Meine lieben,
An diesem Ostersamstag, 19.04.2025 wird etwas aus dem Weltall über geeignete Antennen zu empfangen sein. Es ist zwar nichts außerirdisches, es ist von uns Menschen gemacht. Aber dennoch nehme ich das Ereignis zum Anlass für einen schon lange geplanten Artikel.
Ich bin gespannt, wie euch der Stil gefällt, den ich hierfür gewählt habe.
Österlich ist die Geschichte nicht nur deshalb, weil das gleich angekündigte Ereignis an Ostersamstag stattfindet. Sie ist österlich, weil Ostern das Fest der Hoffnung, Liebe, Umkehr und des Neubeginns ist.
Der Anlass
Ich zitiere:
Sehr geehrter Herr Jaworek,
wir erlauben uns, Sie über eine spektakuläre Aktion – zumindest für einen kleinen Verein wie die Simon Marius Gesellschaft – zu informieren.Der Astronom Simon Marius (1573-1624), der in Ansbach als markgräflicher Hofmathematikus zeitgleich mit Galilei die vier großen Jupitermonde entdeckte, wird mit einer Botschaft aus dem All geehrt. Der Satellit QUBE der Würzburger Forschungsfirma „Zentrum für Telematik“ (ZfT) sendet in seinen freien Minuten zwischen 17. und 23. April in regelmäßigen Abständen eine Passage aus dem Hauptwerk von Simon Marius, „Mundus Iovialis“ (Die Jupiterwelt), wo dieser seine Beobachtung des Jupitersystems vorstellt. Jedes Jahr erweitert sich die Empfangbarkeit um ein Lichtjahr – zumindest im Prinzip. Nach weniger als einer Stunde ist das Signal schon weiter entfernt als Jupiter.
Wer nicht das Equipment für eigene Beobachtung auf der Frequenz 435,600 MHz hat, kann den Empfang durch die Fachgruppe Radioastronomie der Astronomischen Gesellschaft in der Metropolregion Nürnberg (AGN) auf der Regiomontanus-Sternwarte Nürnberg am Ostersamstag, 19. April von 11:30 bis 14 Uhr verfolgen.
Näheres berichtet der Blog auf dem Marius-Portal: https://www.simon-marius.net/index.php?lang=de&menu=8.
Ist das nicht spannend?
Wir senden seit über einhundert Jahren Radiowellen. Einige davon gelangen natürlich auch ins All.
Und das Gesendete entfernt sich natürlich mit Lichtgeschwindigkeit um ein Lichtjahr pro Jahr von uns.
Das bedeutet, dass die ersten Radiowellen der Menschheit theoretisch schon aus einer entfernung von über einhundert Lichtjahren empfangbar wären.
Schon klar. der Empfang dieser ersten Wellen wäre schwierig, da ihre Intensität mit dem Quadrat ihres Abstandes abnehmen. Aber, …
Was wäre, wenn….
Was würde jemand denken, der uns aus der Ferne beobachtet – nicht mit Augen, sondern mit Antennen?
Der Sternenonkel liebt es, mit Radiowellen durch das All zu lauschen.
Doch was, wenn das All zurücklauscht?
Was, wenn eine fremde Intelligenz sich aufmacht, unseren blauen Planeten zu besuchen, und dabei unterwegs all das empfängt, was wir über Jahrzehnte unbedacht ins Universum gesendet haben?
Radiowellen kennen keine Zensur. Sie tragen alles:
Musik, Träume, Angst, Wut, Wissenschaft ,
das ganze chaotische Menschsein eben.
In diesem fiktiven Monolog schlüpfe ich in die Rolle eines Außerirdischen auf interstellarer Lauschreise zur Erde. Was er hört, fühlt und denkt – das lest ihr hier.
Vielleicht erkennt Ihr Euch wieder. Vielleicht denkt Ihr sogar neu.
Der Reisende
Ich bin kein Mensch. Ich bin ein Reisender zwischen den Sternen, eine Intelligenz aus einem fernen System, das Ihr noch nicht kennt. Seit hundert Lichtjahren bewege ich mich in Richtung Eures kleinen, blauen Planeten. Und seit ebenso langer Zeit lausche ich.
Ich lausche dem kosmischen Rauschen, den Signalen, die Euer Planet unaufhörlich in den Äther hinausschreit. Radiowellen. Fernsehsignale. Digitale Datenströme. Alles, was Ihr gesendet habt, seitdem Eure Spezies begann, ihre Gedanken und Träume durch elektromagnetische Wellen zu verbreiten.
1920er: Erste Worte im All
Zuerst war es leise. Morsezeichen, Funksprüche, erste Radiosendungen. Musik aus knisternden Lautsprechern. Stimmen, die sich vorsichtig an ein unsichtbares Publikum wenden. Ich höre die Hoffnung. Die Unsicherheit. Die ersten Versuche, eine globale Stimme zu finden.
1930er–40er: Stimmen des Krieges
Dann wird es laut. Sehr laut. Die Stimme eines Mannes mit Hass in der Kehle übertönt fast alles. Propaganda, Trommeln, Marschmusik. Weltkrieg. Schreie. Gleichzeitig: Widerstand, Mut, Gedichte, Jazz. Diese Spezies kann Hass und Liebe gleichzeitig senden.
1950er–60er: Zwischen Mond und Musik
Ich höre Rock ’n’ Roll. Elvis. Die Beatles. Ich höre Martin Luther Kings Traum. Den Countdown zur Mondlandung. „Ein kleiner Schritt…“ Ich höre Träume. Grosse Träume. Aber auch Rassismus. Krieg in Asien. Atomtests.
1970er–80er: Bunte Wellen
Die Bilder werden farbig.
Disco. Star Wars. Kalter Krieg. Ich empfange Signale voller Fantasie und Technikglauben. Aber auch Ängste. Mauern. Nukleare Drohgebärden. Zugleich beginnt ein neuer Kult: Computer. Bits und Bytes flimmern durch den Raum. Eine neue Sprache entsteht, die Sprache des Internets.
1990er–2000er: Die Welt vernetzt sich
Das Netz beginnt zu summen. Ich höre Modems, Webseiten, E-Mails. Ich höre den Fall der Mauer, die Stimmen vom Tahrir-Platz, „Yes we can“ und auch „Weapons of mass destruction“. Wahrheit und Lüge reisen nun im selben Datenpaket.
2010er: Stimmen im Strom
Jetzt wird es laut. Unendlich laut. Soziale Medien überschwemmen den Raum. Jeder sendet, jeder spricht. Ich sehe Katzenvideos, höre Verschwörungstheorien, Klimademos, Popmusik, Podcasts, Hasskommentare, Gebete. Alles gleichzeitig. Alles gleich laut.
Ich höre Greta. Ich höre Trump. Ich höre Fridays for Future. Ich höre, wie Ihr Euch selbst übertrumft.
2020er: Der Kipppunkt
Dann: Stille. Lockdown. Die Welt hält den Atem an. Ich höre Beatmungsgeräte, klatschende Menschen auf Balkonen. Ich höre Fake News, Impfdebatten, Wissenschaft, Angst. Gleichzeitig steigen Eure Stimmen wieder auf: KI, Marsflüge, neue Kunstformen. Aber auch neue Kriege. Alte Konflikte im neuen Gewand.
Fazit meines Lauschflugs
Ihr seid faszinierend. Widersprüchlich. Ihr singt, liebt, lacht. Ihr tötet, lügt, zerstört. Ihr träumt vom Himmel und vergesst, den Boden zu pflegen.
Ich höre in Euren Wellen eine junge Spezies mit ungeheurer Energie. Ihr seid Kinder mit Laserkanonen. Aber auch mit Geigen. Mit Teleskopen. Mit Gedichten, Liedern und Geschichten.
Ihr seid nicht verloren. Noch nicht. Aber Ihr seid am Wendepunkt.
Wenn Ihr es schafft, Eure Empathie so weit zu senden wie Eure Radiowellen, dann, vielleicht dann, werden wir eines Tages antworten.
Bis dahin lausche ich weiter.
Ende der Übertragung.
Wunderschön! „oh what a beautiful world“ möchte ich dir, lieber Lauscher im Kosmos zurufen – die Farben des Regenbogens, auch ein Teil des Elektromagnetischen Spektrums, die Farben von Blumen und Bäumen, Sternenlicht in der Nacht, Infrarotstrahlung (von einem Lagerfeuer?). Das Rauschen von Wind, Donner und Meeresbrandung hat dich noch nicht erreicht – diese Wellen sind langsamer als das Licht. Wie viel länger müsstest du noch lauschen bis diese Naturgewalten zu hören sind.
So viel Hoffnung steckt in deinen Worten – mögen die Menschen diese hören!
Irgendwie fühlt es sich peinlich an, wenn uns wirklich ein Wesen von einer fernen Welt belauscht und unseren ganzen Hass, Hetze, Zorn hört.
Ich werde versuchen der Sternwarte zu folgen – das klingt jedenfalls spannend. Hattest du nicht neulich mal von Simon Marius erzählt? Oder war das doch ein Podcast? Wenn man den gregorianischen und julianischen Kalender berücksichtigt hatte S. Marius tatsächlich nur mit einem Tag Unterschied die Entdeckung der Jupitermonde veröffentlicht – und ich meine, die Bezeichnungen „IO, Europa, Ganymed und Calypso??“ gehen auf ihn zurück?
Immer wieder begeistert, deine Eva
Liebe Eva,
also Dein Kommentar hat mich so berührt, dass mir vor Freude tatsächlich etwas Pippi in die Augen kam. Demutsvoll darf ich daran erkennen, dass mein Text genau das erreicht hat, was er sollte. Aber dass Du ihn dann quasi mit Deinem Kommentar noch so verschönst, bereicherst und vervollkommnest, ist einfach unglaublich.
Vielleicht sollte unser Sternenwanderer doch bei uns landen, um auch noch den Rest zu erleben, den Du ihm beschrieben hast.
Simon Marius steht noch auf meiner
lieber Gerhard, ein sehr gelungener Artikel!👍 Auch der Stil hat mir gut gefallen, ist dir wirklich gut gelungen. Und wie Eva schon gesagt hat, für manche Sendung ins All wollte man sich fast schämen. Aber deine Hoffnung nehme ich mit, vielleicht werden wir in Zukunft wieder schönere, frohere Botschaften senden.😉 Liebe Grüße David☺️
Lieber Herr Jaworek,
das ist ja großartig, dass Sie die PM gleich zum Anlass genommen haben, sie in Ihre Sammlung zu den Radiosphären einzubetten. Wir wiederum haben Ihren Blog-Beitrag nun ins Marius-Portal gestellt und zwar übergangsweise ins Menü „Berichterstattung“: https://www.simon-marius.net/index.php?lang=de&menu=5&sort=3. Neben der Bibliografierung wird noch ein Vorschaubild ergänzt, das Ihren Blog zeigt; der Link zu Ihrer Seite funktioniert aber bereits.
In ein bis zwei Monaten werde ich Ihren Blog aber ins Menü „Lexikoneinträge und Internetseiten“ verschieben und dort zu „Blogs“. Ich bin schwer beeindruckt, wie Sie diesen Blog bewältigen.
Hallo Gerhard,
da hast Du Dir eine sehr spannende Perspektive ausgedacht. So herum hatte ich mir noch nie vorgestellt, was da alles von der Erde aus durch den Äther flitzt. Vielen Dank für diese österliche Anregung, mal die Perspektive zu wechseln!
Liebe Grüße
Annedore
Liebe Annedore,
vielen Dank für den schönen Kommentar.
Gerade in der heutigen Zeit ist manchmal ein Perspektivwechsel ganz wichtig.
Die Idee, das in meinem Artikel auch mal zu versuchen, geht auf keinen geringeren als Johannes Kepler zurück. Er war für viele der erste Wissenschaftler und Astronom, der genau das getan hat. In seinem „Traum vom Mond“ wechselt er nämlich die Perspektive, indem er vom Mond aus die Erde und den Sternenhimmel betrachtet. Natürlich ist vieles, was er da so erlebt und beschreibt Spekulation, aber dieses Vorgehen an sich ist eben super spannend.
Im Oktober 2018 habe ich zu einem Vollmond-Artikel genau über diesen ersten Perspektivwechsel über Keplers Traktat geschrieben.
Schau mal:
https://blindnerd.de/2018/10/23/zum-vollmond-heute-nacht-eine-mondgeschichte/
Lieber Gerhard,
mir hat dieser Artikel mit den Radiosphären sehr gut gefallen.
Ich habe leider selbst nicht empfangen können. Meine Antenne ist auch vertikal polarisiert, was natürlich immer blöde ist, wenn Wellen eher aus dem Weltall kommen. Da ist es manchmal besser, man hat eine Antenne, die horizontal polarisiert ist. Oder eine, die gleich aus mehreren Polarisation Ebenen empfängt, wie zum Beispiel eine Eggbeater Antenne. Die heißt so, weil sie aussieht wie ein Schneebesen. Also ein Stil, und dann solche gebogenen Drähte vom oberen Ende wieder zurück nach unten. Und das in allen Ebenen, wie es bei einem Schneebesen auch ist. Sowas habe ich leider aber nicht.
Aber als damals die Kollegen aus meinem Ortsverband Tübingen mit der Raumstation gefunkt haben, als Alexander Gerst oben war, hatten sie sowas auch als Back-up, und eine Richtantenne für den Normalbetrieb.
Gruß.
Stefan
Ja Stefan, an diese Sendung mit Gerst und den Schüler:innen erinnere ich mich noch lebhaft.
Hätte ich das zu meiner Schulzeit erlebt, dann wäre ich entweder durchgedreht, bzw. gleich Astronaut geworden.
Hier zeigte sich mal wieder, wie ganzheitlich Weltall sein kann. Da müssen Fragen auswendig gelernt und sprachlich geübt werden. Da muss Lampenfieber überwunden und Mut erprobt werden. Da lernen Schüler, wie man Kabel zieht, was alles für so eine Verbindung ins All nötig ist, dass Physik und Mathematik vielleicht doch nicht ganz so unnütze Fächer sind, den Umgang mit Werkzeugen und vieles mehr.
Alexander Gerst im Kontakt mit Schulen
Alexander Gerst hielt eine sehr ergreifende Rede an seinen noch nicht vorhandenen Enkel. Das ist es, was über Weltraum und Astronomie eben auch geschehen kann. Betrachtet man die Fragilität unseres Raumschiffes Erde, dann sollte das vor allem bei Kindern das Umweltbewusstsein stärken.
„An meinen Enkel“