Ein „Stern“ der Arbeiterbewegung


Liebe Leserinnen und Leser,
So, die Feier zum einhundertsten Artikel ist vorbei. Heute erscheint nr. 101.
Eines ist aber noch nicht vorbei. Das Gewinnspiel.
Wer mag, darf gerne noch nachfeiern auf
Hundert Artikel auf Blindnerd mit Gewinnspiel
Nun aber zum heutigen zum Tag der Arbeit passenden Thema:

Einleitung

wer mich besser kennt weiß, dass ich immer in meinem Herzen für Freiheit und Gerechtigkeit brenne. Somit stehe ich bis heute für jemanden, dem sozialdemokratisches Gedankengut ein großes Anliegen sind.
Ganz besonders jetzt zeigt sich, dass es im Krisenfall vielleicht nicht die beste Idee war, alles, aber auch wirklich alles, dem Neoliberalismus und einem wildgewordenen Kapitalismus zu überlassen.

Ich bin davon überzeugt, dass ein System, das uns und unserer Welt nachhaltig dienlich sein soll, eher ein sozialdemokratisches linkes System sein muss, denn Kapitalismus betreibt immer Raubbau an der Schöpfung, wird immer in Ausbeutung, Krieg und Ungerechtigkeit münden.
Vielleicht finden wir ja gerade durch die Krise zurück zu wahrer Menschlichkeit, zu einer gesunden nachhaltigen Sozialdemokratie und zurück zu humanistischen Werten. Und vielleicht dient das dann alles auch der Rettung unseres Klimas.
Nun ist dieses Blog aber alles andere als ein politisches Blog. Das können andere besser.
Da aber die Astronomie etwas ganzheitliches ist, lässt sich das nie ganz vermeiden, was auch gut so ist.
So machte ich mich mal auf die Suche nach Astronomen, die sich auch, passend zum Tag der Arbeit, neben ihrer Forschung auch politisch im linken Spektrum engagierten.
Zugegeben. Viel habe ich nicht gefunden, aber das wenige, werde ich nun mit euch teilen.

Die Fundgrube Namens Florian

Jahrelang lese ich schon die Bücher des Astronomen, Buchautors und Science Busters, Florian Freistetter. Er führt auch das Blog Astrodicticum Simplex und publiziert auf allen Medien. Ganz herausragend ist sein Podcast Sternengeschichten.
In der Spektrum der Wissenschaft schreibt er die Serie „Freistetters Formelwelt“. Nicht zuletzt, und das dürfte vor allem den Hörbuchleser*innen die es ja unter uns Menschen mit Sehbeeinträchtigung reichlich gibt, gefallen;
Ganz viele Bücher von ihm gibt es ungekürzt auf Audible, meist sogar von ihm selbst gelesen. Ich kann alle empfehlen.
Gebt einfach seinen Namen auf Audible ein, und ihr werdet fündig.

Aber nicht er ist der gesuchte linke Astronom, oder vielleicht doch auch einer, so wie ich?
Es geht aber hier um einen Facebook-Artikel von ihm.
Zum 01.05.2015 veröffentlichte er einen großartigen Artikel zu einem kommunistischen Astronomen auf Facebook.

Zugänge zum gemeinten Artikel

Da Dokumente auf Facebook für viele von uns mit Hilfstechnologie nicht flüssig zu lesen sind,
folgt nun zunächst der Link zu Florians Artikel in zwei Versionen.
Einmal so, dass sich die große Facebook-seite mit Bildern und allem für Sehende öffnet, und einmal so, dass die mobile FB-Seite erscheint, die für uns Blinde besser zu lesen ist.

Zur großen Facebook-Seite
Zur mobilen Facebook-Seite

Ganz unten im Artikel, unter die Grußformel, kopiere ich den unveränderten und unbebilderten Text rein, damit ihn auch alle, die nicht Facebook machen, ohne Probleme mit ihrer Hilfstechnologie lesen können.

Ich wünsche euch, dass ihr mit mir empfindet, wie großartig die Astronomie hier uns wieder über den Tellerrand blicken lässt.
Wer noch mer über den Astronomen Pannekoek wissen möchte, findet alles auf
Dem Wiki-Eintrag.
Wenn es heute keine Maibummel geben kann, so wenigstens ein zum Anlass passender Artikel mit dem Wunderbaren Text von Florian Freistetter.
Und wenn es heute auch nur Online-Kundgebungen gibt, dann lasst mich jetzt dem Blog zum Trotze doch noch kurz persönlich politisch werden:
Wir müssen darauf achten, dass wir nach der Krise wirklich alle Freiheiten auch wieder zurück bekommen und vor allem, dass wir nicht aufgrund von Überkonsum aufgrund des langen Verzichtes, in unsere alten egoistischen, neoliberalistischen und Kapitalistischen Grundhaltungn und Gewohnheiten verfallen.
Die Hoffnung hege ich durchaus auch, dass unser Staat beispielsweise erkennt, dass es vielleicht doch nicht ganz klug war, alles zu privatisieren, um das Geschehen einem sinnlosen wildgewordenen Neoliberalismus und Kapitalismus zu überlassen. Es wird nun Zeit für eine neue Generation von Politikern. Gefühlte 40 Jahre Konservativismus reichen jetzt wirklich. Wer konservativ in der Vergangenheit lebt, kann nicht in die Zukunft denken. Weg mit diesem ganzen gescheiterten Leerer- und Juristenpack im Bundestag. Für Corona und Klimawandel bräuchten wir ein Drittel Ingenieure und Naturwissenschaftler im Parlament. Es reicht jetzt wirklich. Tragt Masken in der Farbe eurer wahl, aber rot in euren Herzen…

Auf gehts, Genossinnen und Genossen.

In diesem Sinne,
gehabt euch wohl,
passt auf euch und andere auf,
tragt brav eure „roten“ masken
und bleibt gesund.
Euer Blindnerd.

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Anton Pannekoek: Zwischen Astronomie und Kommunismus
Von Florian Freistetter / 1. Mai 2015

Eigentlich muss man sich ja gar keine große Mühe geben um nach Anlässen für Artikel über Astronomie zu suchen. Jeden Tag veröffentlichen Forscherinnen und Forscher neue Erkenntnisse über das Universum. Teleskope, Raumsonden und Satelliten sammeln mehr Daten, als man auswerten oder verstehen kann und wenn man wollte, könnte man rund um die Uhr neue Texte über neue Forschung schreiben. Aber ich lasse mich bei der Recherche nach den Themen für mein Blog auch gerne mal vom Zufall treiben. Und probiere, Verbindungen zu finden, nach denen man normalerweise nicht sucht. Das ist vielleicht nicht immer unbedingt sinnvoll – aber man entdeckt dabei meistens Themen, auf die man sonst nie gestoßen wäre! Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass man von Zwiebelkuchen zur Entstehung des Lebens auf der Erde gelangen kann? Oder vom Tag des deutschen Biers zum Begründer der Mond-Kartografie? Es lohnt sich also (das ist zumindest meine Meinung) auch den absurden Verknüpfungen zu folgen. Das habe ich mir auch an diesem Morgen gedacht und weil ja heute der erste Mai, der “Tag der Arbeit” bzw. “Kampftag der Arbeiterbewegung” ist, habe ich mich mal umgesehen, was das Thema “Astronomie und die Arbeiterbewegung” so hergibt. Und bin dabei auf Anton Pannekoek gestoßen.
Maifeier_Volksstimme_Frankfurt_1901
Pannekoek wurde 1873 in den Niederlanden geboren. Er studierte Astronomie an der Universität Leiden und wie das oft so ist während eines Studiums, begann er sich dabei für Politik zu interessieren. Pannekoek beschäftigte sich um 1900 herum nicht mehr nur mit Astronomie, sondern auch immer mehr mit Marxismus und Sozialismus. Er machte nicht nur seinen Doktor in der Astronomie, sondern entwickelte sich auch zu einem anerkannten marxistischen Theoretiker, dessen Schriften in deutschen und niederländischen Zeitungen publiziert wurden. 1906 ging Pannekoek nach Deutschland, trat in die SPD ein und wurde Dozent an deren Parteischule. Das durfte er aber nur kurz tun; dann wurde es ihm verboten – mit der Drohung, ihn aus Deutschland auszuweisen, wenn er weiter dort unterrichten würde. Pannekoek engagierte sich weiter in der sozialistischen Bewegung, musste bei Ausbruch des ersten Weltkriegs aber zurück in die Niederlande gehen. Dort begann er sich für den Rätekommunismus einzusetzen (das ist – einfach gesagt – eine Gesellschaft, die weder von einem Parlament, noch einer einzigen Partei regiert wird, sondern sich nach basisdemokratischen Prinzipien kollektiv selbstverwaltet und in vielen kleinen Räten organisiert). Damit stand Pannekoek nicht mehr nur im Widerspruch zum Kapitalismus und der parlamentarischen Demokratie, sondern auch zum Marxismus-Leninismus (und zu Stalin sowieso). Er trat verschiedensten linken Vereinigungen und Parteien bei; ebenso oft wieder aus und publizierte seine Theorien zum Rätekommunismus, die in den 1920er Jahren durchaus großen Einfluss auf die politisch linke Szene hatten. In den 1930er Jahren und dann nach dem zweiten Weltkrieg zog er sich aus der politischen Theorie aber immer weiter zurück und veröffentlichte nur noch selten etwas (privat arbeitete und korrespondierte er aber weiter zu diesen Themen).
Seine astronomische Arbeit vernachlässigte Pannekoek bei all der Politik aber keineswegs. In seinen frühen Arbeiten beschäftigte er sich vor allem mit veränderlichen Sternen und publizierte Beobachtungen zu ihren Helligkeitsänderungen. Später ging er dann auch fundamentalere Themen an. 1919 erschien zum Beispiel eine Arbeit mit dem Titel “The Distance of the Milky Way”. Darin ging er der Frage nach, wo sich die Sonne (und mit ihr die Erde) in Bezug auf den Rest der Milchstraße befindet. Das war damals ein wichtiges und vor allem ungeklärtes Problem! Weder wusste man zu Beginn der 1920er Jahre, ob es neben der Milchstraße noch andere Galaxien im Universum gibt oder die Milchstraße das Universum ist, noch war man sich über die Struktur der Milchstraße im klaren. Erst die nächsten Jahre brachten hier Aufklärung, als Edwin Hubble und seine Kollegen zeigen konnten, dass es neben der Milchstraße tatsächlich noch viele andere Galaxien gibt und das wir uns in unserer Galaxis am Rand befinden.

Das war zur Zeit Pannekoeks noch alles andere selbstverständlich. In seinem Artikel schreibt er über Beobachtungen des Astronomen Harlow Shapley, die nahelegen, dass sich die Sonne nicht im Zentrum der Milchstraße befindet:
“Now, Shapley’s result, that in the universe of globular clusters the sun occupies a very eccentric position, is contrary to the common view, which places the sun in our galactic system not far from the center.”
Die Beobachtungen, nach denen die Sonne also eher am Rand der Milchstraße sei, würden – so Pannekoek – der “allgemeinen Ansicht” widersprechen, dass wir in der Nähe des Zentrums beheimatet wären. Pannekoek ist aber von der Korrektheit der Messungen überzeugt und kommt in seiner Arbeit ebenfalls zu dem Schluss, dass wir uns am Rand befinden:
“The sun must then be situated near to the limit of the system in the direction of Perseus.”
Später wechselte Pannekoek von der reinen Beobachtung der Sterne zur Erforschung ihrer Eigenschaften und Entwicklung und war maßgeblich daran beteiligt, diese damals noch neue Disziplin der “Astrophysik” in den Niederlanden zu etablieren. Noch später begann er sich dann auch für die Geschichte der Astronomie zu interessieren und sein Buch auf diesem Gebiet gehörte lange Zeit zur Standardlektüre (und ist immer noch erhältlich*!). Zu seinen vielen Veröffentlichungen über historische Astronomie gehört auch ein interessanter Artikel aus dem Jahr 1930 mit dem Titel “Astrology and its Influence upon the Development of Astronomy”. Darin stellt Pannekoek die Sonderstellung der Astronomie heraus, als Wissenschaft, die im Gegensatz zu den meisten anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen eine viel längere Geschichte hat. Wo die anderen Wissenschaften quasi erst vor ein paar Jahrhunderten in den Universitäten entstanden, so Pannekoek, stammt die Astronomie noch aus einer viel älteren Zeit, in der die Suche nach Erkenntnis von deutlich unwissenschaftlicheren Motiven gesteuert wurde. Die Astronomie musste sich erst mühsam davon lösen und dabei die Astrologie abschütteln. Gleichzeitig betont er aber auch, dass die Astrologie den Babyloniern und später auch noch einmal in der Renaissance als Motivation diente, jede Menge Daten über die Himmelskörper zu sammeln, die dann zur Grundlage großer astronomischer Erkenntnisse wurden. Sein Text endet mit folgenden Worten:
“Astrology did not at once disappear, but its practice and theory are now only possible as a superstition, outside of science and beneath it. The astronomers now see new and other larger aims before them. The principle of which it once was the expression, the conception of the unity of the whole world, had now to take a new form; to find not the connection of universe and man – for man is now only a small and accidental attribute to one small planet – but to find the laws of the universe itself. On this new path astronomy has gone upward during the following centuries.”

Nach Pannekoek wurden ein Krater auf dem Mond und ein Asteroid benannt, er bekam die Goldmedaille der Royal Astronomical Society und das Astronomische Institut der Universität Amsterdam trägt heute seinen Namen.
Pannekoek starb am 28. April 1960 und auch wenn er mit seinen politischen Überzeugungen die Welt nicht verändert hat: Mit seinen wissenschaftlichen Leistungen hat er auf jeden Fall dazu beigetragen, dass wir sie besser verstehen können!
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Das Kosmische Ei


Liebe Leserinnen und Leser,

lange habe ich nach einem Osterthema gesucht. Wie man Ostern berechnet, hatte ich schon geschrieben.
Ich dachte auch über einen Artikel nach, der von jemandem handelt, der für seine moderne Weltanschauung hingerichtet wurde, z. B. Giordano Bruno. Dann hätte man gewisse Parallelen zur Hinrichtung Jesu herstellen können.
Aber irgendwie wollte ich gerade für diese schwierigen Zeiten etwas frölicheres finden. So suchte ich und fand…

Es gibt sie in allen formen. Aus Zucker, Schokolade, mit und ohne Füllung, gekochte, bunte, ausgeblasene und gebastelte. Die Rede ist vom Ei.
Keine Angst. Ich stelle jetzt die Frage nicht, was zuerst da war, das Huhn oder das Ei. Mein Vater stellte sie uns Kindern gefühlt bei jedem Osterfest mindestens ein mal…

Das Ei steht für den Anfang des Lebens, für Fruchtbarkeit und neues. Deshalb ist es für uns ein so wichtiges österliches Zeichen. Jesus überwindet den Tot, ein Symbol für neues und ewiges Leben.
So verwundert es nicht, dass sich zahlreiche Schöpfungsmythen um das Ei ranken. Selbst heutige rational denkende Naturwissenschaftler ziehen gelegentlich das „Kosmische Ei“ als Vergleich heran, wenn die Entstehung des Universums beschrieben werden soll.
Hier nun zunächst einige Mythen zur Entstehung der Welt aus einem Ei von Wikipedia. Danach gehen wir dann noch auf unser Thema, dem modernen kosmischen Eies ein.

Hinduismus

Das Gesetz des ersten indischen Gesetzgebers beginnt mit einem Schöpfungsmythos: „Er (Prajapati) hatte den Wunsch, Wesen aller Art aus seinem eigenen Körper hervorgehen zu lassen. Zu diesem Zweck erschuf er durch einen bloßen Gedanken das Wasser und legte seinen Samen darein. Der Same wurde zu einem goldenen Ei (Hiranyagarbha), leuchtend wie die Sonne, und in diesem Ei wurde er selbst geboren als Brahman, der Schöpfer der Welt … Der Göttliche wohnte ein Jahr lang in diesem Ei, dann teilte er es Kraft seines Gedankens in zwei Hälften, und aus den beiden Hälften formte er Himmel und Erde … Indem er seinen eigenen Körper teilte, wurde er halb männlich und halb weiblich …

Chinesische Mythologie

In einem chinesischen Weltentstehungsmythos enthielt das Urchaos in der Form eines Hühnereis das kosmische Prinzip Yin und Yang (zwei sich ergänzende Pole, die sowohl Ursprung als auch das Wesen aller Dinge sind). Aus diesem Ei wurde Pangu geboren.
Pangu steht als Weltachse im Mittelpunkt von Himmel und Erde. Seine Gestalt muss anfangs zwergenhaft gewesen sein. Nach 18.000 Jahren lichtete sich das Chaos und zerteilte sich in Yin und Yang (Erde und Himmel). Jeden Tag wuchs der Himmel nach oben und die Erde verfestigte sich und sank nach unten. Im selben Maß wuchs Pangu, bis er nach weiteren 18.000 Jahren zu einem Riesen geworden war, dessen Körper von der Erde bis zum Himmel reichte.
Er beschloss sein Leben durch eine Selbstopferung und bildete aus seinem Körper in einer Kosmogonie das Universum. Sein Odem wurde zum Wind, seine Stimme zum Donner, das linke Auge zur Sonne, das rechte bildete den Mond, aus seinem Leib bildeten sich die vier Pole und die fünf heiligen Berge, sein Blut ergab die Flüsse, Zähne und Knochen ergaben die Metalle, sein Haar die Pflanzen, sein Speichel den Regen und das an ihm haftende Ungeziefer die Menschheit. Aus Samen und Knochenmark wurden Perlen und Jade.

Japanische Mythologie

Der japanische Mythos der Weltentstehung ist in den frühesten japanischen Chroniken Kojiki (712) und Nihonshoki (720) festgehalten und besitzt chinesische Wurzeln, die auf die Einführung der chinesischen Kultur wie auch auf Einwanderer zurückgehen. Dem Nihonshoki gemäß war die Welt anfangs ein Chaos in Gestalt eines Ur-Eies, in dem Himmel und Erde (bzw. Yin und Yang) noch nicht getrennt voneinander existierten. Nachdem diese Trennung vollzogen war, trieben fisch- oder quallenartige Gebilde auf dem Wasser umher; aus diesen entstanden schilfartige Sprosse und diese wurden zu den ersten Gottheiten[6]. Es gab sechs Generationen von sehr unbestimmt beschriebenen Urgöttern und erst mit der siebten Generation, dem Geschwisterpaar Izanagi und Izanami, setzt die eigentliche mythologische Erzählung ein.

Griechische und römische Antike

In Griechenland gehört der Mythos vom Welten-Ei zum Dionysoskult. Die heiligen Geschichten dieses Kultes berichten, dass der – mehr oder weniger mit Dionysos identische – Schöpfergott aus einem Ei schlüpfte. So geheimnisvoll sein Wesen ist, so unsicher ist auch sein Name, er heißt Phanes, Protogonos, Eros oder Kronos. Da er selbst unerzeugt ist und vielmehr alles erzeugt, ist er – wie Brahman und wie Amun – mann-weiblich. Als Eigeborener hat er Flügel. In einem orphischen Hymnos wird er angerufen:„ Urwesen, doppelgestaltiger, ätherdurchfliegender Riese, / der du dem Ei entschlüpftest, prangend mit goldenen Schwingen, / brüllend so laut wie ein Stier, du Ursprung der Götter und Menschen …/ seliger, Kluger, an Samen Reicher, besuche voll Freude/ uns, die Kenner der Feiern, zur heiligen, leuchtenden Weihe“ Ähnlich wie der ägyptische Amun gilt auch der orphische Protogonos/Phanes als eine besonders „geheimnisumwitterte Gottheit“. Er zieht den „Kennern der Feier“ den „Schleier der dunstigen Finsternis fort von den Augen“.[9]
Im römischen Mithraskult taucht Mithras in der Erscheinungsform des orphischen Phanes auf. Geflügelt und schlangenumwunden, umgeben von den zwölf Sternbildern des Tierkreises und den aus den vier Himmelsrichtungen blasenden Winden steht er zwischen der unteren und der oberen Hälfte des Welteneies. In der Rechten hält er den herrschaftlichen Donnerkeil, in der Linken die Weltachse.

Das moderne Kosmische Ei

Der Kirchenmann und Astronom Georges Lemaître veröffentlichte 1927 die Idee, dass sich der Kosmos aus einem Uratom entwickelt habe.
Dieser Entstehungsprozess, wenn also quasi die Schale des Eis aufspringt, und das junge Universum frei gibt, nennt man seither in der Kosmologie Urknall oder Big Bang.

Etwas genauer ausgedrückt wird in der Kosmologie der Beginn des Universums, also der Anfangspunkt der Entstehung von Materie, Raum und Zeit als Urknall bezeichnet. Nach dem kosmologischen Standardmodell ereignete sich der Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren. Urknalltheorien beschreiben nicht den Urknall selbst, sondern das frühe Universum in seiner zeitlichen Entwicklung nach dem Urknall.
„Urknall“ bezeichnet keine Explosion in einem bestehenden Raum, sondern die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit aus einer ursprünglichen Singularität. Diese ergibt sich formal, indem man die Entwicklung des expandierenden Universums zeitlich rückwärts bis zu dem Punkt betrachtet, an dem die Materie- und Energiedichte unendlich wird.

Eine Singularität ist ein Zustand, ein Ort, wo unsere physikalischen Gesetze aufhören zu existieren. Masse wird unendlich, Zeit unendlich langsam etc. Weder die Gesetze der Relativitätstheorie, noch diejenigen der Quantenphysik und die Newtonsche Mechanik, greifen hier nicht mehr. Das sog. Standard-Modell, das diese Gesetze und Theorien zu vereinen sucht, versagt an so einem Ort.

Es wird krampfhaft nach einer Theorie, der Quantengravitation gesucht, die alles miteinander verbindet.

Die Bezeichnung des „kosmischen Eis“ wurde von der modernen Wissenschaft in den 1930er Jahren wieder entdeckt. Nach modernen kosmologischen Modellen war vor 13.8 Milliarden Jahren die gesamte Masse des Universums in einer gravitativen Singularität komprimiert, dem sogenannten Kosmischen Ei, von dem aus sich das Universum bis zu seinem heutigen Zustand entwickelte.

So, das waren also jetzt mal einige Mythen über das Ei und die Entstehung von allem bis in die heutige Zeit.

Jetzt wünsche ich euch trotz allem schöne viele bunte Ostereier. Und Vorsicht, daran kann man sich auch überfressen… Ist mir als Kind regelmäßig passiert.

Also, gehabt euch wohl,
feiert schön im Rahmen eurer Möglichkeiten,
passt auf euch auf
und bleibt gesund.
Frohe Ostern wünscht euch

euer Blindnerd.

Wenn alles aus dem Takt gerät


Liebe Leserinnen und Leser,

Im Rahmen eines Vortrages über eine Synchronisationsstörung von Tag und Nacht, die manche blinde Menschen haben, durfte ich einige Impressionen zu Rhythmen aus Astronomie und Weltraum einstreuen.

Ob wir wach sind, oder schlafen, synchronisiert unser Körper über die Augen und das Licht. Menschen, die das nicht können, haben einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Das liegt daran, dass der natürliche nicht exakt 24 Stunden beträgt.
Manche Menschen haben einen etwas längeren, anderen einen kürzeren Tag-Nacht-Ablauf.
Das haben Versuche gezeigt, bei denen Menschen dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus entzogen wurden.

Das hat zur Folge, dass die Wach-Phase durch die Tage wandern. Bei jemanden, der einen natürlichen 25-Stunden-Takt besitzt, wandert somit das Zeitfenster der Wachheit durch die 24 Stunden des Tages und der Nacht. Somit möchte so ein Mensch schon nach zwölf Tagen mittags schlafen und ist nachts wach, wenn er eigentlich müde sein sollte.
Evolutionstechnisch ergibt es einen Sinn, dass der Rhythmus nicht genau übereinstimmt. Nur so können Menschen z. B. „Überstunden“ machen und ihren Rhythmus in gewissem Rahmen ausdehnen.
Jeder, der schon mal eine lange Flugreise unternommen hat weiß, wie es sich anfühlt, wenn der biologische Rhythmus nicht mehr mit dem normalen Tag-Nacht-Rhythmus übereinstimmt.
In diesem Vortrag ging es um diese Krankheit, Non-24, ihre Ursachen, und welche Therapie Betroffene mittlerweile in Anspruch nehmen können.
Meine Wenigkeit durfte die verschiedenen Abschnitte des medizinischen Vortrages mit einigen Parallelen und Bezügen zur Astronomie und den Rhythmen im Sonnensystem auflockern und anreichern.

Da ich sehr froh bin, dass diesen Menschen nun geholfen werden kann, teile ich meine Einsprengsel zu diesem Vortrag gerne mit euch.
Und nicht, dass hier jetzt jemand den Verdacht hegt, dass der Blindnerd sich vom Hersteller des Medikaments gegen Non-24 hat kaufen lassen. Ich habe für meinen Teil des vortrages kein Honorar genommen, um genau diesem Verdacht vor zu beugen.

Gestörte Rhythmen

Immer schon hatten Menschen Probleme mit Dingen, die aus dem Takt geraten. Kalender, Feiertage etc. sind Beispiele dafür.
Im Artikel Klingende Planetenbahnen beschrieb ich, wie von den alten Griechen bis Johannes Kepler immer wieder nach der Weltharmonik gesucht wurde, erfolglos.

Zeiterfahrung

Die erste und stärkste Erfahrung mit Zeit und Rhythmus ist der Tageslauf. Nach diesem stehen wir auf und gehen schlafen. Nach diesem Rhythmus leben, lieben und essen wir. Unser ganzes Leben richtet sich nach ihm aus.
Über die Augen stellen wir täglich unsere biologische Uhr neu.
Selbstverständlich bemerkten schon die Urmenschen, dass die Tageslänge sich im Laufe des Jahres ändert.
Man ging in der Regel zu Bett, wenn es dunkel wurde und stand mit der Sonne auf. Die langen Tage im Sommer waren praktisch, um zu ernten. Von Vögeln weiß man, dass sie die langen Tage benötigen, um in Helligkeit genügend Zeit zu haben, ausreichend Futter für ihren Nachwuchs zu finden.
Grundsätzlich werden unsere Tage ja länger mit den Jahrhunderten, weil unser Mond durch seine Anziehung und Ebbe und Flut die Erddrehung langsam abbremst. Dabei entfernt er sich von uns. Pro Jahr immerhin um ungefähr drei Centimeter.

Messen kann man das seit Menschen auf dem Mond waren und Reflektoren für Laserlicht oben gelassen haben.
Als sich vor Millionen von Jahren das Leben entwickelte, waren die Tage deutlich länger, was man geologisch beweisen konnte.
Diese Abbremsung der Erddrehung durch den Mond, zwingt uns dann und wann Schaltsekunden oder sogar Bruchteile davon, einzuführen.
Atomuhren geben heutzutage den Zeittakt vor, den wir benötigen, damit beispielsweise unsere Daten getaktet durch das Internet fließen können.
Auch für unsere Navigationssysteme sind derart genaue Uhren unerlässlich.
In unserer heutigen Zeit zerstören wir diesen Rhythmus, indem wir künstlich den dunkeln Nachthimmel aufhellen, und quasi die Nacht zum Tage machen, und nicht nur uns gefährden wir damit, sondern auch den Tagesablauf vieler Tiere. Singende Amseln im November hat es beispielsweise früher nicht gegeben. Insekten verhalten sich durch künstliches Nachtlicht anders, so dass Fledermäuse Probleme bei der Nahrungssuche haben. Nicht zuletzt sperren sich Menschen nachts hinter dunkle Rollläden, um sich selbst vor ihrer extrem hellen Weihnachtsbeleuchtung zu schützen.

Jahreszeiten

Die Jahreszeiten entstehen, weil die Erdachse um 23 Grad gegen die Ekliptik gekippt ist.
Und ja, es stimmt, dass unsere Erde sich im Jahreslauf mal näher und mal weiter von der Sonne weg befindet. Sie läuft, wie alle Planeten, elliptisch um unseren Stern, von dem wir leben.
Paradochser Weise durchläuft sie im Januar ihren sonnennächsten Punkt, obwohl wir Winter haben. Nicht diese Tatsache macht Sommer und Winter.
Diese Schwankung des Abstandes von Erde und Sonne ist somit nicht dafür verantwortlich, dass es mal wärmer und dann wieder kälter ist. Der ist dafür zu gering.
Winter und Sommer entstehen einzig und alleine durch die um 23 Grad gekippte Erdachse, indem im Sommer, wo sich die Erde weiter weg von der Sonne befindet, die Nordhalbkugel und in unserem Winter, Erde näher an der Sonne, die Südhalbkugel mehr Sonneneinstrahlung abbekommen.
Das, dass der Sonnennächste Punkt, das Perihel, auf der Nordhalbkugel im Winter liegt, wird sich in vielen Jahrtausenden mal wieder ändern, wenn die Erdachse sich durch ihren Taumel um 180 Grad gedreht hat, denn die Erde „eiert“ ähnlich wie ein Spielzeug-Kreisel.
Im Laufe von Jahrtausenden beschreibt die Erdachse quasi einen Kreis an den Himmel. Durch diese Präzession der Erde wird in einigen Jahrtausenden die Erdachse schließlich auch nicht mehr auf den Polarstern zeigen, so dass wir uns einen anderen Orientierungspunkt suchen müssen.

Weil der Jahreszyklus nicht ganz auf zwölf Monate und 365 Tage passt, müssen wir alle vier Jahre schalten. Es gibt noch weitere Schaltregeln in unserem Kalender, die aber hier nicht so wichtig sind, z. B. Auslassungsregeln, wann trotz teilbar durch vier, nicht geschaltet wird, bis hin zu Schaltsekunden.

Und dann gibt es natürlich unseren Mond mit seinen Phasen.
Der Vollmond dürfte sich sehr gut für die Jäger und Sammler geeignet haben, nachts unerkannt zu jagen und zu sammeln.
Man sagt auch, dass der weibliche Zyklus ihm entspricht.
Sich nur nach dem Mond zu richten, macht sehr schnell Probleme.

Hätten wir heute noch Mondkalender, würden manche Feiertage durchs Jahr wandern, wie der Ramadan im Islam.
Da man im Islam jedoch unseren gregorianischen Kalender benutzt, und den Mondkalender parallel mit durch unseren Jahreslauf führt, relativiert sich das Problem. Allerdings ist die Durchführung des Fastens am Tage im Sommer, vor allem in heißen Ländern deutlich schwieriger, als im Winter, weil man ja auch nicht trinken soll und die Tage länger sind.

Und was ist ein Monat überhaupt

Wenn wir Monat sagen, so meinen wir meist unsere kalendarische Einteilung des Erdumlaufes in zwölf Monate mit 28, bei Schaltjahren 29, 30 oder 31 Tagen um die Sonne. Diese Jahreseinteilung hat mit dem Mond nichts zu tun, und mit den zwölf Sternzeichen übrigens längst auch nicht mehr.

Die Zeitspanne zwischen zweier Neumonden, des altertymlichen Monats, nennen wir den synodischen Monat.
Dieser bestimmt sich von Neumond zu Neumond und dauert im Mittel 29,53 Tage.
Er spielt für uns lediglich im Kirchenjahr eine Rolle, indem man mit ihm den Ostertag berechnet, aus welchem sich einige weitere Feiertage ableiten, siehe meinen Osterbeitrag
Außerdem benötigen wir ihn zur Berechnung von Sonnen- und Mondfinsternissen.

Betrachtet man die Zeitspanne, bei der der Mond auf einen bestimmten Fixstern zeigt, bis dem wieder so ist, dann erhält man den siderischen Monat. Der weicht zeitlich vom synodischen Monat leider ab.

Ein weiterer Monat, der unmittelbar zur Berechnung von Finsternissen unerlässlich ist, ist der dragoonitische Monat.

Die Mondbahn läuft fünf Grad gegen die Ekliptik geneigt. Die Ekliptik ist die Ebene, in welcher alle Planeten umlaufen.
Somit befindet er sich die Hälfte des Monats etwas oberhalb und in der anderen Hälfte, etwas unterhalb der Ekliptik.
Die Schnittpunkte zwischen der Mondbahn und der Ekliptik, nennt man Knotenpunkte.
Die daraus sich ergebende Periode nennt man dann den dragonitischen Monat. Und der „Teller“, auf dessen Rand der Mond entlang läuft, dreht sich leider langsam auf der Ekliptik, so dass Berechnungen damit noch schwieriger werden.
Sein Name leitet sich vom chinesischen Himmelsdrachen her, der von Zeit zu Zeit die Sonne entweder mit seinem Schwanz einfängt, bzw. mit seinem Mund verschluckt.
Die beiden königlichen Hofastronomen, Hi und Ho, sollen geköpft worden sein, als sie vergaßen, eine Finsternis hervor zu sagen. Somit hatte das Volk keine Gelegenheit, durch seine Rituale mit Trommeln und Pfeifen den Drachen zu vertreiben, damit er die Sonne wieder frei gibt.

Da der Mond sich auf einer elliptischen Bahn um die Erde bewegt, kann man auch eine Definition eines Monats zwischen Perigäum (erdnahstem Punkt) und Perigäum festlegen. Dieses nennt man dann den anomalistischen Monat. Der spielt für unseren Kalender keine Rolle. Er muss aber zur Berechnung von Finsternissen berücksichtigt werden.

Man sieht hier deutlich, wie komplex z. B. die Berechnung von Finsternissen wird, denn all diese genannten Definitionen sind unterschiedlich lang, und zwar derart, dass man es mit Brüchen vieler Nachkommastellen zu tun hat. So einfach macht es uns die Natur halt leider nicht.

Alle Kalender geraten irgendwann aus dem Ruder, wenn nicht durch Maßnahmen neu synchronisiert würde.
Man musste beispielsweise Mondkalender immer mal wieder aktualisieren, indem man einen dreizehnten Monat einführte.
Die Unglückszahl dreizehn heißt so, weil in solchen Schaltjahren 13 mal Steuern bezahlt werden mussten.
Der Ausspruch zwischen den Jahren rührt auch da her.

Fazit

Kometen kommen und gehen, Planeten beeinflussen sich durch ihre Schwerkraft und verändern dadurch Zeit und bahn.
Alles scheint irgendwie synchron, aber scheinbar nicht auf Dauer.
Deshalb benötigen wir Menschen hier auf Erden immer mal wieder Maßnahmen, um Kalender anzupassen. Ein großes Synchronisationsproblem war die Einführung der Eisenbahn.
Fahrpläne und Zeiten mussten aufeinander abgestimmt werden.
Die Synchronisation von Bahnhofsuhren war die Aufgabe des Patentanwaltes, der später durch seine Relativitätstheorie die ganze Physik erneuern sollte, Albert Einsteins.

Harmonie und Synchronizität scheinen im Universum eher die Ausnahme zu sein.

Und wenn es nun Menschen gibt, die nicht auf natürliche Weise ihren Körper über das Tageslicht synchronisieren können, dann ist es wichtig, dass ihnen geholfen wird, denn falscher Schlaf macht krank und kann lebensbedrohlich sein.
Zum Glück ist dafür ein Medikament gefunden.
Wer mehr über Non-24 erfahren möchte, kann sich auf den Seiten von
Non-24
kundig machen.

Bis zum nächsten mal grüßt euch
euer Blindnerd.

Auf der Jahrestagung der Deutschen Astronomischen Gesellschaft 2019


Seid herzlich gegrüßt,
Manche von euch könnte beim Lesen dieses Artikels das Gefühl überkommen, den schon mal gelesen zu haben. Das Gefühl stimmt exakt. Ich habe den Artikel über die Jahrestagung der AG tatsächlich im Rahmen meines Jahresrückblickes 2019 schon mal veröffentlicht. Da aber der Jahresrückblick durch diesen Artikel sehr länglich wurde, beschloss ich, ihn auszugliedern und als separaten Artikel zu veröffentlichen. Außerdem war dieses Event so wichtig und schön für mich, dass es eine separaten Artikel wert ist. Und es geht los:

„Outreach“ bedeutet, die Astronomie nach außen in Schulen, Bildungsinstitute, halt in die Öffentlichkeit zu tragen. Unterstützt wurde ich vom Vorstand des EBS-Baden, indem der EBS dankenswerter Weise die Konferenzgebühr für mich übernahm. Schon in Kiel unterstützte mich der alte Vorstand in dieser Sache.
So fuhr ich also mit meiner Arbeitsplatzassistenz als Begleitung am 19.09.2019 nach Stuttgart an die Universität, wo die Tagung stattfand. Am Vormittag dieses Tages besuchten wir zunächst noch einige astronomischen Vorträge und eine Preisverleihung für die beste Doktorarbeit im vergangenen Jahr. Etwas grafischeres, wie eine Vorlesung eines gestandenen Astronomen, gibt es nicht. Wahnsinn, wie viele bunte Diagramme, Tabellen und sonstige Grafiken, die einem in 90 Minuten um die Ohren hauen können. Hätte ich mir in den letzten Jahrzehnten kein so fundamentales Grundwissen in Astronomie, Astrophysik und Weltraumforschung erarbeitet, würde ich nichts, aber auch gar nichts verstehen. Ich bin nicht sicher, ob man als blinder Student ein Astronomie-Studium schaffen könnte. Auf jeden Fall hat mich der Vortrag der ESA sehr beeindruckt in welchem in einer Art Rundumschlag mal alle aktuellen wesentlichen Projekte angerissen wurden, was so im Weltall von Europa aus erforscht wird und welche Raumsonden gerade fliegen, bzw. in Planung sind. Danach ging es dann auch schon nach der Mittagspause in den Workshop, in dessen Rahmen auch mein Vortrag stattfinden sollte.
Zum Glück ist der Outreach-Workshop immer in Deutsch, weil man sich deutsche Astronomie-Projekte zeigt, mit denen man Menschen erreichen möchte. Also, um es vorweg zu nehmen. Es rührt einen manchmal zu Tränen, wenn man erleben darf, wie z. B. das Thema Astronomie Kindern nähergebracht wird. Im ersten Vortrag wurde anhand einiger Videos vorgestellt, wie das DLR Kindern sowie Lehrern die Wissenschaft und die Astronomie näherbringen. Hunderte bis tausende von Kindern verschiedener Schulen versammeln sich in großen Hallen, bzw. sogar in Stadien, um eine riesige Wissenschafts-Show mit Komik, Experimenten, Astronaut Alexander Gerst, mit Modellen von Erde, Mond, Mondlander etc. zu erleben. Es ist, wie gesagt, sehr rührend, mit wie viel Herzblut die Wissenschaftler des DLR_Next hier zu Werke gehen.
Im nächsten Vortrag wurde 100 Jahre Astronomische Union gewürdigt. Durch die Wirrnis zweier Weltkriege hindurch, Inflation, NS-Regime etc. musste sich die AG hindurch manövrieren, um zu überleben. Von Zerschlagung der AG, Enteignung und Verboten war alles dabei. Dennoch überlebte sie, was in diesem Vortrag eindrucksvoll und geschichtlich spannend, dargelegt wurde.
Nun war ich an der Reihe. Wie sollte ich bloß diesen Spagat schaffen, rüber zu bringen, was Wichtiges in den letzten vier Jahren lief, ohne mich selbst zu sehr zu bauchpinseln und zu beweihräuchern. So redete ich mich erst mal warm, in dem ich mich, das Institut, an welchem ich arbeite, den EBS-Baden vorstellte und mein Buch zurück in Erinnerung rief.
Nun gliederte ich den Vortrag in verschiedene Themenbereiche, um parallele Entwicklungen besser und getrennt voneinander darstellen zu können.

So zeigte ich beispielsweise meine Planeten-Modelle aus dem 3D-Drucker. Diese entstanden dadurch, dass die Astronomische Gesellschaft mir eine Anfrage aus Spanien weiterleitete. Da wollte jemand Astronomie für Blinde machen, hatte gute 3D-Modelle am Rechner erstellt, hatte aber wegen Armut keinen 3D-Drucker, um die Modelle zu drucken. Die hatten die Daten und ich druckte sie hier. Außerdem übersetzte ich meine taktilen Astronomie-Mappen, mit denen wir teilweise auf den Freizeiten schon gearbeitet haben ins Spanische, so dass die nun auch damit arbeiten können, und ich habe die Modelle von diesem Kontakt, dank der Astronomischen Gesellschaft.
Natürlich durfte passend zum Jubiläum der Mondlandung meine Lego-Rakete und meine Mondkarte nicht fehlen.

Leider fiel eine Mondveranstaltung aus, weil ich eine Sommergrippe hatte und es absolut nicht ging. Ein Highlight war sicherlich die Präsentation unseres sprechenden Handplanetariums „Universe to Go“. An der Anpassung für Blinde war ich beratend beteiligt und bin mit dem Entwickler bestens befreundet. Mit diesem Gerät können blinde Menschen mit etwas Übung den Sternenhimmel akustisch erkunden.

Nun stellte ich vor, welche Netzwerke ich in den letzten Jahren knüpfen konnte. Diese Universität in Spanien erwähnte ich schon. Auf Blindnerd schrieb ich über den Inklusionstag der Internationalen Astronomischen Union, dem höchsten Gremium der Welt, die mich als Experten eingeladen hatten, um dort zu sprechen und meine Modelle auszustellen.
Das alles ist auf meinem Blog „Blindnerd“ ausführlich beschrieben.

Nun stellte ich noch einige unserer Freizeiten vor.“ Die Sonne, der Stern von dem wir leben“, „Kalender und Uhren im Wandel der Zeiten“, „Die Bibel unterm Sternenzelt“, sind vielleicht noch Themen, an welche sich manche noch erinnern könnten.

Der letzte Block zeigte auf, wie verschieden meine Vorträge und Workshops sind. Blindenschulen, Brennpunktschulen, Berufsbildungseinrichtungen, Kinder-Krebs-Station im Krankenhaus, Landfrauen und vor ausgewachsenen Astronomen, sind alles Orte, an denen ich schon gewirkt habe. Unterschiedlicher geht es nicht.

Sogar für die Bahnhofsmissionen Badens, durfte ich schon tätig sein, die wohl alle blinden Leser*innen schon mal in Anspruch genommen haben.

Ich könnte mit den Erfahrungen aus den verschiedenen Veranstaltungen Bücher füllen. In der Kaffeepause wurde ich von einigen interessanten Personen in Beschlag genommen, die sich für meine Themen und den EBS interessieren. So zeigte der Direktor der Ausstellung Experimenta in Heilbronn großes Interesse, mit mir gemeinsam etwas für blinde Menschen anzubieten. Es folgten nun noch bis 18:00 Uhr weitere Vorträge. Einen fand ich hier besonders spannend.

Den letzten Referenten fand ich auch äußerst spannend.
Immer, wenn ein neuer Kinofilm mit Weltraum-Kram herauskommt, lädt er zu einem Vortrag und dem anschließenden Film ein. Im Vortrag wird dann die Physik des Weltraumfilmes erklärt, z. B. „Kann man in die Zukunft oder in die Vergangenheit reisen?“ „Funktioniert Beamen?“ „Können Waffen im Weltraum überhaupt so einen Lärm machen, wie im Film?“ etc. Dabei geht es nicht darum, den Besuchern den Film madig zu machen, aber man kann sich ja mal über die Physik des Filmes unterhalten und danach trotzdem Beamen etc.

Fazit:
Die Veranstaltung war für mich eine großartige Möglichkeit, meine Mission zu präsentieren.
Ich bin sicher, dass wir hier mittlerweile gute Kontakte haben, die auch mal weit bis in den EBS und die Freizeiten hineinwirken können. Es lohnt sich wirklich alle paar Jahre sich dort mal mit einem Vortrag zu zeigen.

Mein Astronomischer Jahresrückblick 2019


Liebe Leserinnen und Leser,

wieder liegt ein ereignisreiches Jahr hinter uns. Astronomisch begleitete uns natürlich die Mondlandung mehr oder weniger das ganze Jahr hindurch.
Es gab aber, zumindest für mich, auch noch großartige andere astronomische Erlebnisse.
Wie immer teile ich diese in Form eines obligatorischen Jahresrückblickes gerne mit euch.
Und das gewiss nicht, weil ich mich bauchpinseln wollte, sondern weil diese Arbeit einfach viel Freude bereitet. Ich merke, dass meine Mission der Inklusion am Himmel, langsam immer mehr Anhänger*innen findet.
Dann fangen wir mal an:

Artikel bei Spektrum

Zunächst kommt ein Nachtrag von 2018; eine Überraschung, von der ich erst Anfang 2019 erfuhr und die mich sehr freute.
Es gab im November 2018 einen Artikel über mich in der Spektrum der Wissenschaft. Der ist allerdings hinter einer Paywall
https://www.spektrum.de/magazin/wir-wollen-den-himmel-zu-allen-bringen/1606172
Davon habe ich nur zufällig erfahren. Sollte jemand die Möglichkeit haben, diesen Artikel zu laden, dann wäre ich für eine, ja ich weiß, … Kopie sehr dankbar.
Immerhin habe ich die Spektrum als Hörzeitschrift abonniert. Dort war der Artikel aber nie drin, sondern scheinbar nur online.

Jetzt aber zu den Ereignissen von 2019
Wie wir nachher noch sehen werden, war dieses Jahr für mich irgendwie das Jahr der Medien.

Jahresbeginn mit Big-FM

Der Radiosender BigFm strahlte am 13.01. einen Beitrag mit mir in „Zwischen Himmel und Erde“ aus. Das war eine Wiederholungstat, denn der Artikel wurde vor einigen Jahren schon mal gesendet.
Das macht aber nichts, denn bei den meisten Sachen im All kommt es nicht darauf an, wie abgehangen ein Artikel ist.
Diese Ausstrahlung hatte, wie wir später sehen, weitreichende positive Folgen.
Beitrag anhören

Optic Students

Mein erster Vortrag 2019zu Audio-Astronomie war bei einem Verein am KIT, der sich Optic Students nennt. Diese forschen an allem, was mit Optik zu tun hat. Ob Laser, Linse, Spiegel etc. Ausgerechnet dieser Verein wollte von mir einen Vortrag ohne Optik haben. Ich finde das eine gute Sache, wenn man seine Sensoren mal anders ausrichtet.
Rein zufällig traf ich mal ein Mitglied des Vereins auf der Straße. Ich wurde gefragt, ob ich derjenige blinde sei, der mit Sternen und so…
Vermutlich hatte er was in den Medien aufgeschnappt.
Und dann war die Idee geboren.
Der Vortrag war sehr gut besucht und danach gab es auch noch viel Gespräche und leibliches Wohl. Den Vortrag musste ich auf Englisch halten. Zum Glück habe ich schon teilweise englische Folien, so dass ich nicht alles neu erfinden musste.
Für mich war es der erste Vortrag am KIT. Da ist man zwanzig Jahre beschäftigt, taucht mindestens zwei mal jährlich in einem KIT-Medium zum Thema Astronomie auf, kommt in anderen großen überregionalen Zeitungen etc., und dennoch keine Vorträge.
Es ist schon irgendwie so, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt.
Wie auch immer.

Artikel beim Evang. Pressedienst

Die oben erwähnte Radiosendung schnappte offenbar eine Reporterin des Evang. Pressedienstes auf. Schon am 18.01. durfte ich ein großartiges Interview mit ihr führen.
EPD ist für die Kirche das, was für alle die DPA darstellt. Jede Zzeitung darf sich bei den Artikeln bedienen. Ein super Multiplikator also.
Und tatsächlich. am 06.02. veröffentlichte der EPD einen sehr langen respektvoll geschriebenen großartigen Artikel.
Hier geht es zum Artikel.

Noch am gleichen Tag rief die Landesschau des SWR bei mir an. Die wollten unbedingt, angeregt durch den EPD-Artikel mit mir eine Sendung aufzeichnen.
Das letzte finale Ereignis in diesem jahr war dann diese Sendung. Siehe gaaaanz unten.

Sendung bei SWR4 Baden-Württemberg

Am 07.02. rief mich spontan ein wohl bekannter Reporter, Herr Essig, des SWR4 an. Wenn es etwas am KIT oder vom KSC zu berichten gibt, das für SWR4 interessant sein könnte, ist Herr Essig nicht weit.
Er meinte: „I bin grad uf am Weg zum KSC. I könnt kurz vorbei komme. Mache ma doch e schönes Beiträgle.“
Auch er fand über den EPD-Artikel zu mir.
Baden-württemberg Aktuell

Ambasador-Club Baden-Baden

Von langer Hand geplant war ein Vortrag im Kurhaus Baden-Baden beim Ambasador-Club.
Die waren alle sehr interessiert. Es ist praktisch, auch mal bei so einem Verein einen Vortrag zu haben, denn die haben, was man eventuell mal für ein Astronomie-Projekt brauchen könnte, Geld, das sie gerne für gute Zwecke einsetzen wollen.

Fünfzig, was jetzt schon?

Oh, was hatte ich Glück, wie ich mich um eine große Feier meines fünfzigsten Geburtstags drücken konnte.
Vom 22.02. – 24.02. nahm ich für den Evang. Blinden- und Sehbehindertendienstes Baden an der Jahrestagung des Dachverbandes teil
Das Motto war lustig: „Hast Du schon die App, oder fragst Du noch Menschen“.
Gemeinsam mit einer aus Pfarrern bestehenden Folk-Band durfte ich mich mit zwei kleinen Lesungen am Abendprogramm beteiligen. Ich muss schon sagen. So Folk und Astronomie passen schön zusammen.
Außerdem gab ich zwei mal einen Workshop zum Thema „Wenn Dinge plötzlich denken lernen“. Es ging um Haushaltsroboter, Alexa & Co. Trotz aller Vorteile als Hilfsmittel und Assistenzsystem gab es viele Ängste und Bedenken, die im Workshop ausgesprochen und bearbeitet werden durften.
Die Tagung war wirklich ein ganzheitliches Highlight für mich und hat mich, wie gesagt, über meinen Fünfziger getragen.

Interview beim Evangeliumsrundfunk

Mein großartiger blinder Freund ist Journalist beim Evangeliumsrundfunk Baden. Der ist sprachlich der Hammer und keiner kann Elvis so gut wie er. Für das Bestehen seiner Matheklausuren empfahl ich ihm stets Kerzen zum Gebet…
Er hatte vor einigen Jahren den Take initiiert, der oben von BigFM erwähnt wurde.
Der führte mit mir am 12.03. mal ein richtiges langes Interview mit mehreren Takes durch.
Es war wie in guten alten Zeiten, als wir Brüder im Geiste quasi unter einer roten Fahne die Welt verändern wollten.
Link zur Sendung

Podcasts

Ich schrieb in Podcasts – ein Tor zu Wissen und Bildung darüber, welch ein wunderbares Tor zu Wissen und Bildung insbesondere für mich als Mensch mit Blindheit, Podcasts sind.
Ein in der Community und weit darüber hinaus strahlender Stern am Podcast-Himmel ist der Technikpodcast von Stephan Merk.
Es war mir eine große Ehre, dass er am 29.03. mit mir eine Folge aufzeichnete.
Für alle, die sich für Audiozubehör interessieren, ist dieser Podcast ein Muss.
Zur Folge

Sternenfrühstück

Auf der oben erwähnten Fachtagung des DEBESSwurde mit der Leiterin des Evang. Blinden- und Sehbehindertendienstes Rheinland-Pfalz abends beim Wein die Idee geboren, mich zu deren Frauenfrühstück in die Diakonie als Referent einzuladen, denn man kann ja nicht immer ein medizinisches oder sonstiges Schwurbelthema nehmen.
Das war für mich eine gewisse Herausforderung, denn ich hatte mit so einem Publikum noch wenig Erfahrung.
Hier kam mir dann allerdings die Zeit zu pass. Ostern stand vor der Tür und diesmal sogar noch mit dem
Oster-Paradox
Da lies sich dann was daraus machen.
Die wunderbaren Damen schmierten mir Brötchen und versorgten mich vortrefflich und ich erzählte ihnen von Ostern.

Podcast mit Folgen

Schon lange bin ich mit den freien Journalisten der @Weltraumreporter auf Twitter unterwegs und habe auch deren Flatrate abonniert, um alle Artikel der @Riffreporter lesen zu können.
Und so besuchten mich am 24.06. Karl Urban und Felicitas Mogler in meinem Büro, um gemeinsam eine Sendung aufzunehmen.
Keiner von uns wusste vorher, wer den Weltraumreportern die Sendung abkaufen würde. Es versprach somit, spannend zu werden.
Einige Radiosender kauften dann den Artikel und bastelten sich eigene kurze features daraus.
Zur Podcast-Folge der @weltraumreporter

Inklusion

Aufmerksam geworden durch den EPD-Artikel oder einer anderen Zeitung, die sich dort bediente, rief mich die Inklusionsbeauftragte der Gemeinde Gundelfingen an, und bat mich, in deren Bibliothek einen inklusiven Abend zu gestalten.
Im Vorfeld dafür durfte ich am 02.07. der Badischen Zeitung ein Interview geben.
Ich schrieb gesondert über diese Veranstaltung in

Inklusiv von allen Seiten – mein Auftritt in Gundelfingen

Am selben Tag strahlte DLF-Nova ein Feature aus, welches aus der Sendung extrahiert wurde, das die Weltraumreporter mit mir aufgenommen hatten.

Hatte also diesmal der Große Fisch DLF angebissen. Wahnsinn!!!

Nach gezogen hat dann mit quasi der gleichen Sendung SWR2-Impuls.

Endlich geschafft. Ein Traum ging in Erfüllung. Ich wollte schon immer gerne ins Radio. Lieber, als ins Fernsehen, obwohl man das natürlich auch mit nimmt, wenn es sich anbietet.

Besuch von Alexander Gerst

12.07. Ehrendoktor Alexander Gerst.
Zu gerne hätte ich ihm mein Buch geschenkt, aber er wurde von Großkopferten derart abgeschirmt, dass das nicht möglich war. Dennoch. Es war für mich ein großer Tag, bei dieser Feier dabei gewesen zu sein.
Über diesen ganz besonderen Vortrag berichtete ich bereits in

Alexander Gerst am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – meine Impressionen

Mond verpasst

Ausgerechnet am 20.07.2019, 50 Jahre Mondlandung, lag ich krank zu Bette.
Noch nie musste ich wegen Krankheit eine Astro-Veranstaltung absagen. Eigentlich wollte ich mich mit unseren Studierenden treffen. Wir wolten Mond-Videos schauen, Pizzamond bestellen und Legorakete aufmachen, und auseinander nehmen, um den Flug zu erleben.
Ging nicht. War nix zu machen. So habe ich dann halt meine Videos im Bett geschaut, und irgendwie wurde es dann doch noch ganz feierlich.

Astronomie für die Kirche

Mitten am Tage, als die Sonne hoch am Zenit stand, war ich von den Mitarbeitern des EOK eingeladen, im Rahmen ihrer Mittagspause mal etwas über Astronomie mit vier Sinnen zu erzählen.
Die haben im Sommer so ein Programm, wo entweder Mitarbeitende ihr ungewöhnliches Hobby präsentieren, bzw. in meinem Falle, auch mal jemand von außerhalb eingeladen wird.
Und so hörten wir uns viele Weltraumsounds an, man war sehr an meinen Modellen interessiert, und einige Büchlein wechselten ihre Besitzer.
Am gleichen Tag sendete SWR2-Wissen ein aus dem Podcast der Weltraumreporter abgeleitetes Feature, dem des DLF sehr ähnlich,
Allerdings nur irgendwie online, denn im SWR2-Wissen-Podcast lief es nie.

Am 12.09. veröffentlichten nun die @Riffreporter das ganze Interview als Schriftinterview und auf ihrem Podcast. Weil die anderen Radios Teile vom ganzen verwendeten hier der Link zum ganzen Interview.
Direkt zum Audio auf Blindnerd

Zum Podcast und Schriftinterview auf der Seite der Riff-Reporter

Outreach-Workshop bei der Astronomischen Gesellschaft

Vor vier Jahren stellte ich bei der Deutschen Astronomischen Gesellschaft auf der Jahres-Hauptversamlung in Kiel mein Buch vor. Ich dachte mir, dass die Gelegenheit günstig sei, am 19.09. mal wieder einen Vortrag darüber zu halten, was sich seitdem entwickelt hat. Da die Versammlung diesmal an der Uni Stuttgart stattfand, war es für mich ein Heimspiel.

Vier Jahre, in welchen sich unheimlich viel für mich und die Astronomie getan hat. Über einhundert Veranstaltungen und Vorträge, zahlreiche Berichte und Interviews in den Medien, Entwicklung neuer Modelle und Zugänge zu Astronomie und vieles mehr, nahm ich in diesem Herbst zum Anlass, mal wieder im Outreach-Workshop der Jahreshauptversammlung der Deutschen Astronomischen Gesellschaft, diesmal in Stuttgart, einen Bericht abzuhalten, wie sich meine Öffentlichkeitsarbeit in Sachen inklusiver Astronomie, in den letzten Jahren entwickelte.
Zum Event

Der Ritterschlag

Wie genau weiß ich nicht, aber es hat tatsächlich eine Reporterin der Deutschen Presseagentur zu mir gefunden.
Am 30.09. fand ein Interview mit ihr statt, aus welchem ein großartiger DPA-Artikel entstanden ist.
Hier haben sich bis Mitte Oktober schon das schwäbische Tagblatt, die BNN und das Badische Tagblatt bedient.
Und das sind nur die, von denen ich weiß. Ich bin gespannt, welche Früchte dieser DPA-Artikel noch tragen wird.

Astronomieurlaub Inklusiv

Über meinen Kurzurlaub Ende Oktober im Sternenpark Havelland schrieb ich gesondert.
Ich bin davon überzeugt, dass sich hier etwas sehr schönes entwickeln wird.

Finale zu guter letzt

Und da sind wir zum Schluss wieder beim Anfang, wo der Prophet nichts gilt im eigenen Lande. Vor der Haustüre hatte ich bisher nur extrem wenige Vorträge. Am Rande der Welt dagegen schon.
Mit ungefähr einem Jahr Vorplanung war klar, dass ich am 09.12.2019 um 20:00 Uhr einen Vortrag für die Karlsruher Astronomische Vereinigung im Rahmen ihres monatlichen Programms im Naturkundemuseum halten würde. Das freute mich sehr, weil dann endlich mal meine Freunde hier die Möglichkeit hatten, mich zu besuchen, ohne mir hinterher reisen zu müssen.

Was sich relativ kurzfristig ergab war, dass die Landesschau des SWR dabei sein würde, um einen Beitrag mit mir zu drehen.
Oben erwähnte ich schon, dass ich ob des EPD-Artikels eine Anfrage der Landesschau hatte. Nun ist es aber so, dass nicht jeder Vortrag oder Workshop sich für die großen Medien eignet. Bei Kinder-Workshops dulde ich große Medienanstalten meist nicht. Außer einer kleinen Lokal-Zeitung, die z. B. wichtig für die Schule ist, darf da niemand glotzen.
Menschen mit Einschränkung führe ich auch nicht gerne bei den Medien vor, um eventuell Klischees zu befeuern und zu verstärken.
Dieser öffentliche Vortrag zum Jahresabschluss war für das Fernsehen super geeignet. Es ergab sich, dass ein Früherer Kollege und Freund sich bereit erklärte, mir ab dem Nachmittag den ganzen Abend als Assistenz zur Verfügung zu stehen.

Das erleichtert mir alles so ungemein.
Meinen Beitrag könnt ihr euch hier ansehen.

So, ihr seht, das war ein turbolentes Jahr. Ich bin schon neugierig, was das nächste Jahr bringen wird. Der astronomische Terminkalender füllt sich bereits langsam.
Mit diesem Artikel verabschiede auch ich mich in meinen Weihnachtsurlaub.
Ich wünsche euch allen eine schöne und besinnliche Weihnacht und einen guten Start in das neue Jahr 2020.
Es grüßt euch herzlich
euer Blindnerd Gerhard.
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Die Weihnachts-Mondfahrt von Apollo VIII undie beflügelnden Ideen dazu aus der Literatur


Liebe Leserinnen und leser,

in meiner Mondfeier kündigte ich es schon an, dass noch ein Artikel zur „Mondreise“ in der beletristischen Roman-Literatur folgen wird.

Eigentlich wäre dieser Artikel schon letztes Jahr zu Weihnachten fällig gewesen, aber da hatte ich das Mondjubiläum noch nicht so auf dem Schirm.
Deshalb jetzt hier der Artikel. Besser spät, als nie.
Der Artikel ist übrigens nicht alleine auf meinem Mist gewachsen.
Grundlage dafür ist ein englischer Artikel meines Freundes Matthias, den wir schon von Das Schauspiel des Himmels im Modell her kennengelernt haben.
Dankenswerterweise erlaubt er mir, dass ich aus dieser Englischen Vorlage einen schönen Deutschen Artikel basteln darf.
Also, Matthias, dann legen wir mal los:

Die Weihnachtsmission

Vor 51 Jahren wurde Jules Vernes Roman „Von der Erde zum Mond“ Realität: Der Flug der Apollo 8 um den Mond war bis dato die kühnste Mission des gesamten Mondprogramms, weil sich noch keine Apollo aus dem Erdorbit gewagt hatte.
Weihnachtlich ist die Mission deshalb, weil sie sich um die Weihnachtstage von 1968 herum abspielte.

Der erste Gottesdienst im All

Neben hunderten von Fotos, die von der Mondoberfläche gemacht wurden, dürfte den größten Eindruck vermittelt haben, als die Astronauten plötzlich begannen im Wechsel einen Teil der Schöpfungsgeschichte zu zitieren.
Audio, Lesung aus Genesis

Bei Martin Luther liest sich das in der neuesten Übersetzung, im ersten Buch Mose, Genesis, wie folgt:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
1. Mose 1,2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
1. Mose 1,3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
1. Mose 1,4 Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis
1. Mose 1,5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
1. Mose 1,6 Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern.
1. Mose 1,7 Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so.
1. Mose 1,8 Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.
1. Mose 1,9 Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, dass man das Trockene sehe. Und es geschah so.
1. Mose 1,10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.

Schon klar. Der Anfang der Schöpfungsgeschichte aus dem Buch Genesis der des alten Testaments unserer Bibel ist nicht unbedingt das, was wir als Weihnachtsgeschichte bezeichnen würden. Aber mal ganz ehrlich. Hätte die Geschichte vom Kindlein im Stall zu der Situation gepasst, dass die drei Astronauten, Frank Bormann, Jim Lovell und Bill Anders, damals am Heiligen Abend 1968 die ersten Menschen in einer Umlaufbahn um den Mond waren?
Ich denke, so etwas extensielleres, wie die Schöpfungsgeschichte, war schon geeigneter.

Die Astronauten von Apollo 8, waren gebeten worden, die ersten Live-Bilder vom Mond mit etwas „Angemessenem“ zu kommentieren – schließlich würde etwa ein Sechstel der Menschheit das Ereignis an ihren Fernsehern mit verfolgen. Was könnte passender sein, um die vorbeiziehende Mondlandschaft unten zu begleiten, als die ersten Verse des Buches Genesis über Licht und Dunkelheit?

Einige kritisierten den religiösen Charakter der Sendung,
aber jedem, der sich so weit hinaus wagt, sollte erlaubt sein,, dass er sich seines Glaubens erinnert, egal, wie intensiv man ihn auch sonst im Alltag leben mag.

Das Mond-Programm

Das Mondprogramm der NASA war ein gut durchdachter, schrittweiser Ansatz, bei dem jede Mission des Merkur-, Gemini- und Apollo-Programms um eine weitere Fähigkeit ergänzt wurde, die für die Landung auf dem Mond erforderlich sein würde.
Da war der Start überhaupt, das An- und Abkoppeln zweier Raumschiffe, der Mensch im Weltraum, das Verlassen des Orbits und vieles mehr.

Die eigentliche Mission von Apollo 8 bestand darin, die Mondlandefähre im Erdorbit zu testen. Ein vernünftiges Ziel, wenn man bedenkt, dass dies der allererste bemannte Flug der mächtigen Saturn V sein würde, der größten und mächtigsten Rakete, die je gebaut wurde. Auch das Raumschiff Apollo an der Spitze war ziemlich neu: Nur eine Crew hatte es zuvor geflogen.

Die Montage der Mondlandefähre war jedoch weit hinter dem Zeitplan zurückgeblieben und die NASA stand unter enormem Druck.
Im September 1968 hatten die Sowjets zwei Schildkröten und ein paar Mehlwürmer um den Mond geschickt und sicher auf die Erde zurück gebracht.
Die Befürchtung, die Soviets würden das nun auch zuerst mit Menschen schaffen, war durchaus berechtigt.
Aus diesem Grunde mussten die Missionsplaner das Ziel für Borman, Lovell und Anders leicht ändern: Sie sollten nicht im Erdorbit bleiben, sondern den Weg zum Mond wagen, ihn umkreisen, und wieder sicher auf der Erde wassern.

Die Entscheidung war unglaublich mutig, wenn man bedenkt, dass kein Raumschiff des Mondprogramms jemals die Umlaufbahn der Erde verlassen hatte. Apollo 6, ein unbemannter Testflug mit Saturn V, sollte um den Mond herumfliegen, aber die dritte Stufe versagte. Sie zündete ihre Triebwerke für die „Trans Lunar Injection“ leider nicht.
Und somit war das Ziel der Mission verloren und sie wurde abgebrochen.

Als Borman, Lovell und Anders am 21. Dezember 1968 an der Küste Floridas vom Pad 39 A des John F. Kennedy Space Centre abflogen, waren sie die ersten Menschen, die die relative Sicherheit der Erdumlaufbahn verließen und 400.000 Kilometer ins Ungewisse wagten.

Drei Tage später, am 24. Dezember 1968, verschwand Apollo 8 hinter dem Mond. Kein Mensch hatte jemals die andere Seite des Mondes direkt beobachtet, aber die Crew hatte wenig Zeit, es zu genießen.

Im Mondschatten zu sein bedeutet, im Funkloch zu sein. Durch den Mond hindurch ist kein Funkkontakt zur Erde möglich. Die drei waren also völlig auf sich alleine gestellt.
Völlig heimatlos. Sie würden nicht mal durch die Gravitation der Erde wieder angezogen, sollten sie mit ihrem Schiff mit ausgefallenen systemen durch das All trudeln. Selbst bei einem Absturz auf den Mond, wäre keine Rettung möglich. So lange konnte man im Apollo-Schiff nicht überleben, wie es gedauert hätte, eine Rettungsmission zusammen zu stellen, und außerdem hatte man derlei noch nie vorher geprobt.

Sie mussten die Zündung der Triebwerke selbst berechnen, einleiten und kontrollieren.
Zündete das Triebwerk zu kurz, und Apollo 8 würde ins All geschleudert, zu lang, und sie würde ein weiterer Krater auf dem Mond werden. Für die Astronauten fühlten sich die vier Minuten und sieben Sekunden, während derer das Triebwerk arbeitete, um sie auf die richtige Bahn zu blasen, wie eine Ewigkeit an.

Einmal im Orbit, gab es wenig zu tun, außer die Bibel zu lesen und Hunderte von Fotos zu machen – darunter das legendäre Bild der fernen Erde, die über dem kargen Mond steht.

Nach 20 Stunden im Orbit war es Zeit zu gehen. Eine weitere kritische Zündung des Triebwerkes,
und Borman, Lovell und Anders waren auf dem Weg zurück auf die „gute Erde“. Am 27. Dezember öffneten sich drei riesige Fallschirme über dem Nordpazifik südlich von Hawaii. Die Apollo 8 wasserte sicher im Meer, und wurde von einem Flugzeugträger aufgenommen.

Was für ein Abenteuer, was für eine Geschichte. Eine Geschichte, die bereits hundert Jahre zuvor von einem gewissen Jules Verne erzählt worden war. Die NASA, so schien es, folgte nur seinem Skript.

Die Idee vor der Tat

Jules Verne hatte 1865 den Roman „Von der Erde zum Mond“ geschrieben,
Die Fortsetzung „Rund um den Mond“ folgte 1870.
Seine Geschichte von drei Männern, die von Florida starten, in einer kleinen Kapsel um den Mond fliegen und im Pazifik landen, hatte Generationen von Lesern fasziniert.
euch nicht auch? Also mich mindestens ebenso, wie 20.000 Meilen unter dem Meer, oder die reise zum Mittelpunkt der Erde.

Die Geschichte sollte man mittlerweile frei über das Projekt Gutenberg bekommen, da die Rechte abgelaufen sind.
Zu Vernes Lebenswerk auf Guttenberg
Natürlich gab es schon andere Mond-Reiseberichte – Johannes Keplers Traum vom Mond oder Edgar Allan Poes „The Unparalleled Adventure of One Hans Pfaall“
Poes Geschichte als Hörbuch
Aber sie alle nutzten eher zweifelhafte Methoden, um zum Mond zu gelangen, wie Adler, Dämonen oder Ballone. Verne’s Darstellung hingegen ist detailliert, fast wissenschaftlich – und manchmal unheimlich nahe am eigentlichen Flug der Apollo 8.

Verne und Apollo8 im Vergleich

Nehmen wir zum Beispiel den grundlegenden Ablauf:
In beiden Fällen gibt es drei Mondreisende. Verne nennt sie Ardan, Barbicane und Nicholl, was unheimlich ähnlich klingt wie Anders, Borman und Lovell. Im Jahr 1865 starten sie von Tampa, etwa 185 Kilometer vom Raumhafen Cape Canaveral entfernt. Ihre Reise dauert zehn an Stelle von sechs Tagen bei Apollo 8 und sie landen im Pazifik, um von einem Marineschiff geborgen zu werden.

Und damit der Parallelen nicht genug:
Wie wäre es mit der Tatsache, dass das von Verne beschriebene Raumschiff etwa die gleichen Abmessungen wie das Befehls- und Servicemodul von Apollo 8 besitzt, etwa das gleiche Gewicht hat und ebenfalls aus Aluminium gefertigt ist? Beide Schiffe sind mit Absorbern zum Absaugen von Kohlendioxid aus der Luft und speziellen Liegen ausgestattet, um den Astronauten beim Abheben die Belastungen durch die sehr hohe Gravitation beim Start zu erleichtern.
Die Liste geht weiter,
selbst die Kosten des von Verne geschätzten Programms entsprechen den 14 Milliarden US-Dollar, die bis zur Mission Apollo 8 ausgegeben wurden.

War Verne ein Prophet?

Wie konnte Jules Verne das alles so genau vorhersagen? Schließlich war er weder Wissenschaftler noch Ingenieur. Jules Gabriel Verne, geboren am 8. Februar 1828 in Nantes, Frankreich, studierte zunächst Jura, gab aber bald auf, um unter der Leitung von Alexandre Dumas Schriftsteller zu werden. Trotz seiner Berufswahl war Verne von den zahlreichen technischen Innovationen und Expeditionen seiner Zeit fasziniert. Er verdiente nebenbei etwas Geld mit wissenschaftlichen und historischen Kurzgeschichten, die akribisch recherchiert wurden und die der Denkweise des technologischen Booms der Zeit absolut entsprachen. Für den Verleger Pierre-Jules war Verne der perfekte Mann für ein neues Magazin, das er im Sinn hatte, das unterhaltsame Fiktion mit wissenschaftlicher Ausbildung verbinden sollte. Die beiden waren das perfekte Team. Zusammen würden sie über 60 Romane veröffentlichen, war ihre Idee. Keine Ahnung, ob sie es schafften. Mir scheint sechzig etwas viel, aber vielleicht weiß das ja jemand von euch genauer.

Obwohl „Von der Erde zum Mond“ erst der dritte Roman von Verne war, basierte er dennoch vollständig auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die ersten Ausgaben enthielten sogar ein zusätzliches Kapitel mit Mondfakten, Formeln und Berechnungen! Verne kombinierte und extrapolierte diese Fakten und verfolgte zwangsläufig eine ähnliche Denkweise wie die NASA-Ingenieure hundert Jahre später. Wie sie dachte er darüber nach, dass an einem Startplatz in der Nähe des Äquators, d.h. in Florida, die Erdrotation zusätzliche Geschwindigkeit bringen würde und dass die Landung im Meerwasser weicher ablaufen würde. Und genau wie Verne wandten die NASA-Ingenieure die Gesetze von Newton und Kepler an, um die Fluchtgeschwindigkeit von der Erde auf etwa 11 km/s zu berechnen. Alles, das langsamer fliegt, kann das Schwerefeld der Erde nicht verlassen. Mit ungefähr 7,5 km/s kann man wenigstens einen Orbit erreichen, auf welchem man die Erde umkreist. Alles, was langsamer ist, fällt unweigerlich wieder runter.
Auch die Gravitation beim Start, oder die des Mondes und die Schwerelosigkeit dazwischen, mussten berechnet, oder zumindest irgendwie abgeschätzt und bedacht werden.

Das Haar in der Suppe

Verne dachte, dass seine Mondreisenden nur am Lagrange-Punkt I zwischen Mond und Erde schweben würden, an dem die Schwerkraft der Erde und des Mondes sich gegenseitig ausgleichen.
Diese Annahme war nicht Vernes einziger Irrtum: Er ließ seine Protagonisten während ihrer Reise zum Mond aus dem Fenster schauen und kümmerte sich nicht um Fallschirme, um ihren Rückfall zur Erde zu bremsen. Die auffälligste Abweichung vom Plan der NASA, zum Mond zu gelangen, ist jedoch die riesige Mondkanone.

In Verne’s Buch holt der Baltimore Gun Club 60.000 Tonnen Eisen aus dem Boden, um das Columbiad, die Abschusskanone für die Kapsel, zubauen.
Sie war ein 274 Meter langer Riese von Kanone mit zwei Meter dicken Wänden, die der Explosion von 200 Tonnen Schießpulver widerstehen sollten.
Glücklicherweise folgten die Apollo-Ingenieure diesem Teil von Vernes Skript nicht, denn ganz offensichtlich würde die Beschleunigung eines Geschosses von Null auf 11 km/s über die Länge des Kanonenrohrs die Piloten zerquetschen, woraufhin sie durch die Luftreibung zu Asche verbrannt würden. Verne war sich dieses Problems bewusst, er lässt sogar einen seiner Protagonisten darüber diskutieren
aber so etwas wie die Saturn V, eine 111 Meter hohe Rakete mit rund 2.700 Tonnen hochexplosivem Treibstoff, zu entwickeln, übertraf selbst Vernes extrem lebhafte Vorstellungskraft.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts galten Raketen im Vergleich zu Großkaliberkanonen als bloßes Spielzeug
Sie konnten auf keinen Fall etwas zum Mond bringen. Dennoch hat Jules Verne die Idee von Raketen nicht völlig verworfen. Seine Mondreisenden beabsichtigten, ihre Mondlandung mit ihrer Hilfe ab zu bremsen und benutzte sie schließlich zur Kurskorrektur, nachdem sie Kontakt mit einem Asteroiden hatten, der sie vom eigentlichen Weg etwas abgebracht hatte.

Was blieb von Vernes Traum?

Vernes Mondkanone mag lächerlich überdimensioniert und unpraktisch gewesen sein, Menschen ins All zu befördern, aber das Konzept selbst ist nicht so verrückt, wie es klingt. In den 1960er Jahren arbeitete der kanadische Ingenieur Gerald Bull an einer Weltraumkanone. Damit gelang es ihm schließlich, ein Geschoss auf 180 Kilometer Höhe zu starten – ein Rekord, der mit Kanonen bis heute Bestand hat. Während das Geschoss definitiv den Rand der Erdatmosphäre, also die Grenze zum All erreichte, beschleunigte die Kanone nur bis weniger als die Hälfte der Geschwindigkeit, die notwendig ist, um wenigstens im Orbit zu bleiben, geschweige denn, ihn in Richtung Mond zu verlassen. Andere folgten Bulls Fußstapfen und experimentierten mit elektromagnetischen Railguns, leichten Gaskanonen oder Slingatronen, aber bisher hat es noch niemand geschafft, die magischen 11 km/s zu erreichen.
Die Bemühungen gehen weiter; die Attraktivität des billigen Starts, Nutzlasten gegen die Gravitation der Erde in den Orbit zu bringen, ist einfach zu groß. Bis die Ingenieure erfolgreich sind, müssen wir uns auf die Natur verlassen, um einen „Verneshot“ zu schaffen, ein geologischer Begriff für einen Vulkanausbruch, der heftig genug ist, um Steine in den Weltraum zu schleudern.
Aber Geologen sind nicht die einzigen, die sich von Jules Vernes Roman inspirieren ließen. Jacques Offenbach vertonte ihn in seiner Operette „Le voyage dans la Lune“ und der Filmpionier Georges Méliès nutzte Teile der Handlung als Drehbuch für den ersten Science-Fiction-Film. Auch viele Ingenieure bezeichnen Jules Verne als ihre Inspiration – trotz des offensichtlichen Versagens mit der Kanone. Im Gegenteil, die Raketenpioniere Konstantin Ziolkowski (Denker des Weltraumaufzuges) und Hermann Oberth sowie die Raumfahrer Juri Gagarin und Neil Armstrong gaben alle zu, dass sie von Jules Vernes Geschichte stark beeinflusst worden waren. Die Besatzung der Apollo 11 nannte ihr Führungs- und Servicemodul sogar „Columbia“ zu Ehren von Vernes riesiger Kanone.

Schließlich, nach einhundert Jahren, war es der Menschheit, den Ingenieuren und allen, die auf den Spuren von Vernes Traum wandelten gelungen, den Mond zu erreichen.
Und so ist es auch mit vielen kleineren Dingen des Lebens. Der Tat oder jeder Erfindung geht oft eine Idee voraus.
Und jetzt bleibt mir zum Schluss nur noch eines:
Ich danke Dir, lieber Matthias für Deinen sehr inspirierenden Artikel. Hätte ich den nicht gehabt, dann wäre dieser Blogbeitrag vermutlich so nicht entstanden, obwohl ich natürlich im Vorfeld meinen Verne nochmal nach vielen Jahren gelesen habe und auch die Links zu Apollo VIII, die ich teilweise ebenfalls von Dir erhielt.
Solche Co-Produktionen machen mir viel Freude.

Und damit, mit den besten Ideen für die besten Taten entlasse ich euch in euren verdienten Weihnachtsurlaub.
Ich melde mich nochmal zwischen den Jahren mit meinem obligatorischen Jahresrückblick.

Es grüßt ganz herzlich

Blindnerd Gerhard.

Alexander Gerst am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – meine Impressionen


Liebe Leserinnen und Leser,

ein großartiges Ereignis liegt nun hinter mir. Vor einigen Wochen erhielt ich über den Mitarbeiter-Verteiler des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT), meinem Arbeitgeber, die Mail, dass man sich zur Verleihung der Ehrendoktorwürde für Alexander Gerst anmelden könne.
Keine Minute später, war ich angemeldet und hatte meinen Platz im Audimax sicher. Als sich meine Arbeitsplatz-Assistenz anmelden wollte, war schon kein Platz mehr frei. Aber das Orgateam der Veranstaltung verstand, dass ich gerne mit Begleitperson kommen würde und machte es möglich, dass wir gemeinsam die Veranstaltung besuchen konnten. Über dieses großartige Erlebnis wird es in diesem Beitrag gehen.

Um eines gleich vorweg zu nehmen. Mein Ziel, @astro_alex mein signiertes Buch zu schenken, habe ich verfehlt. Niemand aus dem Publikum kam an ihn ran, und kaum war die Veranstaltung vorbei, war er auch schon verschwunden. Damit habe ich aber gerechnet, so dass dieses nicht erreichte Ziel den Rest dieser großen Veranstaltung und Sternstunde in meinem Leben, nicht überschatten kann. Ich schicke es ihm einfach mit einem schönen Brief hinterher.

Dann will ich jetzt mal versuchen, meine Eindrücke mit euch zu teilen.
Erwartet hier keinen perfekten Fließtext. Es sind eben Eindrücke, die sich manchmal vielleicht eher so aneinander reihen.

Wir fanden uns um 09:00 Uhr, als der Einlass startete pünktlich ein. Das Audimax alleine schon beeindruckt mich jedes mal neu. Ich bin sehr selten in diesem Gebäude, und als ich hier studierte, war da noch Wiese…
Wir ergatterten einen schönen Platz im vorderen Drittel so ungefähr mit geradem Blick zur Bühne. Was mich an diesem Hörsaal auch immer wieder verblüfft, ist die extrem gut klingende Sound-Anlage. Das Bose-Zeugs kann wirklich was. Die Sprecher klingen richtig natürlich und nicht dosig, und wenn man Videos mit Musik etc. abspielt, dann hat diese Anlage richtig Bass und alles.
Über das Publikum kann ich nicht wirklich viel sagen. Ich glaube, dass eher die Mitarbeiter des KIT anwesend waren und weniger die Studierenden. Mein Eindruck war, dass für unsere technische Universität recht viele Frauen da waren, was ich sehr schön finde. Manche brachten sogar ihre Kinder mit, was am Ende klar wurde, als Fragen gestellt werden durften.
Es hörte sich für mich so an, dass das Publikum sehr gemischt war. Sprachlich hörte ich, dass eindeutig nicht nur Akademiker vor Ort waren. Alexanders Botschaft drang somit auch in Werkstätten, Hausmeistereien, vielleicht auch in die Mensen. Auch das ist sehr schön. Der Weltraum ist für alle da. Und Alex erklärt ihn uns so, dass wir ihn verstehen können und hoffentlich begreifen, dass wir nur ein Raumschiff Erde haben, was wir schützen, bewahren und versorgen müssen.
So baute ich mein Notizgerät auf und wartete.
Plötzlich brandete großer Beifall los. Er hatte offenbar die Bühne betreten.

Der erste Redner war Prof. Dr. Hanselka, der Präsident des KIT.

Er sprach davon, dass die Idee einer Reise zum Mond bis in das alte antike Griechenland zurück geht.
Lukianos von Samosata beschreibt in seinem Buch
Eine wahre Geschichte“ eine Schiffsreise zum Mond – geschrieben im 2. Jahrhundert nach Christus in Ägypten, das damals zu Griechenland gehörte.
In Lukianos‘ Erzählung hält ein Schiff Kurs auf die Meerenge von Gibraltar. Gerade als die Mannschaft die Säulen des Herkules, so die damalige Bezeichnung, passieren will, erfasst ein gewaltiger Wasserwirbel das Schiff.
Es schleudert immer höher und treibt plötzlich durch den Weltraum. Sieben Tage später landet die Mannschaft auf dem Mond.
Dort treffen die Seefahrer auf absonderliche Wesen, die sich auf den Kampf mit den Kriegern der Sonne vorbereiten. Mit denen streiten sie erbittert über die Kolonisierung der Venus.

Diese Geschichte war mir nicht mehr präsent.
Dann schlägt Hanselka sehr schön die Brücke in die Heutzeit, erinnert an die Mondlandung etc.
Er würdigt, dass Alexander Gerst so großartige Wissenschaftskommunikation betreibt, dass er für die Probleme der Umwelt durch die Sicht aus der ISS heraus wunderbar sensibilisiert und uns zeigt, wie ganzheitlich diese Welt funktioniert.
All das soll gleich mit der Überreichung der Urkunde zur Ehrendoktorwürde geehrt werden.
Nun werden noch einige Preise aufgezählt, die Astro_Alex erhalten hat und dass er auf einer Show des DLR mit 16000 Zuschauern sprechen durfte.
Er schließt mit der Tatsache, dass die ISS ein Zeichen des Friedens ist, wenn man bedenkt, dass 110 Länder daran mitarbeiten, unabhängig davon, wie es gerade politisch unter ihnen läuft.
Das war eine sehr schöne, erfrischende und humorvolle Einführung in die Veranstaltung, die der Präsident des KIT hier gehalten hat.

Nun erhält Prof. Weiß, der Dekan der Fakultät für Physik das Wort.
Er erinnerte an die alten Professoren, die Alexander Gerst in den 90er Jahren unterrichteten.

Danach übernahm Prof. Friedemann Wenzel, der Gründer des Klimazentrums.
Bei ihm legte Gerst sein Diplom über Vulkanologie ab. Hierfür forschte er u. A. in Neuseeland und auf Vulkanen in der Antarktis.
Außerdem entwickelte er Messgeräte, die in extremer vulkanischer Umgebung noch funktionierten.
Alexander Gerst war quasi überall. Nun schien es so, dass ihm die Erde zu eng geworden war und er deshalb den Weg zum Astronauten antrat, spekuliert Prof. Menzel.

Jetzt kommt Frank schilling, Dekan Bauingenieurwesen auf die Bühne.
Nach einigen Sätzen über die Raumstation wird nun Alexander Gerst auf die Bühne gebeten.
Alex bekam kurz vor der Urkunde einen Schwabenstein geschenkt. Was der genau ist, habe ich nicht ganz ohne Sicht verstanden. Er muss wohl etwas mit dem Nördlinger Ries zu tun haben, denn das wurde auch erwähnt, weil Astronauten u. A. auch dort trainieren.
Das Nördlinger Ries entstand durch einen Asteroiden-Einschlag. Eine ähnliche Katastrophe ließ die Dinosaurier aussterben und ist auch heute nicht ausgeschlossen, dass sich derlei irgendwann wiederholen könnte.
Dann wurde die Urkunde verlesen und feierlich überreicht.

Nun ergreift Alexander Gerst das Wort und zeichnet ein schönes Bild. Er betrachtet seine heutige Rückkehr an seine Alma Marta als rückkehr, die jedes Abenteuer abschließen muss, denn wenn man aufbricht, wozu auch immer, sollte man die Geschichte mit einer Rückkehr abschließen, um den damals zurückgebliebenen davon zu erzählen.

Er gibt eine Flagge des KIT, die er auf seiner Mission auf der ISS dabei hatte. Als Zertifikat sozusagen mit einem Foto, das ihn und die Flagge im Kolumbus-Modul auf der ISS zeigt, zurück.
Alexander Gerst ist mit der Flagge des KIT sehr weit gereist. Etwa 5 800-mal um die Erde in der Raumstation ISS, die mit der unvorstellbaren Geschwindigkeit von 28 000 Stundenkilometern fliegt, das dürfte insgesamt der Entfernung bis zur Sonne entsprechen.
Die Flagge soll gut sichtbar als Ansporn für die Studierenden aufgehängt werden.
Träume soll man verwirklichen, meint Alex.
Dazu fällt ihm ein Gespräch ein, dass er mit einem Kommilitonen in der Mensa vor vielen Jahren geführt habe. „Wir hatten vereinbart, dass wir uns irgendwann einmal als Astronauten bewerben werden. Ich habe es gemacht, er nicht. Wie schade!“

Nun startet Alex seinen Vortrag mit einem Video. Nach technischen Startschwierigkeiten konnte man es dann doch auch noch hören. Leider war es nur mit Musik unterlegt, so dass ich nicht weiß, was es zeigte. Der Start soll wohl eindrucksvoll zu sehen gewesen sein.
In meinem Artikel über Podcasts
findet ihr beispielsweise den Podcast „Auf Distanz goes Baikonur und viele andere mehr, wo ihr den Start und vieles mehr zur ISS nochmal erleben könnt.

Alex beginnt seinen Vortrag nach dem Video mit einem Bild, dass die Cassini-Raumsonde vom Saturn aus von der Erde photographierte. Sie ist lediglich durch die zehnfache Entfernung Erde-Sonne, ein einziges blaues Pixel auf dem Bild.
Das zeigt, wie wenig die Erde für das ganze Universum ist. Dem Universum ist es egal, wenn wir sie zerstören.

Alex sagt, dass die Hälfte aller Atome in unserem Körper nicht aus der Milchstraße stammen.
Wie er darauf kommt, weiß ich momentan nicht genau. Ich vermute, es hat mit Supernovae und anderen Ereignissen zu tun, bei welchen schwere Atome gebacken werden.

Obwohl er für sein Training um 10.000 Stunden Zeit investierte, relativiert er den Aufwand und meint, dass man das letztlich für ein gutes Studium auch müsse.

Nun hängt er seinen Vortrag an die letzte Mission.
Er zeigt den Start und stellt deutlich heraus, dass das wichtigste an der Raumfahrt die Zusammenarbeit aller beteiligten sei.

Wenn man bedenkt, dass 110 Länder die ISS betreiben, dann mutet es etwas seltsam an, dass ein einziges Land beispielsweise seinen neuen Flughafen nicht in betrieb bekommt.
Er startete von derselben Startrampe aus, von welcher der erste Mensch Juri Gagarin ins All aufbrach.
In der Raumkapsel geht es offensichtlich sehr eng zu.

Man stellt sich das ja alles immer so filigran vor, wie das in schönen Sciencefiction-Filmen in den Raumschiffen so ist.
Viele Bedienelemente sind aber nicht deshalb so klobig, weil es sich um alte russische Technologie handelt, sondern weil man bei vier- oder sechsfacher Erdbeschleunigung keine kleinen Tasterchen drücken oder winzige Hebelchen umlegen kann.
Das war mir so noch nicht klar, ist aber logisch.

Es gibt doch tatsächlich einen Startknopf an einem Raumschiff und keinen Zündschlüssel. Ich meine allerdings mal gehört zu haben, dass die ISS durchaus eine Art Zündschlüssel hat, der immer dem Kommandanten überreicht wird.

Obwohl beim Start die Rakete alles selbst macht, muss man sie im Auge behalten.

Mehrfach betont Alex, dass man beim Start und dann bis zur Rückkehr, auf einen Astronautenmodus im Kopf und mental umschalten muss.
Man nimmt den Bus zur Rakete, alle anderen bleiben zurück, und das war es dann erst mal für sieben Monate mit allen Gewohnheiten und Annehmlichkeiten hier auf Erden.

Er sagt, dass der Start am Anfang mit 1,3 g recht gemütlich beginnt. Da aber nach und nach die Rakete leichter wird, der Schub aber derselbe bleibt, ist man nach 8,5 Minuten der vierfachen Erdbeschleunigung ausgesetzt.
Nach drei Minuten ist man bereits im schwarzen Weltall und hat nach 8,5 Minuten die Geschwindigkeit erreicht, um die Station zu erreichen.
Offenbar verbraucht so ein Raketenstart weniger Treibstoff, als ein Trans-Atlantik-Flug. Dennoch ist man daran interessiert sparsamere Raketen zu bauen.
Immerhin fliegen im Flugzeug hunderte Menschen mit, und in so einer Rakete nur drei, was natürlich die Co2-Bilanz für jeden Astronauten deutlich in die Höhe treibt.

Ein Flugzeug fliegt man. Eine Rakete nicht, weil man sich nur an ihr festhält sagt Gerst.
Bei seiner ersten Mission benötigte er drei Tage zur ISS. In dieser Zeit schafften es die Apollo-Astronauten zum Mond.
Bei seiner zweiten Mission benötigte er nur noch drei Stunden.
Wieso das so unterschiedlich ist, ist mir noch nicht so ganz klar. Wenn jemand hier etwas erhellendes weiß, bin ich dabei.

Nun zeigt er die dünne helle Sichel der Tag-Nacht-Grenze der Erde, die man meist sieht, wenn man zum ersten mal nach dem Start aus dem Fenster scheint. Das ist so ähnlich, wie der Mond kurz nach oder kurz vor Neumond. Dort nennt man diese Grenze den Terminator.
Die Erkenntniss, dass die Erde Rund ist, wird an dieser Stelle, so Alex, nochmal richtig greifbar und neu erlebt.
In diesem Zusammenhang ist es mir unbegreiflich, dass es heute noch Menschen gibt, die glauben, dass die Erde flach sei. Wieviele Beweise brauchen diese Schwachmaten denn noch?

Am Tage erkennt man dann, wie fragil das Raumschif Erde wirklich ist, und dass die Atmosphäre wirklich super dünn ist. Im Flugzeug hat man quasie das meiste davon schon unter sich.
Er betont nochmal die technische Leistung, dass bei der ISS 100.000 Menschen mitgearbeitet hatten. Es musste klappen, denn man konnte die ISS nicht mal eben probehalber auf der Erde zusammenbauen, um zu sehen, ob alles so passt. Das ist schon ein Wunder, wenn man bedenkt, dass häufig kleinere Projekte mit deutlich weniger Menschen und Nationen, nicht funktionieren, obwohl sie hier auf Erden gebaut werden können.

Nun ermutigt er Studierende, indem er darauf hinweist, dass eine gute Crew nicht die besten braucht, sondern viel diversität und unterschiedliche Erfahrungen und Lebenshintergründe.
In diesem Zusammenhang bedauert er, dass sich nach wie vor viel zu wenige Frauen als Astronautinnen bewerben.

Mich hat sehr beeindruckt, wie viel Forschung zu schweren Krankheiten wie Krebs, Parkinson und Alzheimer auf der ISS gemacht werden.
Da werden Kristalle gezüchtet und Zellstrukturen, deren Größe man auf der Erde mit Schwerkrafft nicht hin bekommt. Sind sie dann gezüchtet, kann man sie zur Erde bringen, um Medikamente zu entwickeln.
Wie Wurzeln von Pflanzen in Schwerelosigkeit ohne Orientierung wachsen, bringt Erkenntnisse, die einst zur Züchtung von Pflanzen mit schnellem Wurzelwachstum nach unten hervorbringen kann.
Die könnte man dann in vom Klimawandel betroffene trockene Gebiete bringen, deren Wurzeln würden rasch in die Tiefe in Richtung Wasser wachsen und diese Pflanzen könnten dort eventuell leben.

Natürlich wird auf der ISS viel Erdbeobachtung gemacht.
Umweltkatastrophen, Klimawandel, Abholzung von Wäldern, Kriege mit Bomben und Raketen und all die von Menschen gemachten Katastrophen kann man von dort oben sehen.

107 Länder haben bisher 2800 Experimente auf die ISS gebracht. Die wären einzeln mit kleinen Satelliten so nicht durchführbar. Außerdem benötigt es für viele mindestens 10 % Menschliche Fähigkeiten. Er meint, dass man vieles automatisieren könne, aber nie ganz auf menschliche Fähigkeiten verzichten wird. Durch bessere Robotik wird das ganze System leistungsfähiger, aber Menschen lassen sich auf so einer Station nicht weg rationalisieren.

Nun ging er darauf ein, was Astronauten so in ihrer Freizeit machen, den Fußball spielen etc. funktioniert dort nicht.
Naja, Videos schauen, Spiele spielen, Musizieren und Fitness-Training sind bekannt.
Daneben macht man viel Erdbeobachtung. Zunächst will jeder seine Heimatstadt von oben sehen.
Das wandelt sich aber sehr bald, und man betrachtet die ganze Erde als Heimat.
Vielleicht sollte man Entscheidern dieser Welt am Anfang ihrer politischen Laufbahn erst mal diesen ganzheitlichen Blick von oben auf die Erde ermöglichen.

Nun geht er auf faszinierende Naturphänomene wie Stürme und Gewitter ein. Man kann mit der ISS sogar durch Polarlichter fliegen. Das muss wirklich gigantisch sein.

Nun erzählt er noch von der Landung und beschließt seinen vortrag, indem er nochmal auf die unendlichen Weiten des Universums hinweist. Man sieht dort oben vor lauter Sternen keine Sternbilder mehr.

Das war mein starkes Erlebnis mit Alexander Gerst.
Ich bin zu tiefst dankbar, dass ich diesem Vortrag beiwohnen durfte.

Finstere Erinnerungen – Die Sonnenfinsternis vom 11.08. 1999


Liebe Leserinnen und Leser

wie viele von euch mitbekommen haben, fand gestern, am 02.07.2019 eine Sonnenfinsternis im südamerikanischen Raum statt. Die bilder der drei Teleskope, die im Kernschatten der Finsternis lagen, müssen atemberaubend gewesen sein. Zumindest hörte sich das in den sozialen Medien so an.
Lasst uns diese Finsternis zum Anlass nehmen, und uns erinnern, wie das 1999 so war, als wir eine totale Sonnenfinsternis über Süddeutschland hatten.
Vielleicht hat ja jemand Lust, z. B. über die Kommentarfunktion des Artikels seine Erinnerungen von damals mit mir zu teilen, worüber ich mich sehr freuen würde.
Nun viel Freude mit meinen Erinnerungen. Es war so:

Nicht jedem ist das Glück beschieden, direkt vor seiner Haustüre eine Sonnenfinsternis erleben zu können. In manchen Kulturen und zu anderen Zeiten waren sie eher Symbole des Unglückes und des Schicksals. Ein Krieg zwischen den beiden Völkern der Meder und Lüder wurde durch die Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v.Chr. angeblich beendet, und zwar aus Angst, die Götter zürnten ihnen, da die Sonnenfinsternis direkt in das Kampfgetümmel fiel. Auch in der Bibel liest man Geschichten über Verdunkelungen des Himmels am Tage, die auf Sonnen- oder Mondfinsternisse zurückgehen könnten, z. B. bei den Propheten.

Auf jeden Fall waren wir alle schon Monate vorher aufgeregt, wie das wohl sein würde. Ich machte mir umfangreich Gedanken, ob ich als Mensch mit Blindheit überhaupt etwas davon mitbekommen würde. So las ich im Vorfeld viel darüber, wie eine derartige Finsternis funktioniert, was alles innerhalb der kurzen Verfinsterung entdeckt worden war und wie viele Strapazen etliche Astronomen in der Vergangenheit auf sich genommen hatten, um eine Sonnenfinsternis zu erleben. Diese reichten bis hin zu sehr gefährlichen Seereisen auf Segelschiffen.

Als nun endlich der Tag nahte, war die Enttäuschung zunächst groß. Der August war relativ verregnet, sodass nicht klar war, ob wir mehr als eine kurze Finsternis erleben würden. Somit beschloss ich, in jedem Falle die Zeit der Finsternis im Schlosspark von Karlsruhe zu verbringen, denn ich wollte die Stimmung der Menschen einfangen.
Weil mein Sehrest zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unbedingt zum reellen Erleben der Finsternis ausreichte, nahm ich einen Lichtdetektor mit. Dieses Gerät verwenden blinde Menschen, um in ihrer Wohnung zu erkennen, ob die Lampen aus sind, zum Beispiel wenn sehende Besucher da waren. Je höher das Gerät piepst, desto mehr Licht ist vorhanden. Ich trug ebenfalls eine Finsternisbrille, die ich bis heute aufbewahre und am 20.03.2016 wieder zum Einsatz kam.
Auch bereits funktionsuntüchtige Augen kann man ohne Finsternisbrille noch schädigen.
Außerdem stattete ich mich mit einem mobilen Funkgerät aus. Mit diesem stand ich mit anderen Menschen in Verbindung, die an anderen Orten die Finsternis betrachten und erleben wollten.
So standen wir und warteten. Das Gefühl war weit stärker als bei einem Jahreswechsel.
Und plötzlich ging ein großer Freudenschrei durch die Menge. Der Himmel meinte es gut mit uns. Ungefähr drei Minuten vor der totalen Bedeckung und damit vor der maximalen Finsternis riss die Wolkendecke auf und der Blick auf die Sonne war frei. Sogar ihre wärmenden Strahlen empfing ich noch.
Ich schaltete den Lichtdetektor ein. Dann geschah es: Während die Leute standen und staunten, wurde der Ton des Gerätes langsam tiefer. Die Verdeckung begann. Während der ungefähr zweiminütigen totalen Finsternis blieb jedes Signal aus, als wäre es völlig Nacht. Das Leuchten der Korona war zu schwach für den Sensor des Lichtdetektors. Dies war für mich die akustische Orientierung. Plötzlich hatte auch ich das Gefühl, von Nachtluft umweht zu werden. Das mag allerdings auch durch das intensive Erlebnis gekommen sein. Besonders warm war der Tag auch vor der Finsternis nicht.
Auf jeden Fall war meine Freude, diese totale Sonnenfinsternis erlebt zu haben, unbeschreiblich groß. Ich fühlte mich in diesem Moment stark mit jenen verbunden, die fast ihr Leben dafür ließen, um etwas Derartiges nicht zu verpassen.
Oft stelle ich mir seither aus purer Freude heraus die Finsternis, die Korona, die Protuberanzen und auch die Magnetfeldlinien, die weit in den Weltraum hineinragen, vor. Dazu denke ich dann häufig an das brodelnde Geräusch, das auf der Sonnenoberfläche zu hören sein muss, da die Oberfläche ähnlich wie ein Teekessel
kocht.

Mit dieser Sonnenfinsternis hatte ich im Januar 2015 noch eine ganz interessante Erfahrung:
Anfang Januar 2015 unternahm ich mit meiner sehenden Arbeitsplatzassistenz
eine Dienstreise nach Istambul.
Folgendes ist dort auf dem Hinflug geschehen:
Der Pilot erklärte die Flugroute, indem er wichtige Länder, Städte und Meere aufführte, die wir nacheinander passieren würden.
Da kam mir die Reihenfolge und Aufzählung der Städte gleich irgendwie bekannt vor.
Und dann durchfuhr es mich wie ein Blitz.
Wir flogen fast exakt die Route entlang derer am 11.08.1999 die totale Sonnenfinsternis beobachtet werden konnte.
Ich fand dieses unglaublich schön. Glücklicherweise hatte ich noch das Buch „Schwarze Sonne, roter Mond“ von Rudolf Kippenhahn zur Sofi 1999 auf meinem MP3-Player als aufgelesenes Hörbuch. So konnte ich gleich noch im Flieger meine Vermutung überprüfen. Ein Blick auf den Fahrplan dieser Sf ergab, dass ich im wesentlichen Recht hatte.
Dieses Heureka erlebte glaube ich der halbe Flieger mit, weil es mich unglaublich freute, in welchem Zusammenhang diese alte Sofi nochmal auftauchte.

Und dann stürzte ich in eine tiefe Finsternis-Krise.
Das Schicksal nahm nach der Dienstreise nach Istambul seinen Lauf.
Jemand stellte mir die Frage, wieso eigentlich von West nach Ost, wo die Erde sich doch von Ost nach West dreht, und der Mond tut das um die Erde ebenso.
Sollten dann die Finsternisse nicht auch von Ost nach West verlaufen?

Stellt euch bitte vor. Da weiß ich alles, was es zu Finsternissen, deren Entstehen etc. zu wissen gibt nur dieses eine kleine Detail hinterfragte ich 20 Jahre lang nicht.
Plötzlich merkte ich, dass ich den Verlauf überhaupt noch nicht begriffen hatte.
Das war eine richtige Klatsche.
Desto mehr ich nachdachte, desto verwirrter wurde ich. So viele Bewegungen, Winkel und Abstände, die sich hier überlagern und die berücksichtigt werden müssen.
Nun wendete ich mich mit meiner unbeschreiblichen Not und Verzweiflung an intelligente Menschen, an welche ich in derlei astronomischen Fragen glaube.
Und siehe da. zwei  fanden unabhängig voneinander die Antwort und Erklärung.

Dank an Sebastian und Martin. Ihr seid ja auch Mitglieder unserer kleinen Gemeinde.
Das Problem ist, dass dieses Phänomen sich kaum noch mit Worten beschreiben lässt.
Die adäquate Sprache hierfür ist die Mathematik und keine Prosa.
Deshalb wird die Mail jetzt gleich sehr mathematisch werden. Wer hier aussteigen möchte, dem kann ich das nicht verübeln.
Es ist schwer und kompliziert. Bevor jemand sich darüber ärgert, dass er oder sie untenstehende Mathematik nicht begreift, sollte er oder sie lieber die Finger davon lassen und sich einfach mit kindlicher Freude und Begeisterung an Finsternissen erfreuen.
Wer jedoch die Herausforderung liebt, darf hier gerne weiterlesen.

Und so funktioniert eine Finsternis:
Halten wir den Moment fest, an dem der Mond zwischen Sonne und Erde steht, und der Kernschatten genau auf mittig auf der Erde liegt, und nehmen den Planeten Erde als Bezugssystem für Geschwindigkeit 0km/h.
Die Erde hat am Äquator ca. 12’720km Durchmesser, damit ist der Umfang ca. 40’000km, und die Oberflächengeschwindigkeit durch Rotation beträgt (vereinfacht auf die Sonne bezogen und nicht sidirisch) ca. v_E=1’666km/h.
Der Mond hat einen mittleren Abstand von d_M=384’400km, also eine ungefähre Umlaufbahn von 2’415’256km und eine Umlaufzeit von 27.3d, also bewegt er sich ungefähr mit v_M=3’686km/h in die gleiche Richtung wie die Erde darunter. (Hat natürlich eine viel größere Kreisbahn und überholt deshalb nachts nicht die Erdrotation…)
Die Erde selbst hat einen Abstand von ca. d_S=149’600’000km von der Sonne, also einen Umkreis von ca. 939’965’000km in 365.25 Tagen, bewegt sich also mit 107’228km/h entgegen der Oberflächengeschwindigkeit oben. Da die Erde als 0km/h gewählt ist, bewegt sich also die Sonne scheinbar mit v_S=107’228km/h in Richtung der betrachteten Oberflächengeschwindigkeit der Erde.
Die Geschwindigkeiten von Sonne und Mond superponieren sich, d.h. wir können einzeln die Anteile auf die Kernschattengeschwindigkeit berechnen.
Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die scheinbare Sonnenbewegung v1=(d_M/d_S)*v_S~276km/h.
Nach dem Strahlensatz ist die Geschwindigkeit durch die Mondbewegung v2=d_S/(d_S-d_M)*v_M~3’695km/h.
Da sich Mond und Sonne in die gleiche Richtung bewegen, ist die resultierende Geschwindigkeit des Kernschattens zur Erde v=v2-v1~3’419km/h.
Abzüglich der Geschwindigkeit der mitdrehenden Erdoberfläche erhalten wir in diesem Moment am Äquator die Schattengeschwindigkeit von ca. 1’753km/h. Auf jeden Fall überholt der Schatten die Erdrotation, und damit geht der Schatten tendentiell von Westen nach Osten.
Natürlich wird der Schatten an den Rändern über der Erdoberfläche „viel schneller“- schon alleine wegen der schrägen Projektion und nach Norden und Süden ist die Oberflächengeschwindigkeit geringer. Und da die Bahnen nicht alle in der gleichen Ebene liegen, verläuft der Schatten auch schräg und alles mögliche. Es kann im Extremfall für einen Punkt auf der Erde der Schatten z.B. von Norden oder Süden kommen- der Schatten ist ja nicht ein „Punkt“, sondern die Fläche kann sich bei diesen Kurven auch „reindrehen“, und so scheinbar komplett von Norden oder Süden kommen.
Wenn ich mich nicht verrechnet habe, so ist der Anteil durch die Planetenbewegung v_S nicht sehr ausschlaggebend, und die Beschleunigung der Mondgeschwindigkeit durch die Hebelwirkung durch den Abstand sehr gering, da die Sonne so viel weiter weg ist als der Mond von der Erde.

Beitrag zur Blogparade Wie Technik mein Leben verändert


Seid herzlich gegrüßt,

Zu diesem Thema läuft derzeit eine hoch interessante Blogparade auf dem Blog Anders und doch gleich . An einer Blog-Parade beteiligt man sich, indem man ein zum Thema passenden Artikel auf seinem Blog veröffentlicht, dann auf die Parade verlinkt und dort in der Kommentarfunktion auf den Artikel aufmerksam macht.
Nach der Parade fasst der Veranstalter dann alles zusammen, verlinkt alles und veröffentlicht das Ergebnis.
Das soll dazu führen, dass Blogger sich kennen lernen und dass man eventuell noch mehr interessierte Folger findet. Außerdem fasst so eine Parade die gesammelten Aspekte zum Thema zusammen und hilft beim Netzwerken.

Dieses Thema spricht mich im höchstmaße an, weil Technik, vor allem Hilfstechnologie mein Leben als Mensch mit Blindheit in meinen fünfzig Lebensjahren, vor allem in den letzten dreißig, extrem verändert und gewandelt hat.

Würde ich hier alle Aspekte ansprechen, wo in meinem Leben Hilfstechnologie zum Einsatz kommt, sprengte dieses jeden Blog. Man könnte damit Bücher füllen.
Und außerdem. Die anderen, die sich an der Parade beteiligen, sollen ja auch noch Themen für sich finden.

Ein naheliegendes Blindnerd-Thema ist der Zugang zu Bildung und Wissenschaft.
Schon als Kind, war ich ein kleines wissensdurstiges Wesen. Gerne schnappte ich aus Rundfunk und Fernsehen alles auf, was irgendwie mit Technik und Wissenschaft zu tun hatte. Vor allem Tier-Dokumentationen und der Weltraum sowieso faszinierten mich schon immer. Oft trieb ich Personen meines Umfeldes in Verzweiflung, weil ich sie mit Fragen löcherte.

Leider gab es über Wissenschaft, vor allem über den Weltraum und Astronomie quasi keine Bücher in Punktschrift, die ich mir in den Blindenbüchereien hätte ausleihen können. Bis heute sind diese Themen in der Punktschriftliteratur absolut unterrepräsentiert. Das hängt damit zusammen, dass die Produktion eines Punktschriftbuches sehr kosten- und zeitintensiv ist. Somit muss schon im Vorfeld selektiert werden, was sich lohnt, in Punktschrift aufzubereiten. Da nimmt man dann verständlicherweise Themen, die größere Mehrheiten ansprechen, als blinde Nerds.
Etwas besser sah es in unseren Hörbüchereien aus. Ein Buch aufzulesen ist deutlich einfacher, als es in Punktschrift zu produzieren.
Aber auch hier war für mich bald alles abgegrast.
Ein weiterer Notstand zur inklusiven Teilhabe an Bildungs-Themen war der mangelnde Zugang zu Zeitungen.
Es blieben mir im wesentlichen bis auf wenige Hörzeitschriften oder die vorselektierte Zusammenstellung von Artikeln aus Stern und Zeit in Punktschrift nur Rundfunk und Fernsehen.
Somit war es im Grunde genommen nicht möglich, sich umfassend und gleichberechtigt zu informieren.
Eine Tageszeitung in Blindenschrift oder als Audio aufzubereiten ist zu zeitaufwändig und wäre somit nie aktuell.
Somit war die Situation so.
Man nahm, was man kriegte. Man las und hörte, was andere für einen zusammenstellten und somit auch für gut befanden. Anderes las man nicht, weil gewisse Gruppen meinten, das bräuchten blinde Menschen nicht, bzw. man solle uns doch vor diesem oder jenem bewahren, anderes wurde uns vorenthalten, bzw. war einfach nicht umsetzbar.
Dies änderte sich für mich vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren mit einem Schlag und verbessert sich bis heute durch neue Technologien mehr und mehr.

1995 erhielt ich mein erstes Vorlesesystem, mit dem man ein Buch einscannen und sich anschließend per Sprachausgabe vorlesen lassen konnte. Dafür opferte ich ein ganzes Studiensemester, in welchem ich täglich viele Stunden vor diesem Gerät verbrachte und manchmal mehrmals wöchentlich Kunde der Stadtbibliothek war. In diesem halben Jahr las ich quasi nur. Es war, als stünde ich am Brunnen des Wassers des Lebens. Tröpfelte bisher nur wenig Literatur durch unsere Hörbüchereien und noch viel weniger in Blindenschrift zu mir, so ergoss sich nun dieser unerschöpfliche Quell. Ich konnte lesen, was ich wollte. Das war eine Befreiung.
Das machte mich selbstständiger, und deutlich mündiger.

Ich hatte nun Zugriff auf meine Themen. Es gab jetzt nicht mehr ein oder zwei Weltraumbücher in Punktschrift, bzw. vielleicht 20 auf Casette gelesene, sondern gefühlt hunderte.
Lediglich Bilder und Mathematik können derartige Systeme bis heute nicht beschreiben oder vorlesen.

Einen Computer mit Sprachausgabe und Braillezeile hatte ich Anfang der 90er Jahre auch schon. Mit dessen Hilfe konnte ich überhaupt erst studieren, denn die Studienliteratur wurde mir vom Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) elektronisch umgesetzt.
An diesem Institut bin ich nunmehr seit zwanzig Jahren beschäftigt.

Das Internet verbesserte dann den Zugang noch mehr und tut das bis heute. Ich informiere mich auf den Seiten von Zeitungen, lese und abonniere Blogs und bin begeisterter Hörer von Podcasts.
Besonders Podcasts sind ein wunderbarer Zugang zu Bildung und wissenschaft, weil sie zunächst ohne Bilder auskommen. Alles muss beschrieben werden, was für uns einen enormen Vorteil bietet.

Ich schrieb darüber in Podcasts ein inklusives Tor zu Bildung, Wissen und der Welt.

Aktuell ist die Situation so, dass die großen „Datenkraken“ sogar schon versuchen, Bildmaterial automatisch zu beschreiben. Das funktioniert manchmal schon erstaunlich gut und stellt vor allem in sozialen Netzwerken manchmal schon einen großen Mehrwert dar.

Durch moderne Technologien, wie 3D-Druck, Lasercutter, graphikfähige Braille-Drucker und in balder Zukunft hoffentlich auch durch flächige taktile Displays, verbessert sich der Zugang zu Wissenschaft und Bildung mehr und mehr.

Ich habe großes Glück, am SZS zu arbeiten, denn dort halten wir derartige Technologie vor, erforschen und entwickeln sie weiter und setzen sie für unsere Studierenden mit Sehbeeinträchtigung ein.

Insbesondere meine Vorträge, Seminare und Freizeiten zu Themen der Astronomie haben durch derlei Entwicklungen viel an Wert und Qualität gewonnen.
So nutze ich beispielsweise mein Smartphone, um mich mit dem sprechenden Handplanetarium Universe2Go gemeinsam mit sehenden Astros zu orientieren. Ich hab jetzt quasi auch mein eigenes Instrument und kann bei Teleskop-Treffen inklusiv mit dabei sein.
In meinem Buch, „Blind zu den Sternen“ habe ich dem Thema, welche neuen Möglichkeiten neue Technologien für den Zugang zu Astronomie bieten, ein ganzes historisches Kapitel gewidmet.
Das gibt es als Papierversion, Ebook und ist über die Blinden-Hörbüchereien als Daisy-Buch ausleihbar.

So, dann denke ich, dass ich die wesentlichen Punkte beschrieben habe, was den Zugang zu Wissenschaft und Bildung betrifft und wie technologische Entwicklungen diesen stets verbessern und mein Leben verändern und bereichern.
Schaut doch mal auf der Blogparade vorbei. Dort gibt es weitere Artikel zum Thema. Außerdem sind dort alle Informationen, wie Frau oder Mann sich auch an der Blogparade beteiligen können.

Vielen Dank an die Betreiberin dieses Blogs für diese schöne Einladung, mich dort beteiligen zu dürfen. Es war mir eine große Ehre und Freude.

Das Schauspiel des Himmels im Modell


Liebe Leserinnen und Leser,

ich hoffe, ihr alle hattet ein frohes und schönes Osterfest 2019. Das Wetter war zumindest in Süddeutschland sehr passend.

Ostern ist das Fest der astronomischen Berechnungen. Vom Frühlingsanfang über den Ostervollmond, der Berechnung des Ostersonntags bis hin zur Ausnahme des alle 19 Jahre wiederkehrenden Osterparadox, haben wir alles hier schon behandelt.

Nun ist es aber so, dass der Umgang mit Tabellen und Zahlen nicht eines jeden Menschen Sache ist. Schön wäre doch, wenn man sich das mal vorstellen könnte, wie sich das mit Neumond, Vollmond, Ostersonntag, Finsternissen etc. wirklich plastisch zum Angreifen verhält.
Das haben sich Astronomen, Uhrmacher und sonstig technisch begabte Menschen schon immer überlegt, wie man das Himmelsschauspiel auch in Modellen hier auf Erden abbilden kann.

Über die Geschichte derartiger Modelle des Sonnensystems, auch Orreries gennant, hat ein Freund schon vor einiger Zeit mal etwas geschrieben. Es ist mir eine große Ehre, dass ich das hier veröffentlichen darf, und er fühlt, zumindest hat er mir das so geschrieben, sich geehrt, dass ich das auf meinem Blog veröffentlichen möchte.

Ich werde seinen Text unverändert lassen und kennzeichne, sollte ich etwas meinerseitz ergänzen wollen.
Wie er sich damals als Person vorstellte, passe ich sprachlich etwas an die Gegenwart an.
Eine letzte Vorbemerkung noch: Der Text ist schon etwas älter. Somit kann es sein, dass sich erwähnte Personen nicht mehr mit Orreries beschäftigen, bzw. die Fakten anderweitig nicht mehr ganz passen.
Das soll uns hier nicht stören, da es dem Text und seiner Schönheit nicht abträglich ist.

So, lieber Matthias. Die Bühne gehört jetzt Dir:

Vorstellung:

Liebe Astrofreunde,

Eingeladen hat mich Gerhard Jaworek, auf Blindnerd zu veröffentlichen, den ich in meiner Funktion als 2. Vorsitzender des Kulturvereins Orgelfabrik kennengelernt habe. Wir hatten im Juni 2016 und 2018, ein mobiles Planetarium in die große Halle der Orgelfabrik Durlach gebracht. Im Begleitprogramm hat Gerhard Jaworek am 18.6.2016 einen Vortrag über seine Erfahrungen als blinder Astronom gehalten.

Anmerkung von mir: 2017 durfte ich selbigen Vortrag im gleichen Planetarium halten, als es in Sarlouis, seinem Heimathafen im Theater am Ring, gastierte. 2020 wird es dann wieder in der Orgelfabrik Durlach zu Gast sein. Ihr werdet davon hören. So, bitte Matthias:

Wenn ich mal nicht die Sterne nach Durlach hole bin ich Journalist mit eigenem Magazin (Inch by Inch– INCH, ein Sprachlernmagazin für technisches Englisch). Als Astronomiebegeisterter muss ich mich immer beherrschen, nicht allzu viele „Weltraumgeschichten“ ins Heft zu nehmen.

„Die Himmelsmechaniker“ ist die deutsche Fassung eines Artikels über Orreries, also mechanischer Modelle des Planetensystems, der damals auch in „Astronomie Heute“ erschienen ist.

Wie ihr seht, habe ich es eher mit den Planeten und der Technik als mit den Sternen an sich. Falls mir hier mal wieder was Spannendes unter die Feder kommt, werde ich euch auf dem Laufenden halten.

Die Himmelsmechaniker

Per Kurbelantrieb zu den Planeten – nur noch zwei Orrery-Macher verstehen sich auf die jahrhundertealte Kunst, mechanische Modelle des Sonnensystems zu bauen.
Der Weg zu den Sternen ist beschwerlich. Steinig, schmal und zugewachsen. Er führt zu einem kleinen, einsamen Cottage nahe Hebden Bridge im Norden Englands. Durch eine niedrige, mit Efeu überwucherte Tür und über eine schmale Treppe gelangt man in die Werkstatt von John Gleave, Ausgangspunkt für eine Reise durchs Sonnensystem. Mit nur wenigen Handbewegungen schickt Gleave seine Gäste von den sanften, grünen Hügeln draußen vor dem Fenster hin zu Merkur und Venus. Kurzes Verweilen, ein genauer Blick auf unsere Erde und den Mond und schon geht es locker aus dem Handgelenk weiter zu Mars, Jupiter und Saturn. Das Spiel der Planeten ist Gleaves Leidenschaft, die Himmelmechanik ihm so vertraut wie das Innere einer Uhr. Dabei ist der scheue, jung gebliebene 60jährige weder Astronom noch Raketeningenieur. Ein Blick in seine Werkstatt verrät, woraus sein Universum gemacht ist: Drehbank, Fräsmaschine und Teilscheibe. Uhrmacherwerkzeuge, Lupe und Mikrometerschraube. Feine Messingzahnräder, Scheiben mit eingravierten Sternzeichen, handbemalte Kugeln und poliertes Holz. John ist Gleave Orrery-Macher – einer der letzten, die heute noch ihren Lebensunterhalt mit dieser alten Kunst verdienen.

„Orreries sind mechanische, Uhrwerken nicht unähnliche Modelle des Sonnensystems, die die Bewegung der Planeten und ihrer Monde nachbilden,“ erklärt John Gleave. Dazu zählen einfachen Sonne-Erde-Mond-Modelle mit Riementrieb und Handkurbel ebenso wie die so genannten „Grand Orreries“, in denen hoch komplizierte Werke aus Messingzahnrädern mehrere Planeten und sogar jeden einzelnen ihrer Monde getrennt antreiben. Die Bezeichnung Orrery geht dabei zurück auf den vierten Grafen von Orrery, Charles Boyle, der 1712 ein Sonne-Erde-Mond-Modell bei John Rowley, einem Londoner Instrumentenbauer, bestellte.

Ein Graf greift nach den Sternen

Ganz im Gegensatz zur Herkunft ihres Namens liegt der Ursprung der Orreries im Dunkeln. Denn Rowleys Mechanik war nicht die erste ihrer Art. Schon um 200 vor Christus soll Archimedes mit Hilfe seiner „sphera“ die Bahnen von Erde und Mond beschrieben haben. Leider ist von dieser sphera außer einer vagen Beschreibung Ciceros nichts überliefert geblieben. Ganz im Gegensatz zum 2000 Jahre alten Antikythera Mechanismus, dessen Überreste Fischer vor der griechischen Küste entdeckt haben. Das bemerkenswert komplexe Räderwerk gilt vielen als ein antikes Orrery. „Ich glaube jedoch eher, dass es eine Art Kalender war,“ wirft Gleave ein, der neben seinen Orreries schon mehrere Exemplare des Antikythera-Mechanismus rekonstruiert hat. Die den Orreries verwandten astronomischen Uhren waren bereits im 15. und 16. Jahrhundert – und damit lange vor der Bestellung des Grafen von Orrery – hoch entwickelt, wie die Beispiele in Prag und Straßburg zeigen. Älter ist auch das Jovilabium des Dänen Ole Rømers von 1677, ein Mechanismus der seine Bahnbeobachtungen der wichtigsten Jupitermonde veranschaulichen sollte.

Der Prototyp des klassischen Orreries jedoch stammt von George Graham. Neben vielen Instrumenten für die Wissenschaftler der Aufklärung entwarf er zwischen 1704 und 1709 einen Mechanismus, dessen Räderwerk die komplizierte Bewegung des Mondes und der Erde um die Sonne nachbildete. Rowleys Auftragsarbeit für den Earl of Orrery war schlicht eine überarbeitete Version von Grahams Mechanismus.

„Anfangs wurden Orreries ausschließlich für Wissenschaftler, Bildungseinrichtungen oder reiche Sammler angefertigt, wobei Größe und Komplexität immer weiter zunahmen. Erst später kamen dann einfache und billige Geräte auf den Markt, was Orreries in viktorianischer Zeit sehr populär machte. Doch mit der Einführung optischer Planetarien verschwanden deren mechanische Vorfahren fast spurlos,“ fasst Gleave 300 Jahre Orrerybau zusammen. Ein erster Vorbote dieses Niedergangs war wohl Adam Walkers Eidouranion von 1770, eine Art transparentes Orrery mit Projektor. Das Schicksal der mechanischen Orreries besiegelt jedoch Carl Zeiss, als er 1924 mit seinem noch heute in Planetarien verwendeten Projektor die Darstellung der Himmelskörper und ihrer Bewegungen revolutionierte.

Anmerkung von Blindnerd:
Ganz wunderbar ist zum Thema Planetarien die Folge des CRE-Podcast von Tim Pritlove
Zur CRE-Folge
Außerdem vom gleichen Autor
Über das Großplanetarium Berlin

OK, Matthias, bitte weiter im Text

Die Kunst Planeten zu bewegen

Warum wagt es heute noch jemand gegen diese perfekten Lichtschauen mit wenig mehr als ein paar Messingzahnrädchen anzutreten? Warum will jemand ein beinahe ausgestorbenes, weil überflüssig gewordenes Handwerk erlernen? „Vor über 20 Jahren habe ich einen Roman gelesen, in dem es um die Bewegung der Planeten ging,“ erinnert sich Gleave an den Beginn einer Leidenschaft. „Ich wollte verstehen, was da passiert und da ich als Kunstmaler wenig mit Formeln anfangen kann, schien mir ein Orrery der beste Weg, die Kopernikanischen Gesetze zu begreifen. Leider musste ich schnell feststellen, dass Orreries sehr teure Sammlerstücke sind. Da mich aber als Künstler die mechanische Schönheit dieser Stücke fasziniert hat und ich ohnehin einmal mit Metall arbeiten wollte, kam ich auf die Idee, selbst ein Orrery zu bauen. Das erstes Modell hatte anfangs noch eine einfache Riemenübersetzung, die ich jedoch nach einem Uhrmacherkurs durch Zahnräder ersetzt habe. Keine einfache Sache übrigens, irgendwie scheint mein Künstlerhirn nicht dafür gemacht zu sein, Übersetzungsverhältnisse und Getriebefunktionen zu verstehen.“
Ganz offensichtlich hat Gleave inzwischen auch die mechanischen Künste gemeistert: Ungefähr 170 Orreries sind in seiner Werkstatt bisher entstanden, von einfachen Erde-Mond-Modellen bis hin zu aufwendigen Grand Orreries – einschließlich eines Modells mit einem beringten Saturn, dessen größte Monde sich unabhängig voneinander bewegen. Und manchmal übertreibt er es auch ein bisschen. „Mein größtes Orrery hatte einen Durchmesser von 1,6 Metern,“ erinnert er sich. „Leider habe ich zu spät gemerkt, dass es nicht durch die Tür passt. Letztendlich musste ich es wieder komplett auseinander nehmen und die Garage meines Nachbarn als Werkstatt anmieten. Heute baue ich vorzugsweise nur noch Orreries bis 1,2 Meter, der Größe meiner Haustür.“
Das Tischmodell an dem er gerade arbeitet, passt locker durch die Tür. Der goldglänzende Mechanismus reproduziert die Bewegungen des Merkur, der Venus, der Erde und des Monds. Unter einer golfballgroßen Messingsonne dreht sich ein balkenförmiges Gehäuse, vollgestopft mit Zahnrädern. „Die aufwendige Mechanik ist nötig, um den Metonischen Zyklus des Mondes und seine Bahnneigung zu reproduzieren,“ erklärt Gleave den wohl wichtigsten Grund, warum – damals wie heute – Orreries überhaupt gebaut werden.

Meton von Athen entdeckte 432 vor Christus, dass sich die Mondphasen ungefähr alle 19 Jahre am selben Tag des selben Monats wiederholen. Eine Tatsache, die sich beispielsweise in der Berechnung des Osterdatums widerspiegelt. Da sich der Mond nicht nur um die Erde, sondern gleichzeitig mit ihr um die Sonne bewegt, unterscheidet sich der von der Erde aus beobachtete Mondzyklus leicht von der aus dem Weltall betrachteten Dauer einer Erdumkreisung. Zu kompliziert? Wie wär’s dann mit der Tatsache, dass die Bahn des Mondes nicht wie die der meisten anderen Monde in der Äquatorebene ihres Planeten sonder ungefähr fünf Grad geneigt zu der Ebene liegt, die die Erde um die Sonne beschreibt. Was im übrigen der Grund dafür ist, dass es nicht jeden Monat zu einer Mondfinsternis kommt. Komplett verwirrt? Da hilft ein Orrery. Ein paar Drehungen an der Kurbel von Gleaves Kunstwerk und schon ist klar, was so schwer zu erklären ist.

Anmerkung von Blindnerd:
2015 viel der Vollmond direkt auf Heilig Abend, 24.12. Da stellte ich mir natürlich di Frage, wann das denn das nächste mal so sein wird. Ich dachte mir, wenn Finsternisse gewissen Zyklen gehorchen, dann muss es doch mit dem Vollmond ähnlich sein, der auf ein gewisses Datum fällt.
Auch dieser Weihnachtsvollmond gehorcht dem Meto-Zyklus. Und wie Matthias schon erwähnte, spielt er in die Berechnung des Ostertages mit hinein. Gerade dieses Jahr hatten wir das Oster-Paradoxon. Ich schrieb im Artikel Fällt Ostern 2019 aus darüber.

OK, Bitte, Matthias, fahre fort. Entschuldige bitte die Unterbrechung.

Obwohl solche Komplikationen schon von Rowley in seinem Ur-Orrery berücksichtigt wurden, hält Gleave sich nicht allzu sehr an die historische Vorlage. „Im Allgemeinen sind meine Orreries keine exakten Repliken bestehender Geräte. Dazu bin ich wohl noch zu sehr Künstler. Mein Ziel ist es genaue, aber vor allem ästhetisch ansprechende Orreries zu bauen.“

Welten fürs Wohnzimmer

Ein Sinn für Kunst und Ästhetik ist wohl ebenso eine Voraussetzung für den Beruf des Orrery-Machers wie mechanisches Geschick. „Außerdem braucht es die Geduld eines Engels, die Kraft Samsons und das Bankkonto eines Rockefellers,“ beschreibt Brian Greig aus dem australischen Melbourne den Versuch, mit dem Bau von Orreries seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ein sehr erfolgreicher Versuch im Übrigen, zumindest für seine Kunden, die seine Meisterwerke seit Jahren schätzen. Greig begegnete seinem ersten Orrery im Sotheby Katalog seines Onkels, eines Kunstsammlers. Die Schlichtheit dieser mechanischen Universen war es, die seine Liebe entfachte. Eine Liebe, die 1990 mit seinem ersten, selbstgebauten Orrery endlich ihre Erfüllung fand.
Heute ist daraus eine breite Palette geworden, von Kopien der klassischen englischen Modelle Rowleys und Grahams bis hin zu speziellen Orreries: Ein Tellurium etwa, das die Jahreszeiten verdeutlicht, ein Lunarium, das die komplizierte Bewegung unseres Mondes beschreibt und sogar ein Mars Orrery mit den Monden Phobos und Deimos. Dessen Besonderheit sind elliptische Zahnräder, die das zweite Keplersche Gesetz – der Radiusvektor eines Himmelskörpers überstreichen in gleicher Zeit gleiche Flächen – berücksichtigen. Eine von den meisten Orreries stillschweigend vernachlässigte Komplikation; statt astronomisch korrekten Bahnen wird in der Regel nur das Verhältnis der Umlaufzeiten wiedergegeben. „Mein Lieblingsstück jedoch ist eine Replik von Edward Troughtons Orrery von 1800,“ meint Greig und nimmt ein klassisches Modell der inneren Planeten, der Erde und des Mondes aus dem Regal. „Für das Erste habe ich volle drei Jahre gebraucht.“ Einen nicht unwesentlichen Teil davon verbrachte er damit, den Kurator des Science Museum in London zu überreden, Papierabriebe vom Original machen zu dürfen. Nicht ungewöhnlich für Greig: Der Australier ist absolut detailversessen. Stundenlang kann er mit dem Vergrößerungsglas über alten Stichen oder Photos brüten und Zähne zählen. Und es passiert schon mal, dass er von einem Kurator aus dem Museum geworfen wird, weil er eines der wertvollen Originale röntgen lassen wollte.
Ist aber der Plan eines alten Orreries erst einmal rekonstruiert, schließt sich Greig fräsend- und drehenderweise in seiner Werkstatt ein. Die Zahnradherstellung ist aufwendige Handarbeit: Zuerst wird mit der Schlagschere ein Messingblech grob zurechtgeschnitten und in der Drehbank auf den gewünschten Durchmesser gebracht. Mehrere dieser Messingscheiben spannt er anschließend in eine Fräsmaschine mit Teilscheiben ein, mit der er jeden Zahn einzeln, oft sogar in mehreren Durchgängen fräst. Versuche, diese zeitaufwendige Prozedur abzukürzen, sind kläglich gescheitert: „Die Idee, die Zahnräder mit einer modernen Laserschneidmaschine auszuschneiden, haben wir schnell wieder aufgegeben – das stark reflektierende Messing hat beim ersten Versuch den Spiegel zerstört und die Maschine erstmal für einen Monat lahm gelegt.“ So betreibt Greig den Bau von Orreries bis heute noch als echtes Handwerk, das zwar sehr mit der Uhrmacherkunst verwandt ist, schon immer aber eher von Instrumentenbauern denn von Uhrmachern ausgeübt wurde. Eine Tradition der sich auch der 63 jährige Greig verpflichtet fühlt: „Ich hasse Uhrenläden. Das Ticken erinnert mich immer daran, dass meine Zeit abläuft.“
Und davon braucht Greig jede Menge. In einem normalen Orrery stecken drei Monate Arbeit, jährlich verlassen nicht mehr als drei bis vier Stück seine Werkstatt. Wie seit jeher setzt sich seine Kundschaft aus Universitäten, Museen und reichen Sammlern zusammen, die noch ein schmuckes Stück für Ihre Bibliothek suchen. Keine billige Anschaffung, schon ein einfaches Erde-Mond-Orrery kostet um die 3000 Euro. Dennoch sind Greigs Auftragsbücher gut gefüllt. Sicher, ein Besuch im Planetarium ist günstiger und wahrscheinlich lehrreicher und Computerprogramme ermöglichen äußerst realistischere Reisen durch unser Sonnensystem. Dennoch strahlen diese Himmelsmechaniken eine ungebrochene Faszination aus. Wie magisch ziehen sie jeden an, der in ihre Nähe kommt und wecken in ihm fast automatisch den Wunsch, eines dieser Wunderwerke zu besitzen. Vielleicht ist es ja die Wärme von Messing, Emaille und poliertem Holz, die uns die ansonsten so kalten, astronomischen Gleichungen näher bringt. Vielleicht das beruhigende Gefühl, dass die mächtigen Himmelskörper in immer gleichen Bahnen laufen, die wir mit einem Hand gemachten Räderwerk nachbilden können. Oder vielleicht sind Orreries einfach nur deshalb so faszinierend, weil sie dem Traum, per Kurbelantrieb zu den Planeten zu reisen, am nächsten kommen.

Schlussbemerkung von Blindnerd:

So, lieber Matthias. Vielen Dank für diese wunderbaren Ausführungen.
Auch ich besitze ein ganz kleines Modell des Sonnensystems, ein solar betriebenes China Gadget, das ein Bausatz war und kaum zwanzig Euros gekostet hat. Was solls, immerhin.
Tja, ob ich als blinde Person jemals irgendwo ein Orreri anfassen darf, wage ich zu bezweifeln. In dem Fall kann ich es ob der filigranen Verarbeitung, der fragilen Bauweise und des Preises vielleicht sogar traurigen Herzens nachvollziehen und verstehen.
Aber wer weiß. Mich faszinieren Uhren Orreries und solche mechanischen Dinge sehr.
Dir nochmal vielen herzlichen Dank für Deinen Artikel, der zweifellos ein Juvel auf meinem Blog darstellt.

bis zum nächsten mal grüßt euch
Euer gerhard.