faszinierende Idee. Er hängte seine Stunde an der Geschichte auf, dass wir auf dem Mars hawariert wären. Es galt nun, eine Marslandschaft zu überqueren, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die nur gemeinsam lösbar waren.
Erschwert wurde das ganze noch dadurch, dass jeder unterschiedlich verletzt war. OK, ich bin sowieso blind. Anderen wurden die Ohren verstopft, dass sie quasi taub waren, wieder andere wurden so getapet, dass sie Arme, Beine oder beides nicht nutzen konnten.
Es gab auch stumme Astronauten.
Wir hatten auch eine echte Rollstuhlfahrerin dabei.
Mit all diesen Randbedingungen mussten wir nun als Team oder in kleineren Grüppchen zurecht kommen, die Marslandschaft durchqueren, Bodenproben nehmen und unser Mutterschiff wieder finden.
Die Landschaft bestand aus einem Parcours aus Sportgeräten und Stationen, der überwunden werden musste. Da bis auf zwei Teilnehmende alle entweder reell oder für das Spiel eine Behinderung hatten, ergaben sich ganz interessante Kommunikations-Probleme.
Da stand ich beispielsweise vor einer über zwei Böcke gelegten Weichbodenmatte. Ich fragte, was ich hier machen soll. Das Problem war, dass mein Partner nicht sprechen konnte. Er versuchte mich dann zu Boden zu drücken, um mir zu zeigen, dass es sich hier um einen Tunnel handelt, durch den man kriechen soll.
Jemand, dessen Füße und Hände beeinträchtigt waren, musste man z. B. hinter sich her ziehen.
Da wollten mich Sehende manchmal mit den Worten „Da“ und „dort“, natürlich von Handgesten begleitet, irgendwo hin dirigieren. Das geht natürlich nicht. „Da ist ein Platz frei.“ bekomme ich oft in der Bahn zu hören. Auf die Frage „Wo denn?“ heißt es oft „Ja, dort“, oder „ne, da nicht“, oder „da drüben“.
Dann kommt natürlich auch immer das Links-Rechts-Problem mit der Perspektive, oder einfach nur dem anderen Links ins Spiel.
Eine für mich auch sehr spannende Aufgabe war, ein Notsignal zu senden. Das lief so ab, dass jemand sehendes einen Zettel mit einem Wort erhielt. jetzt musste man das Wort so durch die Gruppe reichen, dass es von allen Teilnehmenden mit künstlicher oder echter sensorischer Behinderung aufgenommen und weitergegeben werden konnte.
Wir einigten uns darauf, es mit Schreiben auf den Rücken des Vordermannes zu versuchen.
klingt einfacher, als es ist. Die Schrift der Sehenden ist nicht die meine. Es ist nicht selbstverständlich, das vor allem geburtsblinde Menschen wie ich, die Druckschrift oder gar die Schreibschrift kennen. Da ich, obwohl ich medizinisch immer als blind galt, früher noch einen kleinen Sehrest hatte, kenne ich zumindest die Druckbuchstaben. Ich las früher sehr langsam mittels eines Kamera-Fernsehlesegerätes. Fernseh stimmt exakt, denn die alten Dinger wurden tatsächlich aus Fernsehern hergestellt. Meines hatte sogar noch sein Lautsprechergitter.
Trotzdem schlug ich intuitiv vor, dass man doch die Buchstaben den Zahlen zuordnen soll, die deren Position im Alphabet entsprechen.
A=1, E=5, R=18, etc.
Ich schlug eine einfache Klopfsprache vor. Wie gesagt, einigten wir uns schließlich auf große Druckbuchstaben. Als dann die Auflösung kam, merkte ich, dass ich das Wort meines Vorgängers das er auf meinen Rücken schrieb, richtig aufgenommen hatte und es offensichtlich auch so malen konnte, dass mein Nachfolger es verstand. Handschrift ist nun wirklich nicht meins. Meine Unterschrift sieht immer anders aus und nie gleich. Mich nervt immer extrem, wenn ich wo unterschreiben soll. Da muss man sich auf dem Blatt von jemandem unbekannten so führen lassen, dass der Stift an der richtigen Stelle beginnt. Manche dirigieren einem auch verbal über das Blatt. Einfach nervig, egal wie.
Aber, dass ich leserlich Druckschrift schreiben kann, hätte ich nicht gedacht.
Auch der Rollstuhl musste samt Fahrerin über manche Hindernisse getragen werden, oder die Rollstuhlfahrerin musste ihn verlassen, um krabbelnd unter einer Barriere hindurch zu kommen.
Mir machte die Ballanzierübung die meiste Mühe, weil ich als geburtsblinder Mensch das Gleichgewicht nicht so gut halten kann, als jemand, der sieht. Das können Sie leicht nachvollziehen. Versuchen Sie mal mit geschlossenen Augen auf ein Bein zu stehen. Das geht deutlich schwerer, als mit geöffneten Augen.
Bei einer Übung mussten wir immer enger zusammenrücken, weil die aus Matten bestehende Scholle, auf welcher wir offenbar Schutz gesucht hatten, Stück für Stück zusammenbrach, so dass immer weniger Platz für alle übrig blieb. Bei der Übung mit der brechenden Scholle fiel mir der Roman von Jules Vernes „Im Land der Pelze“ ein. Darin befindet sich eine Gruppe zum Zeitpunkt einer totalen Sonnenfinsternis auf dem arktischen Eis. Diese Finsternis sollte eigentlich total sein, wurde aber nur partiell wahrgenommen, weil die Eisscholle sich unbemerkt ihrer Bewohner vom Festland gelöst hatte und aus dem Streifen der Totalität in die südliche Beringsee getrieben war. Der Rest des Romans handelt dann davon, wie die Gruppe sich aus dieser Katastrophe zu befreien versucht.
Zum Schluss mussten wir dann noch Bodenproben transportieren, ohne unsere Hände zu benutzen, die sie verunreinigt hätten.
Ach ja, wer zu lange für eine Übung brauchte, wenn sich beispielsweise die Gruppe nicht organisieren konnte, dann gab es natürlich ein Sauerstoffproblem.
Hier nun zum Schluss noch einige zusammengefasste Punkte, die beim Feedback heraus kamen.
* Die Stunde hat das Ziel, miteinander umzugehen und sozial zu kommunizieren, voll erreicht.
* Der Umgang miteinander wurde als ein sich stetig entwickelnder Prozess wahrgenommen.
* Am Anfang war jeder mit sich, seinem körper und vor allem der künstlichen Einschränkung beschäftigt, dass manche sich zunächst noch nicht so sehr um andere kümmern konnten. Das verbesserte sich zunehmend im Spielverlauf.
* Diese Mars-Geschichte regte auch während der Übungen unheimlich die Phantasie an. Zumindest ich, stellte mir immer irgend etwas vor, ein Krater, eine Eisscholle, einen Sandsturm etc.
* Natürlich mussten meine Partner ertragen, dass ich ihnen dann und wann etwas über den Mars erzählte. Das war dann noch zusätzliche gehaltvolle Kommunikation.
* eine Sportstunde, die die Inklusion dermaßen erfahrbar macht, habe ich noch nie erlebt.
* Ich nehme die Idee unbedingt mit, wenn ich mit Kindern Astronomie-Workshops durchführe.
Wenn meine Sternenkinder Modelle betasten und Helium atmen, dann wieso nicht auch den Olympus Mons besteigen. Dieser Berg ist mit seinen ungefähr 27 km höhe, der höchste Berg des gesamten Sonnensystems.
Vielen Dank an den Macher dieser Stunde. Das war so großartig, dass es absolut wert ist, auf meinem Blog verewigt zu werden.
Das war jetzt mal Astronomie ganz anders. Ich hoffe, dass ich den Eindruck etwas transportieren konnte, den diese außergewöhnliche Sportstunde bei mir hinterließ.
Heute auf den Tag genau, am 18.05.2013, erhielt ich mein erstes astronomisches 3D-Modell. Es war unser Mond.
Außerdem feiere ich in diesem Monat mein fünfjähriges Jubiläum meiner Mitgliedschaft bei der Deutschen Astronomischen Gesellschaft.
Nicht zuletzt fielen Mitte May vor fünf Jahren die Würfel. Ich entschloss mich, mein Buch zu schreiben.
Lasst mich mit euch Jubiläum feiern.
Hierfür möchte ich euch mal einen kleinen historischen Abriss über diese Entwicklungen geben. Es findet sich auch einer in meinem buch, aber das ist mittlerweile drei Jahre alt und die Sachen haben sich weiter entwickelt.
Also los:
In meiner Schulzeit gab es fast keine Modelle zu Astronomie. Ein taktiler Globus, ein Kurbelmodell für die Jahreszeiten und vielleicht noch eine schematische Darstellung des Sonnensystems in 2D, waren das einzige, woran ich mich erinnern kann. Da ich mich schon immer für Modelle und Karten aller Art interessierte, kann man wohl davon ausgehen, dass ich nichts vergessen habe.
Somit startete ich meine Freizeiten etc. quasi mit leeren Händen, was Modelle betraf.
Einzig eine Spezialfolie, auf welche man taktil malen kann, und eine Magnettafel zur Veranschaulichung von Planetenkonstellationen oder Sternbildern, standen mir taktil zur Verfügung. Da das ausführlich in meinem Buch steht, wie wir damals noch improvisierten, springe ich jetzt mehr als fünfzehn Jahre vorwärts, direkt hin zu den 3D-Modellen.
Wir befinden uns nun im Jahr 2013.
Anfang dieses Jahres 2013 hörte ich entweder in einer Radiosendung, oder in einer Hörausgabe der Spektrum der Wissenschaft von der Deutschen Astronomischen Gesellschaft. Zur DAG
Ich interessierte mich sofort dafür, weil eines der Hauptanliegen der AG es ist, die Astronomie mehr in Schule und Bildung einzubringen. Da dachte ich mir, das will und tue ich ja auch schon seit zwanzig Jahren. Könnte ich mich dort nicht einfach mal um eine Mitgliedschaft bewerben?
Ich hatte ja keine Ahnung, wie dieser Prozess abläuft. Und so schrieb ich einfach eine Initiativ-Bewerbung, in welcher ich meine Arbeit vorstellte und meinen Mitgliedswunsch äußerte. Nun ist das gar nicht so einfach, Mitglied zu werden, wenn man dort niemanden kennt. Man braucht nämlich zwei Mitglieder, die für einen quasi bürgen, also davon überzeugt sind, dass der Anwärter nützlich für die Arbeit der AG sein könnte.
Somit wurde mein Antrag in die nächste Vorstandsitzung eingebracht. Meine Bewerbung stieß auf so großes Interesse, dass sich sofort spontan zwei Professoren fanden, die für mich bürgen wollten. Somit wurde ich das erste, und meines Wissens bis heute das einzige blinde Mitglied der Deutschen Astronomischen gesellschaft.
Der Zeitpunkt, dort Mitglied zu werden, hätte gar nicht günstiger sein können.
Ich war keine Woche Mitglied, als ich über die AG eine Anfrage rein bekam. Ein Techniklabor aus Alikante in Spanien, http://observatori.uv.es/, wollte mit einer Universität in Lateinamerika, Astronomie für blinde Menschen zugänglich machen. Sie hatten aber niemanden, der sich damit auskannte, und somit wendeten sich die Astronomen an die AG. Wie gesagt, war meine Mitgliedsbescheinigung noch druckwarm, und schon hatte ich eine Aufgabe.
Die Spanier erstellten 3D-Modelle von Erde, Mond, Mars und mittlerweile auch Venus und Merkur. Die Bilder, die nachher zu sehen sind, entsprechen nicht mehr den ersten Modellen. Sie sind überarbeitet und verbessert.
Das Kuriosum war leider, sie hatten keinen 3D-Printer, um die Modelle auszudrucken und mit blinden Menschen zu testen.
Sie suchten gerade Sponsoren dafür.
Bei mir war es umgekehrt. Ich habe Zugriff auf 3D-Drucker, hatte aber keine astronomischen 3D-Dateien, die ich hätte drucken können, und schon gar keine, die speziell taktil aufbereitet gewesen wären.
Zum glück arbeite ich am Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT), http://szs.kit.edu.
Wir haben taktile Drucker zur erstellung tastbarer farbiger Studienmaterialien, und wir haben 3D-Drucker im Einsatz, um Modelle für technische Fächer zu erstellen.
Das ist es aber noch nicht alleine.
Ich habe Vorgesetzte, die meine Arbeit zur Astronomie unterstützen und mit tragen. Somit bekomme ich dann und wann auch mal Druckzeit im Labor, wobei die Studierenden und deren Druckaufträge natürlich immer vorgezogen werden, und die anderen Arbeiten am Institut, die ich zu erledigen habe, gehen immer vor.
Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, an einem anderen Ort zu arbeiten.
Also starteten wir unsere Kooperation.
Ich schickte ihnen mit der Schneckenpost einige Exemplare meiner taktilen Astromappen
und sie schickten mir über den schnelleren Mail-Weg aufbereitete Dateien von Mars, Mond und einer nördlichen Himmelsphäre mit den wichtigsten Sternbildern.
Ich sollte die Dateien drucken und Verbesserungsvorschläge einbringen.
Und an dieser Stelle geht es auch nur mit einem guten Team weiter. Ein 3D-Modell lässt man nicht einfach so aus dem Drucker, wie ein Blatt Papier.
Oft müssen die Modelle noch für den Drucker mit Spezialsoftware eingerichtet werden. Viele Parameter bestimmen die Qualität und den Erfolg des Druckes.
Das geht also nur dann, wenn man Leute hat, die das zum einen können und beherrschen, und die sich die Zeit für mich und mein Hobby neben ihrer Arbeit nehmen. Ohne meine Teamkollegen aus dem Drucklabor ginge das hier alles nicht.
Außerdem dauert so ein Planet ungefähr vierzig Druckstunden.
Als erstes druckte mein Kollege also die beiden Mondhälften, und klebte sie zur Mondkugel zusammen.
3D-Modell Mond
Besonders ist an diesem Mond, dass er überzeichnet ist. Das bedeutet, dass die Berge und Krater überhöht dargestellt sind. Man kann sagen, der taktile Kontrast wurde künstlich angehoben.
Täte man das nicht, würde man auf diese Größe nichts ertasten können. Die Modelle sind alle mit einem Durchmesser von 15 cm gedruckt. Diesem Kompromiss ist geschuldet, dass ich mit den Modellen im Koffer oft mit der Bahn mobil unterwegs bin, weil ich keine Fahrer habe.
Eine Mondscheibe von 30 cm Durchmesser, wie Sehende sie im Teleskop sehen, fühlt sich fast glatt an, würde man sie unbearbeitet drucken. Selbst die Wölbung wäre kaum zu tasten.
Auch meine taktile Mondkarte ist überzeichnet, damit alles auch für sehende Betrachter plastischer wird.
Reliefkarte Mond
Zum Vergleich besitze ich seit neuestem einen weiteren taktilen Mond, der auch aus dem 3D-Drucker kommt. Hierbei handelt es sich um eine Mondlampe, ein Highlight für die Kinder in meinem Workshops, weil er leuchtet und Farbe und Helligkeit wechseln kann. Bei diesem Mond sind die Strukturen deutlich schwächer, weil er als Lampe und nicht als Modell für blinde Menschen, konzipiert ist.
Eine weitere Besonderheit dieser Modelle ist, dass die Pole gut fühlbar dargestellt sind. Es gibt ein klares Symbol für Nordpole und eines für Südpole, so dass die Ausrichtung der Planeten immer klar ist.
Außerdem ist beim Mond eine Art Äquator dargestellt, die die uns zugewandte Seite von der sog. „Dark Side“, trennt.
Man muss somit zur Veranschaulichung den Mond so hinstellen, dass der umlaufende Äquator aufrecht steht.
Dunkel ist diese Seite durchaus nicht. Wenn wir Neumond haben, ist sie in der prallen Sonne…
Bei den anderen Planeten ist immer der Nullmeridian eingezeichnet und die Äquatoren ergeben sich durch die Nähte der geklebten Halbkugeln.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie erhebend dieses Gefühl war, als ich den Mond zum ersten Mal in die Hand nahm. Ich war gerührt und hatte etwas Pippi in den Augen, glaube ich.
3D-Modell Mond
Der Unterschied des Mars zur Erde verblüffte mich. Was natürlich sofort auffällt ist, dass er keine Plattentektonik besitzt, wie unser Globus.
Man fühlt etwas die verkraterte Landschaft. Der Olymp Monts ist sofort erkennbar. Auch der Gale-Krater, in welchem sich der Rover Curiosity tummelt, ist unverwechselbar zu ertasten.
kleinere Details, wie Flussbette etc. lassen sich bei dieser Größe und Auflösung nicht darstellen.
Natürlich weiß ich, dass der Mars z. B. keine Kontinente hat, aber selbst ertasten, erfahren und erleben, ist dann doch immer noch etwas ganz anderes. Wissen ist das eine, aber das haptisch- körperliche Erlebnis, das andere.
3D-Modell Mars
Bei unserem Globus-Modell, mussten wir das Wasser der Meere quasi etwas ablassen. Ansonsten wäre der Unterschied zwischen Wasserfläche und Land, nicht tastbar gewesen.
3D-Modell Erde
Ich finde, dass Merkur und Venus sich haptisch sehr ähnlich anfühlen. Da muss man sich ein gutes markantes Gebirge oder einen Krater finden, damit man sie unterscheiden kann. Man fühlt auf jeden Fall, dass den beiden beim großen Bombardement übel mitgespielt wurde, ähnlich unser Mond.
3D-Modell Merkur
3D-Modell Venus
Natürlich ist hier der Steinplanet der Venus ohne ihre dicke Wolkenschicht gedruckt.
Aktuell machen wir uns darüber Gedanken, wie man Gasplaneten, die Sonne und vielleicht sogar die Ringe des Saturns, drucken könnte.
Ganz erstaunlich fand ich den Ausdruck des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, zu welchem die Mission Rosetta führte, die dann den Lander Philae auf dem Kometen landete. Er sieht wirklich aus, wie eine Badeente oder ein Elefantenschuh.
3D-Modell Juri
Ein weiteres Jubiläum ist, dass ich mich in Alikante, wo ich auch im May 2013 in Urlaub war, entschloss, mein Buch zu schreiben, dessen Veröffentlichung dann noch zwei Jahre dauern sollte. Das war ein riesiges Projekt.
So, ich denke, jetzt habe ich meinen Jubiläums-May 2018 würdig mit euch gefeiert.
nun melde ich mich mit einer neuen Idee für meinen Blog zurück.
hier soll in unregelmäßigen Abständen eine kleine Serie von Artikeln entstehen, die sich mit Audio-Astronomie beschäftigt, „Das Ohr am Teleskop“.
Selbstverständlich kann so direkt nichts durch das Weltall klingen, denn dort herrscht ein Vakuum. Schall benötigt aber im Gegensatz zu Licht, ein Medium, durch welches er sich fortpflanzen kann. Dennoch gibt es im wesentlichen vier Möglichkeiten, sich gewisser astronomischer Phänomene oder Vorstellungen akustisch anzunähern.
* Verklanglichung von Bewegungen am Himmel
* Sonifizierung gewonnener Daten
* Radioastronomie und ihre Sounds
* Beben der Raumzeit
Beginnen wir heute mit der Klang-Idee des Himmels und der Bewegung seiner Objekte, der ältesten Idee von Klang und Astronomie.
Dies ist eine sehr alte, von Menschen gemachte Idee. Sie geht zurück auf Pythagoras (570 – 510 v. Chr.) Er glaubte und suchte nach der Lehre der absoluten Harmonien. Er fand sie in der Mathematik und in der Musik, indem er auf einem Monochort die Seite verschieden teilte. Teilt man sie in der Hälfte, erhält man die Oktave, das Tonverhältnis 1 zu 2. Drittelt man sie, entsteht die Quinte und so weiter. Man kommt so durch die gesamte Obertonreihe.
Pythagoras hielt den Himmel für dermaßen Perfekt und unveränderlich, dass er davon überzeugt war, dass die Bahnen der Planeten nichts anderem gehorchen konnten, als der absoluten Harmonie der ganzen Zahlen, Zahlen ohne Rest.
Selbst Johannes Kepler schrieb ein Buch über musikalische Harmonien und die Bewegung der Planeten. Auch er glaubte an derartige Gesetze. „Gäbe man dem Himmel Luft“, sollte wahrhaftig Musik erklingen, schrieb er sinngemäß in Harmonice Mundi. Schließlich musste er diese Meinung aufgeben, weil seine Daten zeigten, dass die Planeten sich auf elliptischen Bahnen und nicht auf perfekten Kreisbahnen bewegten. Seine Harmonielehre passte er diesbezüglich an, dass nun halt die Töne der Umlaufbahnen leicht variierten, je nach dem, wo der Planet sich gerade auf seiner Bahn befindet. Ist er nahe seines Perihels, dem sonnennächsten Punkt seiner Bahn, so bewegt der Planet sich etwas rascher, was seinen Ton höher klingen lässt. Ist er bei seinem Aphel, seinem sonnenfernsten Punkt, ist er langsamer, und sein Ton daher etwas tiefer. Keplers erstes Planetengesetz besagt, dass Planeten sich elliptisch um ihr Muttergestirn bewegen, deren einer Brennpunkt der Stern darstellt. Sein zweites Gesetz besagt, dass der Strahl, der den Planeten mit seinem Stern verbindet, stehts in gleicher Zeit, die gleiche Fläche überstreicht. Das geht nur so, indem er in Sternnähe schneller ist, als fern vom Stern.
Die Klangidee des Sonnensystems findet sich sogar auf den Golden Records, Das sind die mit Audio bespielten Schallplatten, die man den Voyager-Sonden I und II mitgegeben hat, in der Hoffnung, die außerirdischen Finder der Sonden, könnten diese Klänge als ein aus mehreren Planeten bestehendes Sonnensystems, interpretieren.
Bis in die Quantenphysik hinein wird bis heute vom kosmischen Tanz gesprochen.
Und wie funktioniert diese Klang-Idee?
Man setzt hier Himmelsbewegungen zueinander ins Verhältnis. So stellt beispielsweise das Verhältnis der Umlaufzeit von Erde und Mars, Mars braucht nahezu zwei Erdenjahre für seinen Umlauf, musikalisch fast die exakte Oktave dar.
Stimmt nicht ganz, da die Marsbahn deutlich exzentrischer ist, als die Erdbahn.
Da das Interval zwischen Erde und Venus durch die elliptischen Bahnen zwischen einer kleinen und einer großen Sechst schwankt, nannte Kepler dieses etwas traurig zwischen Moll und Dur schwebende jammernde Lied, das ewige Lied des Elends der Erde.
Es gibt noch viele andere Verhältnisse, z. B. 2/3, 3/4 etc. Genau, wie in der Musik gibt es auch Disonanzen, „Töne“ die sich reiben und Resonanzen „Töne die sich aufschaukeln und immer lauter werden.
Das kann dazu führen, dass ein Himmelskörper, beeinflusst durch die Gravitation beispielsweise des Jupiters, durch dieses Resonanz-Verhältnis, auf eine andere Bahn gezwungen, oder gar aus dem Sonnensystem herausgeworfen wird. In manchen Parks stehen sog. Chinesische Brunnen. Das sind mit Wasser gefüllte Metallbecken bei denen man durch Reiben an in den Becken angebrachte Metallstangen, das ganze System in Schwingung versetzen kann. Die kann so stark werden, dass das Wasser Fontänenartig, das Becken verlässt.
Bis heute ist die Klangmystik des Sonnensystems nicht tot. Manche esoterisch veranlagten Menschen glauben daran, dass man die Eigenschaften, die den verschiedenen Himmelskörpern zugeordnet werden, dadurch in sich spüren kann, indem man zu den Tönen der jeweiligen Himmelskörper meditiert.
Das simple Verfahren, diese Töne zu berechnen, stammt von Hans Cousto.
Wenn ein Vater mit seinem kleinen Kind ein Lied singt, so wird er es in der Regel ein bis zwei Oktaven tiefer singen. Niemand würde aber behaupten, das beide deshalb ein unterschiedliches Lied sängen. Es ist dasselbe lied. Wenn man nun die Umlaufzeit der Erde, den Tag-Nacht-Rhythmus oktaviert, also immer verdoppelt, dann kommt man so nach 20 oder mehr mal frequenztechnisch in den hörbaren Bereich. Die Erde steht für sich erden, sich verorten Grund unter den Füßen zu haben, wie ein Baum zwischen Himmel und Erde zu stehen, etc. Wer das glaubt, ist davon überzeugt, dass er oder sie diese Eigenschaften für sich empfängt, wenn man zu diesem sog. Erdenton meditiert.
Dasselbe kann man mit dem Jahreslauf der Erde um die Sonne treiben. Sie steht für Licht, Wärme, Klarheit, Leben etc. Indische Tempelgongs sind häufig auf den Sonnenton gestimmt.
Für viele spielt der oktavierte Mondton, der sich aus einem synodischen Monat ergibt, eine große Rolle. Teure Windspiele sind oft auf einen dieser Töne gestimmt.
Leider habe ich grad auf die Schnelle kein besseres Beispiel gefunden.
Tatsache ist, dass vor wenigen hundert Jahren, als der Kammerton noch tiefer war, als heute, die Mitte der Oktave, das G, mit dem Erdenton zusammen fiel.
Im zuge der technischen Entwicklung der Musikinstrumente zog deren immer höhere Brillanz mit der Zeit den Kammerton in die Höhe. Heute liegt er bei 440 Herz, 440 Schwingungen pro Sekunde. Früher betrug er eher nur 400 Herz.
Viele kennen noch die Tonleiter
„Do, Re, Mi, Fa, Sol, La, Si“ und die Bewegungen, die man dazu machte.
Man beachte die Mitte der Tonleiter, den Grund, Sol.
Ich bin eher nicht so esoterisch. Ich denke aber schon, dass diese Grundempfindungen und Ideen für musikalische Menschen nicht ganz zufällig sind.
Wir sollten diese Ideen längst vergessen haben, wenn sie sich für überhaupt nichts und niemanden bewährten.
Auf jeden Fall waren diese alten pythagoräischen Gedanken ein Aufbruch zu einer neuen Astronomie, die gerade erst so richtig Fahrt aufnimmt. Deshalb sollten wir sie respektvoll und historisch betrachten, behüten und bewahren.
Im Nächsten Artikel dieser Serie wird es dann um die Verklanglichung von beobachteten und darauf fußend berechnete daten gehen.
Dieser Artikel ist inzwischen unter dem Namen „Klingende Planetenbahnen“ erschienen. Zu Klingende Planetenbahnen- –
Bis dahin grüßt euch ganz herzlich
immer und immer wieder darf ich erleben, wie inklusiv und wunderbar Astronomie vor allem Kinder und Jugendliche abholt, die nicht gerade begünstigt vom Leben sind.
Das möchte ich nun einfach mal ganz demutsvoll und bescheiden mit euch teilen.
Es geht mir hier ganz bestimmt nicht darum, zu zeigen, was ich für ein toller Hecht bin. Einzig und alleine die Kinder stehen im Vordergrund und wie ich sie mit der Astronomie erreiche.
Hier zwei anrührende Beispiele dafür:
1. Sternstunde an der Nikolauspflege Stuttgart
Die Nikolauspflege ist eine Bildungseinrichtung für Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung. Zur Nikolauspflege
Von der Grundschule bis hin zu einer beruflichen Ausbildung ist hier alles geboten. Ein großer Teil ist die berufliche Vorbereitung. eine derartige Maßnahme muss häufig einer Ausbildung vorgelagert werden, weil noch Probleme zu kompensieren sind, der Einstieg in einen Beruf zu schwierig wäre, oder sonst einfach noch Defizite in Entwicklungsprozessen vorliegen.
Für so eine Klasse durfte ich diesmal nun schon zum zweiten Mal einen Astronomie-Nachmittag mit meiner Arbeitsplatzassistentin gestalten.
Hier kommt nun zuerst die Einladung, an die Schülerinnen und Schüler und anschließend ein Text, der Beschreibt, wie der Workshop war.
…..
Liebe Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Lehrende,
Heute darf ich Sie ganz herzlich zu einer Besonderheit einladen.
am … von … bis … in Raum …
werden wir den vollblinden Hobbyastronomen Gerhard Jaworek zu Gast haben. Er war selbst Schüler von 1986 – 1989 an der Wirtschaftsschule der Niko, ist dann nach Marburg gegangen und arbeitet jetzt nach Abitur und Informatikstudium seit 20 Jahren an der Universität in Karlsruhe. Astronomie ist seit Jahrzehnten seine Leidenschaft. Er bietet dazu Seminare, Workshops und Freizeiten an. Über diese Arbeit hat er das Buch „Blind zu den Sternen – Mein Weg als Astronom“ geschrieben, das man auch in den Blindenhörbüchereien als Hörbuch ausleihen kann.
Er sagt:
Was? Wie? blinder Astronom?“ Wie soll denn das gehen, wenn man keine Sterne sehen kann?
Darum, und um alles, was mit Weltall zu tun hat, wird sich mein Workshop drehen.
Wusstest Du, dass die Sonne klingt?
Hast Du schon einmal ein Nordlicht gehört?
Wie klingt es, wenn zwei Schwarze Löcher verschmelzen?
Hast Du schon einmal Modelle von Mond, Mars oder Kometen in deinen Händen gehalten?
Wenn nicht, und wenn Dich so was interessiert, dann bist Du genau richtig bei mir.
Hier kannst Du das alles und mehr über das Weltall erfahren. Und was natürlich den Workshop noch besser macht: Bringe Deine eigenen Fragen mit. Es gibt keine dummen Fragen, und wenn sie sich um das Universum, Planeten, Sterne, Weltraum und Raumfahrt drehen, schon gar nicht.
Also, ich freue mich auf Dich und bin gespannt auf Deine Fragen.
Es ist schön für mich, mal wieder an meine alte Schule zurück zu kommen.
Bis dahin grüßt euch
Gerhard Jaworek.
…
Auf jeden Fall hatte ich an der Nikolauspflege kurz vor Ostern einen ganz wunderbaren Astronachmittag. Es waren Menschen, die sich gerade in einer einjährigen Maßnahme zur Berufsvorbereitung befinden. Also Personen, die momentan einfach nicht ganz auf der Sonnenseite des Lebens stehen, und etwas Unterstützung und noch Zeit benötigen, ins Leben, in die Welt und zu sich selbst zu finden.
Die Lehrerin hatte im Unterricht mit der Klasse Fragen vorbereitet. Jeder durfte seine Fragen stellen, und wurde von allen ermutigt, es doch zu tun, wenn mal der Mut etwas knapp wurde. So brauchte ich mein Notprogramm überhaupt nicht anfahren. Von den Fragen geleitet, ließ ich mich treiben, ohne natürlich die Struktur zu verlieren. Ein Notprogramm muss man immer dabei haben, denn ich kenne die Gruppe nicht. Es könnte ja vielleicht doch mal sein, dass die Teilnehmenden nicht so aktiv mitarbeiten. Das ist mir aber, Gott lob, bei Kindern und Jugendlichen noch nie passiert.
Immer wieder bin ich verblüfft, was für ein Wissen über Astronomie Kinder und Jugendliche besitzen.
Ich war sehr froh, dass auch Fragen kamen, wo ich einfach sagen musste, dass wir die Antwort darauf momentan nicht wissen.
Die erste Frage war gleich so eine: „Was war vor dem Urknall?
Es wurde viel zu Sonne, Mond und Mars gefragt. Klar, denn da will ja scheinbar jeder hin. Aber auch die Schwarzen Löcher wurden über die Medien aufgeschnappt. Jupiter und Saturn waren auch sehr präsent, wegen der Sonden Juno und der vergangenen Cassini-Mission. Der Start der Falcon Heavy war auch Thema.
Ein Flüchtling aus Afrika stellte Fragen, die ganz deutlich zeigten, dass in seiner freikirchlich christlichen Religion die Welt eine Scheibe war etc. Das hat mich fasziniert und erschüttert zugleich. Zu den Antworten ließ ich passend meine 3D-Modelle, meine Grafiken und andere Dinge herum gehen. Außerdem hörten wir uns sehr viele Weltraumsounds (Sonnenwind, Nordlichter, Mondlandung an. Vielen Dank an dieser Stelle an meine Assistentin. Dass sie die Modelle austeilte und wieder einsammelte, war mir eine unverzichtbare Hilfe. Somit konnte ich mich ganz auf die Inhalte konzentrieren und musste nicht unterbrechen.
Ich hatte diesmal deutlich verbesserte
3D-Modelle von den Planeten dabei. Ich habe mal bei meiner Scheffin gejammert und gaaaanz viel Druckzeit im Labor bekommen. Ein Planet dauert so ungefähr 40 Stunden.
Außerdem überarbeitete ich meine taktilen Mappen. Dann hatte ich eine Mondlampe dabei. Das ist ein taktiler Mond mit mehrfarbiger interner Beleuchtung. Kommt aus so einem Esoterik-Laden. Wirkt aber super und hat den Jugendlichen viel Spaß bereitet. Schade, dass ich meine Saturn-V-Legorakete nicht mitnehmen konnte. Die ist für eine Reise mit dem Zug leider zu groß und zu zerbrechlich.
Alle waren super interessiert und nahmen gleichberechtigt am Workshop teil.
Tja, was soll ich sagen. Es hat sich halt mal wieder bewahrheitet. Astronomie funktioniert halt einfach super gut bei Brennpunkt-Schülern etc., weil sie alle gleichermaßen abholt. Sie entrückt alle in ein- und dieselbe Astrowelt, wo Benachteiligungen und Einschränkungen, welcher Art auch immer, einfach mal Pause haben.
…
2. Workshop an der Schule für Menschen mit Sehbehinderung in Mannheim
Die Schule für Menschen mit Sehbehinderung ist eine Grund-, Haupt- und Realschule für Menschen mit Restsehvermögen.
Ein wesentlicher Vorteil an dieser Schulform ist, dass die Klassen kleiner sind. Es ist kein Geheimnis, dass es durchaus Schüler an diesen Schulen gibt, die nicht wegen einer Sehbeeinträchtigung dort unterrichtet werden. Diese Schulart eignet sich eben auch, z. B. für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, wie ADHS, für Kinder mit Migrationshintergrund, oder sonstiger Benachteiligungen. Somit ist es klar, dass man hier auf Kinder trifft, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.
Hier ist mein Konzept für den Nachmittag, das ich der Direktorin dieser Schule schickte, die mir den Workshop ermöglichte, und dann folgt ein Fazit-Text, der nach dem Workshop entstand.
….
Der Nachmittag soll unter dem Motto „Schall im All“ stehen. Wir werden so tun, als könnten wir uns ungestört auf allen Körpern unseres Sonnensystems bewegen. Wir spüren nach, wie es sich auf den Objekten unseres Sonnensystems anhören würde, wenn wir dort stünden.
Dass es wegen Hitze, Kälte, mangelnder Luft etc. natürlich nicht geht, wird vernachlässigt, aber selbstverständlich erwähnt.
Auf der Sonne beispielsweise wäre sehr viel Lärm, weil es auf ihr kocht und brodelt, wie in einem Kochtopf voll Wasser.
Unterhielten wir uns auf einem der Gasplaneten, z. B. dem Jupiter, würden wir uns anhören, wie ein Zwerg oder die Mikimaus, weil unsere Stimmen in Helium und Wasserstoff höher klingen, als in unserer Atmosphäre aus Stickstoff und Sauerstoff.
Ich blies auch eine Flöte mit Helium an. Unglaublich, wieviel höher der Ton damit wird. Bei einer C-Flöte kann der Ton, wenn es gut läuft, bei gegriffenem tiefem C bis zum darüberliegenden F verschoben werden.
Danke an #minkorrekt, die diesen Flöten-Versuch vor einigen Folgen als Experiment der Woche in ihrem Podcast hatten.
Auf der Venus mit ihrer unendlich dicken Kohlendioxyd-Atmosphäre, klingt dagegen alles deutlich tiefer, fast schon verblubbert.
Ich werde natürlich etwas zu den Himmelskörpern und deren Geräuschen erklären. Ziel ist es aber auch, dass die Kinder sich am Workshop beteiligen. Sie dürfen mit ihrer eigenen Stimme in ein Mikrofon sprechen, um die gewünschten Klänge in ihrer Sprechweise wahrzunehmen.
Vielleicht bringe ich sogar Helium und Luftballons mit.
Natürlich geben wir auch wieder Modelle herum.
Zeit für Fragen soll auch sein, denn das Astronomie-Wissen mancher Kinder übertrifft dasjenige mancher Erwachsenen, zumindest aus Sicht der Kinderwelt, um Längen.
Also ich denke, das sollten abwechslungsreiche 90 Minuten werden.
…
am 19.04.2018 war ich zum zweiten Mal an der Schule für Sehbehinderte in Mannheim, wo ich einen Astro-Workshop halten durfte.
Das war wieder ganz großes Kino. Die Lehrerin warnte mich. Sie meinte, dass der Workshop diesmal sehr schwierig werden könnte, weil die eine Hälfte der Kinder extrem unruhig sei, und die andere Hälfte der Null-Bock-Generation angehöre. Ich dachte mir, warten Sie mal ab. Sie mögen vielleicht in ihrem Unterricht diese Probleme haben, aber ich…
Zum Glück behielt ich Recht. Die Kinder waren alle super aufmerksam, hatten Fragen etc. Naja, ich holte sie halt ab, bezog sie ein, stellte Fragen und lies sie frei denken.
Wir hörten uns mit einer Handy-App an, wie es auf der Venus und dem Jupiter klingen könnte. Für die Erde spielte ich Geräusche vor, die man den Voyager-Sonden mitgegeben hat. Beim Mond gab es natürlich etwas Funkverkehr von Apollo 13. Vom Bowshock der Juno-Sonde gibt es auch Radioaufnahmen. und von Cassini-Huygens gibt es beispielsweise den Abstieg von Huygens durch die Dicke Atmosphäre auf den Mond Titan.
Auch hier zeigte sich wieder ein unglaubliches Interesse und Wissen der Kinder. Wir haben beispielsweise durch meine Fragen alle Planeten und einige Monde des Sonnensystems zusammen tragen können.
Das astronomische Rätsel von Friedrich Schiller „Auf einer großen weide gehen, viel tausend Schafe, silberweiß…“ konnten die viertklässler fast ohne Hilfe entwirren. Sie fanden, dass der Mond das Silberhorn sein muss, dass die goldnen Tore Sonnenauf- und Untergang sein müssen, dass die große Wiese der Himmel ist, und die silberweißen Schafe natürlich die Sterne. Das komplette Rätselgedicht findet ihr auf meinem Blog, Schillers Rätsel
https://blindnerd.wordpress.com.
Die Kinder erkannten die Gefahr des Weltraumwetters und fanden heraus, dass ihre Handys, Navis und Fernseher vielleicht nicht mehr funktionieren, wenn ein Sonnenausbruch einen Satelliten trifft. Der größte Schrecken dürfte der Gedanke gewesen sein, es könnte ja dann auch mal kein Internet geben.
Nach der Veranstaltung meinte die Direktorin, dass sie die Kinder noch nie so aufmerksam erlebt hätte. Was soll ich sagen. Wenn die Kinder im Workshop zeigten, dass sie das grundsätzlich können, dann liegt es entweder am Schulfach, oder am …, wenn es im Unterricht nicht rund läuft. OK, das muss man fairerweise schon sagen, dass es deutlich einfacher ist, Kinder für Astronomie, anstatt für Englischvokabeln zu begeistern.
Wie auch immer. Nach mittlerweile über einhundert Freizeiten, Seminaren, Workshops und Lesungen für unterschiedlichstes Publikum, stürzt mir in der Astronomie nichts mehr ab.
Ich bin am 24.08. mit einem Astro-Workshop bei der CDU in Bad-Schönborn eingeladen. Die JU führt dort ein Ferienprogramm für Kinder, die nicht in Urlaub fahren können, durch. Die haben mich gebeten, einen Astronachmittag für Kinder anzubieten. Da freue ich mich sehr darauf. Die kamen auf mich, durch die Caritass, wo ich im letzten November einen Vortrag zu „Inklusion am Himmel“ hielt.
Irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, einen Workshop für eine Partei anzubieten. Man fühlt sich leicht instrumentalisiert und vor einen politischen Karren gespannt. In diesem Fall ist das aber ganz bestimmt nicht so. Hier stehen wirklich die Kinder im Vordergrund und keine politischen Ziele… Also das könnt ihr mir glauben. Für die AFD, hätte ich das niemals zugesagt.
Fazit:
Es ist ein rührendes und unglaublich gutes Gefühl, wenn man nach so einem Workshop wieder nach hause geht. Ich habe dann immer das beglückende Gefühl, etwas wirklich sinnvolles getan zu haben. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es mir nach so etwas so unheimlich gut geht. Das trägt mich dann immer über viele Tage und Wochen durch meinen eigenen Alltag, wenn ich beispielsweise auch mit meiner Einschränkung zu kämpfen habe. Die eigenen Probleme relativieren sich vor dem Hintergrund, was manche, dieser Kinder so durchmachen müssen.
Jetzt hoffe ich, dass ich mich hier nicht zu sehr selbstbeweihräuchert habe. Darum geht es mir überhaupt nicht. Ich denke, dass vor allem diejenigen unter euch, die auch Astronomie mit Kindern und Jugendlichen treiben spüren und verstehen, was ich hier sagen will und meine.
Keine Astronomie an Schulen zu treiben, ist eine vertane Chance für so viele Dinge. Das Beispiel mit den Sateliten und dem Sonnenwind führt über die Handys in den Alltag der Kinder hinein. Von den unwirklichen Lebensbedingungen auf der Venus ist man ganz schnell bei den Begriffen Treibhauseffekt und Klimawandel. Astronomie kann ganzheitliches Denken fördern und schulen. Mehr über diese These ist in meinem Buch zu lesen.
Jetzt wünsche ich euch eine gute Zeit und verbleibe mit den besten Astronomiegrüßen
Wieso es sich als blinder Mensch lohnt, Astronomie zu treiben, habe ich vor vielen Jahren mal in Zehn Gründe verpackt. Und nun habe ich noch ein zweites Hobby, das in manchen sehenden Menschen ähnliche Fragen hervorruft. Die zehn Gründe wieso sich dieses Hobby so sehr für Menschen mit Blindheit eignet, gibt es heute, jetzt und hier.
Immer wieder bekomme ich von sehenden Menschen die Frage gestellt,
weshalb ich mich mit den Vögeln so gerne beschäftige, wo ich sie doch gar nicht sehen kann.
Hier sind die Gründe dafür.
Vogelstimmen sind so offensichtliche Geräusche, dass man einfach nicht daran vorbei hören kann.
Da Menschen mit Blindheit „Hörmenschen“ sind, ist es sehr naheliegend, sich auch mit den Klängen und Sounds der Vögel zu beschäftigen, die allgegenwärtig sind.
Überhaupt klingen auch Insekten sehr verschieden. Und Frösche und Kröten sind in diesem Zusammenhang auch sehr spannend und aufregend. Ich besitze sogar ein Gerät, das die Ultraschall-Sounds der Fledermäuse herunteroktaviert. Auch deren Stimmen sind je nach Art sehr unterschiedlich und ähnlich vielfältig, wie die Stimmen der Vögel.
Vogelstimmen ergänzen jeden Spaziergang.
Sie lenken auch von unschönen Dingen ab. Ich erinnere mich, als ich mal mit einer guten Bekannten Kleidung einkaufen war. Wir kamen plötzlich in einen starken Wolkenbruch hinein und wurden Bis auf die Knochen und Zigaretten nass. Sie konnte sich überhaupt nicht beruhigen und ihr Unmut wurde immer schlimmer. Da hörte ich plötzlich in all diesem Chaos und Getöse eine einzelne Amsel so laut, klar und wunderbar flöten, als ginge sie der ganze Regen und Sturm nichts an. Das traf mich wie ein Blitz. Ich erkannte, dass diese Amsel im Moment nur für uns gesungen hat. Schlagartig geriet meine Stimmung auf einen absoluten Höhepunkt. Leider war meine Begleitperson in diesem Moment nicht dafür offen, und konnte daher nicht von ihrem Groll und Gram lassen. Sie tat mir in diesem Moment sehr Leid, denn ich hätte ihr das so sehr gewünscht, durch diese Amsel Friden mit der Situation zu schließen.
Vogelstimmen haben etwas mit Musik zu tun, was viele Menschen ansprechen dürfte.
Wir singen, wie Nachtigallen oder Lärchen.
Nichts lehrt uns die Terz besser, als der Ruf des Kuckucks.
Eine Amsel steht in der Vielfalt ihres Gesanges einer Nachtigall in nichts nach.
Kohlmeisen drehen manchmal ihr Lied einfach um, oder singen nur einen Teil davon,
und die Singdrossel wiederholt eine gefundene Strophe drei vier Mal, bevor sie sich eine andere ausdenkt.
Also, wenn das nicht Musikalität bezeugt…
Die weiche Geborgenheit eines Vogelnestes, den Eierndarin, ein Federbett und auch Vogelfedern sind so schöne haptische Erfahrungen, dass dieser Aspekt auch ein Teil dieses Hobbys darstellt.
Und ja, die Feder führt uns wieder zur Astronomie, denn eine Feder hat 1972 ein Astronaut gemeinsam mit einem Hammer aus Hüfthöhe auf den Mond fallen lassen. Beides kam gleichzeitig auf dem Mondboden an. (Fall zweier Gegenstände im Vakuum)
Würden wir nur diejenigen Vögel singen hören, welche für sehende Menschen aktuell an einem Ort auch sichtbar sind, wäre die Welt traurig still, da die meisten Vögel in Blättern, Büschen und Schilf oder Gras verborgen sind und dennoch singen. Voilà, und schon wieder haben wir eine Parallele zur Astronomie. Auch dort sind nur vier Prozent dessen theoretisch sichtbar, was sich im All befindet.
Wenn wir nicht aufpassen, dann kann es aber durchaus zu dieser traurigen Situation kommen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Singvögel, und damit auch ihr wunderschöner Gesang, zunehmend weniger werden. Ich nehme diese traurige Entwicklung schon seit Jahrzehnten mit meinen Ohren wahr. Ich kommunizierte es schon, als noch niemand von dieser Misere sprach. Was für viele Menschen erst durch jahrelange Studien klar wurde, konnte ich mit meinen Ohren schon viel früher hören. Nichts gegen gute Studien, weil sie in Zahlen fassen, was traurige Gewissheit ist, aber das zeigt mal wieder, dass wir in der Regel unseren Augen mehr Vertrauen schenken, als unseren Ohren. Zahlen kann man sehen. Sie schaffen zwar einerseits Klarheit, andererseits aber auch Distanz zum Problem. Das Ohr hingegen schafft hier Nähe, weil es das Problem direkt in uns Menschen hinein führt, wenn wir dafür offen sind und die Welt in uns hinein lassen… Weg schauen ist deutlich leichter, als weghören. Die Ohren kann man nicht mal schließen.
Viele Neurosen dieser Welt gäbe es vermutlich nicht, wenn wir auch mal eher Hörmenschen wären.
Das soll nicht heißen, dass das Ohr gut, und das Auge schlecht ist. Das Auge ist ein wunderbares Organ. Nicht, dass hier der Eindruck entsteht, ich würde als mensch mit Blindheit das Ohr glorifizieren und das Auge verteufeln. Ihr glaubt ja gar nicht, wie oft ich so gerne wenigstens ein schlechtes Auge hätte.
Es ist eine schöne Meditation, sich darüber Gedanken zu machen, weshalb und für wen die Vögel eigentlich singen. Nur für die Fortpflanzung ist mir persönlich als Grund zu wenig. Hierfür hätte die Evolution effektivere Wege zur Partnersuche gehen können und nicht einen so wunderbaren Gesang ausbilden müssen.
Die Größte Bevölkerung der Welt stellen vermutlich die Insekten dar. Sie singen nicht und haben offensichtlich keine Probleme der Fortpflanzung und Arterhaltung, was jeder all sommerlich erlebt, der Abends an einem Bach oder Fluss in einen Mückenschwarm gerät.
„Noch erleben kann“
sollte ich sagen, denn der dramatische Rückgang der Insekten ist für das Schwinden der Singvögel verantwortlich. Und dieses Insektensterben ist von uns Menschen hausgemacht. Wenn ich bedenke, wieviele Insekten man früher nach einer Autofahrt von vielleicht 100 Kilometern auf seiner Windschutzscheibe pappen hatte, und wie sauber die Scheiben heutzutage bleiben, dann wird der Rückgang der Insekten ganz deutlich und unmittelbar offenbar.
Da ich ein Mensch bin, der sehr von der Idee des Fliegens fasziniert ist,finde ich auch hier wieder zu den Vögeln.
Schon Otto Lilienthal ließ sich vom Flug der Störche inspirieren und davon, wie sie sich in die Termik einkreisen und in die Höhe tragen lassen. Trotz aller technischen Möglichkeiten, die heutzutage in ein modernes Segelflugzeug eingebaut sind, kann einem Segelflieger, der auf der Suche nach einem schönen Bart (Termikblase) ist, nichts besseres passieren, als sich bei einem kreisenden Vogelschwarm reinzukurbeln.
Vogelstimmen, Vogelflug und Vögel an sich, sind oft ein Symbol für Weite, Freiheit, Unbesorgtheit, etc. All dies ist in Literatur und Musik oft thematisiert worden und ist somit einfach sprachlich schön.
Wie auch die Astronomie, führt einem dieses Hobby in andere Gebiete, wie Literatur, Philosophie, Musik und Biologie. Betrachtet man Vogelschwärme und deren synchrones Verhalten, gelangt man rasch bis hin zu sehr theoretischen Fragen über Kommunikation,
Interaktion, Chaostheorie, etc.
Somit bietet auch dieses Hobby die Chance die Welt ganzheitlich und holistisch zu erleben. Noch viel inklusiver ist das Hobby durch mein Smartphone geworden. Früher musste ich stets einen Lautsprecher und einige CD’s mit Vogelstimmen nebst Diskman in den Wald mitnehmen. Heute zeige ich den sehenden Teilnehmern die Bilder der Vögel auf einer App, und wir können uns damit dann gleich die Vogelstimmen anhören, lernen und einprägen. Mich freut dann immer, wenn jemand plötzlich einen Freudensausbruch bekommt, weil Sie oder er den eben erlernten Vogel gehört – mit dem Fernglas nach ihm gesucht – und ihn dann richtig erkannt und zugeordnet hat.
Das ist auch Inklusion.
So, jetzt wünsche ich euch, dass ihr viele Vogelstimmen hören könnt und dass sie euch ebenso viel Freude bereiten, wie mir.
Eigentlich ist es heute noch zu früh, wieder einen neuen Artikel zu posten, aber es ist so, dass ich den heute mit meiner sehenden Assistenz so schön mit Bildern anreichern konnte, dass ich einfach nicht an mich halten kann. Er muss raus. Textlich ist der Artikel eine überarbeitete Version eines alten Artikels in der historisch gewachsenen Mailingliste. Jetzt ist er renoviert und kann in meinen Blog.
heute möchte ich mit euch teilen, was ich mir vor nicht all zu langer Zeit astronomisches zugelegt habe.
Lego Ideas ist eine Plattform, wo man Projekte einreichen kann, die eventuell von Lego umgesetzt werden könnten.
Ein Ergebnis dieser Sache war eine komplette Saturn5 Rakete, bei der alles dabei ist, was man zu einem erfolgreichen Mondflug benötigt.
Es ist mir gelungen, dieses Modell zu erstehen. Es besteht aus 1969 Teilen.
Schön an diesem Modell ist, dass es nicht so ein instabiles ist, das mühsam geklebt werden muss und dann nur unberührt auf einem Regal zur Ansicht steht.
Ich habe es mir angeschafft, um interessierten Besuchern meiner Veranstaltungen, vor allem Menschen mit Seheinschränkung, den genauen Ablauf der Mondflüge, haptisch erfahrbar machen zu können.
In meinem Buch beschrieb ich, wie ich einmal Zugriff auf ein Modell meines Freundes hatte.
An anderer Stelle beschrieb ich auch, welchen Mangel an Modellen ich oft erleiden musste.
Und jetzt habe ich selbst ein Modell und kann das Erlebnis mit vielen anderen Teilen. Jetzt bin ich auch Teil des großen Schrittes, der für die Menschheit groß, aber für den ersten Menschen auf dem Mond, nur ein kleiner war.
Und mit dem teilen fange ich hiermit an. Für Sehlinge füge ich noch einige Fotos hinzu.
Zunächst wunderte ich mich, wie relativ klein die Schachtel war, in der die 1969 Teile auf 12 Knistertütchen verpackt waren. Das hörte sich wirklich, wie Knabberzeug an, wenn meine Assistenz das nächste Tütchen suchte. Die waren alle durchnummeriert und es war ein schönes ausführliches Handbuch dabei.
Es gab überhaupt keine Probleme beim bau. Das lief fehlerlos durch. Allerdings kann man die Rakete als Blinder nicht alleine bauen. Das ist zu komplex. Da aber die im wesentlichen runden Körper der Raketenteile meist in Vierteln aufgebaut wurden, musste man viele Arbeitsabläufe einfach oft vier mal wiederholen, bis der Abschnitt fertig war, bzw. das Raketenteil rund.
Dank an meine Assistenz, ohne die ich das niemals hätte bauen können.
Das Modell ist über einen Meter hoch.
Rakete von vorne
und so stabil, dass man es locker in seine wichtigsten Komponenten zerlegen kann, um es ohne Gefahr auf einen Vortrag oder Workshop mitnehmen zu können.
Zerlegt in Brennstufen und Servicemodul
Außer der Rakete ist noch eine kleine Grundplatte von Lego dabei, auf welcher zwei Miniastronauten und die Landefähre stehen können. Ach ja, die Flagge ist auch dabei. Hiermit kann man die Größenverhältnisse sehen Astronaut->Landefähre->Rakete…
Landefähre Eagle
Die Kapsel des Servicemoduls ist nochmal extra dabei.
Unglaublich, wie wenig nach dem Flug ins Wasser fiel.
Landemodul im Wasser
Der Rest war Müll, ist verglüht, ins Meer gefallen, bzw. steht noch auf dem Mond herum.
Aber alles der Reihe nach:
Ganz unten ist die Brennstufe 1, die beim Start von Apollo 11 nach ungefähr acht Minuten abgeworfen wurde. Sie hat fünf Düsen, die so, wie eine fünf auf einem Würfel angeordnet sind. Innen, was man bei geschlossenem Zustand nicht tasten kann, ist ungefähr die Struktur nachempfunden, die mit den Treibstoffstanks zusammen hängt.
Außen hat sie ungefähr im unteren Drittel vier Stabilisierungsflügelchen
Dann sind da noch an zwei Seiten gegenüber so geringelte Röhren. Ich nehme an, dass da noch Zuleitungen sind und das mit dem Brennstoff zu tun hat.
Dann sind da noch an manchen Stellen Gitterstrukturen. Vermutlich zum Ansaugen von Luft oder so…
Nach etwa 40 cm Höhe, folgt die zweite Brennstufe. Sie ist etwa so lang, wie die erste und fügt sich samt Düsen etc. in die erste ein.
Verbindung Brennstufen 1 und 2
Auch die hat fünf Düsen, die aber an sich im Durchmesser der Trichter etwas kleiner sind, damit sie in die erste Brennstufe passen.
Außen ist die zweite Stufe ebenso dick, wie die erste.
Ganz oben verjüngt sich die zweite Brennstufe dann, weil die Dritte deutlich dünner, und kürzer, als die anderen beiden ist.
Verbindung Stufe 2 und 3
Die dritte Brennstufe hat nur noch eine Düse an ihrer Unterseite
Ohne Servicemodul und, Raumfährenbecher ist sie oben quasi halb rund, wie eine Halbkugel.
Und jetzt wirds bissel komplizierter.
Übrig sind jetzt nur noch die Landephäre, ihr Schutztrichter und das Service-Modul mit seinem Antrieb und dem Rettungsturm, der kurz nach dem Start bereits abgeworfen wird. Der Rettungsturm ist eine dünne, etwa zehn m lange Rakete, die die Astronauten sehr schnell aus der Gefahrenzone schießen kann, sollte in der Startphase etwas mit der großen Saturn-V-Rakete passieren, z. B. Feuer etc.
Rakete von oben
Jetzt wird es interessant. Denn jetzt ist die Kammer zu sehen, in welcher die Mondfähre mit zusammengeklappten Beinchen Platz findet.
Diese Schutzhälften, denn es sind quasi zwei Halbtrichter, beherbergen auch noch den Antriebsteil des Servicemoduls.
Ist der Trichter weg, schwebt die Raumphäre im freien Fall hinter dem Servicemodul her. Dieses muss sich nun drehen, um die Landefähre quasi aufzuspießen.
Ich bin mir jetzt grad nicht ganz sicher, ob die Fähre automatisch etwas mit ihrem Antrieb machen muss, damit das Manöver gelingt. Ich glaube nicht.
Ich bin so glücklich und stolz auf das Teil. Das erweitert meine Möglichkeiten, Astronomie zu vermitteln enorm.
Rakete und ichHier nochmal
Jetzt hoffe ich natürlich, dass meine Freude auf euch übergeht.
einer meiner ersten Blogeinträge beschrieb, wie ich zur Astronomie kam.
Für all jene, die vielleicht ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie hören, dass ein blinder Mensch sich für Astronomie begeistert und sogar noch Bücher darüber schreibt, habe ich mal kompakt zehn Gründe zusammengestellt, die damit aufräumen sollen, die da wären:
Fragen, wie nach dem Anfang, dem Ende, dem Sinn des Universums gehen uns alle an.
Das sind angeborene Fragen, mit denen sich jeder umtreibt. „Das ist halt so“, oder „Das hatt gott geschaffen“, reichen als Antwort nicht aus.
Kannschon sein, dass Gott es gemacht hat. aber wie? Ich will ihm in die Karten schauen.
Mittlerweile spielen sich die meisten Dinge in der Astronomie nicht visuell ab.
Die Zeiten, wo Astronomen, wie Hubble sich im Winter die Augen an das Teleskop frieren ließen, sind längst vorbei. Teleskope werden über das Internet gesteuert. Ergebnisse sind häufig Tabellen über Strahlungsarten und oder Verteilung. Diese sind mit heutiger Technologie auch blinden Menschen zugänglich und können von uns Interpretiert und verstanden werden.
Das Mittel der wahl ist hier Sonifizierung. Das macht die NASA sehr fleißig und erfolgreich. Danke dafür.
Die Sicht auf Sterne ist wegen der nächtlichen Lichtverschmutzung meist unmöglich.
Im Vergleich, wieviele Sterne es alleine schon in unserer Milchstraße gibt, sind selbst bei bester Sicht die wenigen, die man mit den Augen sehen kann, vernachlässigbar. Dass ein klarer nächtlicher Sternenhimmel eine Augenweide darstellt, ist unbestritten, unter dem Strich aber relativ unwesentlich für die Sache an sich. Mir bereitet es große Freude, wenn ich mit sehenden Sternguckern nachts am Teleskop stehe. Ich liebe es, wenn sie mich in ihre Freude mit hinein nehmen und bin immer ganz aufgeregt, wenn z. B. ein besonders schwer zu schießendes Foto entstehen soll. Die Technik drum herum und, den Ehrgeiz, den manche dann zeigen und der damit verbundene Spieltrieb und die Ideen, sind einfach schön.
Schwarze Löcher sind so schwarz, zumindest, wenn sie gerade hungern, dass man mit den
besten Augen nichts damit anfangen könnte.
Alles unsichtbare ist prädestiniert, auch von Blinden erobert zu werden.
Und nicht nur das. Durch die Entdeckung der Gravitationswellen ist eine ganz neue Astronomie am entstehen. Das Beben der Raumzeit ist, und das wird auch von Astrophysikern so gesehen, eher mit Schall und Hören verbunden, als mit sonstigen elektromagnetischen Wellenphänomenen.
Das Universum besteht nur zu vier Prozent aus dem, was für Augen so vermeindlich interessant ist.
Tja, da kann man nichts machen. Stell Dir vor, Du sähest nur noch vier Prozent Deines Fernsehbildes. Vermutlich würdest Du dann dieses Abendvergnügen rasch aufgeben…
Wir Astronomen sind da genügsamer…
Dunkle Energie und dunkle Materie weigern sich strickt, gesehen zu werden.
Hören lassen sie sich bisher zwar auch noch nicht, somit besteht hier Chancengleichheit, was die Suche danach angeht.
Mittels heutzutage verfügbarer Technologie können sehr viele Phänomene des Weltalls hörbar gemacht werden, z. B. die Radiosonne, die Interaktion des Sonnenwindes mit dem Magnetfeld der Erde, Polarlichter, Radiopulsare, die kosmische Hintergrundstrahlung und vieles mehr.
Es gibt Sonifizierungen zu vielen Weltraum-Missionen, z. B. der Juno-Mission, von Cassini-Huygens, Voyager und mehr. Der aktuelle Rover auf dem Mars, ja, der mit dem Hubschrauber, hat sogar ein Mikrofon dabei, mit dessen Aufnahmen man ihn fahren, bzw. den Hubschrauber fliegen hört.
Joachim-Ernst Behrendt trug in zahlreichen Sendungen sehr viele Materialien hierzu zusammen.
Schon Johannes Kepler selbst sagte inhaltlich nicht wörtlich:
Gäbe man dem Himmel Luft, sollte seine Musik erklingen.
An dieser Stelle muss ich auch J. W. Goethe die ehre geben, der in Faust I im Prolog im Himmel, die Sonne tönen lässt.
Die Idee, dass da etwas schwingt und klingt, geht bis auf die alten Pytagoräer zurück.
Da blinde Menschen traditionell viel mit Radio zu tun haben, könnten alle Radiogeräusche aus dem All (Sonnenwind, Pulsare, Hintergrundstrahlung) sehr interessant sein. Vor allem unter älteren ist der Amateurfunk mit all seinen technischen Spielereien noch sehr aktuell. Ein Radioteleskop, um die Sonne belauschen zu können, zu konstruieren, ist heutzutage nicht mehr sehr aufwändig und kann mit Standartbauteilen aufgebaut werden.
Ich kenne blinde Menschen, die dann und wann unter die Oberfläche des weißen Rauschens im Radio hören und dort Veränderungen finden.
Das ist doch aufregend, dass ein nicht unerheblicher Teil dieses Rauschens aus dem Weltall stammt. Ich erinnere mich daran, wie ich früher, als es noch Mittelwelle, Langwelle und Kurzwelle gab, gerne dem Knacken der Gewitterblitze lauschte. Dann konnte man die Sekunden zählen, bis man den Donner hörte und wusste somit, wie weit das Gewitter entfernt war.
Die Mathematik, die für Astronomie gebraucht wird, ist heutzutage auch Blinden zugänglich.
Durch Computer, Internet und assistive Technologien können blinde prinzipiell fast uneingeschränkt an Wissenschaft und Forschung teilhaben, außer vielleicht manche gefährlichen chemischen Experimente, die nicht gehen, oder eine gefährliche Expedition auf einen Vulkan. Aber es spricht nichts dagegen, dass ein blinder Mensch bei der Auswertung der Daten mithilft. Vielleicht könnte ja ein geschultes Gehör eines Blinden z. B. Peaks in einem rauschenden Datensalat erhören.
Ich bin der festen Überzeugung, dass hier längst noch nicht alle beruflichen Chancen und Möglichkeiten für uns ausgeschöpft sind.
Astronomie kann alle Sinne einschließlich der Seele ansprechen.
Das tut sie besonders dann, wenn man auch noch die anderen Disziplinen ansieht, die von ihr berührt werden.
Physik, Chemie, Technik, Philosophie, Religion, Musik und Geschichte sind Themen, die im höchsten Maße astronomischen Bezug haben.
Sie fördert meiner Meinung nach ein ganzheitliches Denken, ist mit allen Sinnen erfahrbar und hält auch transzendente spirituelle Erfahrungen bereit.
Ein Hobby, das mehr Brücken zwischen Menschen mit und ohne Einschränkungen schlägt, kenne ich nicht. Es ist wirklich sehr inklusiv. Wer darüber mehr wissen möchte, findet vieleicht in „Blind zu den Sternen – mein Weg als Astronom“ eine schöne Wissensquelle. So viel Werbung muss erlaubt sein. Ja, so heißt mein Buch…
Morgen ist der 08.03., Welt-Frauentag. Was liegt näher, so einen Tag zu begehen, als dass ich mir Gedanken über große Frauen in Astronomie und Wissenschaft mache.
Bis heute sind Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen leider noch immer unterrepräsentiert. Die Statistiken sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Trotz Frauenbewegung, Emanzipation, Erziehungsurlaub auch für Männer, gesetzliche Gleichberechtigung und dafür aufgeschlossene Männern, ist es noch nicht gelungen, diesen Missstand in den Griff zu bekommen.
Dennoch hat es immer wieder Frauen gegeben, die trotz Benachteiligung, Unterdrückung, Bildungsverbot und Leben in einer streng patriarchaisch dominierten Gesellschaft, großartiges in Wissenschaft, z. B. der Astronomie, geleistet haben. Sie setzten sich in einer harten Männerwelt durch und waren vielleicht sogar öfter, als man denkt, die schlaueren Köpfe. Zumindest zeugen einige Dokumente davon, dass viele starke kluge Frauen die Fäden ihrer Professoren-Männer in Händen hielten…
Bis in biblische Zeiten hinein, kann man diese Phänomene beobachten. Somit scheint der Satz „Der Mann kann noch so viele Dinge bauen – Es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen“ mehr Wahrheitsgehalt zu haben, als manchen lieb ist.
So lasst uns den Weltfrauentag 2018 damit begehen, indem wir die Person und das Lebenswerk von Caroline Lucretia Herschel würdigen. Die Daten zu diesem Artikel habe ich von Wikipedia und dem Buch Die Planeten von Dava Sobel und Thorsten Schmidt, ISBN: 9783827002679.
Caroline Lucretia Herschel wurde am 16. März 1750 in Hannover geboren.
und verstarb am 9. Januar 1848 ebenda.
Sie war eine deutsche Astronomin.
Zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere unterstützte sie ihren Bruder Wilhelm Herschel bei seinen Forschungen, glänzte aber bald durch ihre eigenen astronomischen Erfolge. Ihre wichtigsten Beiträge zur Astronomie waren die Entdeckung mehrerer Kometen, die Berechnung genauer astronomischer Reduktionen und der Zonenkatalog hunderter Sternhaufen und Nebel.
Sie wuchs mit vier Brüdern und einer Schwester, die allerdings schon als Kind verstarb, im Hause des Militärmusikers Isaak Herschel und seiner Frau Anna Ilse Herschel in Hannover auf. Als Musiker wollte der Vater seinen Kindern eine musikalische Ausbildung ermöglichen. Bei den Herschels wurde nicht nur viel musiziert, sondern auch philosophiert und Astronomie getrieben. Neben Wilhelm war auch ihr Bruder Alexander als Musiker und Astronom tätig.
Caroline schrieb darüber:
„Mein Vater war ein großer Bewunderer der Astronomie und besaß einige Kenntnisse in der Wissenschaft. Ich erinnere mich, dass er mich in einer kalten Nacht auf die Straße führte, um mich mit einigen unserer schönsten Sternbilder bekannt zu machen, nachdem wir vorher einen Kometen, der eben sichtbar war, beobachtet hatten.“
Man stelle sich vor. Da geht ein Vater mit seiner Tochter einfach vor die Tür, um Sterne zu schauen. Undenkbar, bei unseren heute so lichtverschmutzten Städten.
Sie hatte, was für ein Mädchen durchaus nicht üblich war, die möglichkeit, gemeinsam mit ihren Brüdern die Garnisonsschule täglich für einige Stunden zu besuchen.
Viele Stunden des Tages verbrachte sie jedoch gegen ihren Willen mit Stricken, Sticken und allerlei Haushaltstätigkeiten. Die Mutter meinte, dass sie ein „roher Klotz sein und bleiben sollte, allerdings ein nützlicher“.
Sie wollte ein Leben führen, das auch geistige Anforderungen bereit hielt. Daher folgte sie dem Wunsch des Vaters, und ließ sich zur Konzertsängerin ausbilden.
1772 folgte sie als 22-Jährige ihrem zwölf Jahre älteren Bruder Friedrich Wilhelm Herschel nach England, der als Organist und Konzertleiter im vornehmen Bath tätig war. Er brauchte sie als Haushälterin, wollte ihr aber auch Gelegenheit geben, sich musikalisch weiterzubilden und als Solistin in seinen Konzerten mitzuwirken. Schon bald stieg sie zur ersten Sängerin bei den von ihrem Bruder aufgeführten Oratorien auf, erreichte dadurch einen gewissen Ruf und übernahm Leitungsfunktionen im Chor.
Caroline widmete sich nun neben dem Haushalt und ihren Auftritten auch der Astronomie. Zum Beispiel half sie Wilhelm beim Anfertigen von Spiegelteleskopen. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die Spiegel zu polieren und zu schleifen. Bei dieser Tätigkeit kam es auf absolute Genauigkeit an. Daneben befasste sie sich mit astronomischer Theorie. Sie erlernte die mathematischen Formeln für Berechnungen und Reduktionen als Grundlage für das Beobachten und Durchmustern des Himmels.
Im Jahr 1781 entdeckte Wilhelm den Planeten Uranus, was ihn über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte. Neben zahlreichen Ehrungen bekam er eine Stelle in der Stadt Slough als Astronom von König Georg III. angeboten, die er dankbar annahm. Nun konnte er sich ganz seiner wahren Leidenschaft widmen.
Sie musste sich entscheiden, als Sängerin in Bath ihre erfolgreiche Karriere fortzusetzen oder ihrem Bruder als wissenschaftliche Assistentin zu folgen. Sie entschied sich für letzteres und bekam vom Hof eine Anstellung als Gehilfin ihres Bruders mit einem Gehalt von 50 Pfund im Jahr. Nun begann Caroline mit der eigenen Erforschung des Sternenhimmels. Sie widmete sich mit einem kleinen Spiegelteleskop der Kometensuche. Dabei entdeckte sie 1783 drei bemerkenswerte Nebel und zwischen 1786 und 1797 acht Kometen, darunter den Enckeschen Kometen.
Nächte lang verbrachten die beiden am Teleskop, wo sie die Sternpositionen notierte,
die er ihr vom anderen Ende des von ihnen selbst gebauten riesigen Fernrohrs zurief, wertete die nächtlichen Aufzeichnungen aus und rechnete sie nach, schrieb Abhandlungen für die Philosophical Transactions, entdeckte vierzehn Nebel, berechnete Hunderte von ihnen und begann einen Katalog für Sternhaufen und Nebelflecke, die heute Deep-Sky-Objekte genannt werden, anzufertigen. Des Weiteren verfasste sie einen Ergänzungskatalog zu Flamsteeds Sternenatlas, der 561 Sterne umfasste, sowie ein Gesamtregister dazu.
Für diese Arbeit wurde ihr allerhöchste Anerkennung zuteil, unter anderem von Carl Friedrich Gauß und Johann Franz Encke. Trotzdem blieb sie die bescheidene Frau, die sie immer gewesen war. Ihre Biographin Renate Feyl bemerkt dazu:
„Bis an das Ende ihres Lebens versucht sie jeglichen Hinweis auf eine eigene Leistung lediglich als das Verdienst ihres berühmten Bruders herauszustellen. Sie wagt zu wissen, will aber dieses Wagnis nicht öffentlich eingestehen. Immer wieder betont sie, wie nichtsnutzig, wie unfähig, wie untauglich sie sei. Dies ist ihre lebenslängliche Demutsgeste und Entschuldigung dafür, dass sie sich erkühnt, leise, aber nachhaltig auf ihre Weise zu nehmen, was einem menschlichen Wesen zusteht: das Recht auf Erkenntnis.“
1822 starb ihr geliebter Bruder Wilhelm. Nun hielt sie nichts mehr in England. Wenige Wochen nach seinem Tod zog sie wieder in ihre Heimatstadt Hannover, die sie fast fünfzig Jahre zuvor als junge Frau verlassen hatte. Hier setzte sie ihre astronomischen Studien fort und ordnete die Aufzeichnungen, welche sie beide anfertigten und die Hinterlassenschafft ihres Bruders.
So ermöglichte sie auch ihrem Neffen John Herschel, die Arbeit seines Vaters systematisch fortzusetzen und auf den südlichen Sternenhimmel auszudehnen.
Die bedeutendsten Gelehrten suchten sie in ihrem einfachen Haus in der Marktstraße auf, um sie ihrer Gunst und Wertschätzung zu versichern. Selbst zum königlichen Hof hatte sie Kontakt. Zahlreiche Auszeichnungen wurden ihr verliehen – 1828 unter anderem die Goldmedaille der Royal Astronomical Society, zu deren Ehrenmitglied sie 1835 ernannt wurde. Sie war die erste Frau, der Anerkennungen dieser Art zuteilwurden. Anlass dazu war ihr sogenannter Zonenkatalog, den sie zum Andenken an ihren Bruder erstellt hatte. Er enthielt die reduzierten Beobachtungen sämtlicher von Wilhelm Herschel entdeckten Nebel und Sternhaufen. 1838 ernannte die Königliche Irische Akademie der Wissenschaften in Dublin die 88-jährige Caroline Herschel zu ihrem Mitglied. 1846 erhielt sie im Alter von 96 Jahren im Auftrag des Königs von Preußen die goldene Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Noch an ihrem 97. Geburtstag wurde sie vom Kronprinzenpaar empfangen, unterhielt sich einige Stunden lebhaft mit ihnen und sang ihnen abschließend ein Lied vor, das ihr Bruder siebzig Jahre zuvor komponiert hatte. Caroline Herschel starb am 9. Januar 1848. Sie erreichte das hohe Alter von 97 Jahren und wurde auf dem Gartenfriedhof in Hannover beerdigt, wo sich ihr Grab auch jetzt noch befindet.
So viele Dinge wurden nach ihr benannt, dass der Name jedem Menschen irgendwann mal begegnet ist, bzw. wird.
Der Komet 35P/Herschel-Rigollet, der Mondkrater C. Herschel im Sinus Iridum (Regenbogenbucht) und der Planetoid (281) Lucretia, aus dem Sonnensystem.
In Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Lübeck, München, Ottobrunn, Peine und Wennigsen sind Straßen, nach ihr benannt.
in Berlin-Friedrichshain der Caroline-Herschel-Platz, In Hannover die Volkssternwarte Hannover e.V. Geschwister Herschel, benannt.
Schulen, Schwimmbäder und andere Einrichtungen, tragen ihren Namen.
Sogar in die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts fand sie Eingang. Die feministische Künstlerin Judy Chicago widmete ihr in ihrer Arbeit The Dinner Party eines der 39 Gedecke am Tisch.
Inhaltlich zurecht, trägt Ein Programm der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses, ihren Namen.
Google veröffentlichte anlässlich ihres 266. Geburtstages am 16. März 2016 ein Google Doodle.
Sir John Franklin benannte eine Insel in der Nordwestpassage nach den Geschwistern Herschel.
Nicht zuletzt ist 2012 eine Mission zuende gegangen, deren eine Raumsonde Herschel und die andere nach Max Plank benannt wurde.
Nun hoffe ich, dass euch diese schöne Geschichte einer großartigen Frau und deren Lebenswerk, etwas gefallen hat.
Bleibt weiterhin astronomisch.