Bladventskalender 2025, zum Dritten Advent

Meine lieben,
in diesem Reduzierten Blindnerd-Adventskalender geht es zum Fest des Lichts und der Freude auch heute, um besondere Sterne.
Greifen wir uns heute einen solchen Stern zum dritten Advent heraus, der vom größten Beobachter seiner Zeit untersucht wurde.

Im Jahre 1543 veröffentlichte Nikolaus Kopernikus (1473-1543) ein Buch mit
dem mathematischen Rüstzeug zur Berechnung der Planetenpositionen unter der
Annahme, dass die Erde zusammen mit Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn
um die Sonne lief (der Mond war auch für Kopernikus ein Begleiter der Erde).
Drei Jahre nach Kopernikus Tod wurde Tycho Brahe in der südlichsten Provinz Schwedens geboren, die damals zu Dänemark gehörte. Als Kind interessierte er sich für die juristerei. Doch nachdem er, vierzehnjährig, eine Sonnenfinsternis beobachtet hatte, widmete er seine Aufmerksamkeit fortan der Astronomie (zum Glück für ihn und die Astronomie).
Seine große Chance kam 1572. Damals war er 26jahre alt und in Europa noch
weitgehend unbekannt.
Bis zu jenem Jahr wußten die Europäer, einschließlich der Astronomen, nichts
von neuen Sternen. Da gab es den vagen Hinweis auf den neuen Stern des Hipparch, der jedoch leicht in das Reich der Fabeln verwiesen werden konnte, zumal
Ptolemäus kein Wort darüber verloren hatte.

Mit Sicherheit kannte kein europäischer Astronom die
Aufzeichnungen der Chinesen und Japaner über die diversen neuen Sterne.
Doch dann, als Tycho Brahe am ii. November 1572 aus der chemischen Werkstatt
seines Onkels ins Freie trat, sah er einen Stern, der ihm zuvor noch nie aufgefallen
war. Er leuchtete im Sternbild Kassiopeia, hoch am Himmel, und erschien heller als
jeder andere Stern dieser einprägsamen Figur. Für jemanden, der sich so gut am
Himmel auskannte wie Tycho, war dieser Stern nicht zu übersehen.
Wie schon der Gaststern des Jahres 1054 strahlte das neue Objekt heller als die
Venus. Anders als damals konnte aber niemand glauben, es sei die Venus, denn
das Sternbild Kassiopeia liegt weit abseits des Tierkreis-Gürtels. Dorthin konnte
sich kein Planet „verirren“.
In seiner Aufregung bat Tycho jeden, der ihm begegnete, nach dem Stern zu
schauen. So erhoffte er sich Auskunft darüber, ob jemand diesen Stern vielleicht
schon am Abend zuvor dort bemerkt hatte.
jeder bestätigte Tycho, dass auch er den Stern sehe; offenbar war Tycho keiner
optischen Illusion erlegen. Aber niemand vermochte zu sagen, ob dieser Stern neu
war oder nicht oder wann er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Es war ein heller
Stern, zweifellos. Doch konnte er nach Auskunft aller Befragten schon immer an
dieser Stelle gestanden haben.
Tycho war dagegen überzeugt, dass ihm das Objekt bei seiner letzten Beobachtung dieser Gegend nicht aufgefallen war.

Der deutsche Astronom Wolfgang Schuler scheint
den Stern bereits am Morgen des 6, November, also fünf Tage vor Tycho, bemerkt zu haben.
Tycho begann nun eine allnächtliche Beobachtungsreihe, was vor ihm noch kein
anderer Astronom versucht hatte. Während eines früheren Aufenthaltes in
Deutschland hatte er sich einige Messgeräte von hervorragender Qualität gebaut,
von denen er eines sofort benutzte, einen Sextanten, mit dem er die Winkelabstände des neuen Sterns zu den übrigen Sternen der Kassiopeia bestimmen konnte. Er eichte das Instrument sorgfältig, um jedwede Fehler, die sich aus einer
unvollkommenen Konstruktion ergeben mochten, auszumerzen, und er berücksichtigte als erster die Refraktion des Lichtes in der Atmosphäre (eine geringfügige Ablenkung des Lichtes vom geraden Weg, die durch den schrägen Lichteinfall bei horizontnahen Gestirnen hervorgerufen wird). Darüber hinaus notierte er zusammen mit jeder Messung auch sorgfältig die Bedingungen, unter denen das
Ergebnis zustande gekommen war.
Ein Teleskop stand ihm noch nicht zur Verfügung (das Fernrohr wurde erst
36jahre später erfunden), aber Tycho erwies sich als der beste Beobachter in der
ganzen Geschichte der Astronomie vor der Erfindung des Fernrohrs. Seine Beobachtungen des neuen Sternes markieren – vielleicht mehr noch als die neue Theorie des Kopernikus – den Anfang der modernen Astronomie.

Der neue Stern stand so weit nördlich, dass er im Verlauf der täglichen Drehung
des Himmels nicht unter den Horizont sank. Entsprechend konnte Tycho ihn die
ganze Nacht über beobachten. Und am nächsten Morgen stellte er zu seiner
Überraschung fest, dass der Stern hell genug leuchtete, um auch am Taghimmel
sichtbar zu bleiben.
Doch der strahlende Glanz des Sterns war nur von kurzer Dauer. Seine Helligkeit
nahm von Nacht zu Nacht ab. Im Dezember 1572 erschien er nicht mehr heller
als Jupiter, im Februar 1573 war er kaum noch zu erkennen, und im März 1574
verschwand er schließlich. Tycho hatte ihn zuletzt über einen Zeitraum von
485 Tagen beobachten können. Übrigens haben auch chinesische und koreanische
Astronomen den neuen Stern bemerkt, aber sie stellten nicht so präzise Positionsmessungen an wie Tycho.
die große Zeit der fernöstlichen Astronomie neigte sich ihrem Ende zu.

Mit der Art, wie Tycho an die Erforschung dieses Gaststernes heran ging, begann wirklich eine Neuzeit der Wissenschaft.
Bald folgte die Erfindung des Fernrohres, Galilei entdeckte vier Jupitermonde, was das neue Weltbild mit der Sonne in der Mitte stützte, Kepler fand seine drei Gesetze, und Newton seine Kraft-Gleichungen.

Ich finde, dass dieser Gaststern sehr viel weihnachtliches bietet. Er markierte, wie jener von Betlehem, eine Neuzeit.
Sind wir also gespannt, wo uns unsere letzte Geschichte am vierten Advent hin führt. Ich weiß es tatsächlich nur so ungefähr.

und bis da hin, gibt es natürlich reichlich, jeten Tag ein weiteres, Türchen von unseren BLAutoren.
https://www.blautor.de/der-blautor-adventskalender/

Bladventskalender 2025, zum zweiten Advent


Meine lieben,
heute ist der zweite Advent, an welchem dieser Artikel erscheinen sollte, zwar schon vorbei, aber die Technik wollte gestern nicht.

Heute geht es darum, dass der Stern von Betlehem durchaus vor dem Hintergrund in guter Gesellschaft war, als dass er plötzlich auftauchte, die Könige zum Stall führte, und dann wieder verschwand.
auf keinen Fall möchte ich dem Stern von Betlehem seinen Ruhm und seine Funktion und Wichtigkeit schmälern, was er auch immer war.
Wir haben in verschiedenen Artikeln älterer Adventskalender schon einige Möglichkeiten durchgespielt, was er gewesen sein könnte.
Da wäre die Idee, er könnte ein Komet gewesen sein, die der Planetenkonjunktion oder auch die einer Nova zu nennen.

Schauen wir uns also diese Himmelsgäste mal etwas genauer an.

Ungefähr zwischen den Jahren 500 v. Chr. und 1500 n. Chr. waren die Chinesen eine Hochkultur der Wissenschaft. Sie beobachteten den Nachthimmel und die Planeten genau. Anscheinend brauchten sie sich nicht an der Vollkommenheit und Unveränderbarkeit des Sternenhimmels fest zu halten, wie es Europäer taten, die sich über Jahrtausende an Aristoteles orientierten, der genau dieses forderte.
So vermeldeten sie beispielsweise im Jahre 134 v. Chr. die Erscheinung eines Kometen und stützten damit die Äußerung des römischen Geschichtsschreibers über das, was Hipparch am Himmel beobachtet haben könnte.
Gewiss, auch die Chinesen interessierten sich nicht aus purer Neugier für das himmlische Geschehen; sie waren vielmehr, wie die Babylonier und Griechen, an der Astrologie interessiert. Sie hatten für alle möglichen Erscheinungen am Himmel Deutungen entwickelt und versuchten nun, daraus die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse auf der Erde abzuleiten.
Da es sich bei den durch die himmlischen Zeichen vorhergesagten Ereignisse zumeist um Katastrophen handelte – um Kriege, Epidemien oder Tod -, mussten die Mitglieder der Oberschicht und selbst der Kaiser gewappnet sein, um durch entsprechende Aktionen das drohende Unheil abwenden zu können. Falls irgendein Unglück ohne Vorwarnung eintrat, konnte das durchaus den Kopf des jeweiligen Hofastronomen kosten.
Ein Beispiel hierfür ist die Enthauptung der beiden Hofastronomen Hi und Ho, die über ihrem Müßiggang vergaßen eine Sonnenfinsternis rechtzeitig anzusagen.

Im Jahre 183 am 05.12. tauchte nun ein Gaststern im Sternbild Centaur auf.
Im Jahre 210 ein weniger heller Stern im Skorpion.

Es überrascht kaum, dass wir aus Europa keine Berichte über diese Sterne kennen:

  • Die Hochkultur der Griechen – und mit ihr die Astronomie – war längst untergegangen, und die Römer hatten der Wissenschaft nie ein ernsthaftes Interesse entgegengebracht.
  • Der neue Stern im Skorpion war sicher kaum heller als Sirius, der hellste Fixstern am irdischen Firmament, und solange niemand den Himmel mit geübtem Blick betrachtete oder aber eine Karte zum Vergleich heranziehen konnte, solange mochte dieser Stern durchaus ebenso unbemerkt wieder verschwinden, wie er aufgetaucht war.
  • Und wenngleich der neue Stern im Skorpion auch über acht Monate hindurch zu beobachten war (wie die chinesischen Quellen berichten), kann er nur während der ersten Nächte so hell wie Sirius gewesen sein. Danach musste er langsam, aber stetig verblassen, und je schwächer er wurde, desto weniger konnte er jemandem auffallen, der den Himmel nicht so eifrig durchmusterte wie die chinesischen Astronomen.
  • Der neue Stern des Jahres 183 im Sternbild Zentaur war nach Angaben der chinesischen Chroniken wesentlich heller als jener zwei Jahrhunderte später im Skorpion n entdeckte Stern. Einige Wochen hindurch erschien er wahrscheinlich heller als jedes andere Himmelsobjekt (ausgenommen Sonne und Mond). Ein solcher Stern hätte eigentlich nicht übersehen werden können, doch tauchte er sehr weit am Südhimmel auf, und das erschwerte die Beobachtung selbst eines so hellen Gestirns erheblich.
  • Von der chinesischen Sternwarte in Lo-yang aus erreichte der neue Stern nie mehr als 3 Grad Höhe über dem Horizont. Entsprechend blieb dieser Stern in ganz Mitteleuropa, in Frankreich, Deutschland und selbst in Italien, jenseits des Horizonts und hätte nur von Sizilien oder Athen aus eben noch beobachtet werden können. In Alexandria dagegen, damals noch einer Hochburg der griechischen Wissenschaft, stieg er hoch genug über den Horizont, um auffallen zu müssen.
  • Dennoch finden wir diesen Stern bei keinem griechischen Astronomen erwähnt. Auch wenn man diesen hellen Stern über dem Südhorizont bemerkt hatte, so verbot der Respekt vor der Autorität des Aristoteles einen schriftlichen Bericht darüber; und wenn es solche Berichte dennoch gegeben haben sollte, so dürften sie kaum anerkannt worden und bald wieder in Vergessenheit geraten sein.

600 Jahre lang gab es keine weiteren Berichte über derartige Himmelsgäste mehr.
Erst im Jahre 1006 findet man wieder einen Bericht, diesmal über einen Stern im Sternbild Wolf das an den Zentaur angrenzt und daher ähnlich weit im Süden liegt.
Trotz seiner südlichen Lage wurde dieser Gaststern sowohl von chinesischen als auch von Japanischen Astronomen erwähnt.

Im westlichen Kulturkreis wurde die Astronomie zu jener Zeit hauptsächlich von den Arabern gepflegt, die damals gerade die Glanzzeit ihrer Wissenschaft erlebten. So gibt es auch mindestens drei Berichte arabischer Beobachter.

Nach Einschätzung einiger Astronomen erreichte er möglicherweise etwa ein Zehntel der Helligkeit des Vollmondes. er blieb womöglich drei Jahre hindurch mit bloßem Auge sichtbar, kann aber kaum länger als einige Wochen heller als die Venus erschienen sein.

Dieser Stern kam für Beobachter im südlichen Europa hoch genug über den Horizont, und so sollte man annehmen dürfen, dass die Menschen in Italien, Spanien und Südfrankreich des Nachts damals voller Ehrfurcht und Erstaunen in Richtung Süden blickten. Mitnichten! Zumindest findet man nirgendwo einen Bericht darüber. Lediglich die Chroniken zweier Klöster (in der Schweiz und Italien) enthalten wage Hinweise auf etwas, hinter dem sich ein heller Stern verbergen könnte, doch mehr nicht.
Da dieser Stern im Jahre 1006 aufleuchtete, würde man erwarten können, dass die Europäer sein Erscheinen als Vorboten für das nahe Ende der Welt angesehen hätten. Etliche Menschen glaubten damals nämlich, dieses Ende der Welt würde rund tausend Jahre nach der Geburt Christi über sie hereinbrechen. Doch nicht einmal diese furchterregende Möglichkeit reichte aus, um sie zu einem Bericht über das Ereignis zu veranlassen.

Dann platzte im Jahre 1054 (nach modernen Berechnungen am 4.Jul‘) ein Stern in die majestätische Ruhe hinein, diesmal im Sternbild Stier, das ein gutes Stück nördlich des Himmelsäquators liegt, also von Europa gut zu sehen.
Das Objekt im Stier war anfangs mindestens zwei- oder dreimal so hell wie die Venus zur Zeit des größten Glanzes und konnte über einen Zeitraum von drei Wochen neben der Sonne am Taghimmel gesehen werden (falls man wußte, wo man nach ihm Aus schau halten sollte), während Gegenstände nachts in seinem Licht einen schwachen Schatten warfen (ähnliches gilt unter günstigen Voraussetzungen bereits für die Venus).
Am Nachthimmel konnte man den Stern noch fast zwei Jahre hindurch beobachten. Später schien es, als hätten nur chinesische und japanische Astronomen diese eindrucksvolle, leicht zu beobachtende Erscheinung registriert.
Nirgends fand man einen Bericht über europäische oder arabische Beobachtungen.
Wie ist so etwas denkbar? Den ganzen Juli über muss der Stern in den Stunden vor Sonnenaufgang unübersehbar gewesen sein.

  • Vielleicht schliefen die meisten Europäer um diese Zeit.
  • vielleicht versperrte aber auch eine dicke Wolkendecke den Blick nach oben.
  • Vielleicht hielten ihn aber auch jene, die ihn sahen, irrtümlich für die Venus, die ja auch hin und wieder im Sternbild Stier zu sehen ist.
  • Wer aber sicher war, dass dies nicht die Venus sein konnte, mag an Aristoteles und an die Vollkommenheit der göttlichen Schöpfung gedacht und den Blick geflissentlich abgewendet haben.

In den letzten Jahren ist jedoch ein arabischer Bericht aufgetaucht, der auf einen hellen Stern im Jahre 1054 zu verweisen scheint, und ein ähnlicher Hinweis wurde in einer italienischen Chronik gefunden.

Bei diesen Gästen wollen wir es vorerst belassen, denn als die nächsten am Himmel erschienen, hatten sich die Zeiten geändert. Man interessierte sich nach und nach wieder für Wissenschaft und Astronomie in Europa. Europa erwachte im Laufe der Zeit aus dem Mittelalter und das schaffte langsam wieder freien Raum für freies und unabhängiges Denken und Forschen.
Damit wollen wir uns weihnachtlich am nächsten Advent beschäftigen.
Und jetzt geht es num literarischen Adventskalender
bitte hier lang.

Bladventskalender 2025 -zu Nikolaus


Meine lieben,

Navigation und die Seefahrt spielten schon häufiger eine Rolle auf diesem Blog.

Da wären z. B.
Nikolaus und Probleme der Seefahrt
oder auch
David gegen Goliat – Ein Uhrmacher revolutioniert die Seefahrt

Uns ist ja dieser Nikolaus eher durch gute Taten und Geschenke bekannt, und weniger als Patron der Seeleute.
Ich habe mich tatsächlich mal gefragt, wieso dieser Nikolaus so wichtig für die Seeleute wurde, wo er doch selbst nur selten Seefahrer war, bzw. auf Booten mitgefahren ist.
Schauen wir uns das vor allem vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten mit richtiger Navigation auf hoher See bis vor gar nicht langer Zeit noch immer gab.
Ich habe mir das also mal von ChatGPT hoffentlich sauber und richtig erklären lassen.

Nikolaus von Myra ist Patron der Seeleute, weil sich schon früh zahlreiche Legenden um wundersame Rettungen auf See mit seinem Namen verbanden. Historisch gesichert ist daran wenig, aber die überlieferten Geschichten prägten stark, wie man Nikolaus wahrnahm. Die wichtigsten Punkte:

  1. Nikolaus stammte aus einer Hafenstadt
    Myra (heute Demre in der Türkei) lag unweit der Küste und war ein wichtiger Hafen- und Handelsort. Damit lag es nahe, dass Nikolaus in der Volksfrömmigkeit mit Seefahrt verbunden wurde.
  2. Die berühmteste Legende: Sturmstillung auf dem Meer
    Eine alte Legende berichtet:
    Seeleute gerieten in einen heftigen Sturm.
    In ihrer Not riefen sie Nikolaus an (obwohl er weit entfernt war).
    Nikolaus erschien ihnen wundersam, beruhigte den Sturm oder gab konkrete Anweisungen.
    Als die Seeleute später nach Myra kamen, erkannten sie ihn wieder und dankten ihm.
    Diese Erzählung erinnert bewusst an die biblische Sturmstillung Jesu – was Nikolaus’ Rolle als Schutzheiliger enorm verstärkte.
  3. Weiteres Wunder: Rettung eines Schiffes im Hafen
    Eine andere Legende erzählt, wie Nikolaus ein Schiff vor dem Kentern rettete oder Seeleute vor dem Ertrinken bewahrte. Dadurch wurde er als mächtiger Fürsprecher wahrgenommen, der zwischen Meer und Himmel vermitteln konnte.
  4. Verbreitung durch Seefahrer und Handel
    Seeleute brachten die Verehrung des heiligen Nikolaus über das ganze Mittelmeer und später nach ganz Europa. Besonders in Italien und später auch in Norddeutschland (Hamburg, Lübeck) wurde er der wichtigste Schutzpatron der Schiffer.
  5. Symbolik: Nikolaus als Helfer in Todesgefahr
    Die Seefahrt war im Altertum und Mittelalter lebensgefährlich. Ein Heiliger, dem man Rettungsgeschichten zuschrieb, wurde schnell zum Patron aller, die mit diesen Gefahren zu tun hatten.

Also ich habe hier tatsächlich viel neues über Nikolaus erfahren. Ich hoffe, nun, dass euch dieser kleine Nikolaus auch mal außer den Links auf andere Beiträge, ganz unastronomisch ist.
Und ja, nun folgt natürlich noch die Verlinkung zu unserem literarischen Adventskalender von BLAutor.
Bitte hier lang.

Blindnerd-Adventskalender – zum ersten Advent

Meine lieben,

sicherlich wundert ihr euch, dass der Blindnerd schon am ersten Advent mit seinen Weihnachtsgeschichten beginnt, obwohl der 01. Dezember doch erst morgen ist.
Ja, das hat seinen Grund.
In diesem Jahr kann es leider keinen Blindnerd-Adventskalender geben, der alle 24 Türchen befüllt.
Viele von euch wissen es, dass ich im letzten halben Jahr sehr gesundheitlich gebeutelt war. Da fehlte mir einfach die Kraft, vierundzwanzig Geschichten zu recherchieren und zu schreiben. An Ideen hätte es mir durchaus nicht gemangelt.

Ganz hängen lassen darf der Sternenonkel aber seine Leserschaft in der Weihnachtszeit, wo Sterne so wichtig sind, doch nicht.
Deshalb werde ich diesmal nur die Eckdaten, alle vier Adventssonntage, Nikolaus und natürlich den heiligen Abend bedienen.

Nun wisst ihr auch, wieso ich zu früh starte. Aber wenn man schon nicht alle Türchen füllt, dann muss wenigstens der erste Advent dabei sein, ob es nun schon Dezember ist, oder nicht.
Ich bitte euch dafür um Verständnis.

Ach ja, die Verlinkung zum Adventskalender des Arbeitskreises BLAutor, gibt es natürlich. Den administriere ich ja nur und bekomme die Geschichten für die Türchen von unseren Schreiberlingen geliefert.
Der startet allerdings, wie es sein soll, erst morgen.
Starten wir also mit meiner Geschichte zum ersten Advent.

Am letzten Wochenende hatten wir unsere Jahresfreizeit des Evang Blinden- und Sehbehindertendienstes Baden diesmal zum Thema Luft. Darüber werde ich noch extra schreiben.
Aber dennoch ist vor allem der Gottesdienst dieser Freizeit Anlass zu diesem Einstieg in die Adventszeit.
Hier nur ganz kurz, worum es in der Freizeit grob ging.

  • Wir erfuhren, woraus Luft besteht, wie sie auf die Erde kam, dass sie nicht immer so war, wie sie jetzt ist, von ihre Geschichte der Entdeckung ihrer Bestandteile, wie sich die Alchemie zur heutigen Chemie entwickelte, und wie man Brot aus Luft gewinnen kann.
    Damit ist natürlich die Herstellung von Düngemitteln aus dem Stickstoff unserer Atmosphäre gemeint, mit
  • deren Hilfe der Welthunger gelindert werden konnte.

  • Unsere Ursula, die mittlerweile dreiundneunzig Jahre auf dem Buckel hat, erklärte uns die Luft aus Sicht der Weltreligionen.
    Da gibt es den Odem, der Gott dem Menschen einhauchte, auf dass er lebe,
    das geistige Atma der buddhistischen Religionen,
    auch den heiligen Geist, der mit Luft verglichen werden kann, und vieles mehr.
    Mich erstaunt hier immer wieder, wie Ursula uns das alles frei erzählt, ohne Notizen oder Skript. Euer Sternenonkel kann das nicht.
  • Nach Kaffee und Kuchen wurde es richtig praktisch. Eine Atemtherapeuting zeigte uns, wie man diesen Lebensstoff richtig einsaugt und bewusst erlebt.
    Richtiges Atmen ist sehr wichtig. Es gibt Entspannung und uns auch die richtige Stimme, wenn wir sie brauchen.
    Also ich finde, da waren einige Übungen dabei, die sich sehr gut in den Alltag integrieren lassen.
  • Als finaler Höhepunkt und Ausklang steht immer der Abschlussgottesdienst am Sonntag.
    Diesmal konnten wir dafür eine Pfarrerin aus dem EOK gewinnen. In ihrer Predigt griff sie auf ganz wunderbare Weise alles nochmal auf, was wir an diesem Wochenende erleben durften.
    Besser konnte man die ganzen losen Fäden nicht zusammenführen.
  • Und dann. Ein König wird meist durch Trompetenstöße angekündigt. Spätestens, als unser lieber Johannes in sein wunderbares Instrument blies, war mir klar, Jetzt ist sie da, die Advents- und Weihnachtszeit. Er, unser König und Heiland kündigt sich an. Er wird kommen. Er ist schon unter uns. Darauf dürfen wir Christen hoffen, glauben und seiner gewiss sein…

Also für mich beginnt die Adventszeit immer mit Musik. Der erste Advent ohne Weihnachtsoratorium von J. S. Bach geht gar nicht. Ich bin nicht besonders religiös, aber dieses Werk gibt mir so viel Hoffnung und Zuversicht, dass ich es sogar in diesem Sommer, als ich wirklich sehr geplagt von Schmerzen war, begeistert angehört habe. Ja, diese Kraftquelle funktioniert auch im Sommer.

Ich hatte das Werk schon mal vor vielen Jahren behandelt, aber gerade nach überstandener Krankheit ist es mir so wichtig, dass ich es hier nochmal erwähne und mit euch teile.

Aus Wikipedia:

Das Weihnachtsoratorium BWV 248 ist ein sechsteiliges Oratorium für Soli (SATB), gemischten Chor und Orchester von Johann Sebastian Bach. Die einzelnen Teile wurden erstmals vom Thomanerchor in Leipzig in den sechs Gottesdiensten zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest 1735 in der Nikolaikirche und der Thomaskirche aufgeführt. Feierliche Eröffnungs- und Schlusschöre, die Vertonung der neutestamentlichen Weihnachtsgeschichte in den Rezitativen, eingestreute Weihnachtschoräle und Arien der Gesangssolisten prägen das Oratorium. Die sechs Teile werden durch die Freude über die Geburt Christi verbunden. Von der musikalischen Gattung steht das Weihnachts-Oratorium Bachs oratorischen Passionen nahe. Es ist das populärste aller geistlichen Vokalwerke Bachs und zählt zu seinen berühmtesten geistlichen Kompositionen. Das Oratorium wird heute häufig in der Advents- und Weihnachtszeit ganz oder in Teilen aufgeführt. Die Gesamtspieldauer beträgt circa 2½ Stunden.

Es lohnt sich wirklich, sich dieses Werk mal anzuhören. Bei mir ist Weihnachts- und Adventszeit ohne dieses Werk seit Jahrzehnten nicht vorstellbar.
Ihr werdet es sicher in einem Musikanbieter eurer Wahl finden.
Es gliedert sich in folgende Teile:

  1. Teil I: „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage“
  2. Teil II: „Und es waren Hirten in derselben Gegend“
  3. Teil III: „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“
  4. Teil IV: „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“
  5. Teil V: „Ehre sei dir, Gott, gesungen“
  6. Teil VI: „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“

Mehr möchte ich euch an dieser Stelle zu diesem Werk nicht verraten, da ich über keine klassische Musikausbildung verfüge. Macht es einfach, wie ich. Hört, vernehmt und genießt.
Und wie gesagt. Ihr findet das Werk bei allen Musikanbietern. Ich werde jetzt an dieser Stelle keine Werbung für eine besondere Aufführung machen, weil es mir fern liegt, diese zu beurteilen. Die beste Inszinierung kann nicht gesucht, sondern muss von jedem für sich gefunden werden.
Wenn ihr mögt, dürft ihr euren Fund gerne in den Kommentaren mit uns teilen.

Lasst mich den Beitrag mit einem Kommentar eines unserer Leser beschließen. Er schrieb damals:

Ja, in der Tat: großartige Musik. Es macht auch nicht viel, dass uns vieles heute nicht mehr so klar ist beim Hören. Beispiel: ganz viel Trompete gleich am Anfang. Wir würden heute sagen: naja klar, schön feierlich eben. Damals hatte das hingegen zugleich eine Aussage; Trompetensignale bedeuten: Da kommt ein König, _der_ Herrscher überhaupt, Christus. Es ist wie bei vielen schönen Dingen: Je mehr wir davon verstehen, desto größer wird das Staunen; also gerade nicht: OK, kapiert, abgehakt; sondern: ach so, wow, stark! So, denke ich, geht es ja auch dem Blogger bei der Beschäftigung mit seinem Fach.

Und jetzt gibt es, wie schon in den letzten Jahren wieder den Querverweis auf den wunderbaren Adventskalender des Arbeitskreises der BLAutoren.
Bitte hier lang.

Startet gut und schön in die Advents- und Weihnachtszeit.
Alles liebe und gute wünscht euch
euer Sternenonkel.

Leuchtende Verführung


Meine lieben,
beginnen wir unseren Beitrag zu Hallooween 2025 mit einem Zitat aus einem Hörspiel. Hörspiel deshalb, weil dort das Zitat deutlich kürzer ist, als aus dem Buch.

Es war Mitternacht, und im Haulewald brauste der Sturmwind.
Plötzlich huschte ein schwacher Lichtschein in Zick-Zack-Linien durch das Gehölz.
Es war ein Irrlicht, und es hatte den Weg verloren.
In der rechten Hand trug es eine winzige weiße Fahne.
Es handelte sich offenbar um einen Boten…

Nah, habt ihr erraten aus welcher Geschichte ich hier zitierte? Die Auflösung gibt es unten am Ende des Beitrages.
Was ihr aber sicher schon erraten habt ist, worum es heute zu Halloween gehen wird. Genau. Es geht um Irrlichter.

Steigen wir also ein.
Der Nebel liegt schwer über dem Moor.
Ein einsamer Wanderer tastet sich Schritt für Schritt durch das feuchte Gras.
Kein Laut, nur das leise Glucksen des Bodens unter seinen Füßen.
Dann – ein Licht.
Zuerst schwach, dann heller.
Ein kleines, bläuliches Flämmchen tanzt über dem Boden, kaum größer als eine Kerze, und scheint ihn zu locken: Komm näher…
Doch immer, wenn er sich annähert, zieht es sich ein Stück zurück – flackernd, schwebend, verspielt.
War es eine Seele? Eine List der Natur? Oder einfach nur der Atem der Erde?

Die Menschen früherer Zeiten konnten sich die Irrlichter nicht erklären – und so gaben sie ihnen Geschichten.
Im alemannischen Raum heißen sie Drudefüür, Seelenlichtle oder Männle mit dem Füürle.
Man sagte, es seien die Seelen derer, die keine Ruhe fanden:
Die Geizigen, die den Zehnten nicht bezahlt hatten, oder die Verirrten, die zwischen den Welten wandelten.

Wanderer wurden gewarnt, einem Irrlicht zu folgen – es führe geradewegs ins Moor, wo man versinke, wie die Seele in der Sünde.
In manchen Gegenden glaubte man auch, Irrlichter seien gute Geister, die den Weg zum Himmel suchten.
Zu Allerheiligen und Allerseelen, also in der Zeit um Halloween, erzählte man sich, dass die Grenze zwischen den Welten durchlässig wird.
Dann, so hieß es, tanzen die Irrlichter häufiger – als Zeichen dafür, dass die Verstorbenen unter uns weilen.
Das mit der durchlässig werdenden Grenze zwischen den Welten finden wir übrigens auch in den Geschichten, Mythen und Sagen, welche sich um Polarlichter ranken. Aber die heb ich mir für einen anderen Halloween auf.
Dass etwas an den Irrlichtern dran sein muss, darf kaum bezweifelt werden, denn es gibt sie in so vielen Kulturen, und meist dort, wo es Moore gibt. Schauen wir uns also jetzt an, was die Wissenschaft dazu zu sagen hat.

Immer dann, wenn wir ein Naturphänomen nicht verstehen, geben wir ihm bis heute Geschichten, Mythen und Sagen.

Heute wissen wir: Irrlichter sind keine Geister, sondern chemische Lichtphänomene, die aus dem Inneren der Erde aufsteigen.
In den faulenden Tiefen eines Moores entsteht durch den Abbau abgestorbener Pflanzen Methan (CH₄). Begleitet wird es oft von Phosphin (PH₃) und Diphosphin (P₂H₄) – Gase, die bei Kontakt mit Luft spontan zu leuchten oder sogar zu brennen beginnen.
So entstehen diese kleinen, flackernden Flämmchen, die scheinbar über dem Boden schweben.
Sie brennen mit kaltem, bläulichem Licht, lautlos und kurzlebig. Ein Hauch von Chemie – aber einer, der Jahrhunderte lang die Fantasie beflügelt hat.

Manchmal steckt hinter einem Irrlicht auch Biolumineszenz: Leuchtbakterien oder Pilze, die in feuchtem Holz oder Moorboden leben. Ihr Leuchten ist nicht heiß, sondern biologisch – wie bei Glühwürmchen.
Solche Lichter scheinen stationär zu leuchten und könnten in sehr dunklen Nächten als „Irrlichter“ wahrgenommen werden.

Manchmal reflektiert auch einfach feuchter Nebel das Licht entfernter Quellen (z. B. Kerzen, Lagerfeuer, Autoscheinwerfer). Durch die Dämpfe und Bewegungen in der Luft wirkt das Licht dann geisterhaft schwebend.

Warum sie wandern:
Wenn Methan- oder Phosphingase aus einem Moor aufsteigen, werden sie von leichten Luftströmungen getragen. Dadurch scheinen die Lichter einem Menschen aus der Ferne zu „folgen“ oder vor ihm davonzuschweben — was den alten Volksglauben vom „verführenden Irrlicht“ befeuerte.

Ja, nun wissen wir es also, wie die Dinger funktionieren. Aber für mich haben sie ihre Faszination längst noch nicht verloren. Vor dem Wissen kommt immer erst das Staunen. und genau dieses muss nicht in dem Moment aufhören, wo man etwas entzaubert hat, weil man versteht, wie was funktioniert.

Heute wissen wir also, dass kein Geist im Moor spukt.
Und doch – wenn wir ehrlich sind – verlieren die Irrlichter nichts von ihrem Zauber.
Denn sie zeigen uns, wie dünn der Schleier zwischen Wissenschaft und Wunder manchmal ist.

Vielleicht sind sie tatsächlich Seelenlichter – nur anders, als die Menschen früher glaubten.
Nicht die Seelen der Toten, sondern die leuchtenden Atemzüge der Erde selbst, die kurz sichtbar werden, wenn sie Leben und Verfall ausbalanciert.

Wenn du also an einem kühlen Herbstabend über ein Moor gehst und ein fernes Flackern siehst –
dann halte inne.
Atme den feuchten Nebel, hör auf das leise Zischen der Erde –
und grüße das Irrlicht.
Es ist kein Spuk – es ist Physik, die Poesie geworden ist.
Ja, Ja, Ja, Poesie von der KI…

Ach ja, da fehlt ja noch was; das Buch aus dessen Hörspiel ich zitierte.
Es war natürlich „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende.
Das Irrlicht, Namens Blupp, trifft in einer Waldlichtung auf drei weitere Gestalten Phantasiens, einen Steinriesen, einen Nachtalp und einen Winzling. Sie tauschen sich aus, und stellen fest, dass ganz Phantasien in Gefahr ist, weil sich das „Nichts“ offenbar überall ausbreitet.
Alle viere machen sich nun getrennt auf den Weg zum Elfenbeinturm, um der kindlichen Kaiserin zu berichten.
Der Nachtalp auf seiner Fledermaus fliegend glaubt, dass er das Ziel als erster erreichte. Aber weit gefehlt. Es war der Winzling auf seiner Rennschnecke, der ihn bereits mit seinem Hut winkend, erwartet.

und schließlich erreicht auch der Steinriese das Ziel, der in einem Anfall von Heißhunger sein Steinfahrrad verspeist hatte, und deshalb den Großteil des Weges zu Fuß zurücklegen musste. Ob das Irrlicht jemals ankam, oder sich erneut verirrte, erfahren wir leider nicht.
Und dann nimmt die unendliche Geschichte eben ihren Lauf.

Hier kommt für euch noch eine Irrlicht-Geschichte zu Halloween.
Natürlich! 🌫️ Hier ist eine klassische Sage, in der ein **Irrlicht** Menschen in die Irre führt — sie stammt aus dem **norddeutschen Volksglauben**, ist aber in ähnlicher Form in ganz Mitteleuropa verbreitet:

Die Sage vom Irrlicht im Moor, gefunden von ChatGPT.
In alten Zeiten, so erzählt man sich im Norden Deutschlands, gab es nahe eines kleinen Dorfes ein weites Moor, das bei Nacht gefährlich war. Niemand wagte sich nach Sonnenuntergang dorthin, denn dort sollen Irrlichter tanzen — kleine, bläuliche Flammen, die dicht über dem Boden schweben und trügerisch wie Laternen flackern.

Eines Abends kehrte ein junger Bauer spät vom Markt zurück. Der Mond war von Wolken verdeckt, und der Heimweg führte dicht am Moor vorbei. Plötzlich sah er in der Ferne ein kleines Licht — warm und freundlich, wie von einer Laterne, die jemand vor sich her trägt.

„Da wird wohl einer vom Dorf sein, der mir den Weg zeigt“, dachte der Bauer erleichtert, und er folgte dem Licht. Doch das Licht wich ihm immer ein Stück aus, gerade weit genug, dass er es nicht erreichte.

Bald war der Weg unter seinen Füßen weich und sumpfig geworden. Das Licht flackerte näher und ferner, bis der Mann merkte, dass er mitten im Moor stand. Ein kalter Wind zog auf, und das Licht begann, höhnisch um ihn zu tanzen. Da wusste er, dass es kein Mensch war, sondern ein **Irrlicht**, das ihn ins Verderben führen wollte.

Verzweifelt bekreuzigte sich der Bauer und sprach ein Gebet. Da erlosch das Licht mit einem zischenden Laut — und plötzlich hörte er in der Ferne den Hahn krähen. Mühsam tastete er sich zurück, bis er endlich festen Boden spürte. Am nächsten Morgen fand man seine Fußspuren — sie endeten nur wenige Schritte vor einem tiefen Tümpel, in dem schon viele verschwunden waren.

Seit jener Nacht warnte man im Dorf die Kinder:
„Folge niemals einem Licht im Moor, wenn du allein bist. Es könnte ein Irrlicht sein, das deine Seele holen will!“

Mensagespräche


Meine lieben,

heute geht es um etwas, worüber sich einige Nerds und ich neulich in der Mensa unterhielten.
Der Gegenstand von heute ist sehr flüchtig und kommt bei uns auf der Erde eher selten vor. Kommt es frei, dann haut es sofort ins Weltall ab. Obwohl es das zweithäufigste im Universum ist, ist es hier selten und kostbar.

Wir füllen es in Luftballons, die dann in die Höhe steigen und atmen es ein, damit wir wie die Mickymaus sprechen können.
Nicht zuletzt kühlen wir damit um die Wette, um möglichst nahe an den absoluten Nullpunkt von -273 Grad heran zu kommen, 0 Kelvin also.
Na klar. Ihr habt es längst erraten, dass es um Helium gehen wird.
Also los.

Die Entdeckung

Es ist kaum mehr als einhundert Jahre her, als die Wissenschaft noch davon ausging, dass die Sonne ähnlich aufgebaut sei, als unsere Erde. Nun ja. Immerhin zeigen sich im Sonnenspektrum auch viele Linien bekannter Elemente.
Erst eine Frau, mit Namen Cecilia Payne, räumte damit auf und erklärte uns den Sonnenstoff.
Ich schrieb darüber zum Weltfrauentag 2022 und in meinem Adventskalender in
Die Frau mit dem Sonnenstoff
Sie fand heraus, dass Sterne im wesentlichen aus Wasserstoff und Helium bestehen, und sich somit grundlegend vom Aufbau der Erde unterscheiden.
Also mich verblüfft das sehr, dass man etwas entdecken kann, obwohl man nicht vor Ort ist. Genau so ist das mit dem Helium passiert. Der Name sagt es ja schon. Helium heißt so, weil es eben nicht zuerst auf der Erde, sondern auf der Sonne entdeckt wurde.

Die Entdeckung des Heliums führt uns nach Indien in das Jahr 1868. Dort bewegte sich am 18.08. der Kernschatten einer Sonnenfinsternis über die indische und die malaiische Halbinsel.
Das wollten sich vor allem zwei Astronomen nicht entgehen lassen.

Den einen haben wir schon mal kennengelernt in Ein Sonnenforscher, eine Finsternis und ein Latenzaun
Der Astronom und Fotograf Pierre Jules César Janssen nahm also die beschwerliche Reise auf sich, um von Guntur in Indien aus diese Finsternis zu beobachten und zu fotografieren.
Als nach kurzer Zeit die Sonne wieder hinter der Mondscheibe hervortrat und die Protuberanzen verblassten, soll Janssen ausgerufen haben:
„Diese Linien will ich auch außerhalb der Finsternisse beobachten.“
Und was macht er danach? Er erfindet mal eben den Heliospektrographen.
Damit kann man Sonnenfinsternis auch am Tag und auf der ganzen Sonnenoberfläche erleben.

Den anderen der zwei, hätte diese Reise beinahe sein Leben gekostet.
Joseph Norman Lockyer schiffte sich auf der Psyche ein, um zum Ort des Geschehens zu gelangen. Leider erlitt er mit diesem Schiff Schiffbruch. Er wurde aber irgendwie gerettet, und erreichte mit knapper Not noch sein Ziel.
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass er gerade noch drei Sekunden Finsternis beobachten konnte.

Ja, es war schon gefährlich, damals ein Finsternisjäger zu sein. Je nach dem, wo sie stattfindet, ist das bis heute so. Seereisen mögen sicherer geworden sein, und viele Orte kann man per Flugzeug erreichen, aber oft fallen die Finsternisse dort hin, wo einem Krokodile oder Schlangen in die Füße beißen können…

Aber nichts für ungut, fanden beide unabhängig voneinander eine gelbe Linie im Sonnenspektrum, die bisher noch keinem Element auf der Erde zugeordnet werden konnte. Es musste sich also um einen Stoff handeln, den es scheinbar nur auf der Sonne zu geben schien. Grund genug, ihn Helium zu nennen.

Das ist doch absurd. Da versteckt sich unser Heimatstern mal kurz hinter dem Mond, und die beiden finden die gelbe Spektrallinie des Heliums.

Zum Glück passt eben nur der hell leuchtende mittlere Teil der Sonne hinter den Mond, so dass die spannende Korona noch seitlich hervorluggt. Zumindest bei totalen Finsternissen ist das so.
Somit war Helium das erste Element, das nicht zuerst auf Erden entdeckt wurde.
Es dauerte noch ungefähr dreißig Jahre, bis man es auch auf der Erde fand.

Der schottische Chemiker William Ramsay suchte in einem Mineral namens Cleveit (ein Uranerz) nach Argon.
Stattdessen fand er ein Gas mit genau jener geheimnisvollen gelben Spektrallinie – es war das Sonnen-Helium!
Kurz darauf bestätigten die schwedischen Forscher Per Teodor Cleve und Nils Abraham Langlet die Beobachtung und isolierten größere Mengen.

Was ist Helium?

  • Helium ist ein besonderes Element: Es ist ein sogenanntes Edelgas und gleichzeitig das zweitleichteste chemische Element nach Wasserstoff.
  • Ein Edelgas geht mit nichts chemische Reaktionen ein.
  • Es besteht in seinem Kern aus zwei Protonen und zwei Neutronen, der von zwei Elektronen umgeben ist.
  • Es kann nicht wie viele andere Stoffe durch chemische Prozesse hergestellt werden, da es sich um ein reines Atom handelt und nicht um eine Verbindung, die man mischen könnte.
  • Es kommt chemisch quasi einzeln vor, wobei sich die nicht edlen Gase mit ihresgleichen verbinden, wenn sich nichts besseres findet, z. B.
    Wasserstoff als H2,
    Sauerstoff als O2
    Stickstoff als N2
    und Helium eben alleine als He. Das hat zur Folge, dass man es sogar noch schlechter einsperren kann, als Wasserstoff, weil es alleine überall durchrutschen kann.

Das vorhin erwähnte Argon ist übrigens ebenfalls ein Edelgas. Es ist aber deutlich schwerer als Helium. Wenn man das einatmet, dann klingt man tiefer. Da Argon schwerer als Luft ist, muss man nach so einer Aktion einen Kopfstand machen, damit das schwere Gas wieder aus einem herausfallen kann, um wieder Platz für normale Luft in der Lunge zu schaffen.
Bitte besser nicht versuchen. Man könnte dabei ersticken.
Aber zurück zu unserem Sonnenstoff.

Natürliche Entstehung

Helium entsteht hauptsächlich im Inneren von Sternen durch Kernfusion: Wasserstoffkerne (Protonen) verschmelzen zu Helium. Dieser Prozess liefert uns die Energie der Sonne, den wir gerne hier auf Erden nachstellen würden.

Auf der Erde entsteht Helium bei radioaktivem Zerfall schwerer Elemente (z. B. Uran, Thorium). Dabei werden Alphateilchen frei, die im Prinzip Helium-4-Kerne sind. Diese sammeln sich in Gesteinen und reichern sich in Erdgaslagerstätten an. Deshalb wird fast das gesamte Helium, das wir nutzen, aus Erdgas gewonnen.

Künstliche Herstellung

Helium lässt sich, wie gesagt, nicht künstlich herstellen. Man kann es nur gewinnen und abscheiden. Das ist und bleibt zumindest so lange der Fall, bis es uns vielleicht eines Tages doch gelingt, das Sternenfeuer hier auf Erden in einem Kernfusionsreaktor zu zünden und am Leben zu halten. Die magische Zahl, des Versprechens lauten schon mindestens seit fünfzig Jahren, „fünfzig“, dann ist es so weit.

In Kernreaktoren, wo Alpha-Teilchen, also Heliumkerne entstehen, kann man es eventuell auch erzeugen. Aber wer will so radioaktives Zeugs.
Helium künstlich zu gewinnen lohnt sich nicht, weil die Mengen verschwindend klein und die Verfahren extrem teuer sind.
Deshalb nutzt man weiterhin das Helium, das in Erdgasvorkommen gebunden ist.

Es ist in Erdgasen nur in Spuren (0,1–7 %) enthalten, aber weil es extrem leicht und nicht brennbar ist, kann man es durch Trennverfahren isolieren.
Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (CH₄), dazu Ethan, Propan, Stickstoff usw.
Wenn man das Gasgemisch sehr stark abkühlt und unter Druck setzt (Tiefkühlung, „Kryogene Destillation“), werden fast alle Komponenten flüssig – außer Helium, weil es den niedrigsten Siedepunkt hat (−269 °C).
Helium bleibt also gasförmig übrig, während Methan und Co. schon verflüssigt sind.
Danach wird es durch mehrfache Reinigungsschritte (z. B. Aktivkohle, Membranen, Druckwechsel-Adsorption) von Spuren anderer Gase (v. a. Stickstoff, Neon, Wasserstoff) getrennt.
Am Ende erhält man Rohhelium mit ca. 70–80 % Reinheit.
Dieses wird dann noch weiter verflüssigt oder durch spezielle Adsorptionsverfahren auf über 99,999 % Reinheit gebracht, wie es für Labor, Medizin und Raumfahrt gebraucht wird.

Besonderheiten dieses Elements

Jedes andere Gas wird bei genügend tiefer Temperatur von selbst fest.
Helium aber bleibt bei Normaldruck bis zum absoluten Nullpunkt (0 K) flüssig. Ganz nebenbei. Den absoluten Nullpunkt kann man nicht erreichen, aber fast…
Erst wenn man Druck anlegt (ca. 25 bar bei Helium-4), kristallisiert es zu einem Festkörper.
Der Grund dafür sind quantenmechanische effekte.
Helium-Atome sind extrem leicht.
Die Bindungskräfte zwischen ihnen (Van-der-Waals-Kräfte) sind sehr schwach.
Bei tiefer Temperatur würden sie sich zwar normalerweise aneinander „festklammern“, aber:
Wegen ihrer geringen Masse haben die Atome eine hohe Nullpunktsbewegung (Quantenschwankung, die auch bei 0 K nicht verschwindet).
Diese Bewegung ist stärker als die Anziehungskräfte → die Atome können sich nicht an feste Plätze „binden“.
Helium bleibt also flüssig, wenn man keinen Druck anlegt.
Kühlt man Helium Unter 2,17 K (bei Helium-4) passiert dann etwas Magisches: Helium wird superfluid.
Es Fließt ohne Reibung durch feinste Röhrchen.
Es bildet dünne Filme, die Wände hochkriechen.
Es ann Wärmetransport extrem effizient übernehmen, wieso es als Kühlmitten eingesetzt wird, wo sehr tiefe Temperaturen gebraucht werden.
So wird beispielsweise eine Infrarot-Kamera unseres Web-Space-Teleskop mit Helium gekühlt, weil sie ansonsten zu warm wäre, um die Infrarotstrahlung messen zu können. Sie wäre dann dafür blind. Supraleitende Magnete, z. B. die im LHC im Zern, oder in Kernspintomographen kühlt man so weit herunter, bis das Material, aus welchem sie gemacht sind, seinen Widerstand gegen Strom aufgibt, und supraleitend wird. Damit kann man dann so starke Magnetfelder erzeugen, wie das mit nicht-supraleitenden Spuhlen, z. B. gewickelt aus Kupferdraht, niemals möglich ist.

Wenn man Helium einatmet (bitte nur ganz kurz und in sicherer Umgebung!), verändert sich die Stimme.
Der Grund ist nicht, dass die Stimmbänder schneller schwingen, sondern dass Helium viel leichter als Luft ist.
Die Schallgeschwindigkeit hängt von der Dichte des Gases ab:
In Luft: ca. 343 m/s
In Helium: ca. 970 m/s
Die Resonanzräume im Mund und Rachen klingen dadurch höher, weil die Resonanzfrequenzen steigen.
Das ist ein reiner akustischer Effekt, kein biologischer.

Fazit

Helium ist nicht nur im chemischen Sinne edel, sondern auch deshalb, weil es selten und wertvoll ist.

Vor allem seine Kühleigenschaften sind für uns Menschen unverzichtbar geworden. Magnetspintomographen, die in der Medizin verwendet werden, kühlt man gerne mal mit Helium oder Stickstoff.

Bis heute wird um die Wette gekühlt. Da fällt mir der Physiker Wolfgang Ketterle ein. Der war so eifrig dabei, dass er sich ein Feldbett in sein Büro stellte, denn auch er konnte jetzt nicht zu Bett gehen, wenn seine Kollegen und Mitarbeiter um die Wette kühlten.
So etwas nenne ich Beharrlichkeit…

Zum Schluss stelle ich in den Raum, dass es vielleicht nicht die beste Idee ist, unser kostbares Helium in Luftballons zu füllen, die sicher platzen, und somit das Helium in den Weltraum entlassen, weil es so leicht ist, dass unsere Erde es nicht daran hindern kann, zu entfliehen. Wir werden für unsere neuen Technologien, wie z. B. Quantencomputer und die Energiewende viel mehr Helium benötigen, als bisher.

Unter uns


Meine lieben,
Vor acht Jahren schrieb ich bereits einmal über das heutige nicht astronomische Thema.
Ich finde, es ist es wert, heute und hier nochmals neu aufbereitet und rezykelt zu werden.
Es geht um Urlaub und die Welt in der wir leben.

Ein Wort ohne Groll an euch Sehende

ihr könnt euch vorstellen, dass das Leben als blinder Mensch in einer Welt, die in erster Linie auf den Sehsinn hin orientiert ist, manchmal ganz schön anstrengend und kompliziert für uns ist.

  • Ihr stellt uns eure leidigen E-Roller in den Weg, so dass wir darüber fallen.
  • Eure Autos versperren die Gehwege, so dass ich bei uns auf dem Dorf nur auf der Straße gehen kann.
  • oft muss ich mir respektlose oder anzügliche Fragen anhören, die ihr euresgleichen niemals stellen würdet.
  • Mitleid heischend muss ich oft um Hilfe bitten, was mich nicht selten in eine gewisse Opferrolle treibt.
  • Dadurch, dass in eurer Welt, in welcher ich auch lebe, der Sehsinn so oft überbewertet wird, schenkt ihr dem Gehör kaum Beachtung. Das führt dazu, dass ihr Kraft, Größe und leider auch Männlichkeit durch Fahrzeuge ausdrückt, die möglichst viel Lärm produzieren.
  • Ihr hängt euch Fußballfeld große flache Fernseher an die Wände, deren Klang trotz des Zeitalters höchster High Fidellity so erbärmlich klingen, dass sich jedes klassische Küchenradio locker damit messen kann.

Noch vieles könnte ich an dieser Stelle aufzählen, aber der Artikel soll ja keine Anklageschrift sein, sondern im besten Falle sensibilisieren.
Wie auch immer.
Dies alles und vieles andere, strengt uns an. Aber euch zum Trost muss hier gereichen, dass wir wissen, dass das alles nicht aus Bosheit gegenüber blinden Menschen geschieht. Der Mensch ist doch im Grunde gut.
Dennoch nehme ich und viele andere blinde Menschen uns dann und wann eine Auszeit von der Welt der Sehenden.
Eine auszeit, um einfach mal ohne Vorbehalte und hemmungslos „blind“ sein zu dürfen.
Ich verbringe daher stets meinen Sommerurlaub mit guten blinden Freunden.
Was das für mich bedeutet, ist Gegenstand dieses Beitrages.

Passe Dich an

„Lebe möglichst, als wärest Du sehend!“

stand vor einigen Jahren auf einem Plakat, das den Studierendenraum unseres Institutes zierte. Das war ein Motto der damaligen Leitung, dass wir unbedingt „Top-Blinde“, das war sein Wort, sein sollten, um vorgezeigt zu werden, um Eindruck zu schinden, und letztlich, um auch zu zeigen, welch tolle Arbeit an unserem Institut gemacht wird.
Da das Poster meinem Vorgesetzten gehörte, durfte ich ihm natürlich kein Leid zufügen.
Ich schwor mir aber, dieses Plakat, sollte ich einst dazu befugt sein, umgehend zu entfernen, un die Vernichtung dieses Satzes zu zelebrieren.
Dieses ist längst passiert. Wir sind sogar in ein neues Gebäude umgezogen und unser jetziger Vorgesetzter ist auch nicht mehr neu bei uns.

„Blinder, Lebe, als könntest Du sehen“,
„Lahmer,  lebe, als köntest Du gehen“,
„Tauber, lebe, als könntest Du hören“

Man merkt hier die Absurdität, die in derlei Sätzen steckt. Es geht schlicht und einfach nicht.
Dennoch. Mein Alltag ist stets der Versuch, zwar nicht so, wie ein Sehender zu leben, aber mich in deren Welt zurecht zu finden und zu bestehen.

Hier soll es aber nicht darum gehen, was Schwierigkeiten bereitet, sondern darum, dass ich es wichtig finde, dass ich ein Mal im Jahr Urlaub von der Blindheit oder der Welt der Sehenden nehme,.
indem ich mich an einem für uns geeigneten Ort mit blinden Menschen treffe.
Der Weg dort hin, also bis ich mich dazu durchringen konnte, war lang.

Mein Weg

Blind unter Sehenden

Als blinder Student unter sehenden Studierenden war es zwar nicht üblich, die Zugehörigkeit zur Gruppe derer, die nicht sehen können, zu verleugnen, aber trotzdem war es mir bis vor etwa dreißig Jahren ein Bedürfnis, mich in irgend einer Weise von der Gruppe der Blinden, abzugrenzen.
Ich wollte nicht zu jenen gehören, die beispielsweise dauernd mit dem Vorurteil belegt werden, neben der körperlichen auch eine geistige Einschränkung zu haben. Ich war beleidigt, wenn mich jemand fragte, ob ich auch in der Werkstadt XY für Menschen mit Behinderung arbeite. Ich hätte mir mein Abiturzeugnis am liebsten an die Stirne geheftet.
Es war sehr schick, zu den „Top-Blinden“ zu gehören.

Blind unter Blinden

Ein blinder Freund warnte mich davor, mich zu sehr der Gruppe der Sehenden anzuschließen, und meinte, dass ich eines Tages noch froh sein würde, ein Refugium zu finden, in dem ich meine Blindheit ausleben dürfe. Er überredete mich, mit ihm zusammen einen Spezialurlaub für Menschen mit Blindheit zu machen. Und da tat sich mir wirklich eine neue Welt auf. Ich merkte, wie anstrengend mein Leben dadurch war, dass ich meinen sehenden Mitmenschen hinterherhechelte. Ich merkte, wie mir die ganzen Jahre die Gespräche unter Blinden, die thematisch oft anders gelagert sind als die mit Sehenden, so sehr fehlten. Sprechen Blinde über Kinofilme, wird kaum über Schauspieler geredet. Den Film erleben wir als ein Hörspiel, bestehend aus der Filmmusik, den Hintergrundgeräuschen, den Stimmen der Synchronsprecher und seit einigen Jahren mehr und mehr der Audiodeskription. Hierbei handelt es sich um Zusatzerklärungen die das erläutern, was für blinde Menschen im Film nicht hörbar ist, z. B. ein entscheidender Blickkontakt, eine wichtige Geste oder eine Beschreibung einer Umgebung. Diese Audiodeskriptionen werden zwischen die gesprochenen Passagen des Films gepackt und können entweder über einen separaten Tonkanal oder über ein Smartphone mit Knopf im Ohr abgehört werden. Manche Menschen mit Blindheit sprechen auch eher über Hörspiele und Radio, über Geräusche und Musik. Einige binden viele Geräusche in ihre Sprache ein und lieben es, Stimmen naturgetreu nachzuahmen.
Ich merkte, wie wohltuend es war, in dieser Umgebung auch mal blind sein zu dürfen. Ja, es war kein Problem, mir hin und wieder ein Brot schmieren oder das Hähnchen vom Knochen schneiden zu lassen. An diesem Ort durfte ich mir bei derartigen Dingen gerne helfen lassen und musste mir oder anderen nichts beweisen.

Was in unserem Urlaub anders ist

Die Anreise

Die Meisten dieser Urlaubshäuser für blinde Menschen verfügen über einen kleinen Fuhrpark. Somit kann man sich direkt vom Haus am Zielbahnhof abholen lassen, ohne, dass lästige Taxikosten anfallen, der Taxifahrer nicht weiß, wo man hin möchte, oder… Schon hier merke ich, dass das Personal geschult ist, so dass die Anreise barrierefrei abläuft.
Schon im Vorfeld stimmt man die An- und Abreise so mit dem Haus ab, dass es für das Personal möglichst effizient abläuft, z. B. das mehrere Personen gleichzeitig abgeholt werden können. Das bedeutet manchmal warten, ist aber kein Problem, weil jeder von uns weiß, wie wichtig eine gute Reise und eine Abholung für uns ist, und somit viel Verständnis und Geduld für die anderen anreisenden entgegen bringt.

Die Ankunft

Im Haus angekommen, finde ich am Boden Leitlinien, Punktschrift an Zimmertüren, Treppen und Einrichtungen. Der Aufzug spricht mit mir und alle Stockwerke sind taktil beschriftet.
Im Zimmer liegen alle Informationsschriften auch in Blindenschrift aus. Speisepläne sind entweder über das Telefon akustisch, als Aushang in Blindenschrift oder online zugänglich.
Das gilt auch für sonstige Listen, oder den Ausflugsplan.

Abenteuer Essen und Trinken

Beim Essen steht Personal am Buffet zur Verfügung, das Essen wird direkt zum Tisch gebracht und ich werde darüber im Uhrzeigersinn aufgeklärt, was sich wo auf meinem Teller befindet, z. B. „Fleisch von 9 – 11 Uhr, Erbsen zwischen 5 und 6 Uhr“, wenn ich das möchte. In manchen Blindenhäusern, gibt es überhaupt kein Buffet. Es gibt zu Mittag eine Menüauswahl, meist ein vegetarisches und ein anderes. Für das Frühstück legt man sich vorher schon fest, was man ungefähr möchte, damit einem das Personal das schon am Platz richten kann, und zu Abend gibt es in dem Fall auch für alle dasselbe Abendbrot.

Zugegeben. Das ist auch für mich manchmal etwas unflexibel und eingeschränkt. Das nervt besonders dann, wenn es mal etwas gibt, das man nicht so mag. Es ist aber möglich, um Ersatz zu bitten.
Ich habe dann halt keine unerschöpfliche Auswahl, wie an einem Buffet in einem Hotel. Das will ich aber u. U. gar nicht. Mich strengt es unheimlich an, wenn meine Begleitung mir erst mal eine halbe Stunde erklärt, was es gibt, und ich weiß, dass das für sehende Begleitpersonen auch so ist. Und wenn ich nachher mit bekomme, dass mir versehentlich eine Speiße nicht genannt wurde, die ich sehr gerne gehabt hätte, dann ist das schade und ärgerlich.

Was den Ablauf des Essens betrifft, so kann ich mir ganz entspannt, mal ein Fleisch schneiden, das Hähnchen entbeinen, den Fisch filetieren oder einfach mal ein Brot schmieren lassen und ein Getränk wird mir eingeschenkt, wenn ich das möchte.
Vieles von dem, was ich hier aufgezählt habe, kann ich natürlich selbst. Dennoch. Ich finde schön und gesellschaftskonform zu essen manchmal nicht so einfach. Eine Pizza z. B., die größer als der Teller ist, lasse ich mir grundsätzlich in der Küche schneiden, weil sonst die Katastrophe ihren Lauf nehmen würde.
Aber das ist es eben. In meinem Spezialurlaub ist das normal. In anderen Lokalen muss ich derlei Unterstützung erst erbitten. Meist erfahre ich hier große Hilfsbereitschaft.  Aber, es passiert schon mal, dass es vergessen wird, der Kelner dann mit meinem Essen nochmal davon rennen muss, was ja irgendwie auch wieder doof aussieht und Blicke auf sich zieht, oder manchmal ist das Personal überlastet. Ein einziges Mal hat mir das ein Kelner mal ehrlich so kommuniziert…
Und wenn wir schon bei Kelnern sind. Vor allem dann, wenn es in einem Lokal sehr laut ist, habe ich keine Chance, ohne sehende Hilfe etwas zu erlangen, das meine durstige Kehle benetzen könnte. Ich höre die Bedienung nicht. Ich kann mit ihr keine Zeichensprache oder Augenkontakt führen. Ich kann doch auch nicht, wie ein Proll durch das ganze Lokal schreien… Und, wenn dann noch eine Fremdsprache, z. B. im Ausland oder eine andere Kultur dazu kommt, wird die Bestellung eines Getränkes eine schier unlösbare Aufgabe, ein Stressfaktor und nervt einfach nur.
Hier, in meinem Blindenhaus,  werde ich gefragt, ob ich noch etwas möchte. Wenn man am Ort dann schon etwas bekannter ist, merkt sich das Personal sogar, was man so für Vorzüge und Vorlieben hat.
Das gibt es aber manchmal in Stammkneipen auch, was ich als sehr angenehm empfinde.

Orientierung und Mobilität

Sollte ich mich einmal auf der Hotelanlage verlaufen, muss ich mich hier nicht mit zwar wohlgemeinten Erklärungen, wie „Sie müssen dort lang“… herumplagen. Entweder ich bekomme eine Erklärung, die ich verstehe, oder werde hin geführt, bzw. wieder auf den richtigen Weg gebracht. Auf einer Hotellanlage für Sehende bekomme ich bevor mir überhaupt mal geholfen wird, eventuell Fragen gestellt, wieso ich überhaupt alleine unterwegs bin. Darf ich das nicht? Wo steht das?

Gaffer

Man wird am Pool, in der Bar oder am Stand nicht angegafft, wenn man sich mal ohne seine Begleitperson alleine dort hin wagt, weil diese mit einem anderen Gast einen Shopping-Nachmittag macht, den blinden Mann daheim läßst, und möglicherweise nur seine Kreditkarte mitgenommen hat. Darüber zerreißen sich Gäste durchaus das Maul, und stellen die wildesten spekulationen an.
Dass ich aber Shopping unerträglich finde, dass es mir alleine mit meinem Hörbuch, meinem Bierchen oder Kaffee ganz hervorragend geht, können viele sich überhaupt nicht vorstellen. Und hier gehört der Pool und die Liegewiese uns alleine, und keiner gafft auf des anderen Körper.

Ausflüge

Was Ausflüge und andere Unternehmungen betrifft, so ist das schon so, dass der Urlaub aus der Sicht vieler sehenden Menschen etwas erlebnisärmer ist wie man es sich vielleicht vorstellt, wenn man beispielsweise mit einer sehenden Reisegruppe unterwegs wäre.
Das liegt daran, dass die personellen Ressourcen der Häuser auch begrenzt sind, und hier auch der Sparzwang und die Wirtschaftlichkeit in immer verherender Weise um sich greifen. Viele Blindenhäuser sind mittlerweile geschlossen.  Somit muss man immer einen Kompromiss finden, was man miteinander unternehmen kann, dass alle auf ihre Kosten kommen. Das bedeutet halt dann auch mal, dass man seine Wünsche zugunsten des Restes der Gruppe zurückstellen muss.

Wenn ich beispielsweise Gleitschirmfliegen möchte, dann können die anderen nur irgendwie dort, wo der Flugplatz ist, wandern oder Kaffeetrinken gehen, weil der Kleinbus warten muss, bis ich wieder gelandet bin, was mit Seilbahnfahrt, Start, Flug und Landung einen ganzen Nachmittag benötigt.
Das bekommt man aber in der Regel ganz gut hin. Ich habe noch keinen Streit deswegen erlebt. Jeder von uns weiß, dass die Welt eines Blinden oft eine Welt des wartens ist.

Oft bieten unsere Urlaubshäuser auch Themenwochen, wie Wandern, Langlauf, Tandem, Basteln etc. an, aber das liegt mir nicht so, eine Woche lang jeden Tag dasselbe zu machen.

Was es letztlich ausmacht

Wir erleben häufig den Urlaub viel stärker in der Gemeinschaft. Wir wollen überhaupt nicht allen Sehenswürdigkeiten hinterher rennen. Ein vertrauter Spazierweg, selbstständig den Pool benutzen, sich ohne sehende Hilfe in der Bar etwas bestellen, aber auch am Abend musizieren und ein sehr kommunikatives geselliges Leben führen, wie ich das so unter sehenden nur extrem selten erlebe, das ist unser Urlaub. Auch einfach mal ein Hörbuch auf dem Balkon hören, gehört dazu. Natürlich kommen auch Highlights, wie mein vorhin erwähnter Gleitschirmflug vor.
Sind Amateurfunker dabei, dann wird schon mal ein Mast mit Antenne aufgespannt, und wir lauschen gemeinsam in den „Äther“.
Und nun kommen wir zu dem Punkt, der vermutlich das wertvollste an einem Spezialurlaub für Blinde ist, und wofür man eventuell bereit ist, gewisse Abstriche zu machen.

Das Miteinander

Was ich hier meine, ist der Umgang, ist die Art der Kommunikation untereinander und die Themen, über welche wir blinden Menschen miteinander sprechen. Außerdem ist es das wohltuende Gefühl, sich auch über die Einschränkung auszutauschen.
Wir sprechen viel über Radio, Hilfsmittel und Apps.
Wir musizieren zusammen, als hätten wir das schon immer getan. Da entstehen spontan und ohne Probe vierstimmige Chorsätze. So musikalisch improvisieren konnte ich bisher nur mit sehr wenigen sehenden Musikern. Entweder sie brauchen Noten, oder müssen Dinge erst üben, die blinde Musiker frei von der Leber weg spielen. Wenn gemeinsam gesungen werden soll, und die Tonart muss transponiert werden, dass jeder mitsingen kann, so passiert das bei blinden Gitarristen, Pianisten oder Akkordeonspielern ganz automatisch.
Bemerkenswert ist die Vielfalt der Personen, die sich in diesen häusern trifft. Vom Menschen, die in einer beschützenden Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten, bis hin zum blinden Universitätsprofessor ist alles dabei, und wir finden eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Themen und lachen gemeinsam.

Epilog

Ich mache meinen Spezialurlaub nicht, um ungestört, weil die anderen es nicht sehen, „in der Nase bohren zu können.“ Das hören blinde Menschen übrigens… Ich mache das, weil es mir viel Kraft gibt.
Weil es gut tut und richtig ist, dass ich mich auch mal in meiner Gruppe, in meiner Blindenwelt etc. bewege.
Ich tue es, um dann wieder mit neuer Kraft mich in unserer gemeinsamen Welt, der Welt der Sehenden,
zurecht zu finden, auszutauschen unddamit Brücken der Liebe, von Verständnis und Empathie geschlagen werden, die unsere Welten verbinden.
Mich beängstigt tatsächlich, wenn mehr und mehr unserer Häuser schließen, denn wo soll man ohne diese eine der Beeinträchtigung angemessenen Urlaub machen. Solche Häuser besitzen einen Wert, der sich nicht mit Kapital und Wirtschaftlichkeit messen lässt.

Astro-Mundart

Meine lieben,

jetzt melde ich mich endlich mit einem neuen Artikel bei euch zurück.
Und der ist besonders. Man könnte fast sagen, er ist zweisprachig.

Am letzten Dienstag, 08.07.2025 ist ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Seit ungefähr zwanzig Jahren halte ich astronomische Vorträge, Workshops und andere Veranstaltungen. In dieser ganzen Zeit ist es nie vorgekommen, dass ich einen Auftritt in meiner Geburtsstadt hatte.
Genau so einen durfte ich nun feiern. Darüber berichte ich aber dann in meinem Jahresrückblick, wie immer. Ich habe aber diesen Vortrag mal als Anlass genommen, mich mal im alemannischen Sprachraum nach Astronomen umzusehen.
Und wie ihr euch denken könnt, wurde ich fündig, obwohl mir GPT am Anfang einiges Geschwurbel lieferte. Sie verlegte z. B. Königsberg ins alemannische. Ja, in Königsberg gab es tatsächlich den berühmten Johann Müller, auch Regiomontanus genannt, der Kolumbus mal mit seinen guten Sternkarten und Voraussagen das Leben rettete.
Aber mit der Zeit hatte ich die Schwurblerin in der Spur. Hier stelle ich euch also heute mal drei Astronomen aus dem alemannischsprachlichen Raum vor.

1. Johann Jakob Balmer (1825–1898) – Der Vater der Spektrallinien

Geburtsort: Lausen bei Basel, Schweiz
Beruf: Mathematiklehrer, nebenberuflicher Physiker
Sprache: Baseldeutsch (alemannischer Dialekt)

Was hat er gemacht?
Balmer war eigentlich ein ganz normaler Lehrer am Gymnasium in Basel, aber ein leidenschaftlicher Mathematiker. 1885 – also relativ spät in seinem Leben – veröffentlichte er eine Formel, mit der sich die Wellenlängen des sichtbaren Lichts im Spektrum von Wasserstoff exakt berechnen lassen.
Diese Spektrallinien waren zwar schon bekannt, aber niemand konnte erklären, warum sie gerade dort auftauchten. Balmer entdeckte, dass sich die Wellenlängen mit einer einfachen Formel berechnen ließen.
Mit dieser Formel konnte man plötzlich exakt die Position der bekannten Linien vorhersagen – rein mathematisch!

Die Balmer-Formel wurde später zur Grundlage für die Entwicklung des Bohrschen Atommodells und damit für die Quantentheorie. Was Balmer also als Lehrer „im stillen Kämmerlein“ entdeckte, führte zu einem Paradigmenwechsel in der Physik.

Neben seiner Lehr- und Forschertätigkeit bekleidete er auch verschiedene öffentliche Ämter: Er sass im Basler Grossen Rat, amtierte als Schulinspektor und Armenpfleger und war Mitglied des Kirchenvorstands.
Er heiratete 1850 Christine Pauline Rinck (1825–1886), die Tochter eines Pfarrers von Grenzach. Das Ehepaar hatte sechs Kinder, darunter den Schweizer Maler Wilhelm Balmer.

Balmer war sehr vielseitig in seinen Interessen. Er beschäftigte sich mit Kabbalistik und Numerologie, so errechnete er zum Beispiel die Stufenanzahl von Pyramiden oder den Grundriss biblischer Tempel. Ausserdem beschäftigte er sich mit Architektur, Sozialhygiene und sozialem Wohnungsbau und darüber hinaus mit den gemeinsamen Grundfragen von Naturwissenschaft, Philosophie und Religion.

An seinen Schriften sieht man, wie vielseitig er war, und wie ganzheitlich er dachte.

  • Ueber Arbeiter-Wohnungen in und um Basel. s. n., Basel 1853 (Digitalisat; mit Plänen und Kostenberechnungen für eine auf der Breite ausgeführte Wohnsiedlung).
  • Des Propheten Ezechiel Gesicht vom Tempel. Riehm, Ludwigsburg 1858 (Digitalisat).
  • Die Naturforschung und die moderne Weltanschauung. Oeffentlicher Vortrag. Bahnmaier, Basel 1868 (Digitalisat).
  • Wohnungsübelstände. Vortrag, gehalten in der Generalversammlung des Basler Bauvereins den 14. September 1878. s. n., Basel 1878.
  • Die Wohnung des Arbeiters. Detloff, Basel 1883 (books.google.at).
  • Notiz über die Spektrallinien des Wasserstoffs. In: Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. Band 7, Nr. 3, 1885, S. 548–560 (biodiversitylibrary.org); auch in: Annalen der Physik und Chemie. Band 261 (= Neue Folge. Band 25. Nr. 5, 1885, S. 80–87 gallica.bnf.fr).
  • Die freie Perspektive. Vieweg, Braunschweig 1887.
  • Gedanken über Stoff, Geist und Gott. Aphorismen. Werner-Riehm, Basel 1891.
  • Eine neue Formel für Spektralwellen. In: Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. Band 11, Nr. 3, 1897, S. 448–460 (biodiversitylibrary.org); auch in: Annalen der Physik und Chemie. Band 296 (= Neue Folge. Band 60. Nr. 2, 1897, S. 380–391 gallica.bnf.fr).

Der Mondkrater Balmer und der Asteroid (12755) Balmer sind nach ihm benannt.

2. Johann Heinrich Lambert (1728–1777) – Der Universalgelehrte aus dem Elsass

Geburtsort: Mülhausen (heute Frankreich, damals Teil der Schweiz)
Beruf: Mathematiker, Astronom, Physiker, Philosoph
Sprache: Elsässisch (alemannisch)

Lambert war ein autodidaktisches Genie. Aus einfachen Verhältnissen stammend, arbeitete er sich zum anerkannten Gelehrten hoch. Er war der Erste, der bewies, dass die Kreiszahl $\pi$ (Pi) irrational ist – also niemals als Bruch darstellbar.

In der Astronomie befasste er sich mit der Beleuchtung von Himmelskörpern (das sogenannte Lambert’sche Gesetz beschreibt, wie hell eine Fläche aus verschiedenen Blickwinkeln erscheint), mit Kartenprojektionen und mit der Frage, wie man den Himmel mathematisch beschreiben kann.

Er war auch ein Vorläufer der Nicht-Euklidischen Geometrie, was später für Einsteins Relativitätstheorie wichtig wurde.

Lambert lieferte viele mathematische Werkzeuge, die heute in der Himmelsmechanik, Optik und Physik verwendet werden.

Er hatte ein überraschend modernes Weltbild, in dem er z. B. über unendliche Räume und Welten spekulierte.

benannt wurden der 1878 entdeckte Asteroid (187) Lamberta sowie jeweils ein Krater (Lambert)[4][5] auf dem Erdmond und dem Planeten Mars.

3. Fritz Zwicky (1898–1974)

Und hiermit kommen wir zu einer der meist illustren Persönlichkeiten, die mir in der Astronomie je untergekommen ist.
Er darf an dieser Stelle nicht fehlen.

Er war gebürtiger Schweizer aus dem Kanton Glarus, also eindeutig aus dem alemannischen Sprachraum, und dazu eine außergewöhnliche Figur in der Astronomiegeschichte – ein Freigeist, Pionier und Querdenker.

Fritz Zwicky wurde 1898 in Varna (Bulgarien) geboren, wuchs aber in der Schweiz im Glarnerland auf, wo seine Familie ursprünglich herkam.
Er sprach Schweizerdeutsch, hatte aber durch seine Bildungslaufbahn auch perfekten Zugang zu Hochsprache und Englisch. Sein alemannisches Temperament hat ihn nie verlassen – Zwicky war direkt, unbequem, brillant und dickköpfig.

Er ging in die USA, arbeitete ab 1925 am California Institute of Technology (Caltech) – aber blieb gedanklich eigenständig und unangepasst, oft zum Ärger seiner Kollegen.
Er sprach meistens tiefstes Schweizerdeutsch, und wer damit Probleme hatte, kümmerte ihn nicht. Er fluchte viel und warf mit vielen alemannischen Beschimpfungen um sich, wovon wir nachher noch hören werden.

Zwicky hat in der Astronomie Dinge vorausgesehen und entdeckt, die erst Jahrzehnte später allgemein anerkannt wurden:
1933 (!) beobachtete er Galaxienhaufen (v. a. den Coma-Haufen) und merkte, dass die Galaxien zu schnell um den Haufen kreisen, um nur durch sichtbare Materie zusammengehalten zu werden.
Er sagte:

„Da muss es no öppis Unsichtbars gä. Ich nenn’s mol dunkli Materie.“

Er war der erste, der diesen Begriff prägte und das Konzept wissenschaftlich formulierte – aber kaum jemand glaubte ihm.
Das lag sicherlich an seiner Art, Dinge derart bestimmt in die Welt zu brüllen.

Zwicky war auch Mitentdecker des Supernova-Begriffs und postulierte, dass dabei ein Neutronenstern entstehen könnte – Jahrzehnte bevor das bewiesen wurde.

„E normale Stern macht z’Bumm – und was übrig bleibt, isch kompakter als mir je denked händ.“

Wenn er noch „Und damit Basta“ hinzugefügt hätte, wunderte mich das nicht.

Er entwickelte die „morphologische Analyse“, eine systematische Methode, um kreative Lösungsräume zu erkunden – die auch heute noch z. B. in der Technik- und Innovationsforschung verwendet wird.
Was diese Methode genau beinhaltet, weiß ich gerade nicht.

Ich sagte es schon.
Zwicky war berüchtigt für seine Schärfe. Über Kollegen, die ihn kritisierten, sagte er mal:

„Ich nenn sie spheric bastards – no matter from which direction you look at them, they’re always bastards.“

Ein bisschen viel Pfeffer, aber es zeigt: Er war leidenschaftlich, auch im Konflikt. Sein alemannischer Starrsinn hat ihn zwar isoliert, aber ihm auch erlaubt, radikal anders zu denken.
Ich habe ihn nun im folgenden mal einen alemannischen Monolog halten lassen. Bin gespannt, ob und wie euch das gefällt.
Natürlich ist der frei erfunden, aber so, oder ähnlich wird er dann und wann schon vor sich hin gebruddelt und geschimpft haben. Das ist gut belegt.

I bi dr Zwicky“ – E Monolog uf Glarner-Alemannisch

Stell dir vor, dr Zwicky steht irgendwo z’Caltech im Gang, mit’m Kafi in dr Hand, Blick Richtung Himmel, und schimpft so vor sich hi – halb für sich, halb für d’Nochwelt.

Jo, grüezi mitenand. I bi dr Fritz – dr Zwicky. Glarner. Physiker. Astronom. Erfinder. Wüterich, säge d’Lüt. Aber ich säge: I bi nume ehrlich. Und ehrlich isch hyt nüm modern.

I bi 1898 uf d’Welt cho – i Bulgarie, aber mi Härz, das isch im Glarnerland bliibe. I bin glarnerdütsch gross worde, und drum red i au so. Wär mi nid verstoot, het Pech gha.
I bi denn i d’USA gange – Caltech. Jo, das mit de Rockets und de Nobelpreisträger, das isch guet und recht. Aber weisch, was mir gfehlt het? Gstandeni Lüt mit Rückgrat. Nid nume d’Lätscher, wo einander im Gwitter uf d’Schultere klopfed.
Lueg, 1933 han i öppis entdeckt. I han d’Galaxie gstudiert – und i han gseh: Die beweged sich zu schnäll. So wie wenn im Glarnerland d’Küeh schneller renne als s’Herdmandli – aber kei Hund in Sicht. Das het ke Sinn mache.“

Also han i gseit: S’git dunkli Materie. Es muss öppis Unsichtbars gä, wo d’Galaxie zämehaltet. I han’s vorgrechne. Und was hämmer griegt? Nüt als e Hohnlachä. Hahaha, dr Zwicky spinnt wieder.
Aber i han z’letschte glacht – denn hüt redet alli über d’dunkli Materie, als wär’s es neuis Müsli. Und i? I hock im Archiv. Wo blibt mis Denkmal, he?

Und denn, Supernovä. Jo, die Bumm-Stern. I han d’erst erklärt. Und i han gseit: Da blibt e Neutronenstern. E Ding so dicht, dass dr Verstand glüht. Und d’Lyt? Wieder: ‚Zwicky, jetzt wird’s absurd.‘

Aber heit hei s’feschtstellt. Und wieder heisst’s: ‚Ach, wie faszinierend!‘ – Jo, isch’s, aber i han’s scho vor 30 Jahr gseit, du Blitzmarie!

Lueg, i ha mi au mit Morphologie beschäftigt. Also ned mit Flüügle und Käfer – sondern wie me Probleme systematisch analysiere cha. I han d’morphologische Methode erfunde. Es Werkzüüg für s’Denke.

Aber i bi nid en Schleimer. Drum hei sie mi am Schluss nume halb toleriert. Aber i säge: Liebi Lüt, Wahrheit isch nid zum Kuschele. Sie isch e Hammer. Und i bi dä, wo dr Hammer gschwunge het.

Also wenn ihr das nächsch Mal i d’Sterni lueged, und euch fraget, was das dunkli Zeugs zwüsche d’Galaxie isch – denked an mi. Dr Zwicky. Dr wütige Glarner, wo d’Welt z’früh verstande het.

Und jetzt entschuldiged mi – i ha no e paar Theorien, wo d’Zukunft mir no schuldet.

Fazit

also ich finde, so viel Heimatgefühl muss erlaubt sein. Ich bin etwas stolz auf die drei.
Manche von euch, vor allem kundige Frauen denken jetzt vielleicht daran, dass die Astronomin Vera Rubin die dunkle Materie entdeckt hat. Und das stimmt auch. Sie hat aber andere Methoden benutzt als Zwicky. Und vor allem hat sie ihre Ergebnisse eleganter formuliert und gründlicher bewiesen. Aus diesem Grund muss der nächste Artikel über Vera Rubin und der Gegenüberstellung mit Zwicky handeln. Freut euch darauf.

Ein kleines Land mit großer Wirkung


meine lieben,
was macht ein Sternenonkel in einem fremden Land, einer frenden Stadt und in einem Hotelzimmer, wo er keinen Schlaf findet? Genau. Er beginnt darüber nachzudenken, was es astronomisches an dem Ort gibt, wo er sich gerade befindet.

wie sagt das Sprichwort so schön?

Und wenn man eine Reise tut, dann kann man was erzählen.

Nach langer Zeit, bin ich mal wieder auf einer dreitägigen Konferenz in Amsterdam. Dort geht es um alles rund um tastbare Grafiken, Blindenschrift und neue Technologien dazu. Ich habe u. A. einen sprechenden großen Wagen im Rucksack. Wer mal zu mir in meine Vorträge kommt, kann ihn mal erleben. Für jetzt habe ich mich darauf verlegt, mal zusammen zu tragen, was dem Sternenonkel an fremden Orten in einer schlaflosen Nacht so alles einfallen kann.
was das kleine Ländchen Niederlande so in Sachen Astronomie zu bieten hat. Und schnallt euch an. Das ist nicht wenig, und bestimmt habe ich auch noch einiges vergessen.
Also los:

Vorwort

Die Niederlande – ein kleines Land mit großer Geschichte, besonders wenn es um das Verstehen der Welt und des Himmels geht. Kaum ein anderer Ort hat in den letzten Jahrhunderten so viele Denker, Bastler, Philosophen und Sternengucker hervorgebracht, die in enger Beziehung zueinander standen. Hier treffen sich Astronomie, Navigation, Optik und Geist – eine faszinierende Mischung.

Der neue Weitblick

Um 1608 soll ein Brillenmacher aus Middelburg namens Hans Lipperhey das erste Fernrohr gebaut haben. Ob er tatsächlich der Erste war, darüber streitet sich die Fachwelt. Doch fest steht: Das Prinzip des Fernrohrs wurde in den Niederlanden geboren – und es veränderte alles.

Wenig später richtete Galilei ein verbessertes Modell gen Himmel.
Er entdeckte damit Sonnenflecken, die vier Jupitermonde Europa, Ganimet, Kalisto und IO, das unser Mond Krater besitzt, welche er Meere nannte und dass das Kopernikanische Weltbild stimmen muss.
aber der Impuls und das Instrument dazu kamen von niederländischem Boden. Ohne diese bescheidene Linse hätten wir vielleicht viel später in die Krater des Mondes und in die Ringe des Saturn geschaut.

Straßen, Wellen und Monde

Christian Huygens war das niederländische Universalgenie des 17. Jahrhunderts:. Mit einem selbstgebauten Fernrohr entdeckte er 1655 den größten Mond des Saturn, Titan. Er erkannte die wahre Natur der Saturnringe – kein fester Ring, sondern ein System aus zahllosen Partikeln.

Doch Huygens war nicht nur Himmelsbeobachter. Mit seiner Wellentheorie des Lichts legte er den Grundstein für unser modernes Verständnis von Optik. Und seine Erfindung der Pendeluhr revolutionierte die Zeitmessung – ein entscheidender Fortschritt für Astronomie und Navigation.

Orientierung auf hoher See

Im sogenannten Goldenen Zeitalter eroberten niederländische Schiffe die Weltmeere. Doch ohne Orientierung am Sternenhimmel wäre das gar nicht möglich gewesen. Navigiert wurde mit Jakobsstab, Sextant, Astrolabium – und später, dank präziser Uhren, auch mit Längengradberechnung.

Zwar war es John Harrison, der später mit seinem Chronometer wirklich schiffstaugliche Uhren baute, doch Huygens war der erste, der eine grundsätzlich seetaugliche Uhr mit Federantrieb entwarf. Ich schrieb dazu bereits in meinem Beitrag
Ein Uhrmacher revolutioniert die Seefahrt

Weldkarten

Die Kartografie florierte parallel zur Seefahrt:

  • Gerardus Mercator entwickelte die nach ihm benannte Mercator-Projektion, die Kurslinien zu Geraden machte – ein Meilenstein für die Navigation.
  • Willem Blaeu, Schüler von Tycho Brahe, wurde Hofkartograf der VOC. Er erstellte prächtige Stern- und Seekarten, die bis heute beeindrucken.

Die niederländischen Kartografen verschmolzen Wissenschaft, Kunst und praktischen Nutzen – das war europäische Spitzenklasse.

Struktur des Kosmos

In modernerer Zeit leisteten niederländische Astronomen entscheidende Beiträge zur Struktur des Kosmos:

  • Jacobus Kapteyn modellierte anhand von Sternzählungen die erste realistische Vorstellung der Milchstraße.
  • Der Kuipergürtel, dieses riesige Reservoir eisiger Himmelskörper jenseits der Neptunbahn, ist nach dem niederländisch-amerikanischen Astronomen Gerard Kuiper benannt.
    In ihm befinden sich unzählige kleine, eisige Körper, darunter Zwergplaneten wie Pluto, Haumea, makemake und möglicherweise sogar noch größere Objekte, die noch unentdeckt sind. Wegen dieser Entdeckungen wurde eine neue Definition nötig, was ein Planet überhaupt ist. Ansonsten hätten wir nicht nur acht Planeten zu lernen, sondern vielleicht hunderte..
  • Jan Hendrik Oort zeigte, dass sich die Galaxis dreht – und postulierte die heute so bekannte Oortsche Wolke, ein Kometen-Reservoir am Rande des Sonnensystems.

Beide zeigten: Auch die ferne Milchstraße kann man mit Daten und Logik zum Sprechen bringen.

Die erweiterte Bedeutung einer Linse

Man könnte meinen, Baruch Spinoza habe nur mit Worten gearbeitet. Doch der große Aufklärungsphilosoph war auch Linsenschleifer – und ein herausragender noch dazu. Seine feinen Linsen gingen an Mikroskopbauer, Astronomen und Naturforscher.

Spinoza sah die Welt als ein einziges zusammenhängendes System – seine Philosophie und sein Handwerk spiegeln ein Weltbild, in dem Wahrnehmung, Denken und Materie untrennbar verbunden sind.

Der Astronom mit gesellschaftlichem Blick

Anton Pannekoek war einer der eigenwilligsten niederländischen Denker: Astronom und sozialistischer Theoretiker. Tagsüber erforschte er Sternatmosphären, abends schrieb er über Gesellschaft, Macht und Emanzipation.

Für ihn gehörten Wissenschaft und Gesellschaft zusammen – ein Beispiel dafür, wie Denken über Sterne und Menschen Hand in Hand gehen kann.

🏛️ Forschungseinrichtungen mit Weitblick

Die niederländische Forschung ist auch heute bedeutend:

  • Die Sterrewacht Leiden ist eines der ältesten Observatorien der Welt.
  • Das Institut ASTRON betreibt mit LOFAR eines der fortschrittlichsten Radioteleskope Europas.
  • In Noordwijk sitzt das technische Zentrum der ESA, ESTEC – das Herzstück vieler europäischer Weltraummissionen.

✨ Fazit:

Die Niederlande haben uns nicht nur Tulpen, Käse und Kunst geschenkt – sondern auch neue Augen für das Universum.

Von der ersten Linse bis zur Radiogalaxie reicht ihr Vermächtnis. Ein Land zwischen Deich und Daten, zwischen Philosophie und Fernrohr, das gezeigt hat:

Man kann Himmel und Erde zugleich im Blick haben.

Ihr seht es ja selbst. Alleine in diesem Artikel sind schon wieder so viele Türchen für weitere aufgegangen. Hört denn das niemals auf?

Was? Ihr habt noch keins?

Ja, meine lieben, auch Karlsruhe hatte bis vor kurzem noch keines.
Keines was? Lasst euch überraschen…

Wir erinnern uns

Am 07.05. vor einhundert Jahren wurde im Deutschen Museum in München das erste Planetarium eröffnet.
Es ist zwar so, dass München den Projektor schon zwei Jahre vorher erhielt, aber er war irgendwie noch nicht fertig und ausgereift, und wurde deshalb nochmal zu Zeiss-Jena zurück geschickt.
Vor diesem Hintergrund schrieb ich vor zwei Jahren über
Einhundert Jahre Planetarien
und
Eine Blase voller Sterne
Vielleicht ahnt ihr es schon, wieso ich mich dieser Dinger nochmal annehme.
Dafür gibt es nämlich einen sehr guten und noch schöneren Grund.

Das Himmlische Geschenk für Karlsruhe

Endlich hat Karlsruhe am 07.05.2025 sein eigenes Planetarium bekommen.
Deshalb die Überschrift dieses Artikels „Was, ihr habt noch keins?“

Es kam, wie aus heiterem Himmel. Vor einigen Monaten erfuhr ich plötzlich davon, dass Karlsruhe ein Planetarium bekommen soll. Ein Mensch, der vorher am Deutschen Museum München arbeitete, soll Gründer und Leiter sein.
Derlei rüttelt natürlich den Sternenonkel wach. Wen könnte ich denn da jetzt fragen, wie, was und wo.
Da fiel mir Matthias ein, dessen spannende Geschichte über himmelsmodelle hier auf dem Blog zu Gast war, siehe Das Schauspiel am Himmel im Modell

Außerdem verdanken wir ihm meinen Artikel zur Die Weihnachtsmondfahrt
(Apollo8 und Joules Vernes).
Den entwickelte ich mit einem Englischen Artikel von Matthias als Grundlage. Daraus ist dann später sogar noch eine Radiosendung für ein Internetradio mit der ersten Bibellesung im All geworden.

Nicht zuletzt war Matthias eine tragende Säule des mobilen Planetariums, welches mehrfach in Durlach in der Orgelfabrik gastierte, und wo ich auch schon vortragen durfte.
Also mailte ich ihn an und fragte ihn, was er so davon hält, und wie er die Sache einschätzt.

Und ja, was soll ich sagen. Das Planetarium kam mir etwas klein vor, und es hat nur einen Projektor.
Das Gastplanetarium in Durlach war größer, und hatte mindestens vier Projektoren.
Ich dachte mir „Schauen wir mal, und sind gespannt.“

Die Einladung

Ich vergaß es schon fast wieder, weil mir klar war, dass ich zu dieser Eröffnungsfeier niemals eingeladen werden würde.
Nun bekam ich aber, quasi zwölf Stunden vor der Veranstaltung, von meinem Freund und ehemaligen Kollegen ein Whatsapp, dass ich eingeladen wäre und er mich gerne begleitet.
Durch ihn kam ich so kurzfristig dazu, weil er sich für das Naturkundemuseum engagiert, wo ich auch schon vortragen durfte. Das war kurz vor Weihnachten vor den Lockdowns. Der Vortrag schaffte es damals sogar mit einem vierminütigen Beitrag in die Landesschau.
Bei einer Kommunikation zwischen Planetarium und Naturkundemuseum, fiel scheinbar mein Name, und ich durfte zur Eröffnung kommen.
Dank an Michael, der mir das ermöglichte.

Also holte ich mir von meinen Vorgesetzten die Erlaubnis, da mal für drei Stündchen abzuhauen und sagte ihm zu.

Die Ankunft

Das Planetarium ist nicht weit weg von der Straßenbahnhaltestelle, aber für uns Blindlinge hat der Weg es in sich. Den muss ich sicher noch mehrfach üben, bis ich ihn kann.
Selbst Michael musste Googlemaps bemühen, um den Weg zu finden.
Das Gebäude war vorher ein altes Gaswerk und wurde so um die vorletzte Jahrhundertwende herum gebaut.

Als mein Freund und ich dort ankamen, erlebten wir eine Überraschung.
Was war das für eine Begrüßung und Schulterklopfen. Alle erkannten mich, erinnerten sich an mich, riefen meinen Namen, gaben mir Hände und drückten mich.

Es geht doch hier gar nicht um mich, sondern um unser neues Planetarium

dachte ich mir. Aber vielleicht darf man so etwas einfach auch mal annehmen und genießen.

Ganz ähnlich erging es mir, als wir vor vielen Jahren mal zu einer Preisverleihung des DLR ins Planetarium Mannheim eingeladen waren. Auch dort kannten viele entweder Mein Buch, meinen Blog, waren in irgend einem meiner Vorträge oder wie ich Mitglied der Deutschen Astronomischen Gesellschaft.

Die erste Berührung

Ich betastete es kurz vorsichtig von außen. Die Kuppel fühlte sich stoffig und aufgeblasen an, ähnlich wie die Außenwand einer Hüpfburg oder eine gespannte Zelltwand.
Ich gehe davon aus, dass es doppelwandig ist, und zwischen den Wänden ein Vakuum gezogen wird, damit innen nichts Falten schlägt.
Das ganze wird mit einer Stahlkonstruktion aufgespannt, von welcher ich einen Außenring ertasten konnte.
Auf jeden Fall empfinde ich immer so etwas ganz besonderes, das gläubige Menschen kennen dürften, wenn sie eines ihrer Gotteshäuser betreten, sobald ich unter die Kuppel eines Planetariums, und sei es noch so klein, trete.
Aber noch sind wir nicht beim Betreten. Noch ist das Himmelszelt durch eine große Schleife verschlossen.

Die Eröffnung

Die Feier begann, wie ihr das kennt, mit einigen Reden zur Entstehung des ganzen, und ohne wen es nicht durchführbar wäre, und wer was und wie viel gespendet hat.
Nicht falsch verstehen. Das ist alles ganz wichtig, läuft aber immer ähnlich ab.
Hier war der offizielle Teil der Feier ganz ungezwungen locker und kurzweilig, und vor allem blieben politische Sonntagsreden aus, was sehr angenehm war.
Wir standen alle ungeduldig davor und wollten einfach nur rein.

Der neue Planetariumsdirektor, Björn Wirtjes, hat eine sehr schöne und sympathische stimme. Er spricht sehr flüssig und anschaulich. Man kann ihm sehr gut zuhören.
Nun war alles offizielle gesagt. Es war nun Zeit, das Himmelszelt zu öffnen.
Matthias und der Planetariumsleiter hielten beide ein Ende einer großen Schleife in der Hand, die den Eingang in die Kuppel verschloss.
Nun erklang von Trompete und Piano gespielt, die Titelmusik von Starwars. Zu diesen Klängen wurde die Schleife vorsichtig aufgezogen, so dass sich der Vorhang langsam hob.
„Möge die Macht alle Zeit mit dem Planetarium sein…“

Der Einzug in den Tempel

Feierlich zogen wir ein. Es kam mir vor, wie bei einem Friedensmarsch mit Kerzen in den Händen. Und da war es, das transzendente Gefühl von Ehrfurcht, Demut und Frieden, dass ich vorhin erwähnte.

Unter der Kuppel waren zwei konzentrische Stuhlkreise angeordnet.
In diese Stühle ließen wir uns nieder. Sie erinnern mich an so Stühle, die man im Schwimmbad oder zum Camping benutzt. Für den besseren Blick nach oben, liegt man etwas darin. In den großen Planetarien sind die gepolstert und oft etwas drehbar.

Zunächst unternahmen wir mit dem Leiter eine kleine Reise durch den sichtbaren Teil unseres Sonnensystems begleitet von seiner schönen Stimme und sphärischer Musik.

Anschließend erzählte Matthias uns etwas über die Geschichte der Planetarien. Sehr spannend.
Was mich da irgendwie beeindruckt hatte war, dass seine Folien auch in der gewölbten Planetariumskuppel funktionierten, obwohl sie doch eigentlich für eine flache Leinwand an der Wand gestaltet sind. Offenbar konnten die Sehenden mit der Verzerrung leben.
Dann verließ uns etwas die Technik, so dass wir zum Programmpunkt „Buffet“ übergingen.

Ausklang

am Buffet ging es dann weiter mit Begrüßungen, Händedrücken und lieben bis rührenden Worten an mich.
Ganz besonders ist mir die Begrüßung des Vaters einer Reporterin im Sinn, welche mit mir mitten in den Lockdowns einen Kurzfilm für die Sendung „Volle Kanne“ drehte. Er war nach all den Jahren noch so beeindruckt von mir, meiner Arbeit und meinem Buch, dass mich das sehr berührt hat.
Leider kann ich die Reporteren auf ihrer alten Mailadresse nicht mehr erreichen, weil sie offensichtlich den Job oder die Firma gewechselt hat. Schade, denn ich hätte ihr sehr gerne von dieser Begegnung erzählt. Na ja, ihr Vater wird das sicher tun…
Dieser Beitrag für „Volle Kanne“ war damals tatsächlich eine Folge meines Auftrittes mit dem Naturkundemuseum in der Landesschau. Schade, dass ich das wegen Urheberrechts nicht mit euch teilen darf.
Auch bei diesem Auftritt im Naturkundemuseum war Michael, der mir auch das heutige ermöglichte, meine Begleitperson und Assistenz.

Und noch ein Highlight

Nach der Stärkung mit Sekt und kleinen Leckereien, gab es im Keller noch eine ganz besondere Ausstellung in Schwarzlicht

OK, „davon hat ein blinder Mensch doch eher erst mal nicht viel“ mögen manche denken. Dem war aber durchaus nicht so.

Wir waren mit dem Physiker und Künstler, der diese Ausstellung im schwarzen Licht gestalltete, fast alleine.
Er erklärte uns alles so, dass auch ich es Verstand.
Da war z. B. eine Spiralgalaxie mittels Fäden aufgespannt. An diesen hingen kleine Flauschige Flusen, die die Sterne darstellten. Diese Sternchen waren mit Weißmacher präpariert, so dass sie leuchten, wenn sie von Schwarzlicht angestrahlt werden. Fäden und Schwarzlicht sind im dunkeln unsichtbar.
Als ich noch vor etwa vierzig Jahren einen kleinen Sehrest hatte, besaß ich auch so eine Lampe und liebte ihre Effekte.
Ich gehe auch gerne in Bilderausstellungen, wenn sie gut erklärt werden.

Fazit

  • Für mich war es eine große Freude und Ehre, bei dieser Einweihung dabei gewesen sein zu dürfen.
  • Ich bin sicher, dass ich hier nicht das letzte mal war.
  • Ich bin sicher, dass wenn ich dort auftauche, dann bestimmt nicht immer nur als Besucher…
  • Mit einem Planetarium haben wir eine ganz hervorragende Möglichkeit, schon Kinder und Jugendliche an das Universum, an Technik und Naturwissenschaften, heranzuführen.
  • Ein kleines Planetarium kann größer werden und wachsen. Helfen wir ihm dabei.
  • Und das beste ist auf der Homepage von PLANET-Ka, die Erklärung zur Barrierefreiheit. Oft ist diese nur ein Ort für fadenscheinige Begründungen, wieso man das seit über zwanzig Jahren verschlafen hat, und ein Lippenbekenntnis dafür, dass man, natürlich ohne zeitlichen Horizont, daran arbeite.

    Mich freute neben der Beschreibung der Rampe, der Parkplätze etc. vor allem der Grundgedanke:

    Die Sterne sind für alle da

  • Karlsruhe ist stolz auf seinen KSC, und verzeiht ihm viele Aufs und Abs.
    Und ich bin Stolz auf unser neues Planetarium, und brenne darauf, mich dort bald auch einbringen zu dürfen.

Unser neues Planetarium wird in Würde fortführen, was mit dem anderen Mobilen Planetarium in Durlach und für mich auch in Saarlouis begann, denn der Leiter dieses mobilen Himmelszeltes, Gernot, ist vor anderthalb Jahren von uns gegangen.
Erinnern wir uns und ehren ihn mit unserem neuen Planetarium in Karlsruhe.
Möge die Macht stets mit dem Planetarium sein.
Und wen dieser Artikel jetzt neugierig gemacht hat, schau doch mal auf
PLANET-KA

vorbei.