Urlaub vor derBlindheit, oder von der Welt der Sehenden machen


Liebe Leserinnen und Leser,

heute geht es in meinem Blog mal um kein astronomisches Thema. Endlich mal, denn ich möchte künftig auch dem anderen Teil der Blogbeschreibung mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung beimessen.
Heute geht es um Urlaub. Urlaub, nicht im herkömmlichen Sinne, sondern Urlaub von der Behinderung, in meinem Fall von der Blindheit, machen.
Oder sollte man eher sagen: „Urlaub von der Welt der Sehenden?“

Prolog

„Lebe möglichst, als wärest Du sehend!“

stand vor einigen Jahren auf einem Plakat, das den Studierendenraum unseres Institutes zierte. Das war ein Motto der damaligen Leitung, dass wir unbedingt „Top-Blinde“, das war sein Wort, sein sollten, um vorgezeigt zu werden, um Eindruck zu schinden, und letztlich, um auch zu zeigen, welch tolle Arbeit an unserem Institut gemacht wird.
Da das Poster meinem Vorgesetzten gehörte, durfte ich ihm natürlich kein Leid zufügen.
Ich schwor mir aber, dieses Plakat, sollte ich einst dazu befugt sein, umgehend zu entfernen, un die Vernichtung dieses Satzes zu zelebrieren.
Die Zeiten haben sich geändert, ich arbeite mittlerweile seit fast 25 Jahren an besagtem  Institut und auch unsere soziale humanistische und pädagogische Ausrichtung  hat sich diesbezüglich zum Positiven hin entwickelt, so dass ich vor einigen Jahren die Zerstörung dieses Plakates feierte.

„Blinder, Lebe, als könntest Du sehen“,
„Lahmer,  lebe, als köntest Du gehen“,
„Tauber, lebe, als könntest Du hören“
Man merkt hier die Absurdität, die in derlei Sätzen steckt. Es geht schlicht und einfach nicht.
Dennoch. Mein Alltag ist stets der Versuch, zwar nicht so, wie ein Sehender zu leben, aber mich in deren Welt zurecht zu finden und zu bestehen.
Das ist zuweilen recht anstrengend.
Hier soll es aber nicht darum gehen, was Schwierigkeiten bereitet, sondern darum, dass ich es wichtig finde, dass ich ein Mal im Jahr Urlaub von der Blindheit oder der Welt der Sehenden nehme,.
indem ich mich an einem für uns geeigneten Ort mit blinden Menschen treffe.
Der Weg dort hin, also bis ich mich dazu durchringen konnte, war lang.

Mein Weg

Blind unter Sehenden

Als blinder Student unter sehenden Studierenden war es zwar nicht üblich, die Zugehörigkeit zur Gruppe derer, die nicht sehen können, zu verleugnen, aber trotzdem war es mir immer ein Bedürfnis, mich in irgend einer Weise von dieser Gruppe abzugrenzen.
Ich wollte nicht zu jenen gehören, die beispielsweise dauernd mit dem Vorurteil belegt werden, neben der körperlichen auch eine geistige Einschränkung zu haben. Ich war beleidigt, wenn mich jemand fragte, ob ich auch in der Werkstadt XY für Menschen mit Behinderung arbeite. Ich hätte mir mein Abiturzeugnis am liebsten an die Stirne geheftet.
Es war sehr schick, zu den „Top-Blinden“ zu gehören.

Das Phänomen, dass Sehende zunächst irritiert sind und sich nicht trauen, jemanden mit Behinderung, insbesondere blinde Menschen ohne Augenkontakt, anzusprechen, oder dass sich Sehende zunächst mit einer Frage in der dritten Person „Will er etwas trinken?“ an die Begleitperson wenden, oder dass der Mediziner glaubt, durch möglichst lautes Sprechen die Kommunikation zu verbessern, hat nichts mit Dummheit oder Unsensibilität zu tun. Es ist ein psychologischer Mechanismus, dem auch ich, der es eigentlich besser wissen sollte, zuweilen dann unterliege, wenn mir ein Mensch mit einer Einschränkung, beispielsweise mit eingeschränkter Sprachfähigkeit, begegnet. Dies als Trost für uns alle, dass selbst Betroffene eventuell nicht davon frei sind, sobald es sich um eine uns fremde und unbekannte Einschränkung handelt. Dennoch wäre ein hehres Ziel, einen Schalter in unseren Köpfen umlegen zu können, der uns frei macht von derartigen Vorurteilen. Seien wir uns alle dieser Fehler bewusst und betrachten wir jeden Schnitzer in dieser Beziehung als Neuanfang.

Blind unter Blinden

Ein blinder Freund warnte mich davor, mich zu sehr der Gruppe der Sehenden anzuschließen, und meinte, dass ich eines Tages noch froh sein würde, ein Refugium zu finden, in dem ich meine Blindheit ausleben dürfe. Er überredete mich, mit ihm zusammen einen Spezialurlaub für Menschen mit Blindheit zu machen. Und da tat sich mir wirklich eine neue Welt auf. Ich merkte, wie anstrengend mein Leben dadurch war, dass ich meinen sehenden Mitmenschen hinterherhechelte. Ich merkte, wie mir die ganzen Jahre die Gespräche unter Blinden, die thematisch oft anders gelagert sind als die mit Sehenden, so sehr fehlten. Sprechen Blinde über Kinofilme, wird kaum über Schauspieler geredet. Den Film erleben wir als ein Hörspiel, bestehend aus der Filmmusik, den Hintergrundgeräuschen, den Stimmen der Synchronsprecher und seit einigen Jahren mehr und mehr der Audiodeskription. Hierbei handelt es sich um Zusatzerklärungen die das erläutern, was für blinde Menschen im Film nicht hörbar ist, z. B. ein entscheidender Blickkontakt, eine wichtige Geste oder eine Beschreibung einer Umgebung. Diese Audiodeskriptionen werden zwischen die gesprochenen Passagen des Films gepackt und können entweder über einen separaten Tonkanal oder über ein Smartphone mit Knopf im Ohr abgehört werden. Manche Menschen mit Blindheit sprechen auch eher über Hörspiele und Radio, über Geräusche und Musik. Einige binden viele Geräusche in ihre Sprache ein und lieben es, Stimmen naturgetreu nachzuahmen.
Ich merkte, wie wohltuend es war, in dieser Umgebung auch mal blind sein zu dürfen. Ja, es war kein Problem, mir hin und wieder ein Brot schmieren oder das Hähnchen vom Knochen schneiden zu lassen. An diesem Ort durfte ich mir bei derartigen Dingen gerne helfen lassen und musste mir oder anderen nichts beweisen.
Kommen wir nun also zu Einzelheiten:

Was ist bei so einem Urlaub anders:

Die Anreise

Die Meisten dieser Urlaubshäuser für blinde Menschen verfügen über einen kleinen Fuhrpark. Somit kann man sich direkt vom Haus am Zielbahnhof abholen lassen, ohne, dass lästige Taxikosten anfallen, der Taxifahrer nicht weiß, wo man hin möchte, oder… Schon hier merke ich, dass das Personal geschult ist, so dass die Anreise barrierefrei abläuft.
Schon im Vorfeld stimmt man die An- und Abreise so mit dem Haus ab, dass es für das Personal möglichst effizient abläuft, z. B. das mehrere Personen gleichzeitig abgeholt werden können. Das bedeutet manchmal warten, ist aber kein Problem, weil jeder von uns weiß, wie wichtig eine gute Reise und eine Abholung für uns ist, und somit viel Verständnis und Geduld für den Mitbetroffenen aufbringt.

Die Ankunft

Im Haus angekommen, finde ich am Boden Leitlinien, Punktschrift an Zimmertüren, Treppen und Einrichtungen. Der Aufzug spricht mit mir und alle Stockwerke sind taktil beschriftet.
Im Zimmer liegen alle Informationsschriften auch in Blindenschrift aus. Speisepläne sind entweder über das Telefon akustisch, als Aushang in Blindenschrift oder online zugänglich.
Das gilt auch für sonstige Listen, oder den Ausflugsplan.

Abenteuer Essen und Trinken

Beim Essen steht Personal am Buffet zur Verfügung, das Essen wird direkt zum Tisch gebracht und ich werde darüber im Uhrzeigersinn aufgeklärt, was sich wo auf meinem Teller befindet, z. B. „Fleisch von 9 – 11 Uhr, Erbsen zwischen 5 und 6 Uhr“… In manchen Blindenhäusern, gibt es überhaupt kein Buffet. Es gibt zu Mittag eine Menüauswahl, meist ein vegetarisches und ein anderes. Für das Frühstück legt man sich vorher schon fest, was man ungefähr möchte, damit einem das Personal das schon am Platz richten kann, und zu Abend gibt es in dem Fall auch für alle dasselbe Abendbrot.

Zugegeben. Das ist auch für mich manchmal etwas unflexibel und eingeschränkt. Das nervt besonders dann, wenn es mal etwas gibt, das man nicht so mag. Es ist aber möglich, um Ersatz zu bitten.
Ich habe dann halt keine unerschöpfliche Auswahl, wie an einem Buffet in einem Hotel. Das will ich aber u. U. gar nicht. Mich strengt es unheimlich an, wenn meine Begleitung mir erst mal eine halbe Stunde erklärt, was es gibt, und ich weiß, dass das für sehende Begleitpersonen auch so ist.

Was den Ablauf des Essens betrifft, so kann ich mir ganz entspannt, mal ein Fleisch schneiden, das Hähnchen entbeinen, den Fisch filetieren oder einfach mal ein Brot schmieren lassen und ein Getränk wird mir eingeschenkt, wenn ich das möchte.. Vieles von dem, was ich hier aufgezählt habe, kann ich natürlich selbst. Dennoch. Ich finde schön und gesellschaftskonform zu essen manchmal nicht so einfach. Eine Pizza z. B., die größer als der Teller ist, lasse ich mir grundsätzlich in der Küche schneiden, weil sonst die Katastrophe ihren Lauf nehmen würde.
Aber das ist es halt. In meinem Urlaub ist das normal. In anderen Lokalen muss ich es erst erbitten. Meist erfahre ich hier große Hilfsbereitschaft.  Aber, es passiert schon mal, dass es vergessen wird, der Kelner dann mit meinem Essen nochmal davon rennen muss, was ja irgendwie auch wieder doof aussieht und Blicke auf sich zieht, oder manchmal ist das Personal überlastet. Ein einziges Mal hat mir das ein Kelner mal ehrlich so kommuniziert…
Normalerweise muss ich mir die Hilfe erbitten. In meinem Refugium wird mir die Hilfe mit viel Verständnis und Empathie angeboten und ich entscheide alles selbst.
Und wenn wir schon bei Kelnern sind. Vor allem dann, wenn es in einem Lokal sehr laut ist, habe ich keine Chance, ohne sehende Hilfe etwas zu erlangen, das meine durstige Kehle benetzen könnte. Ich höre die Bedienung nicht. Ich kann mit ihr keine Zeichensprache oder Augenkontakt führen. Ich kann doch auch nicht, wie ein Proll durch das ganze Lokal schreien… Und, wenn dann noch eine Fremdsprache, z. B. im Ausland oder eine andere Kultur dazu kommt, wird die Bestellung eines Getränkes eine schier unlösbare Aufgabe, ein Stressfaktor und nervt einfach nur.
Hier, in meinem Blindenhaus,  werde ich gefragt, ob ich noch etwas möchte. Wenn man am Ort dann schon etwas bekannter ist, merkt sich das Personal sogar, was man so für Vorzüge und Vorlieben hat.
Das gibt es aber manchmal in Stammkneipen auch, was ich als sehr angenehm empfinde.

Orientierung und Mobilität

Sollte ich mich einmal auf der Hotelanlage verlaufen, muss ich mich hier nicht mit zwar wohlgemeinten Erklärungen, wie „Sie müssen dort lang“… herumplagen. Entweder ich bekomme eine Erklärung, die ich verstehe, oder werde hin geführt, bzw. wieder auf den richtigen Weg gebracht.

Gaffer

Man wird am Pool, in der Bar oder am Stand nicht angegafft, wenn man sich mal ohne seine Begleitperson alleine dort hin wagt, weil diese mit einem anderen Gast einen Shopping-Nachmittag macht, den blinden Mann daheim läßst, und möglicherweise nur seine Kreditkarte mitgenommen hat. Darüber zerreißen sich Gäste durchaus das Maul, und stellen die wildesten spekulationen an.
Dass ich aber Shopping unerträglich finde, dass es mir alleine mit meinem Hörbuch, meinem Bierchen oder Kaffee ganz hervorragend geht, können viele sich überhaupt nicht vorstellen.

Ausflüge

Was Ausflüge und andere Unternehmungen betrifft, so ist das in dem Haus, das ich besuche schon so, dass der Urlaub in dieser Hinsicht etwas erlebnisärmer sein könnte, wie sich das Sehende vielleicht so vorstellen,, wenn man ihn mit einer sehenden Reisegruppe etc. erlebt.
Das liegt daran, dass die personellen Ressourcen der Häuser auch begrenzt sind, und hier auch der Sparzwang und die Wirtschaftlichkeit in immer verherender Weise um sich greifen. Viele Blindenhäuser sind mittlerweile geschlossen.  Somit muss man immer einen Kompromiss finden, was man miteinander unternehmen kann, dass alle auf ihre Kosten kommen. Das bedeutet halt dann auch mal, dass man seine Wünsche zugunsten des Restes der Gruppe zurückstellen muss.

Wenn ich beispielsweise Gleitschirmfliegen möchte, dann können die anderen nur irgendwie dort, wo der Flugplatz ist, wandern oder Kaffeetrinken gehen, weil der Kleinbus warten muss, bis ich wieder gelandet bin, was mit Seilbahnfahrt Start, Flug und Landung einen ganzen Nachmittag benötigt.
Das bekommt man aber in der Regel ganz gut hin. Ich habe noch keinen Streit deswegen erlebt. Jeder von uns weiß, dass die Welt eines Blinden oft eine Welt der Ungeduld und des wartens ist, weil wir oft nicht sehen, was sich in unserer Umgebung tut, und somit keinen Reiz empfangen.
Oft bieten diese Häuser auch Themenwochen, wie Wandern, Langlauf, Tandem, Basteln etc. an, aber das liegt mir nicht so, eine Woche lang jeden Tag dasselbe zu machen.

Was blinde Menschen im Urlaub so wollen

Wir erleben häufig den Urlaub viel stärker in der Gemeinschaft. Wir wollen überhaupt nicht allen Sehenswürdigkeiten hinterher rennen. Ein vertrauter Spazierweg, selbstständig den Pool benutzen, sich ohne sehende Hilfe in der Bar etwas bestellen, aber auch am Abend musizieren und ein sehr kommunikatives geselliges Leben führen, wie ich das so unter sehenden nur extrem selten erlebe, das ist unser Urlaub. Auch einfach mal ein Hörbuch auf dem Balkon hören, gehört dazu. Natürlich kommen auch Highlights, wie mein vorhin erwähnter Gleitschirmflug vor.
Und nun kommen wir zu dem Punkt, der vermutlich das wertvollste an einem Spezialurlaub für Blinde ist, und wofür man eventuell bereit ist, gewisse Abstriche zu machen.

Das Miteinander

Was ich meine, ist der Umgang, ist die Art der Kommunikation untereinander und die Themen, über welche wir blinden Menschen miteinander sprechen. Außerdem ist es das wohltuende Gefühl, sich auch über die Einschränkung auszutauschen.
Wir sprechen viel über Radio, Hilfsmittel und Apps.
Wir musizieren zusammen, als hätten wir das schon immer getan. Da entstehen spontan und ohne Probe vierstimmige Chorsätze. So musikalisch improvisieren konnte ich bisher nur mit sehr wenigen sehenden Musikern. Entweder sie brauchen Noten, oder müssen Dinge erst üben, die blinde Musiker frei von der Leber weg spielen. Wenn gemeinsam gesungen werden soll, und die Tonart muss transponiert werden, dass jeder mitsingen kann, so passiert das bei blinden Gitarristen, Pianisten oder Akkordeonspielern ganz automatisch…
Bemerkenswert ist die Vielfalt der Personen, die sich in diesen häusern trifft. Vom Menschen, die in einer beschützenden Werkstatt für Behinderte arbeiten, bis hin zum blinden Universitätsprofessor ist alles dabei, und wir finden eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Themen und lachen gemeinsam…

Epilog

Ich mache meinen Spezialurlaub nicht, um ungestört, weil die anderen es nicht sehen, „in der Nase bohren zu können.“ Das hören blinde Menschen übrigens… Ich mache das, weil es mir viel Kraft gibt.
Weil es gut tut und richtig ist, dass ich mich auch mal in meiner Gruppe, in meiner Blindenwelt etc. bewege.
Ich tue es, um dann wieder mit neuer Kraft mich in unserer gemeinsamen Welt, der Welt der Sehenden,
zurecht zu finden, auszutauschen unddamit Brücken der Liebe, von Verständnis und Empathie geschlagen werden, die unsere Welten verbinden.
Mich beängstigt tatsächlich, wenn mehr und mehr unserer Häuser schließen, denn wo soll man ohne diese eine der Beeinträchtigung angemessenen Urlaub machen. Solche Häuser besitzen einen Wert, der sich nicht mit Kapital und Wirtschaftlichkeit messen lässt.

Podcasts ein inklusives Tor zu Bildung, Wissen und der Welt


Liebe Leserinnen und Leser,

heute geht es mal in Blindnerd nicht um Astronomie.

Ein wunderbares Ereignis, siehe später, trieb mich dazu, heute mal die Astronomie links liegen zu lassen und hierüber zu schreiben:
Es geht  um eine Quelle des Wissens, aus der ich vermutlich mehr schöpfe, als aus Büchern und erst recht, aus Fernsehen. Zeitungen sind für mich sowieso schwer zugänglich.

Es geht um Podcasts. Podcasts sind themenbezogene Sendereihen, bei denen mehr oder weniger regelmäßig neue Folgen oder Episoden erscheinen. Diese Sendungen sind meist Audio, manchmal auch Video. Interessiert man sich für eine Sendereihe, so abonniert man sich den Podcast mit einem geeigneten Podcatcher. Ich nutze für mein Iphone zum mobilen Hören von Podcasts den Podcatcher von Apple, den es im Appstore kostenlos zum Download gibt. Für Windows ist

Foobar 2000
für Blinde sehr gut bedienbar.

Es gibt auch einen Podcatcher
„Accessible Podcatcher“,
der speziell für unsere Bedürfnisse entwickelt worden ist.

Itunes, Firefox,  Edge, Internetexplorer sind Programme, mit denen das auch geht. Das mag ich aber persönlich dafür nicht, weil diese Programme mit allem möglichen anderen Kram überladen und dadurch schwerer und umständlicher zu bedienen sind, finde ich zumindest…

Wie bei einem Newsletter, wird man dann, wenn man den sog. Podcast-Feed abonniert hat,  stets informiert, wenn zu einem abonnierten Podcast eine neue Sendung veröffentlicht wurde. Die Feeds findet man auf den jeweiligen Internetseiten der Podcasts, denn jeder Podcast hat eine Seite.

Podcasts werden meist von Shownotes begleitet. Wie das Wort Notes schon sagt, handelt es sich hier um Notizen, die teilweise erst während der Show, aufgrund deren Verlaufes, entstehen. Meist enthalten die Shownotes auch noch Links, die die Inhalte der Folge vertiefen.

Die Shownotes parallel zum Podcast ansehen, geht für uns eher schwierig, weil wir dann den Podcast und die Sprachausgabe hören. Das muss auch gar nicht sein. Ich denke mal, dass weit über 90 % aller Podcasts mobil angehört werden. Die Shownotes sind für danach gedacht.

Und das führt uns zu einem ganz wesentlichen Vorteil von Podcasts gegenüber Fernsehsendungen. Podcast sind grundsätzlich so gestaltet, sofern keine Video-Podcasts, dass sie ohne Bilder auskommen müssen. Insbesondere bei technischen oder Wissenschaftspodcasts bedeutet das, dass alle Details so erklärt werden müssen, dass die Zuhörer sich etwas darunter vorstellen können. Für blinde Menschen ist das natürlich super, denn in vielen anderen wissenschaftlichen Sendungen oder Publikationen, werden die Inhalte visuell so angereichert, dass gesprochene Erklärungen oft sichtbaren Animationen weichen.

Alleine schon von der Themenvielfalt her, übertreffen Podcasts mengenmäßig alles, was uns blinden an Wissen und Bildung in Punktschrift, Hörbuch oder  elektronisch zur Verfügung steht. Da es mittlerweile auch viele Radiosendungen zu unterschiedlichen Themen als Podcast zum Herunterladen gibt, kann man die Sendungen dann hören, wenn man Zeit dazu hat. Man muss nichts mehr verpassen, oder Geräte für die Aufnahme programmieren.

Gegenüber Radiosendungen haben Audiopodcasts noch weitere Vorteile. Es sind keine Radiosendungen, die in einem gesteckten Rahmen zwischen Musik, Werbeblöcken und Nachrichten, z. B. einen Interviewpartner zielgerichtet und knapp interviewen. Sie müssen auch nicht die große Masse erreichen, somit ist irgendwie alles erlaubt, was Zuhörer findet.

Podcasts sind keine Interviews. Sie sind eher Gespräche über Themen. Die können auch mal etwas abschweifen, der Gast im Podcast kann unerwartete Dinge zum Podcastleiter sagen und vieles mehr.

Ich denke, ich erkläre jetzt mal an einigen Beispielen, weshalb Podcasts für mich der Brunnen zu Wissen und Bildung schlecht hin geworden sind.

Zu Podcasts kam ich vor mindestens zehn Jahren, eher mehr durch ein Projekt, das sich Klango nannte. Klango sollte ein soziales Netzwerk für blinde Menschen werden. Neben Chatten, Posten und Mail, war die Software ein guter Podcatcher. Mit Podcasts über Hilfsmittel bin ich schließlich eingestiegen. Da gibt es blinde Menschen, die life am Rechner eine gute Homebanking-Software vorstellen. Die Zuhörer hören seine erklärende Stimme und hören auch die Sprachausgabe seines Computers. So kann man alle Schritte der Bedienung lernen, am eigenen Rechner nachvollziehen. Das ist somit eine hervorragende Art online Lernangebote anzubieten.
Viele Apps auf meinem Smartphone habe ich über Podcasts kennen und bedienen gelernt, weil blinde Menschen das aufgenommen und veröffentlicht haben.

Nach und nach, fing ich auch an, immer mehr Radiosendungen und wissenschaftliche Podcasts zu hören.

Mein erster Podcast zu Astronomie und Weltraum ist wirklich ein Juwel. Ich giere jeder neuen Folge entgegen. Es ist der Podcast @Raumzeit von Tim Pritlove.

https://raumzeit-podcast.de/

Tim Pritlove besucht häufig Gesprechspartner, die im Umfeld von Astronomie und Raumfahrt tätig sind. Es ist so unglaublich interessant, die Experten selbst zu hören. In einer seiner ersten Folgen war der erste DDR-Kosmonaut, Sigmund Jähn, Gast bei Tim. Ich finde, das ist viel besser, als lesen. Ich hörte die Stimme eines Astronauten und vernahm, was er erlebte aus seinem eigenen Mund und nicht aus einem Buch, dass entweder er oder jemand anderes über ihn geschrieben hat.

Nichts gegen Bücher. Ich lese und höre sehr viele. Aber für Hörmenschen, wie mich, ist Originalton eine wunderbare Sache, weil Fotos halt nun mal weg fallen.

In Folge 30 hatte er einen Experten zur vergangenen Cassini-Huygens-Mission geladen. Das Highlight in dieser Folge war das Geräusch, als die Sonde Huygens durch die dicke Atmosphäre des Mondes Titan, abstieg. Sie hatte ein Mikrofon dabei, weil man sich erhoffte, Gewittertätigkeit zu hören. Dieses vernahm man nicht, aber den Fahrtwind der durch den Fall der Sonde, entstand.

Ich schrieb ausführlich darüber in „Blind zu den Sternen“, meinem Buch.

Über viele Sonden und Weltraummissionen hätte ich vermutlich ohne diesen Podcast nie etwas erfahren. Sicher fließt in meine Artikel sehr viel Wissen ein, das ich mir aus Podcasts einverleibte und nicht mehr weiß, woher ich es weiß.
Ein weiteres Highlight und Muss für alle, die nur im Ansatz etwas technikbegeistert und nerdig sind, ist der @omegataupodcast

http://omegataupodcast.net/

Die beiden Macher dieses Podcasts reisen quasi um die ganze Erde, um Spezialisten zu allen möglichen Themen zu finden. Da geht es mal um den A380, um ein großes Schiff, um österreichische Seilbahnen und Wasserkraftwerke, aber dann geht es auch um Wirtschaft, Technikfolgeabschätzung oder biologische Themen.

Ob Deutsche oder Englische Folge; ganz egal. die beiden, die den Podcast machen, verstehen es, jedes Detail aus dem Gegenstand herauszukitzeln. Da wird jedes Hebelchen und Knöpfchen am Cokpit des Flugzeuges erklärt. Da erfährt man alles über die Funktionsweise. Da hört man im Hintergrund, wie es in einem Stahlwerk klingt und ist ganz nah mit dabei. In folge 1 dieses Podcasts wird ein kompletter Segelflug, den der Macher, Markus selbst fliegt, komplett vom Start bis zur Landung mit Motorgeräusch, Wind, Funkverkehr, Wario und seinen Erklärungen, aufgezeichnet. Da ich selbst gerne segelfliege, natürlich nur mit sehendem Piloten, spürte ich mit der Zeit beim hören den Segelflieger in meinem Körper. Ich saß auf meinem Gitarrenstuhl, hatte quasi den Knüppel in Händen. Irgendwann stellte ich mir dann noch zwei Pedale von Gitarren-Effektgeräten vor meine Füße. Dann war das Erlebnis perfekt.

Gerade in technischen Dingen habe ich unheimlich viel von diesem Podcast mir vorzustellen gelernt. Ich kann wirklich inhaltlich mitreden, wenn es jetzt um Windräder geht, weiß anschaulich, wie Segelflugzeuge aufgebaut sind, habe verstanden, dass Stahlblechband schneller aus der Walze kommt, wie es hinein geht, weil es zwischen den Walzen zwar dünner, aber auch länger wird. So könnte ich Beispiel um Beispiel anfügen, was ich durch diesen Podcast lernen durfte. Das ist ganz besonders für uns blinde Menschen so wichtig, dass wir gute Erklärungen bekommen, was in diesem Podcast immer gegeben ist.

Ein von der Machart her ganz anderer Podcast ist der @minkorrekt (Methodisch Inkorrekt).
http://minkorrekt.de/.

Er wird von immer denselben beiden Physikern gehalten. Hier wird in der Regel kein Gast eingeladen.
Dieser Podcast besteht aus mehreren Elementen. Im Kern dieses Podcasts versucht jeder der beiden Macher jeweils zwei wissenschafftliche Paper (Veröffentlichungen) so zu erklären, dass die Menschheit sie versteht. Über Sinn und Unsinn verschiedener Themen und Ergebnisse wird dann auch gesprochen, gescherzt und gelacht. Dieser Kern wird umrahmt von einem physikalischen Experiment der Woche, das man in der Regel im Haushalt nachmachen kann, ein Bier der Woche wird getrunken, dann Nerd-Musik und ein China-Gadget vorgestellt. dann wird viel über den wissenschaftlichen Alltag berichtet. Dieser Podcast ist sehr humoristisch. Die beiden lachen viel und sind unheimlich ansteckend. Und trotzdem lernt und erfährt man hammer viel, ohne, dass man etwas davon merkt.

Hier ist halt die Stärke, dass der eine dem anderen alles erklären muss und dadurch versteht auch die Welt draußen ohne Bild, was gemeint ist. Wie praktisch für uns Blinde.

In einem anderen Podcast, den ich höre @zeitsprung, erzählen sich jede Woche zwei Historiker spannende Geschichten aus der Geschichte.
Hier lerne ich Geschichte, wo die Zusammenhänge und weniger die Jahreszahlen wichtig sind.

„Astrodicticum Simplex“ ist der Podcast des Astronoms, Buchautors und Science Busters, Florian Freistetter. Er erzählt uns wöchentlich eine etwa zehnminütige Geschichte, wie ein Teil des Universums funktioniert.

Und langsam steuern wir auf den Auslöser dieses Artikels über Podcasts zu.

Momentan ist ein aktuelles Highlight, der Shooting Star am astronomischen Podcasthimmel sicher @aufdistanz. @sustickle hat es mit Hilfe eines Croud-Fundings geschafft, den Start von Alexander Gerst am 06.06.2018 life in Baikonur mit zu erleben. Er war mit Kollegen mit einem Reiseveranstalter sechs Tage dort und podcastete jeden Abend über seine Erlebnisse. Er nahm sogar mit einem Mikrofon das Geräusch auf, als die Rakete startete. Das machte extrem Gänsehaut.Hier kommt eine weitere Stärke von Podcasts ins Spiel, die es in diesem Umfang in vorproduzierten Radiosendungen selten gibt. Man hört Emotionen und Zwischentöne und fehlende Worte. Die Rührung mit der hier erzählt wird, wie @Astroalex von einer Frau Abschied nimmt, indem sie ihre Hand von außen an die Scheibe des Busses legt in dem er sitzt und er legt seine raumanzugbehandschuhte Hand von innen dagegen, ist so spürbar, dass man auch etwas Pippi in die Augen bekommt.

Als in der vorletzten Folge des Unterpodcasts von @aufdistanz, @aufdistanzgoesbaikonur, dann die drei Abschied voneinander nehmen müssen, bleiben die Tränen nicht aus. Wenn man sich nach so einem starken Erlebnis voneinander trennen muss, dann überwältigen einem die Gefühle.

Aber das ist es nicht alleine.
Durch diese täglichen Reisepodcasts hat @susticle und seine zwei Mitpodcaster mir als blinden Menschen so viel Astronomie und Weltall geschenkt, dass ich bis heute noch immer keine Worte dafür finde. Ob es der russische Pragmatismus, der Dualismus, dass eine Hightech-Rakete in einem Gebäude mit halb eingestürztem Dach aufbewahrt wird, ob die Aufrichtungder Rakete, der Start und alles andere wird einfach so frei erzählt, als säßen die drei in meinem Wohnzimmer. Mir gefällt dann auch immer, wenn mal etwas im Podcast unklar ist. Es gab Diskusion darüber, wie denn die Rakete mittels eines dicken Stempels genau, aufgerichtet wurde. Alle, auch ich, fragten uns, wo denn diese Vorrichtung denn plötzlich her gekommen sein könnte.

Ich vermutete für mich, dass diese Hebevorrichtung Teil des Zugvagons ist, auf dem die Rakete lag. Die drei kamen, was mich sehr freute, zur gleichen Vermutung. OK, wir wissen es noch immer nicht genau, aber das ist eben auch Podcast. Mitdenken, miträtseln, knobeln und Anteilnehmen.

In all dem, was die hier an Erlebnissen mit uns geteilt haben,  ist so viel drin, das… wie schon gesagt, die Worte fehlen.

Ich höre noch zahlreiche andere Podcasts zu Astronomie, Wissenschaft und Technik, aber auch zu Politik und anderen Sozialthemen. Ich kann hier jetzt nicht alle aufzählen. Mir ist wichtig, dass hier das Potential rüberkommt, das Podcasts insbesondere für Menschen mit „Print Disabillity“, eine Einschränkung im Umgang mit Druckmaterialien, bieten. Ganz absichtlich führe ich hier den Begriff der „Print Disabillity“ ein und schreibe nicht „Blinde“. Indem ich das tue, schließe ich auch noch andere Einschränkungen mit ein, z. B. Dyslexie und viele mehr.

Zum dritten Mal in diesem Artikel schreibe ich jetzt, dass ich aus Podcasts mittlerweile einen großen Anteil meines Astronomie-Wissens schöpfe.

Ich bin so dankbar, dass es Podcasts gibt. Ohne sie hätte ich zu so vielen Dingen keinen richtig guten Zugang.

Und was auch super spannend ist. Ich kenne mittlerweile manche der Podcaster persönlich. Es lohnt sich wirklich, mal zu einem Hörertreffen zu gehen, wenn grad mal der Lieblings-Podcaster in der Gegend ist.

Und das nur am Rande. Ich würde selbst auch gerne einen Podcast führen. Bisher suche ich noch nach einem geeigneten Format, das ich mit meiner eingeschränkten Mobilität selbstständig durchziehen kann. Ich kann nicht zu Gesprächspartnern dauernd in fremde Städte ohne Begleitperson fahren und nur Skype-Podcasten ist für mich keine Option und einen Podcast in welchem ich nur monologisiere, kommt nicht in Frage. Somit ist mein Blog quasi mein Kompromiss zu meinem Podcastwunsch. Nicht minder hängt mein Herz und meine Seele an diesem Blog.

Vielleicht ergibt sich ja mal was.

Ach ja, ganz zum Schluss noch eine kleine Kehrseite von Podcasts.

1) Sie machen süchtig.

2) Sie sind leider auch ein Zeitfresser, aber auch ein Wartehelfer.

3) Über Podcasts kommt man leicht in eine Filterblase. Das geht allerdings ohne auch.

So, das ist mal meine Geschichte, wie wichtig Podcasts für mich in meinem Leben geworden sind.

Es Grüßt Sie und euch bis zum nächsten Mal

Ihr Gerhard Jaworek.

Astrosport


Liebe Leserinnen und Leser,

Immer und immer wieder postuliere ich, dass ich die Astronomie für eine der inklusivsten Disziplinen und Hobbys halte, weil es so viel Zugänge zu ihr gibt.
Mit „Das Ohr am Teleskop“ zeigte ich einen akustischen Teilaspekt.

Heute möchte ich ein Erlebnis mit euch teilen, das ich gestern im Rahmen einer Sportveranstaltung machen durfte.

In diesem Semester läuft für Studierende des Faches Sport ein Seminar „Kleine Spiele“. Hierfür müssen die Teilnehmenden entweder alleine oder zu zweit eine inklusive Sportstunde zu verschiedenen Themen ausarbeiten, durchführen und evaluieren.
Diese Stunden laufen unter dem Motto „Inklusiv mobil, bei Studium Sport und spiel“.
Gestern hielt ein Student eine Stunde über das Thema „Soziale Kompetenz verbessern, Teamwork“ ab.
Der hatte so eine unglaublich faszinierende Idee. Er hängte seine Stunde an der Geschichte auf, dass wir auf dem Mars hawariert wären. Es galt nun, eine Marslandschaft zu überqueren, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die nur gemeinsam lösbar waren.
Erschwert wurde das ganze noch dadurch, dass jeder unterschiedlich verletzt war. OK, ich bin sowieso blind. Anderen wurden die Ohren verstopft, dass sie quasi taub waren, wieder andere wurden so getapet, dass sie Arme, Beine oder beides nicht nutzen konnten.
Es gab auch stumme Astronauten.
Wir hatten auch eine echte Rollstuhlfahrerin dabei.

Mit all diesen Randbedingungen mussten wir nun als Team oder in kleineren Grüppchen zurecht kommen, die Marslandschaft durchqueren, Bodenproben nehmen und unser Mutterschiff wieder finden.
Die Landschaft bestand aus einem Parcours aus Sportgeräten und Stationen, der überwunden werden musste. Da bis auf zwei Teilnehmende alle entweder reell oder für das Spiel eine Behinderung hatten, ergaben sich ganz interessante Kommunikations-Probleme.

Da stand ich beispielsweise vor einer über zwei Böcke gelegten Weichbodenmatte. Ich fragte, was ich hier machen soll. Das Problem war, dass mein Partner nicht sprechen konnte. Er versuchte mich dann zu Boden zu drücken, um mir zu zeigen, dass es sich hier um einen  Tunnel handelt, durch den man kriechen soll.

Jemand, dessen Füße und Hände beeinträchtigt waren, musste man z. B. hinter sich her ziehen.

Da wollten mich Sehende manchmal mit den Worten „Da“ und „dort“, natürlich von Handgesten begleitet, irgendwo hin dirigieren. Das geht natürlich nicht. „Da ist ein Platz frei.“ bekomme ich oft in der Bahn zu hören. Auf die Frage „Wo denn?“ heißt es oft „Ja, dort“, oder  „ne, da nicht“, oder „da drüben“.
Dann kommt natürlich auch immer das Links-Rechts-Problem mit der Perspektive, oder einfach nur dem anderen Links ins Spiel.

Eine für mich auch sehr spannende Aufgabe war, ein Notsignal zu senden. Das lief so ab, dass jemand sehendes einen Zettel mit einem Wort erhielt. jetzt musste man das Wort so durch die Gruppe reichen, dass es von allen Teilnehmenden mit künstlicher oder echter sensorischer Behinderung aufgenommen und weitergegeben werden konnte.
Wir einigten uns darauf, es mit Schreiben auf den Rücken des Vordermannes zu versuchen.
klingt einfacher, als es ist. Die Schrift der Sehenden ist nicht die meine. Es ist nicht selbstverständlich, das vor allem geburtsblinde Menschen wie ich, die Druckschrift oder gar die Schreibschrift kennen. Da ich, obwohl ich medizinisch immer als blind galt, früher noch einen kleinen Sehrest hatte, kenne ich zumindest die Druckbuchstaben. Ich las früher sehr langsam mittels eines Kamera-Fernsehlesegerätes. Fernseh stimmt exakt, denn die alten Dinger wurden tatsächlich aus Fernsehern hergestellt. Meines hatte sogar noch sein Lautsprechergitter.
Trotzdem schlug ich intuitiv vor, dass man doch die Buchstaben den Zahlen zuordnen soll, die deren Position im Alphabet entsprechen.
A=1, E=5, R=18, etc.
Ich schlug eine einfache Klopfsprache vor. Wie gesagt, einigten wir uns schließlich auf große Druckbuchstaben. Als dann die Auflösung kam, merkte ich, dass ich das Wort meines Vorgängers das er  auf meinen Rücken schrieb, richtig aufgenommen hatte und es offensichtlich auch so malen konnte, dass mein Nachfolger es verstand. Handschrift ist nun wirklich nicht meins. Meine Unterschrift sieht immer anders aus und nie gleich. Mich nervt immer extrem, wenn ich wo unterschreiben soll. Da muss man sich auf dem Blatt von jemandem unbekannten so führen lassen, dass der Stift an der richtigen Stelle beginnt. Manche dirigieren einem auch verbal über das Blatt. Einfach nervig, egal wie.
Aber, dass ich leserlich Druckschrift schreiben kann, hätte ich nicht gedacht.

Auch der Rollstuhl musste samt Fahrerin über manche Hindernisse getragen werden, oder die Rollstuhlfahrerin musste ihn verlassen, um krabbelnd unter einer Barriere hindurch zu kommen.

Mir machte die Ballanzierübung die meiste Mühe, weil ich als geburtsblinder Mensch das Gleichgewicht nicht so gut halten kann, als jemand, der sieht. Das können Sie leicht nachvollziehen. Versuchen Sie mal mit geschlossenen Augen auf ein Bein zu stehen. Das geht deutlich schwerer, als mit geöffneten Augen.

Bei einer Übung mussten wir immer enger zusammenrücken, weil die aus Matten bestehende Scholle, auf welcher wir offenbar Schutz gesucht hatten, Stück für Stück zusammenbrach, so dass immer weniger Platz für alle übrig blieb. Bei der Übung mit der brechenden Scholle fiel mir der Roman von Jules Vernes „Im Land der Pelze“ ein. Darin befindet sich eine Gruppe zum Zeitpunkt einer totalen Sonnenfinsternis auf dem arktischen Eis. Diese Finsternis sollte eigentlich total sein, wurde aber nur partiell wahrgenommen, weil die Eisscholle sich unbemerkt ihrer Bewohner vom Festland gelöst hatte und aus dem Streifen der Totalität in die südliche Beringsee getrieben war. Der Rest des Romans handelt dann davon, wie die Gruppe sich aus dieser Katastrophe zu befreien versucht.

Zum Schluss mussten wir dann noch Bodenproben transportieren, ohne unsere Hände zu benutzen, die sie verunreinigt hätten.

Ach ja, wer zu lange für eine Übung brauchte, wenn sich beispielsweise die Gruppe nicht organisieren konnte, dann gab es natürlich ein Sauerstoffproblem.

Hier nun zum Schluss noch einige zusammengefasste Punkte, die beim Feedback heraus kamen.
* Die Stunde hat das Ziel, miteinander umzugehen und sozial zu kommunizieren, voll erreicht.

* Der Umgang miteinander wurde als ein sich stetig entwickelnder Prozess wahrgenommen.

* Am Anfang war jeder mit sich, seinem körper und vor allem der künstlichen Einschränkung beschäftigt, dass manche sich zunächst noch nicht so sehr um andere kümmern konnten. Das verbesserte sich zunehmend im Spielverlauf.

* Diese Mars-Geschichte regte auch während der Übungen unheimlich die Phantasie an. Zumindest ich, stellte mir immer irgend etwas vor, ein Krater, eine Eisscholle, einen Sandsturm etc.

* Natürlich mussten meine Partner ertragen, dass ich ihnen dann und wann etwas über den Mars erzählte. Das war dann noch zusätzliche gehaltvolle Kommunikation.

* eine Sportstunde, die die Inklusion dermaßen erfahrbar macht, habe ich noch nie erlebt.

* Ich nehme die Idee unbedingt mit, wenn ich mit Kindern Astronomie-Workshops durchführe.

Wenn meine Sternenkinder Modelle betasten und Helium atmen, dann wieso nicht auch den Olympus Mons besteigen. Dieser Berg ist mit seinen ungefähr 27 km höhe, der höchste Berg des gesamten Sonnensystems.

Vielen Dank an den Macher dieser Stunde. Das war so großartig, dass es absolut wert ist, auf meinem Blog verewigt zu werden.

Das war jetzt mal Astronomie ganz anders. Ich hoffe, dass ich den Eindruck etwas transportieren konnte, den diese außergewöhnliche Sportstunde bei mir hinterließ.

Bis zum nächsten Mal grüßt Sie und euch

euer Gerhard.

 

Mein astronomischer Jubiläums-Monat Mai


Liebe Leserinnen und leser,

Heute auf den Tag genau, am 18.05.2013, erhielt ich mein erstes astronomisches 3D-Modell. Es war unser Mond.

Außerdem feiere ich in diesem Monat mein fünfjähriges Jubiläum meiner Mitgliedschaft bei der Deutschen Astronomischen Gesellschaft.

Nicht zuletzt fielen Mitte May vor fünf Jahren die Würfel. Ich entschloss mich, mein Buch zu schreiben.

Lasst mich mit euch Jubiläum feiern.

Hierfür möchte ich euch mal einen kleinen historischen Abriss über diese Entwicklungen geben. Es findet sich auch einer in meinem buch, aber das ist mittlerweile drei Jahre alt und die Sachen haben sich weiter entwickelt.

Also los:

In meiner Schulzeit gab es fast keine Modelle zu Astronomie. Ein taktiler Globus, ein Kurbelmodell für die Jahreszeiten und vielleicht noch eine schematische Darstellung des Sonnensystems in 2D, waren das einzige, woran ich mich erinnern kann. Da ich mich schon immer für Modelle und Karten aller Art interessierte, kann man wohl davon ausgehen, dass ich nichts vergessen habe.

Somit startete ich meine Freizeiten etc. quasi mit leeren Händen, was Modelle betraf.

Einzig eine Spezialfolie, auf welche man taktil malen kann, und eine Magnettafel zur Veranschaulichung von Planetenkonstellationen  oder Sternbildern, standen mir taktil zur Verfügung. Da das ausführlich in meinem Buch steht, wie wir damals noch improvisierten, springe ich jetzt mehr als fünfzehn Jahre vorwärts, direkt hin zu den 3D-Modellen.

Wir befinden uns nun im Jahr 2013.

Anfang dieses Jahres 2013 hörte ich entweder in einer Radiosendung, oder in einer Hörausgabe der Spektrum der Wissenschaft von der Deutschen Astronomischen Gesellschaft. 
Zur DAG

Ich interessierte mich sofort dafür, weil eines der Hauptanliegen der AG es ist, die Astronomie mehr in Schule und Bildung einzubringen. Da dachte ich mir, das will und tue ich ja auch schon seit zwanzig Jahren. Könnte ich mich dort nicht einfach mal um eine Mitgliedschaft bewerben?

Ich hatte ja keine Ahnung, wie dieser Prozess abläuft. Und so schrieb ich einfach eine Initiativ-Bewerbung, in welcher ich meine Arbeit vorstellte und meinen Mitgliedswunsch äußerte. Nun ist das gar nicht so einfach, Mitglied zu werden, wenn man dort niemanden kennt. Man braucht nämlich zwei Mitglieder, die für einen quasi bürgen, also davon überzeugt sind, dass der Anwärter nützlich für die Arbeit der AG sein könnte.

Somit wurde mein Antrag in die nächste Vorstandsitzung eingebracht. Meine Bewerbung stieß auf so großes Interesse, dass sich sofort spontan zwei Professoren fanden, die für mich bürgen wollten. Somit wurde ich das erste, und meines Wissens bis heute das einzige blinde Mitglied der Deutschen Astronomischen gesellschaft.

Der Zeitpunkt, dort Mitglied zu werden, hätte gar nicht günstiger sein können.

Ich war keine Woche Mitglied, als ich über die AG eine Anfrage rein bekam. Ein Techniklabor aus Alikante in Spanien, http://observatori.uv.es/, wollte mit einer Universität in Lateinamerika, Astronomie für blinde Menschen zugänglich machen. Sie hatten aber niemanden, der sich damit auskannte, und somit wendeten sich die Astronomen an die AG. Wie gesagt, war meine Mitgliedsbescheinigung noch druckwarm, und schon hatte ich eine Aufgabe.

Die Spanier erstellten 3D-Modelle von Erde, Mond, Mars und mittlerweile auch Venus und Merkur. Die Bilder, die nachher zu sehen sind, entsprechen nicht mehr den ersten Modellen. Sie sind überarbeitet und verbessert.

Das Kuriosum war leider, sie hatten keinen 3D-Printer, um die Modelle auszudrucken und mit blinden Menschen zu testen.

Sie suchten gerade Sponsoren dafür.

Bei mir war es umgekehrt. Ich habe Zugriff auf 3D-Drucker, hatte aber keine astronomischen 3D-Dateien, die ich hätte drucken können, und schon gar keine, die speziell taktil aufbereitet gewesen wären.

Zum glück arbeite ich am Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT), http://szs.kit.edu.

Wir haben taktile Drucker zur erstellung tastbarer farbiger  Studienmaterialien, und wir haben 3D-Drucker im Einsatz, um Modelle für technische Fächer zu erstellen.

Das ist es aber noch nicht alleine.

Ich habe Vorgesetzte, die meine Arbeit zur Astronomie unterstützen und mit tragen. Somit bekomme ich dann und wann auch mal Druckzeit im Labor, wobei die Studierenden und deren Druckaufträge natürlich immer vorgezogen werden, und die anderen Arbeiten am Institut, die ich zu erledigen habe, gehen immer vor.

Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, an einem anderen Ort zu arbeiten.

Also starteten wir unsere Kooperation.

Ich schickte ihnen mit der Schneckenpost einige Exemplare meiner taktilen Astromappen

und sie schickten mir über den schnelleren Mail-Weg aufbereitete Dateien von Mars, Mond und einer nördlichen Himmelsphäre mit den wichtigsten Sternbildern.

Ich sollte die Dateien drucken und Verbesserungsvorschläge einbringen.

Und an dieser Stelle geht es auch nur mit einem guten Team weiter. Ein 3D-Modell lässt man nicht einfach so aus dem Drucker, wie ein Blatt Papier.

Oft müssen die Modelle noch für den Drucker mit Spezialsoftware eingerichtet werden. Viele Parameter bestimmen die Qualität und den Erfolg des Druckes.

Das geht also nur dann, wenn man Leute hat, die das zum einen können und beherrschen, und die sich die Zeit für mich und mein Hobby neben ihrer Arbeit nehmen. Ohne meine Teamkollegen aus dem Drucklabor ginge das hier alles nicht.

Außerdem dauert so ein Planet ungefähr vierzig Druckstunden.

Als erstes druckte mein Kollege also die beiden Mondhälften, und klebte sie zur Mondkugel zusammen.

IMG_0133
3D-Modell Mond

Besonders ist an diesem Mond, dass er überzeichnet ist. Das bedeutet, dass die Berge und Krater überhöht dargestellt sind. Man kann sagen, der taktile Kontrast wurde künstlich angehoben.

Täte man das nicht, würde man auf diese Größe nichts ertasten können. Die Modelle sind alle mit einem Durchmesser von 15 cm gedruckt. Diesem Kompromiss ist geschuldet, dass ich mit den Modellen im Koffer oft mit der Bahn mobil unterwegs bin, weil ich keine Fahrer habe.

Eine Mondscheibe von 30 cm Durchmesser, wie Sehende sie im Teleskop sehen, fühlt sich fast glatt an, würde man sie unbearbeitet drucken. Selbst die Wölbung wäre kaum zu tasten.

Auch meine taktile Mondkarte ist überzeichnet, damit alles auch für sehende Betrachter plastischer wird.

mondkarte hochkant mit Rakete
Reliefkarte Mond

Zum Vergleich besitze ich seit neuestem einen weiteren taktilen Mond, der auch aus dem 3D-Drucker kommt. Hierbei handelt es sich um eine Mondlampe, ein Highlight für die Kinder in meinem Workshops, weil er leuchtet und Farbe und Helligkeit wechseln kann. Bei diesem Mond sind die Strukturen deutlich schwächer, weil er als Lampe und nicht als Modell für blinde Menschen, konzipiert ist.

Eine weitere Besonderheit dieser Modelle ist, dass die Pole gut fühlbar dargestellt sind. Es gibt ein klares Symbol für Nordpole und eines für Südpole, so dass die Ausrichtung der Planeten immer klar ist.

Außerdem ist beim Mond eine Art Äquator dargestellt, die die uns zugewandte Seite von der sog. „Dark Side“, trennt.

Man muss somit zur Veranschaulichung den Mond so hinstellen, dass der umlaufende Äquator aufrecht steht.

Dunkel ist diese Seite durchaus nicht. Wenn wir Neumond haben, ist sie in der prallen Sonne…

Bei den anderen Planeten ist immer der Nullmeridian eingezeichnet und die Äquatoren ergeben sich durch die Nähte der geklebten Halbkugeln.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie erhebend dieses Gefühl war, als ich den Mond zum ersten Mal in die Hand nahm. Ich war gerührt und hatte etwas Pippi in den Augen, glaube ich.

IMG_0133
3D-Modell Mond

Der Unterschied des Mars zur Erde verblüffte mich. Was natürlich sofort auffällt ist, dass er keine Plattentektonik besitzt, wie unser Globus.

Man fühlt etwas die verkraterte Landschaft. Der Olymp Monts ist sofort erkennbar. Auch der Gale-Krater, in welchem sich der Rover Curiosity tummelt, ist unverwechselbar zu ertasten.

kleinere Details, wie Flussbette etc. lassen sich bei dieser Größe und Auflösung nicht darstellen.

Natürlich weiß ich, dass der Mars z. B. keine Kontinente hat, aber selbst ertasten, erfahren und erleben, ist dann doch immer noch etwas ganz anderes. Wissen ist das eine, aber das haptisch- körperliche Erlebnis, das andere.

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3D-Modell Mars

Bei unserem Globus-Modell, mussten wir das Wasser der Meere quasi etwas ablassen. Ansonsten wäre der Unterschied zwischen Wasserfläche und Land, nicht tastbar gewesen.

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3D-Modell Erde

Ich finde, dass Merkur und Venus sich haptisch sehr ähnlich anfühlen. Da muss man sich ein gutes markantes Gebirge oder einen Krater finden, damit man sie unterscheiden kann. Man fühlt auf jeden Fall, dass den beiden beim großen Bombardement übel mitgespielt wurde, ähnlich unser Mond.

Natürlich ist hier der Steinplanet der Venus ohne ihre dicke Wolkenschicht gedruckt.

Aktuell machen wir uns darüber Gedanken, wie man Gasplaneten, die Sonne und vielleicht sogar die Ringe des Saturns, drucken könnte.

Ganz erstaunlich fand ich den Ausdruck des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, zu welchem die Mission Rosetta führte, die dann den Lander Philae auf dem Kometen landete.  Er sieht wirklich aus, wie eine Badeente oder ein Elefantenschuh.

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3D-Modell Juri

Ein weiteres Jubiläum ist, dass ich mich in Alikante, wo ich auch im May 2013 in Urlaub war, entschloss, mein Buch zu schreiben, dessen Veröffentlichung dann noch zwei Jahre dauern sollte. Das war ein riesiges Projekt.

So, ich denke, jetzt habe ich meinen Jubiläums-May 2018 würdig mit euch gefeiert.

Es Grüßt euch bis zum nächsten Mal

Euer Gerhard.

Astronomie für benachteiligte Kinder


Liebe Leserinnen und Leser,

 

immer und immer wieder darf ich erleben, wie inklusiv und wunderbar Astronomie vor allem Kinder und Jugendliche abholt, die nicht gerade begünstigt vom Leben sind.

Das möchte ich nun einfach mal ganz demutsvoll und bescheiden mit euch teilen.

Es geht mir hier ganz bestimmt nicht darum, zu zeigen, was ich für ein toller Hecht bin. Einzig und alleine die Kinder stehen im Vordergrund und wie ich sie mit der Astronomie erreiche.

Hier zwei anrührende Beispiele dafür:

1. Sternstunde an der Nikolauspflege Stuttgart

Die Nikolauspflege ist eine Bildungseinrichtung für Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung.
Zur Nikolauspflege

Von der Grundschule bis hin zu einer beruflichen Ausbildung ist hier alles geboten. Ein großer Teil ist die berufliche Vorbereitung. eine derartige Maßnahme muss häufig einer Ausbildung vorgelagert werden, weil noch Probleme zu kompensieren sind, der Einstieg in einen Beruf zu schwierig wäre, oder sonst einfach noch Defizite in Entwicklungsprozessen vorliegen.

Für so eine Klasse durfte ich diesmal nun schon zum zweiten Mal einen Astronomie-Nachmittag mit meiner Arbeitsplatzassistentin gestalten.

Hier kommt nun zuerst die Einladung, an die Schülerinnen und Schüler und anschließend ein Text, der Beschreibt, wie der Workshop war.

…..

Liebe Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Lehrende,
Heute darf ich Sie ganz herzlich zu einer Besonderheit einladen.
am … von … bis … in Raum …
werden wir den vollblinden Hobbyastronomen Gerhard Jaworek zu Gast haben. Er war selbst Schüler von 1986 – 1989 an der Wirtschaftsschule der Niko, ist dann nach Marburg gegangen und arbeitet jetzt nach Abitur und Informatikstudium seit 20 Jahren an der Universität in Karlsruhe. Astronomie ist seit Jahrzehnten seine Leidenschaft. Er bietet dazu Seminare, Workshops und Freizeiten an. Über diese Arbeit hat er das Buch „Blind zu den Sternen – Mein Weg als Astronom“ geschrieben, das man auch in den Blindenhörbüchereien als Hörbuch ausleihen kann.
Er sagt:
Was? Wie? blinder Astronom?“ Wie soll denn das gehen, wenn man keine Sterne sehen kann?
Darum, und um alles, was mit Weltall zu tun hat, wird sich mein Workshop drehen.
Wusstest Du, dass die Sonne klingt?
Hast Du schon einmal ein Nordlicht gehört?
Wie klingt es, wenn zwei Schwarze Löcher verschmelzen?
Hast Du schon einmal Modelle von Mond, Mars oder Kometen in deinen Händen gehalten?
Wenn nicht, und wenn Dich so was interessiert, dann bist Du genau richtig bei mir.
Hier kannst Du das alles und mehr über das Weltall erfahren. Und was natürlich den Workshop noch besser macht: Bringe Deine eigenen Fragen mit. Es gibt keine dummen Fragen, und wenn sie sich um das Universum, Planeten, Sterne, Weltraum und Raumfahrt drehen, schon gar nicht.

Also, ich freue mich auf Dich und bin gespannt auf Deine Fragen.
Es ist schön für mich, mal wieder an meine alte Schule zurück zu kommen.

Bis dahin grüßt euch

Gerhard Jaworek.

Auf jeden Fall hatte ich an der Nikolauspflege kurz vor Ostern einen ganz wunderbaren Astronachmittag. Es waren Menschen, die sich gerade in einer einjährigen Maßnahme zur Berufsvorbereitung befinden. Also Personen, die momentan einfach nicht ganz auf der Sonnenseite des Lebens stehen, und etwas Unterstützung und noch Zeit benötigen, ins Leben, in die Welt und zu sich selbst zu finden.

Die Lehrerin hatte im Unterricht mit der Klasse Fragen vorbereitet. Jeder durfte seine Fragen stellen, und wurde von allen ermutigt, es doch zu tun, wenn mal der Mut etwas knapp wurde. So brauchte ich mein Notprogramm überhaupt nicht anfahren. Von den Fragen geleitet, ließ ich mich treiben, ohne natürlich die Struktur zu verlieren. Ein Notprogramm muss man immer dabei haben, denn ich kenne die Gruppe nicht. Es könnte ja vielleicht doch mal sein, dass die Teilnehmenden nicht so aktiv mitarbeiten. Das ist mir aber, Gott lob, bei Kindern und Jugendlichen noch nie passiert.

Immer wieder bin ich verblüfft, was für ein Wissen über Astronomie Kinder und Jugendliche besitzen.

Ich war sehr froh, dass auch Fragen kamen, wo ich einfach sagen musste, dass wir die Antwort darauf momentan nicht wissen.

Die erste Frage war gleich so eine: „Was war vor dem Urknall?

Es wurde viel zu Sonne, Mond und Mars gefragt. Klar, denn da will ja scheinbar jeder hin. Aber auch die Schwarzen Löcher wurden über die Medien aufgeschnappt. Jupiter und Saturn waren auch sehr präsent, wegen der Sonden Juno und der vergangenen Cassini-Mission. Der Start der Falcon Heavy war auch Thema.

Ein Flüchtling aus Afrika stellte Fragen, die ganz deutlich zeigten, dass in seiner freikirchlich christlichen Religion die Welt eine Scheibe war etc. Das hat mich fasziniert und erschüttert zugleich. Zu den Antworten ließ ich passend meine 3D-Modelle, meine Grafiken und andere Dinge herum gehen. Außerdem hörten wir uns sehr viele Weltraumsounds (Sonnenwind, Nordlichter, Mondlandung an. Vielen Dank an dieser Stelle an meine Assistentin. Dass sie die Modelle austeilte und wieder einsammelte, war mir eine unverzichtbare Hilfe. Somit konnte ich mich ganz auf die Inhalte konzentrieren und musste nicht unterbrechen.

Ich hatte diesmal deutlich verbesserte

3D-Modelle von den Planeten dabei. Ich habe mal bei meiner Scheffin gejammert und gaaaanz viel Druckzeit im Labor bekommen. Ein Planet dauert so ungefähr 40 Stunden.
Außerdem überarbeitete ich meine taktilen Mappen. Dann hatte ich eine Mondlampe dabei. Das ist ein taktiler Mond mit mehrfarbiger interner Beleuchtung. Kommt aus so einem Esoterik-Laden. Wirkt aber super und hat den Jugendlichen viel Spaß bereitet. Schade, dass ich meine Saturn-V-Legorakete nicht mitnehmen konnte. Die ist für eine Reise mit dem Zug leider zu groß und zu zerbrechlich.

Alle waren super interessiert und nahmen gleichberechtigt am Workshop teil.
Tja, was soll ich sagen. Es hat sich halt mal wieder bewahrheitet. Astronomie funktioniert halt einfach super gut bei Brennpunkt-Schülern etc., weil sie alle gleichermaßen abholt. Sie entrückt alle in ein- und dieselbe Astrowelt, wo Benachteiligungen und Einschränkungen, welcher Art auch immer, einfach mal Pause haben.

2. Workshop an der Schule für Menschen mit Sehbehinderung in Mannheim

Die Schule für Menschen mit Sehbehinderung ist eine Grund-, Haupt- und Realschule für Menschen mit Restsehvermögen.

Zur Schule

Ein wesentlicher Vorteil an dieser Schulform ist, dass die Klassen kleiner sind. Es ist kein Geheimnis, dass es durchaus Schüler an diesen Schulen gibt, die nicht wegen einer Sehbeeinträchtigung dort unterrichtet werden. Diese Schulart eignet sich eben auch, z. B. für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, wie ADHS, für Kinder mit Migrationshintergrund, oder sonstiger Benachteiligungen. Somit ist es klar, dass man hier auf Kinder trifft, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Hier ist mein Konzept für den Nachmittag, das ich der Direktorin dieser Schule schickte, die mir den Workshop ermöglichte, und dann folgt ein Fazit-Text, der nach dem Workshop entstand.

….

Der Nachmittag soll unter dem Motto „Schall im All“ stehen. Wir werden so tun, als könnten wir uns ungestört auf allen Körpern unseres Sonnensystems bewegen. Wir spüren nach, wie es sich auf den Objekten unseres Sonnensystems anhören würde, wenn wir dort stünden.

Dass es wegen Hitze, Kälte, mangelnder Luft etc. natürlich nicht geht, wird vernachlässigt, aber selbstverständlich erwähnt.
Auf der Sonne beispielsweise wäre sehr viel Lärm, weil es auf ihr kocht und brodelt, wie in einem Kochtopf voll Wasser.
Unterhielten wir uns auf einem der Gasplaneten, z. B. dem Jupiter, würden wir uns anhören, wie ein Zwerg oder die Mikimaus, weil unsere Stimmen in Helium und Wasserstoff höher klingen, als in unserer Atmosphäre aus Stickstoff und Sauerstoff.

Ich blies auch eine Flöte mit Helium an. Unglaublich, wieviel höher der Ton damit wird. Bei einer C-Flöte kann der Ton, wenn es gut läuft, bei gegriffenem tiefem C bis zum darüberliegenden F verschoben werden.

Danke an #minkorrekt, die diesen Flöten-Versuch vor einigen Folgen als Experiment der Woche in ihrem Podcast hatten.

Auf der Venus mit ihrer unendlich dicken Kohlendioxyd-Atmosphäre, klingt dagegen alles deutlich tiefer, fast schon verblubbert.

Ich werde natürlich etwas zu den Himmelskörpern und deren Geräuschen erklären. Ziel ist es aber auch, dass die Kinder sich am Workshop beteiligen. Sie dürfen mit ihrer eigenen Stimme in ein Mikrofon sprechen, um die gewünschten Klänge in ihrer Sprechweise wahrzunehmen.
Vielleicht bringe ich sogar Helium und Luftballons mit.

Natürlich geben wir auch wieder Modelle herum.
Zeit für Fragen soll auch sein, denn das Astronomie-Wissen mancher Kinder übertrifft dasjenige mancher Erwachsenen, zumindest aus Sicht der Kinderwelt, um Längen.

Also ich denke, das sollten abwechslungsreiche 90 Minuten werden.

am 19.04.2018 war ich zum zweiten Mal an der Schule für Sehbehinderte in Mannheim, wo ich einen Astro-Workshop halten durfte.

Das war wieder ganz großes Kino. Die Lehrerin warnte mich. Sie meinte, dass der Workshop diesmal sehr schwierig werden könnte, weil die eine Hälfte der Kinder extrem unruhig sei, und die andere Hälfte der Null-Bock-Generation angehöre. Ich dachte mir, warten Sie mal ab. Sie mögen vielleicht in ihrem Unterricht diese Probleme haben, aber ich…
Zum Glück behielt ich Recht. Die Kinder waren alle super aufmerksam, hatten Fragen etc. Naja, ich holte sie halt ab, bezog sie ein, stellte Fragen und lies sie frei denken.

Wir hörten uns mit einer Handy-App an, wie es auf der Venus und dem Jupiter klingen könnte. Für die Erde spielte ich Geräusche vor, die man den Voyager-Sonden mitgegeben hat. Beim Mond gab es natürlich etwas Funkverkehr von Apollo 13. Vom Bowshock der Juno-Sonde gibt es auch Radioaufnahmen. und von Cassini-Huygens gibt es beispielsweise den Abstieg von Huygens durch die Dicke Atmosphäre auf den Mond Titan.

Auch hier zeigte sich wieder ein unglaubliches Interesse und Wissen der Kinder. Wir haben beispielsweise durch meine Fragen alle Planeten und einige Monde des Sonnensystems zusammen tragen können.

Das astronomische Rätsel von Friedrich Schiller „Auf einer großen weide gehen, viel tausend Schafe, silberweiß…“ konnten die viertklässler fast ohne Hilfe entwirren. Sie fanden, dass der Mond das Silberhorn sein muss, dass die goldnen Tore Sonnenauf- und Untergang sein müssen, dass die große Wiese der Himmel ist, und die silberweißen Schafe natürlich die Sterne. Das komplette Rätselgedicht findet ihr auf meinem Blog,
Schillers Rätsel
https://blindnerd.wordpress.com.

Die Kinder erkannten die Gefahr des Weltraumwetters und fanden heraus, dass ihre Handys, Navis und Fernseher vielleicht nicht mehr funktionieren, wenn ein Sonnenausbruch einen Satelliten trifft. Der größte Schrecken dürfte der Gedanke gewesen sein, es könnte ja dann auch mal kein Internet geben.

Nach der Veranstaltung  meinte die Direktorin, dass sie die Kinder noch nie so aufmerksam erlebt hätte. Was soll ich sagen. Wenn die Kinder im Workshop zeigten, dass sie das grundsätzlich können, dann liegt es entweder am Schulfach, oder am …, wenn es im Unterricht nicht rund läuft. OK, das muss man fairerweise schon sagen, dass es deutlich einfacher ist, Kinder für Astronomie, anstatt für Englischvokabeln zu begeistern.
Wie auch immer. Nach mittlerweile über einhundert Freizeiten, Seminaren, Workshops und Lesungen für unterschiedlichstes Publikum, stürzt mir in der Astronomie nichts mehr ab.

Ich bin am 24.08. mit einem Astro-Workshop bei der CDU in Bad-Schönborn eingeladen. Die JU führt dort ein Ferienprogramm für Kinder, die nicht in Urlaub fahren können, durch. Die haben mich gebeten, einen Astronachmittag für Kinder anzubieten. Da freue ich mich sehr darauf. Die kamen auf mich, durch die Caritass, wo ich im letzten November einen Vortrag zu „Inklusion am Himmel“ hielt.

Irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, einen Workshop für eine Partei anzubieten. Man fühlt sich leicht instrumentalisiert und vor einen politischen Karren gespannt. In diesem Fall ist das aber ganz bestimmt nicht so. Hier stehen wirklich die Kinder im Vordergrund und keine politischen Ziele… Also das könnt ihr mir glauben. Für die AFD, hätte ich das niemals zugesagt.

Fazit:

Es ist ein rührendes und unglaublich gutes Gefühl, wenn man nach so einem Workshop wieder nach hause geht. Ich habe dann immer das beglückende Gefühl, etwas wirklich sinnvolles getan zu haben. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es mir nach so etwas so unheimlich gut geht. Das trägt mich dann immer über viele Tage und Wochen durch meinen eigenen Alltag, wenn ich beispielsweise auch mit meiner Einschränkung zu kämpfen habe. Die eigenen Probleme relativieren sich vor dem Hintergrund, was manche, dieser Kinder so durchmachen müssen.

Jetzt hoffe ich, dass ich mich hier nicht zu sehr selbstbeweihräuchert habe. Darum geht es mir überhaupt nicht. Ich denke, dass vor allem diejenigen unter euch, die auch Astronomie mit Kindern und Jugendlichen treiben spüren und verstehen, was ich hier sagen will und meine.

Keine Astronomie an Schulen zu treiben, ist eine vertane Chance für so viele Dinge. Das Beispiel mit den Sateliten und dem Sonnenwind führt über die Handys in den Alltag der Kinder hinein. Von den unwirklichen Lebensbedingungen auf der Venus ist man ganz schnell bei den Begriffen Treibhauseffekt und Klimawandel. Astronomie kann ganzheitliches Denken fördern und schulen. Mehr über diese These ist in meinem Buch zu lesen.

Jetzt wünsche ich euch eine gute Zeit und verbleibe mit den besten Astronomiegrüßen

Bis zum nächsten Mal

Euer Gerhard.

Passend zum Frühling: „Zehn Gründe, sich mit Vogelstimmen zu beschäftigen“


Meine lieben,

Wieso es sich als blinder Mensch lohnt, Astronomie zu treiben, habe ich vor vielen Jahren mal in Zehn Gründe verpackt. Und nun habe ich noch ein zweites Hobby, das in manchen sehenden Menschen ähnliche Fragen hervorruft. Die zehn Gründe wieso sich dieses Hobby so sehr für Menschen mit Blindheit eignet, gibt es heute, jetzt und hier.

Immer wieder bekomme ich von sehenden Menschen die Frage gestellt,
weshalb ich mich mit den Vögeln so gerne beschäftige, wo ich sie doch gar nicht sehen kann.
Hier sind die Gründe dafür.

  1. Vogelstimmen sind so offensichtliche Geräusche, dass man einfach nicht daran vorbei hören kann.
  2. Da Menschen mit Blindheit „Hörmenschen“ sind, ist es sehr naheliegend, sich auch mit den Klängen und Sounds der Vögel zu beschäftigen, die allgegenwärtig sind.
    Überhaupt klingen auch Insekten sehr verschieden. Und Frösche und Kröten sind in diesem Zusammenhang auch sehr spannend und aufregend. Ich besitze sogar ein Gerät, das die Ultraschall-Sounds der Fledermäuse herunteroktaviert. Auch deren Stimmen sind je nach Art sehr unterschiedlich und ähnlich vielfältig, wie die Stimmen der Vögel.
  3. Vogelstimmen ergänzen jeden Spaziergang.
    Sie lenken auch von unschönen Dingen ab. Ich erinnere mich, als ich mal mit einer guten Bekannten Kleidung einkaufen war. Wir kamen plötzlich in einen starken Wolkenbruch hinein und wurden Bis auf die Knochen und Zigaretten nass. Sie konnte sich überhaupt nicht beruhigen und ihr Unmut wurde immer schlimmer. Da hörte ich plötzlich in all diesem Chaos und Getöse eine einzelne Amsel so laut, klar und wunderbar flöten, als ginge sie der ganze Regen und Sturm nichts an. Das traf mich wie ein Blitz. Ich erkannte, dass diese Amsel im Moment nur für uns gesungen hat. Schlagartig geriet meine Stimmung auf einen absoluten Höhepunkt. Leider war meine Begleitperson in diesem Moment nicht dafür offen, und konnte daher nicht von ihrem Groll und Gram lassen. Sie tat mir in diesem Moment sehr Leid, denn ich hätte ihr das so sehr gewünscht, durch diese Amsel Friden mit der Situation zu schließen.
  4. Vogelstimmen haben etwas mit Musik zu tun, was viele Menschen ansprechen dürfte.
    • Wir singen, wie Nachtigallen oder Lärchen.
    • Nichts lehrt uns die Terz besser, als der Ruf des Kuckucks.
    • Eine Amsel steht in der Vielfalt ihres Gesanges einer Nachtigall in nichts nach.
    • Kohlmeisen drehen manchmal ihr Lied einfach um, oder singen nur einen Teil davon,
    • und die Singdrossel wiederholt eine gefundene Strophe drei vier Mal, bevor sie sich eine andere ausdenkt.

    Also, wenn das nicht Musikalität bezeugt…

  5. Die weiche Geborgenheit eines Vogelnestes, den Eierndarin,  ein Federbett und auch Vogelfedern sind so schöne haptische Erfahrungen, dass dieser Aspekt auch ein Teil dieses Hobbys darstellt.
    Und ja, die Feder führt uns wieder zur Astronomie, denn eine Feder hat 1972 ein Astronaut gemeinsam mit einem Hammer aus Hüfthöhe auf den Mond fallen lassen. Beides kam gleichzeitig auf dem Mondboden an. (Fall zweier Gegenstände im Vakuum)
  6. Würden wir nur diejenigen Vögel singen hören, welche für sehende Menschen aktuell an einem Ort auch sichtbar sind, wäre die Welt traurig still, da die meisten Vögel in Blättern, Büschen und Schilf oder Gras verborgen sind und dennoch singen. Voilà, und schon wieder haben wir eine Parallele zur Astronomie. Auch dort sind nur vier Prozent dessen theoretisch sichtbar, was sich im All befindet.
    Wenn wir nicht aufpassen, dann kann es aber durchaus zu dieser traurigen Situation kommen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Singvögel, und damit auch ihr wunderschöner Gesang, zunehmend weniger werden. Ich nehme diese traurige Entwicklung schon seit Jahrzehnten mit meinen Ohren wahr. Ich kommunizierte es schon, als noch niemand von dieser Misere sprach. Was für viele Menschen erst durch jahrelange Studien klar wurde, konnte ich mit meinen Ohren schon viel früher hören. Nichts gegen gute Studien, weil sie in Zahlen fassen, was traurige Gewissheit ist, aber das zeigt mal wieder, dass wir in der Regel unseren Augen mehr Vertrauen schenken, als unseren Ohren. Zahlen kann man sehen. Sie schaffen zwar einerseits Klarheit, andererseits aber auch Distanz zum Problem. Das Ohr hingegen schafft hier Nähe, weil es das Problem direkt in uns Menschen hinein führt, wenn wir dafür offen sind und die Welt in uns hinein lassen… Weg schauen ist deutlich leichter, als weghören. Die Ohren kann man nicht mal schließen.
    Viele Neurosen dieser Welt gäbe es vermutlich nicht, wenn wir auch mal eher Hörmenschen wären.
    Das soll nicht heißen, dass das Ohr gut, und das Auge schlecht ist. Das Auge ist ein wunderbares Organ. Nicht, dass hier der Eindruck entsteht, ich würde als mensch mit Blindheit das Ohr glorifizieren und das Auge verteufeln. Ihr glaubt ja gar nicht, wie oft ich so gerne wenigstens ein schlechtes Auge hätte.
  7. Es ist eine schöne Meditation, sich darüber Gedanken zu machen, weshalb und für wen die Vögel eigentlich singen. Nur für die Fortpflanzung ist mir persönlich als Grund zu wenig. Hierfür hätte die Evolution effektivere Wege zur Partnersuche gehen können und nicht einen so wunderbaren Gesang ausbilden müssen.
    Die Größte Bevölkerung der Welt stellen vermutlich die Insekten dar. Sie singen nicht und haben offensichtlich keine Probleme der Fortpflanzung und Arterhaltung, was jeder all sommerlich erlebt, der Abends an einem Bach oder Fluss in einen Mückenschwarm gerät.
    „Noch erleben kann“
    sollte ich sagen, denn der dramatische Rückgang der Insekten ist für das Schwinden der Singvögel verantwortlich. Und dieses Insektensterben ist von uns Menschen hausgemacht. Wenn ich bedenke, wieviele Insekten man früher nach einer Autofahrt von vielleicht 100 Kilometern auf seiner Windschutzscheibe pappen hatte, und wie sauber die Scheiben heutzutage bleiben, dann wird der Rückgang der Insekten ganz deutlich und unmittelbar offenbar.
  8. Da ich ein Mensch bin, der sehr von der Idee des Fliegens fasziniert ist,finde ich auch hier wieder zu den Vögeln.
    Schon Otto Lilienthal ließ sich vom Flug der Störche inspirieren und davon, wie sie sich in die Termik einkreisen und in die Höhe tragen lassen. Trotz aller technischen Möglichkeiten, die heutzutage in ein modernes Segelflugzeug eingebaut sind, kann einem Segelflieger, der auf der Suche nach einem schönen Bart (Termikblase) ist, nichts besseres passieren, als sich bei einem kreisenden Vogelschwarm reinzukurbeln.
  9. Vogelstimmen, Vogelflug und Vögel an sich, sind oft ein Symbol für Weite, Freiheit, Unbesorgtheit, etc. All dies ist in Literatur und Musik oft thematisiert worden und ist somit einfach sprachlich schön.
  10. Wie auch die Astronomie, führt einem dieses Hobby in andere Gebiete, wie Literatur, Philosophie, Musik und Biologie. Betrachtet man Vogelschwärme und deren synchrones Verhalten, gelangt man rasch bis hin zu sehr theoretischen Fragen über Kommunikation,
    Interaktion, Chaostheorie, etc.

Somit bietet auch dieses Hobby die Chance die Welt ganzheitlich und holistisch zu erleben. Noch viel inklusiver ist das Hobby durch mein Smartphone geworden. Früher musste ich stets einen Lautsprecher und einige CD’s mit Vogelstimmen nebst Diskman in den Wald mitnehmen. Heute zeige ich den sehenden Teilnehmern die Bilder der Vögel auf einer App, und wir können uns damit dann gleich die Vogelstimmen anhören, lernen und einprägen. Mich freut dann immer, wenn jemand plötzlich einen Freudensausbruch bekommt, weil Sie oder er den eben erlernten Vogel gehört – mit dem Fernglas nach ihm gesucht – und ihn dann richtig erkannt und zugeordnet hat.
Das ist auch Inklusion.

So, jetzt wünsche ich euch, dass ihr viele Vogelstimmen hören könnt und dass sie euch ebenso viel Freude bereiten, wie mir.

Zehn Gründe, als blinder Mensch Astronomie zu treiben


Liebe Leserinnen und Leser,

einer meiner ersten Blogeinträge beschrieb, wie ich zur Astronomie kam.
Für all jene, die vielleicht ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie hören, dass ein blinder Mensch sich für Astronomie begeistert und sogar noch Bücher darüber schreibt, habe ich mal kompakt zehn Gründe zusammengestellt, die damit aufräumen sollen, die da wären:

  1. Fragen, wie nach dem Anfang, dem Ende, dem Sinn des Universums gehen uns alle an.
    Das sind angeborene Fragen, mit denen sich jeder umtreibt. „Das ist halt so“, oder „Das hatt gott geschaffen“, reichen als Antwort nicht aus.
    Kannschon sein, dass Gott es gemacht hat. aber wie? Ich will ihm in die Karten schauen.
  2. Mittlerweile spielen sich die meisten Dinge in der Astronomie nicht visuell ab.
    Die Zeiten, wo Astronomen, wie Hubble sich im Winter die Augen an das Teleskop frieren ließen, sind längst vorbei. Teleskope werden über das Internet gesteuert. Ergebnisse sind häufig Tabellen über Strahlungsarten und oder Verteilung. Diese sind mit heutiger Technologie auch blinden Menschen zugänglich und können von uns Interpretiert und verstanden  werden.
    Das Mittel der wahl ist hier Sonifizierung. Das macht die NASA sehr fleißig und erfolgreich. Danke dafür.
  3. Die Sicht auf Sterne ist wegen der nächtlichen Lichtverschmutzung meist unmöglich.
    Im Vergleich, wieviele Sterne es alleine schon in unserer Milchstraße gibt, sind selbst bei bester Sicht die wenigen, die man mit den Augen sehen kann, vernachlässigbar. Dass ein klarer nächtlicher Sternenhimmel eine Augenweide darstellt, ist unbestritten, unter dem Strich aber relativ unwesentlich für die Sache an sich. Mir bereitet es große Freude, wenn ich mit sehenden Sternguckern nachts am Teleskop stehe. Ich liebe es, wenn sie mich in ihre Freude mit hinein nehmen und bin immer ganz aufgeregt, wenn z. B. ein besonders schwer zu schießendes Foto entstehen soll. Die Technik drum herum und, den Ehrgeiz, den manche dann zeigen und der damit verbundene Spieltrieb und die Ideen, sind einfach schön.
  4. Schwarze Löcher sind so schwarz, zumindest, wenn sie gerade hungern, dass man mit den
    besten Augen nichts damit anfangen könnte.
    Alles unsichtbare ist prädestiniert, auch von Blinden erobert zu werden.
    Und nicht nur das. Durch die Entdeckung der Gravitationswellen ist eine ganz neue Astronomie am entstehen. Das Beben der Raumzeit ist, und das wird auch von Astrophysikern so gesehen, eher mit Schall und Hören verbunden, als mit sonstigen elektromagnetischen Wellenphänomenen.
  5. Das Universum besteht nur zu vier Prozent aus dem, was für Augen so vermeindlich interessant ist.
    Tja, da kann man nichts machen. Stell Dir vor, Du sähest nur noch vier Prozent Deines Fernsehbildes. Vermutlich würdest Du dann dieses Abendvergnügen rasch aufgeben…
    Wir Astronomen sind da genügsamer…
  6. Dunkle Energie und dunkle Materie weigern sich strickt, gesehen zu werden.
    Hören lassen sie sich bisher zwar auch noch nicht, somit besteht hier Chancengleichheit, was die Suche danach  angeht.
  7. Mittels heutzutage verfügbarer Technologie können sehr viele Phänomene des Weltalls hörbar gemacht werden, z. B. die Radiosonne, die Interaktion des Sonnenwindes mit dem Magnetfeld der Erde, Polarlichter, Radiopulsare, die kosmische Hintergrundstrahlung und vieles mehr.
    Es gibt Sonifizierungen zu vielen Weltraum-Missionen, z. B. der Juno-Mission, von Cassini-Huygens, Voyager und mehr. Der aktuelle Rover auf dem Mars, ja, der mit dem Hubschrauber, hat sogar ein Mikrofon dabei, mit dessen Aufnahmen man ihn fahren, bzw. den Hubschrauber fliegen hört.
    Joachim-Ernst Behrendt trug in zahlreichen Sendungen sehr viele Materialien hierzu zusammen.
    Schon Johannes Kepler selbst sagte inhaltlich nicht wörtlich:
    Gäbe man dem Himmel Luft, sollte seine Musik erklingen.

    An dieser Stelle muss ich auch J. W. Goethe die ehre geben, der in Faust I im Prolog im Himmel, die Sonne tönen lässt.

    Die Idee, dass da etwas schwingt und klingt, geht bis auf die alten Pytagoräer zurück.

  8. Da blinde Menschen traditionell viel mit Radio zu tun haben, könnten alle Radiogeräusche aus dem All (Sonnenwind, Pulsare, Hintergrundstrahlung) sehr interessant sein. Vor allem unter älteren ist der Amateurfunk mit all seinen technischen Spielereien noch sehr aktuell. Ein Radioteleskop, um die Sonne belauschen zu können, zu konstruieren, ist heutzutage nicht mehr sehr aufwändig und kann mit Standartbauteilen aufgebaut werden.
    Ich kenne blinde Menschen, die dann und wann unter die Oberfläche des weißen Rauschens im Radio hören und dort Veränderungen finden.
    Das ist doch aufregend, dass ein nicht unerheblicher Teil dieses Rauschens aus dem Weltall stammt. Ich erinnere mich daran, wie ich früher, als es noch Mittelwelle, Langwelle und Kurzwelle gab, gerne dem Knacken der Gewitterblitze lauschte. Dann konnte man die Sekunden zählen, bis man den Donner hörte und wusste somit, wie weit das Gewitter entfernt war.
  9. Die Mathematik, die für Astronomie gebraucht wird, ist heutzutage auch Blinden zugänglich.
    Durch Computer, Internet und assistive Technologien können blinde prinzipiell fast uneingeschränkt an Wissenschaft und Forschung teilhaben, außer vielleicht manche gefährlichen chemischen Experimente, die nicht gehen, oder eine gefährliche Expedition auf einen Vulkan. Aber es spricht nichts dagegen, dass ein blinder Mensch bei der Auswertung der Daten mithilft. Vielleicht könnte ja ein geschultes Gehör eines Blinden z. B. Peaks in einem rauschenden Datensalat erhören.
    Ich bin der festen Überzeugung, dass hier längst noch nicht alle beruflichen Chancen und Möglichkeiten für uns  ausgeschöpft sind.
  10. Astronomie kann alle Sinne einschließlich der Seele ansprechen.
    Das tut sie besonders dann, wenn man auch noch die anderen Disziplinen ansieht, die von ihr berührt werden.
    Physik, Chemie, Technik, Philosophie, Religion, Musik und Geschichte sind Themen, die im höchsten Maße astronomischen Bezug haben.

    Sie fördert meiner Meinung nach ein ganzheitliches Denken, ist mit allen Sinnen erfahrbar und hält auch transzendente spirituelle Erfahrungen bereit.

Ein Hobby, das mehr Brücken zwischen Menschen mit und ohne Einschränkungen schlägt, kenne ich nicht. Es ist wirklich sehr inklusiv. Wer darüber mehr wissen möchte, findet vieleicht in „Blind zu den Sternen – mein Weg als Astronom“ eine schöne Wissensquelle. So viel Werbung muss erlaubt sein. Ja, so heißt mein Buch…

Gedenken an Stephen Hawking


seid herzlich gegrüßt,

Endlich ist er fertig, mein Artikel zum Gedenken an

Stephen Hawking.

 

 

Ein großer Astronom ist von uns gegangen. Jeder wird das vernommen haben, dass am 14.03.2018 der große Physiker, Stephen Hawking, verstarb.

Er wurde auf den Tag genau 300 Jahre nach Galileo Galilei geboren. Er bekleidete denselben Professorenstuhl, wie Isaac Newton.

Und sein Todestag fällt mit dem Geburtstag von Albert Einstein zusammen.

 

Für mich stellt sich jetzt als Blogger die Frage, was ich über ihn schreiben möchte, das nicht schon in den letzten Tagen geschrieben wurde.

Sein Lebenslauf und alles ist an anderen Stellen schön nachzulesen. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, ganz einfach darüber zu schreiben, wie ich ihn erlebt und wahrgenommen habe und welche astronomische Fragestellung mich bei ihm bis heute fasziniert.

Auf jeden Fall werde ich sicher nicht über seine Einschränkung berichten, denn damit würde ich einen der größten Physiker auf seine Behinderung reduzieren.

Über diese Reduktion, muss ich aber kurz schreiben.

Das erste Mal kam ich mit den Schriften Hawkings 1992 in Berührung. Damals hatte er gerade mit seinem Buch „Eine Kurze Geschichte der Zeit“ einen enormen Durchbruch. Es gab auch einen Kinofilm dazu.

 

Oft wurde ich von verschiedensten Personen gefragt, ob ich Stephen Hawking kenne. Und das war wirklich eine merkwürdige Erfahrung. Ich wurde weniger danach gefragt, weil mich interessieren könnte, was er schreibt, sondern eher, weil er eben diese schwere Einschränkung hatte.

Und das bildete ich mir nicht ein, denn die Frager waren erstaunt, dass ich ihn nicht kenne. Sie gingen davon aus, dass uns alleine schon verbinden sollte, dass wir beide eine Einschränkung haben. Das tut es nicht. Es kennen sich nicht alle Menschen mit Beeinträchtigung untereinander, und wir haben uns auch nicht alle zwangsläufig ganz lieb.

Was er zu tun fähig war, ist so grenzenlos außergewöhnlich, dass er für mich als Mensch mit Beeinträchtigung kein Vorbild sein kann. Das ist auch ohne, Behinderung für fast alle Menschen unerreichbar, was er leistete.

Außerdem sind funktionierende Gliedmaßen keine Grundvoraussetzung, ein guter Physiker zu sein.

Aber es stimmt schon. Wenn er mit seiner Computerstimme sprach, dann klang das schon irgendwie, wie ein Orakel, vor allem, weil Schwarze Löcher etc. für uns etwas ungreifbares vielleicht sogar etwas mysteriöses und jenseitiges sind.

Mit der Sprachausgabe, die er benutzte, Modell Dectalk, , habe ich früher auch gearbeitet. Die konnte man sogar singen lassen.

 

Wie auch immer. Jetzt würdigen wir sein Lebenswerk an einem Beispiel.

Wie gesagt, kam ich in den 1990er Jahren mit seinen Büchern in Kontakt. Es war gar nicht so einfach, sie zu lesen, weil sie noch nicht als Hörbücher verfügbar und die Scanner und Texterkennung auch noch nicht so gut waren.

Ich ging dennoch zur Stadtbücherei und lieh mir das Buch, „Eine Kurze Geschichte der Zeit“, aus. Mit meinen Mitstudenten machten wir eine Art Wettbewerb daraus, wer ehrlich mit Hand auf dem Herzen bis zu welcher Seite kam, bevor das Verständnis abbrach.

Ich meine mich zu erinnern, dass ich im guten Mittelfeld lag. Irgendwann musste ich schon deshalb aussteigen, weil meine Texterkennung mit den wenigen mathematischen Formeln überhaupt nichts anfangen wollte.

 

Sicher. Für Astronomie, Weltraumtechnik und alles, interessierte ich mich schon immer. Aber Hawking war auf jeden Fall ein Türöffner zu den Schwarzen Löchern und dem Urknall für mich, wie Rudolf Kippenhahn und Isaac Asimov ein Zugang zur Funktionsweise von Sternen und zu unserem Sonnensystem waren.

Es gab auch noch weitere Wegbegleiter für mich, die ich mir jetzt erspare, weil heute nur der eine gefeiert wird.

 

Die meisten von euch werden wissen, was ein schwarzes Loch ungefähr ist, weshalb ich mich hier kurzfassen kann.

Der Tod eines Sternes, dessen Verlauf und was er danach ist, hängt im wesentlichen von seiner Masse ab. Ich schrieb schon über die Möglichkeit, des Neutronensterns.

Sie wiegen wenige Sonnenmassen und sind aber so kompakt, dass sie nur vielleicht 15 km Durchmesser besitzen. Ihre Atome sind zerquetscht, so dass sie nur noch fast aus Neutronen bestehen.

Ein Fingerhut voll dieses Materials wiegt milliarden Tonnen.

Der Physiker Oppenheimer und andere stellten sich nun die Frage, was geschieht, wenn Sterne kolabieren, die noch deutlich schwerer sind. Er fand heraus, dass irgendwann der Druck auf das Neutroniun so hoch sein könnte, dass es der Gravitation auch nicht mehr Stand halten würde. Der Kollaps ginge dann weiter und weiter. Die Gravitation nähme immer mehr zu und der Sternrest wird immer kleiner, bis die Gravitation in einem unendlich kleinen Punkt vielleicht unendlich ist.

Dann ist das Schwarze Loch fertig.

 

Jeder Körper, der sich aus dem Gravitationsfeld eines Himmelsobjektes, z. B. Stern, Planet oder Mond bewegen möchte, braucht je nach Masse, des Himmelsobjektes eine Fluchtgeschwindigkeit.

Ich glaube, die eines Raumschiffs, das die Erde verlassen möchte, beträgt 11,2 km/s. Was langsamer ist, bleibt gefangen und schafft es besten Falls in eine stabile Umlaufbahn.

Denkt man sich jetzt immer mehr Gravitation, dann ist die Fluchtgeschwindigkeit irgendwann höher, als die Lichtgeschwindigkeit 300.000 km/s. Das bedeutet, dass in einem so schweren Gebilde, sogar das Licht gefangen bleibt.

Nochmal zur Erinnerung. Das Ding ist vielleicht nur wenige Sonnen schwer, aber es ist sehr klein.

So etwas nennt man dann ein Schwarzes loch, weil es nicht sichtbar ist. Es lässt kein Licht heraus. Es ist ein Loch in der Raumzeit. Es verrät sich nur indirekt, wenn z. B. es von Sternen umkreist wird, oder Materie, die sich aufheizt, in es hinein fällt.

Eigentlich ist das erbärmlich. Obwohl ein Schwarzes Loch ein so seltsames Objekt ist,

können wir, was wir besten Falles von ihm wissen, in drei schlichte Parameter fassen.

seine Masse, seine Drehung und seine Ladung, Und alles drei verrät es uns nur, wenn es gerade aktiv ist, oder von etwas umkreist wird, das sichtbar ist.
Wir wissen einfach nicht, wie es dort drinnen zugeht.

Irgendwann ist die Gravitation so hoch, dass die Einstein-Gleichungen nicht mehr funktionieren.

Diese Schwarzen löcher waren ein Hauptgegenstand der Arbeit von Stephen Hawking.

Lasst mich ein Thema von ihm herausgreifen, das ihn und seine Gegner mehr als vierzig Jahre beschäftigte, und von dem ich glaube, dass ich es einigermaßen erklären kann.

 

Das Informations-Paradochs

EineHauptfrage  von ihm war, was wohl mit der Information dessen geschieht, was in ein schwarzes Loch fällt, also hinter den Ereignishorizont, von dem es kein Zurück mehr gibt. Der Ereignishorizont ist keine Linie, wie zwischen Erde und Himmel, sondern eine Kugelsphäre, die das ganze  schwarze Loch umgibt. Was hier hinein fällt, kann nicht mehr zurück. Welchen Radius der Ereignishorizont eines schwarzen Loches besitzt, hängt von seiner Masse ab. Er wird Schwarzschild-Radius genannt und kann berechnet werden.

 

Mit Information ist hier gemeint, ob man etwas aus einem schwarzen loch theoretisch wieder retten könnte, oder nicht. Man kann sich das vorstellen, wie wenn man einen Würfelzucker in den Kaffee wirft. Der Zucker löst sich auf und vermischt sich gleichmäßig mit dem Kaffee. Dass wir den Zucker nicht mehr herausholen können, liegt nur daran, dass wir nicht wissen, wie es geht. Aber grundsätzlich ist der Zucker mit allem, was zu seiner Information gehört, Geschmack, Klebrigkeit, Farbe und chemie, noch da.

Das ist eine Grundfeste der Physik, der Termodynamik, dass Information niemals verloren gehen darf. Jede Mischung strebt dem maximalen Durcheinander, also der besten Durchdringung, entgegen.

Ein Maß für das Durcheinander in der Physik ist die Entropie.

 

Das ganze hat dann auch mit Temperatur zu tun. Schüttet man warmes und kaltes Wasser zusammen, dann durchdringt es sich so lange, bis alle Moleküle, die beider Wässer, dieselbe Temperatur haben.

Daraus folgt dann, dass, wo die Information absolut verloren geht, da gibt es dann auch keine Temperatur mehr. Das ist aber physikalisch unmöglich.

Stephen Hawking vertrat über Jahrzehnte die Meinung, dass schwarze Löcher mit dem es umgebenden Vakuum über virtuelle Teilchen interagieren können und langsam verdampfen (Hawkingstrahlung) würde, und dass die Information verloren ginge, weil diese Strahlung rein termischer Natur sei, und daher keine Information transportiere, die etwas über die Entstehungsgeschichte des Loches erzählen könnte. Würde die Strahlung die Information dessen, was dereinst hinein fiel, enthalten, dann liefe die Entstehungsgeschichte des Loches rückwärts ab.

Sein härtester Gegner dürfte der Physiker Leonard Susskind gewesen sein. Er entwickelte eine Theorie, die den Informationsgehalt von allem, was in das schwarze Loch fällt, an den Rand, den Ereignishorizont projeziert, ähnlich, wie ein Projektor ein Dia an eine Leinwand.

Er hat ein Buch über diesen Disput mit Hawking geschrieben. Außerdem war Hawking auch jemand, der gerne mal wettete. Es lief wohl eine Wette darüber, wer diesen „War of Black Wholes“ gewinnen würde.

2004 kapitulierte Hawking, indem er einräumte, dass Information vielleicht doch nicht verloren geht im schwarzen Loch.

Er lies seine damalige Zuhörerschaft, wenn mich nicht alles täuscht, mit einem „aber“ zurück, weil er eine Theorie mit Wurmlöchern und weißen Löchern in anderen Universen postulierte. Durch die Wurmlöcher diffundiert die Information des schwarzen Lochs und kommt am anderen Ende, in einem anderen Universum aus einem weißen Loch wieder zum Vorschein. Ob es weitere Universen gibt, ist zwar wahrscheinlich, aber durchaus nicht sicher. Das und die weißen Löcher lässt sich vermutlich nie oder nur schwer beweisen.

 

Ich hoffe, dass meine Ausführungen jetzt nicht zu populärwissenschaftlich formuliert waren, dass sie falsch sind.

Die Sprache, in der man sich normalerweise über derlei unterhält, heißt Mathematik, und die kann ich nicht.

Ich denke, dieses Beispiel ist eine schöne Würdigung seines Lebenswerkes und hoffe, dass ihr das auch so seht.

 

Bis zum nächsten Mal grüßt euch

euer Gerhard.

 

Mein Astronomischer Jahresrückblick für 2017


Meine lieben Leserinnen und Leser,

keiner dürfte wohl länger an einem Artikel geschrieben haben, als ich an diesem. Er entsteht vortlaufend im Laufe des Jahres. Nachtragen geht nicht gut. Das vergisst man.
Hier nun mein Jahresrückblick für 2017.

Das darf nicht als Selbstbeweihräucherung oder Bauchpinselei verstanden werden. Ich möchte es einfach in aller Würde und Bescheidenheit mit euch teilen.
Obwohl, und das gebe ich ehrlich zu. Positive Rückmeldung tut schon gut. Negative Rückmeldung fördert die Weiterentwicklung meiner Artikel, und keine Rückmeldung, bewirkt höchstens Unsicherheitbis hin zu manchmal einem Gefühl der Sinnlosigkeit, was man hier tut.
Das soll jetzt aber niemanden ein Gewissen machen. Was glaubt ihr, wieviel Kram, den ich bekomme, nicht lese, und wenn, dann nicht rückmelde. Die Zeit hat dazu niemand.
Es sind hier auch manchmal Menschen beteiligt, die in dieser Liste mitlesen, mich unterstützen und mir Türen öffnen.
Dank an alle, die das betrifft. Fange ich an aufzuzählen, vergesse ich welche. Deshalb ein zwar pauschaler aber nicht minder tief empfundener Dank an euch.

Nur einen Dank möchte ich besonders hervorheben.
Würde ich nicht am Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) arbeiten, könnte ich nicht auf Ressourcen, wie 2D- und 3D-Drucker zurückgreifen und würde die Leitung diese Arbeit nicht mittragen, dann wären diese Vorträge schlicht und ergreifend unmöglich durchführbar. Das muss hier einfach mal gesagt sein. Danke SZS.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass im großen und ganzen das Jahr 2017 ein gutes Jahr war. Mir und meinen Vorträgen hat sehr gut getan, dass ich nicht mehr so viele Veranstaltungen, wie in 2016, durchgeführt habe. Ende 2016 war ich dann doch etwas ausgebrannt und ausgelaugt und gesundheitlich angeschlagen. Das war eine Erfahrung und ich richte mich danach.
Hier nun einige Highlights:

März 2017:
Veröffentlichung zweier Artikel im Blogg „#Anders und doch Gleich“ von Frau Tillmann
Auf diesem Blog werden u. A. Profile von Menschen gesammelt, z. B. Berufsbilder, wie man Hobbies mit Seheinschränkung ausübt etc.
Es sind sehr spannende und lesenswerte Artikel darunter.
Der erste Link führt zu einem Artikel, der mein Berufsbild in Karlsruhe beschreibt.
„Zum Blog“
Und hier geht es zu einem Artikel, der beschreibt, wie ich zur Astronomie kam.
„Wie ich zur Astronomie kam“
04.04. Vortrag Deutsch-Englischer Freundeskreis
Das war eine große Ehre für mich, dass mein ehemaliger Vorgesetzter mich einlud, einen Vortrag für diesen Freundeskreis, zu halten. Ich konnte sehr viel Astronomie finden, die die Deutsch-Engl. Freundschaft vertieft, z. B. Herschel mit Schwester und viele mehr.
Somit war das eine schöne Sache. Auch hier zeigte die Astronomie sich wieder durch ihren verbindenden und Grenzüberschreitenden Charakter aus.

Im Mai schloss sich dann eine weitere Einladung zu diesem Verein an. Diesmal nicht astronomisch, sondern ich durfte einen Vereinsabend musikalisch mitgestalten, als die Delegationen der Partnerstädte zu Besuch waren.

12.05. Lesung auf der Rehab-Messe Karlsruhe
Auf dieser Messe werden Hilfsmittel für alle Einschränkungen ausgestellt. Vom Pflegebett über den High-Tech-Rollstuhl bis zum Langstock für Blinde, findet man hier alles.
Zur Rehab Karlsruhe
Im Rahmen dieser Messe findet ein Kulturkaffée statt. Da wurde ich eingeladen, eine Lesung zu halten. Das war einer meiner schlimmsten Vorträge, die ich jemals hielt. Das Kaffée bestand aus einem Teppich, auf welchen man einfach etwas Mobiliar stellte. Ansonsten war es ganz offen. Akustisch war es so unmöglich, eine Lesung zu halten. Ich hatte dann auch nur vier  Besucher, und die kannte ich alle.
Das darf die Messeleitung so niemandem mehr zumuten. Naja, ich habe es hinter mich gebracht und die Moderatorin war klasse.

Juni Vorstellung des Projektes Planetenweg Barrierefrei bei Agenda21 Durmersheim
Dieser Verein ist sehr rührig. Sie unterstützen sehr vielfältige Projekte, Blumenwiesen, Bemalen von Stromkästen, und unterhalten u. A. einen Planetenweg.
Vor vielen Jahren sind wir den Planetenweg mal im Rahmen eines Betriebsausfluges gewandert.
Dabei erzählte uns ein Mitglied sehr schön über die Planeten und, was es sonst so auf einem Planetenweg zu sagen gibt. Dessen erinnerte ich mich wieder, und so kam es zu dem Kontakt.
Sternfreunde Durmersheim
Es wäre doch schön, wenn dieser Planetenweg auch irgendwie für Menschen mit Seheinschränkung zugänglich gemacht werden könnte.
Hierfür gibt es unterschiedliche Ansätze. Braille-Tafeln haben den Nachteil, dass sie relativ wenig Information enthalten, dass sie Vandalismus zum Opfer fallen können und eventuell auch verwittern.
Es gibt zahlreiche modernere Ansätze, wie man so etwas umsetzen könnte, z. B. Beacons, eine App fürs Handy, QR-Codes etc.
Mit Unterstützung des Vereines „Andersicht eV“, der sehr viel Erfahrung in der Umsetzung derart touristischer Projekte hat, soll mittelfristig eine Lösung erarbeitet und gefunden werden.
Verein Andersicht e. V.
Das wird ein Projekt für 2018 werden, denn 2017 ist, das muss ich zu meiner Schande gestehen,  noch nicht viel dazu passiert.

31.05.17 Planetarium Saarlouis
Wer sich noch erinnert. Im letzten Jahr durfte ich einen Vortrag in einem mobilen Planetarium halten, das in der Orgelfabrik Durlach, gastierte.
Der Besitzer dieses Planetariums bot mir an, einen Vortrag in Saarlouis zu halten, wo das Planetarium im „Alten Theater“ aufgebaut war.
Das war eine großartige Veranstaltung, weil ich neben meinem Vortrag noch einige andere erleben durfte. Ganz besonders beeindruckte mich der Vortrag vom #Weltraum-Atelier. Die führen großartige Projekte zur barrierefreien Astronomie durch, z. B. Videos mit Gebärden, viele taktile Modelle und arbeiten auch mit Universe2Go. Nicht zuletzt beherbergen sie die Filmkulisse von Apollo13.
Leider ist es mir bisher noch nicht gelungen, dort einen Besuch abzustatten. Das ist aber ein dringend geplantes Projekt für 2018.
Zum Weltraumateier
Hier noch ein Artikel zu diesem großartigen Event.
Saarbrücker Zeitung

01.08.17:
hier kam ich mit einer Übersetzerin in Kontakt. Sie fand mich vor Jahren mal auf einer Hilfsmittel-Messe, wo wir immer einen Stand von Institut aus haben. Dort zeigte ich ihr Astronomie-Modelle und sie kaufte mein Buch.
Nun ist sie dabei, mein Buch ins Englische zu übertragen. Das ist eine großartige Sache. So kann ich mit meiner Mission sicherlich noch viele Menschen erreichen.
Mehr als die Hälfte ist schon übersetzt und es ist rührend schön.

Zu Tränen gerührt und ergriffen war ich, als meine Saturn5 aus Lego fertiggestellt vor mir stand.
Das ist einfach ein weiteres Stück welt, das mir nun erschlossen ist. Wer mein Buch gelesen hat, erinnert sich vielleicht noch daran, was ich über die Mondlandung schrieb. Das werde ich nun in der Engl. Version etwas updaten müssen.

Sehnsuchtsvoll erwarte ich einen Relief-Mond, den ich mir bestellt habe. Leider ist er erst wieder im Januar lieferbar. Kein Problem. Dann wird’s ein Geburtstagsgeschenk.
Wenn ich den habe, werde ich ihn an die Wand hängen und die Rakete natürlich darunter stellen. Das ist dann mein Astro-Nerd-Altar…

Und so sieht er aus:
https://www.interkart.de/3d-relief-landkarten/3d-relief-laender-regionen/3d-relief-karte-„>“Abbildung Mondkarte“
mond.html

20.08.17 Sonnenfinsternis Schwarzach Österreich
Mit sehr guten Freunden verbrachte ich meinen Sommerurlaub in Schwarzach bei Lindau. Das ist ein Haus, das auf die Bedürfnisse von Menschen mit Seheinschränkung eingerichtet ist, so dass sogar ein Urlaub ohne Begleitperson möglich wird.

Dort entschied ich mich, kurzer Hand die Amerikanische Sonnenfinsternis vom 20.08. zum Anlass zu nehmen,
und einen kleinen Vortrag zu Sonnenfinsternisse, zu halten. Wir waren ein kleines, aber feines und sehr interessiertes Grüppchen. Einige taktile Abbildungen und Geräusche hatte ich mir vorsorglich mal mit ins Gepäck gesteckt.
In diesem Zusammenhang darf ich an die literarisch wohl schönste Beschreibung einer Sonnenfinsternis des Österreichischen Dichters Adalbert Stifters erinnern.
Sonnenfinsternis von Adalbert Stifter

Ansonsten machte ich in diesem Urlaub einen sehr beeindruckend schönen Gleitschirm-Flug.
Wenn man sich an ein großes Tuch unter den Himmel hängt, ist man dem Traum vom Fliegen körperlich deutlich näher, als in einem großen Flugzeug.
Technisch gesehen war das Zepelin-Museum in Friedrichshafen sehr eindrucksvoll. Ich habe mir gleich ein Modell der Hindenburg mitgenommen.
Ich wurde in diesem Urlaub auch viel zu Astronomie befragt. Viele Menschen interessieren sich doch dafür und greifen die Gelegenheit am Schopfe.

Und hier noch ein verblüffendes Astro-Erlebnis aus diesem Urlaub.
in diesem Urlaubshaus gibt es eine kleine Bibliothek mit Punktschrift-Büchern.
Ich griff in ein Regal und begann den Rücken eines Bandes zu lesen.
Das gibt es doch nicht. Da stehen um 100 Punktschriftbände vor mir und ich wollte einfach nur mal so schauen. Kurz um. Was finde ich?
einen Band von Carl Friedrich von Weizsäcker, dem Physiker und Bruder des Ex-Bundespräsidenten, mit dem Titel „Sterne sind glühende Gasbälle“ oder so ähnlich.
Das muss sehr alt sein. Das sehe ich am Einband. Hach, wäre das ein schönes Stück für meine Sammlung, wo es sicherlich mehr Beachtung fände.
Es gibt so gut wie nichts über Astronomie in Punktschrift.

30.08. Beratung und Planung einer Kinderveranstaltung für angehende Erzieher zum Thema Weltall
Ein Coach und ganz wunderbarer Mensch, mit dem unser Institut Bewerbertrainings etc. für unsere Studierenden durchführt, trat mit einem sehr interessanten Projekt an mich heran. Aus seinem Bekannten- bzw. Verwandtenkreis wollte eine angehende Erzieherin mit Kindern ein Projekt zum Thema Weltall machen.
Wir brainstormten das ganze und inzwischen ist die Weltall-Woche gelaufen. Es hat sehr viel Freude bereitet, hier zumindest mit zu brainstormen. In ihrer Ausarbeitung habe ich auch mich wieder finden können.

07.09.17
Hier durfte ich im Rahmen eines Ferienprogramms für Brennpunkt-Kinder einen Nachmittag Astronomie machen. Es ist immer wieder rührend schön, wieviel lebendiges Kinderwissen über Astronomie vorhanden ist. Auch diesmal empfand ich es so, dass Astronomie erst mal soziale Benachteiligung  aufhebt, Barrieren überwindet, von den Problemen des Alltages ablenkt und viel Frieden und Ruhe in eine Gruppe hineinbringt. Selbst dort, wo verschiedene Migrationshintergründe und Verhaltensauffälligkeiten vorhanden sind.
Und die Begeisterung war grenzenlos, denn ich nahm zum ersten Mal meine Rakete mit.
Ganz vorsichtig zerlegte ich sie in alle Brennstufen, das Servicemodul, packte den Eagle oben in Brennstufe III, baute Stabilisatoren und düsen ab, und verpackte alles in mehrere Tüten, so dass ich genau wusste, wenn was in der Tüte abbricht, dann gehört es zu Stufe X…
Hat perfekt funktioniert. Tasten sehende Erwachsene die Rakete ab, dann bricht schon mal was ab. Bei den Kindern, so gut wie gar nicht.
Kurz um. Ich habe sie vollständig wieder hier.

14.09.2017
Tief bewegt, etwas wehmütig und ein kleines Tränlein verdrückend, verfolgte ich das finale Ende der so großartigen und erfolgreichen Mission Cassini-Huygens.
Diese Mission war so erfolgreich, dass man sie würdigen sollte. Von der Planung, zum Start, über die Ankunft am Saturn, der Durchführung der Mission bis zum Ende sind um 30 Jahre vergangen. Somit hängen Lebenswerke vieler Wissenschaftlergenerationen und Experten dran.
Noch nie konnte ich an einer Mission derart partizipieren, wie bei Cassini-Huygens. Grund dafür ist einfach, dass es Podcasts dazu gab. Damit kann man derlei erleben, mitfiebern und naja, auch etwas mit traurig sein, wenn es dann zu Ende geht. Es ist nicht zu ermessen, wie wertvoll das Medium Podcast für mich als Zugang zu Bildung und Wissenschaft, mit den Jahren geworden ist.

Es gibt sogar Geräusche der Mission, z. B. in Folge30 von #Raumzeit hört man den Fahrtwind, den der Lander Huygens beim Abstieg durch die dicke Titan-Atmosphäre, erzeugt.

Auch Teilchen beim Durchgang durch die Ringe sind zu hören.

Somit ist diese Mission für mich eine Hörmission geworden.

Hier nochmal der Link zu diesem Fahrtwind.
Geräusch des Abstiegs von Huygens auf den Saturnmond Titan“

20. September:
Leider ist es mir diesmal nicht gelungen, am Outreach-Workshop der Deutschen Astronomischen Gesellschaft teilzunehmen. Einen Sponsor dafür hätte ich gehabt, konnte aber keine Assistenz finden. Gerne hätte ich dort mal präsentiert, was sich seit Erscheinung meines Buches so bei mir getan hat.
Vielleicht bietet sich die Gelegenheit im nächsten Jahr.

06. Oktober Sternfreunde Durmersheim
Neben dem Verein Agenda21 verfügt Durmersheim über eine kleine Sternwarte und den Verein Sternfreunde Durmersheim.
Ich war eingeladen, einen Vortrag für ihre öffentliche Monatsveranstaltung zu halten. Es war eine kleine aber feine Veranstaltung. Vermutlich weil klar war, dass ob des Wetters die anschließende Beobachtung ausfallen würde, kamen leider nicht so viele, wie erwartet.
Schön war aber an diesem Vortrag, dass ich auf Astronomie-Grundwissen bauen konnte. Somit musste ich nicht alles erklären und wir hatten mehr Zeit für das eigentliche Thema, nämlich, wie ich als Blinder Astronomie treibe.

11.11. Bezirksgruppe Südhessen des DVBS in Marburg
Der Deutsche Verein für Blinde und Sehbehinderte in Studium und Beruf, ist ein Selbsthilfe-Verein, der sich um berufliche, rechtlich bildungsbezogene und viele weitere Belange und Themen kümmert.
DVBS
Dank einer Empfehlung von #andersicht, wurde ich nach Marburg eingeladen, um einen Astronomie-Nachmittag für die Mitglieder durchzuführen. Das war wirklich unglaublich, wie interessiert diese Gruppe, meist Damen, war. Aus 90 Minuten Vortrag wurden weit über zwei Stunden, und die Fragen rissen auch beim gemeinsamen Abendessen nicht ab.
Es war eine sehr harmonische und schöne Veranstaltung.

17.11. Eine Mio Sterne Caritass Bruchsal
Dieser Vortrag war von langer Hand geplant.
Dank an #trimentor für den Vorschlag, den Vortrag mir zu geben.
Mit dieser Aktion beging der psychiatrische Dienst Bruchsal sein 30jähriges Jubiläum. Passend zu dieser Sternen-Aktion durfte ich quasi einen Festvortrag halten.
Der Schwerpunkt war hier die Astronomie als Chance für Inklusion. Und ich muss sagen, der Vortrag war richtig schön und rund. Ich wurde zuhause abgeholt, weil das mit dem Astrokoffer immer so eine Sache in Zügen ist, ich wurde aufs herzlichste empfangen, und danach wieder mit einem guten Tröpfchen im Gepäck, wieder heim gebracht.
Eine kreative Küchenleiterin backte Astronomie-Gebäck. Es gab Blätterteigmonde, Hackfleischplaneten, Kürbissterne etc. Einfach rührend und schön war das.
Hier gibt es einen wunderbaren Artikel über diese Veranstaltung.
Zum Artikel

Meine letzte Veranstaltung am 08.12. war ganz besonderer Natur. Ich durfte in einer Bibliothek in der Nähe von Freiburg, die ein Freund von mir leitet, einen Vortrag über den Weihnachtsstern halten. Besonders daran war, ich sprach Alemannisch. Wer mich kennt, weiß vielleicht, dass ich aus dem fast südlichsten Teil Deutschlands komme. Dort wird noch gutes und schönes Alemannisch gesprochen. Mir ist das ein Herzensanliegen, dass Dialekte gepflegt werden. Damit meine ich gar nicht, dass man Lokalpatriot sein muss, aber es ist ein Stück schützenswerte Kulturgeschichte.

So, ich glaube, ich bin am Ende meiner Highlights angekommen.
Sicherlich habe ich etwas vergessen.
Wie oben geschrieben. Ich fand, dass mein 2017er-Jahr ganz OK war. Jetzt wünsche ich eine gute Zeit, bis wir uns entweder zwischen den Jahren oder Anfang 2018 wieder hören.

Es grüßt euch

Euer Gerhard.

Wieso treibe ich als blinder Mensch Astronomie?


„Wieso machst du das? Da hast du doch eh nichts von!“ – „Wie willst du da mitreden? Du siehst das doch gar nicht!“ – Solche verwunderten Fragen werden mir immer wieder gestellt, wenn ich als von Geburt an vollblinder Mensch über mein Lieblingshobby, die Astronomie, spreche. Nachdem ich meinen Vortrag oder mein Seminar abgehalten habe, wendet sich das Blatt aber meist und die Zweifler werden zu den größten Eiferern.
Seit etwa 25 Jahren befasse ich mich mit dem Weltraum. Beruflich ist es seit 15 Jahren meine Aufgabe, für die Studierenden mit Seheinschränkung der Karlsruher Hochschulen Lösungen zu finden, damit sie ein Studium im naturwissenschaftlich-technischen Umfeld absolvieren können. Es ist mir eine große Freude und ein Anliegen, besonders die Astronomie für Menschen mit Seheinschränkung zugänglich zu machen.
Meine Begeisterung für Wissenschaft und Technik war es, die mich zur Astronomie brachte. Sie verzweigt sich in derart viele Disziplinen, dass sie sich hervorragend als inklusives Hobby betreiben lässt – gemeinsam mit Sehenden oder mit Menschen mit anderen Einschränkungen. Seit vielen Jahren leite ich regelmäßig eine Freizeit des Evangelischen Blinden- und Sehbehindertendienstes Baden, die sich in erster Linie an junge Erwachsene richtet. Ich wähle dafür Themen aus, die Religion, Philosophie und Naturwissenschaften miteinander verbinden. Viele dieser Themen streifen die Astronomie, denn die Sonne, „der Stern, von dem wir leben“, geht uns alle an.
Die Sonne sendet ein unglaublich spannendes „Radio-Programm“, ein Rauschen, dessen Intensität und Lautstärke sich verändert, je nachdem, was auf dem Stern gerade vor sich geht. Der Jupiter hingegen sendet ein aufgeregtes Knattern und Tacken aus. Das Weltall ist also kein Ort der Stille, wie man vielleicht denken könnte, sondern bietet unzählige weitere, nicht visuelle Facetten. Abends den Himmel nicht betrachten zu können, bedeutet für mich keine Einbuße. Zum einen habe ich taktile Materialien entwickelt, die mir eine Vorstellung des Sternenhimmels mit seinen wichtigsten Sternbildern geben. Zum anderen ist es für mich ein Hochgenuss, zu erleben, wie sich die medial überreizte Welt der jungen Menschen entschleunigt, wenn wir bei einer Freizeit abends gemeinsam auf einer Wiese liegen. Ganz leise und ergriffen beginnen die Teilnehmer plötzlich, miteinander über das zu sprechen, was sie am Himmel sehen. Ich steuere zu den Sternbildern passende Geschichten aus der griechischen Mythologie oder andere Anekdoten bei, die ich frei erzähle oder im Dunkeln aus meinen Braille-Dokumenten vorlese. Die Materialien, die ich austeile, sind taktil und gleichzeitig farbig gestaltet. So können die sehenden Teilnehmer über ihre visuelle Wahrnehmung hinausgehen und wir können uns darüber austauschen. Den technisch Interessierten zeige ich Astronomie-Apps auf meinem Smartphone. Das Gerät ist der perfekte Eisbrecher, weil es die jungen Menschen fasziniert, wie ich das Touch-Handy ohne Augen bedienen kann.
Nicht zuletzt bin ich verrückt genug, um ein Teleskop und ein Mikroskop zu besitzen. Ich kam zu beidem durch meine Nichten und Neffen, die heute erwachsen sind und deren Kinder mittlerweile hineinblicken, wenn sie mich besuchen. Es war frustrierend, wie viele Spiele wir nicht gemeinsam spielen konnten, weil alles so visuell ist. Spiele wie „Mau-Mau“, „Mühle“ und „Mensch ärgere dich nicht!“ gingen noch, aber „Siedler“ oder „Sagaland“ funktionierten überhaupt nicht. Aus diesem Grund suchte ich ein Hobby für uns alle. Bald erwies sich der Blick durch mein Mikroskop oder des Nachts durch mein Teleskop als die erfüllendste Beschäftigung für meine Nichten und Neffen. Zwar habe ich nicht mit der Astronomie begonnen, um eine Beschäftigung für die Kinder zu finden, habe aber durch sie erkannt, wie mächtig die Astronomie im Erlangen einer ganzheitlichen Weltsicht ist und wie viel Potenzial sie dem inklusiven Miteinander bietet.
In der Gesellschaft muss sich in dieser Hinsicht noch einiges ändern. Oft werde ich gefragt, ob ich die Bücher des Physikers Stephen Hawking kenne. Jedoch nicht etwa wegen deren Inhalt, sondern weil er – zwar völlig anders als ich – auch behindert ist. Damit wird einer der größten Physiker und Astronomen des letzten Jahrhunderts über seine Behinderung definiert. Dabei war schon Johannes Kepler, der größte Astronom des letzten Jahrtausends, in Folge einer Pockenerkrankung stark seheingeschränkt. Hätte er nicht seinen Astronomie-Kollegen Tycho Brahe als präzisen Beobachter an seiner Seite gehabt, ist es fraglich, ob er zu seinen bahnbrechenden Keplerschen Gesetzen gefunden hätte, die bis heute für die Weltraumforschung grundlegend sind.
Mit meiner Mission der „Inklusion am Himmel“ konnte ich sogar den Vorstand der Astronomischen Gesellschaft, eine der ältesten astronomischen Vereinigungen Europas, begeistern. Es ist nicht einfach, dort ohne Kontakte Mitglied zu werden, aber mein Engagement für die Astronomie-Freizeiten hat überzeugt und seit Mai 2013 bin ich das erste und einzige blinde Mitglied.

Am 01.10.2015 erschien mein erstes Buch „Blind zu den Sternen – mein Weg als Astronom“ im Aquensisverlag Baden-Baden unter der ISBN-Nummer 978-3-95457-134-5  als gedruckte und als E-Book-Version. Der Druck ist so gestaltet, dass Menschen mit Restsehvermögen ihn gut lesen können. Das Buch kostet 14,00 Euro und wurde von der Marburger Blindenhörbücherei als Daisy-Buch produziert.