Am 10.02.2021 war Women Science Day. An diesem Tag finden viele Veranstaltungen statt, die ganz besonders das Lebenswerk von Frauen in Natur- und Technikwissenschaften würdigen. Bis heute sind, wie wir alle wissen, Frauen in MINT-Berufen noch immer sehr unterrepräsentiert. Diejenigen, welche die Flugbahn für das gesammte Mond-Programm berechneten, waren diskriminierte Frauen schwarzer Hautfarbe. Der sehr empfehlenswerte Film Hidden Figures zeigt das alles sehr gut.
Seit Anfang der 1960er Jahre flogen Menschen in den Weltraum. Die erste Frau im All war keine „weiße“ Amerikanerin, sondern Frau Walentina Tereschkowa, die 1962 im Rahmen des soviettischen Weltraumprogramms in eine Umlaufbahn um die Erde geschickt wurde. Bis heute ist sie übrigens die einzige Frau, die ohne männliche Begleitung flog.
Die zweite Frau im All war ebenfalls eine Kosmonautin, Swetlana Sawizkaja.
1983 startete die erste Amerikanerin ins all. Sally Ride war die erste US-Amerikanerin im Weltraum und nach den Kosmonautinnen Walentina Tereschkowa und Swetlana Sawizkaja die dritte Frau, die einen Raumflug absolvierte.
Im Zusammenhang mit Sally Ride gibt es übrigens eine sehr nette Geschichte die gut dokumentiert, wie sich Ingenieurs-Männer mit „Frauen-Sachen“ auskennen. Sie dreht sich um einhundert Tampons im Weltall.
In einer Folge des Podcasts @Mincorrect wurde sogar ein Song zu dieser Geschichte abgespielt.
Heute scheint mir, hat sich zumindest bei der Auswahl von Astronaut*innen ein etwas besseres Gleichgewicht eingestellt.
Bei der letzten Auswahl von Astronaut*innen der NASA 2017 wurden immerhin schon fünf Frauen von zwölf Bewerber*innen ausgewählt. Das sind
Zena Cardman, U.S. Marine Corps Maj
Jasmin Moghbeli, U.S. Navy Lt
Kayla Barron
Loral O’Hara
Jessica Watkins
Die Europäische Raumfahrtagentur ESA scheint da zumindest nach meinen Recherchen noch nicht ganz so weit und fortschrittlich zu sein. Im aktuellen Astronauten-Korps scheint es momentan nur eine Frau zu geben, nämlich Samantha Cristoforetti aus Mailand, Italien.
Im Podcast @Raumzeit von Tim Pritlove berichtet sie in Folge 11 über ihre Ausbildung zur Astronautin. In Folge 64 erzählt sie über ihren Aufenthalt auf der ISS.
Es ist hier offenbar noch viel zu tun bei der ESA und ihren Astronaut*innen.
Ab dem 31.03. sucht die ESA wieder neue Astronaut*innen. Hoffentlich bewerben sich viele Frauen und hoffentlich werden einige aufgenommen.
Wie die Situation im japanischen und chinesischen und den anderen Raumfahrtprogrammen aussieht, weiß ich momentan nicht.
Und jetzt gibt es zum Schluss des Artikels noch einen kurzen Beitrag, um eine große Astronomin zu würdigen.
Es geht um Henrietta Swan Leavitt
Henrietta Swan Leavitt, geboren am 4. Juli 1868 in Lancaster, Massachusett, gestorben am 12. Dezember 1921 in Cambridge, Massachusetts war eine US-amerikanische Astronomin. Sie entdeckte 1912 die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung, das heißt den Zusammenhang zwischen der absoluten Leuchtkraft der Sternklasse der Cepheiden (Helligkeitsveränderliche Sterne) und deren Perioden unterschiedlicher Helligkeit. Sie legte damit den Grundstein zur Verwendung der Cepheiden als Standardkerzen, um zunächst Entfernungen zu nahe gelegenen Galaxien bestimmen zu können.
Ich finde es äußerst bemerkenswert, dass es einen zuverlässigen Zusammenhang zwischen der Periode in welcher so ein Stern heller und dann wieder dunkler wird und der absoluten Helligkeit gibt. Somit eignet sich dieser Zusammenhang tatsächlich zur Entfernungsbestimmung, denn die Helligkeit konnte man schon ganz gut messen, und wenn man jetzt noch die „Blink-Periode“ betrachtet, dann klappt das mit der Entfernungsbestimmung schon ganz gut. Im Artikel Was haben Kerzen mit Astronomie zu tun beschrieb ich eine andere Art von Standardkerze, die auch zur Entfernungsbestimmung verwendet wird, wer das nochmal nachlesen möchte.
Levitts Methode reicht bis zu einer Entfernung von 20 Millionen Lichtjahren. Bevor Levitt diese Beziehung bemerkte, benutzten Astronomen Parallaxe und Triangulation die bis zu einigen hundert Lichtjahren benutzt werden können. Unsere Galaxie, die Milchstraße, ist aber schon 105700 Lichtjahre groß. Für das Messen von größeren Entfernungen benutzt man auch die maximale Masse von weißen Zwergen. Das ist aber eine andere Geschichte…
Für Astronomie interessierte sie sich bereits schon in der Schule. Durch eine Krankheit wurde sie fast vollkommen taub. Trotzdem bekam sie 1895 am Harvard College Observatory eine Volontärstelle, und sieben Jahre später wurde ihr eine feste Anstellung angeboten (für 30 Cent die Stunde). Dort beobachtete und katalogisierte Leavitt veränderliche Sterne, allein 1904 konnte sie 172 veränderliche Sterne in der großen und 59 in der kleinen Magellanschen Wolke entdecken. Ihre Beobachtungen musste sie auf die Auswertung von Fotografien beschränken, weil Frauen der Gebrauch des Teleskops verboten war.
Interessant ist an dieser Stelle, dass der gehörlose Astronom John Goodricke sich mit ganz ähnlichen Dingen beschäftigte. Die beiden konnten sich nicht gekannt haben.
Über ihn schrieb ich in meinem Buch in „Wissenschaftler mit vier Sinnen“.
Ein Jahr darauf berichtete sie von 843 neuen veränderlichen Sternen in der kleinen Magellanschen Wolke. 1912 entdeckte Leavitt die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung bei Cepheiden.
1913 gelang dem Astronomen, Ejnar Hertzsprung dann die Bestimmung der Entfernung einiger Cepheiden der Milchstraße, womit die Entfernung zu allen Cepheiden kalibriert werden konnte. Als 1920 durch Edwin Hubble Cepheiden identifiziert wurden, die Millionen Lichtjahre entfernt lagen, wies er mit Hilfe des Modells von Leavitt nach, dass es sich dabei um Sterne in anderen Galaxien wie in der Andromedagalaxie handelte. Auch konnten erstmals Entfernungen zwischen verschiedenen Galaxien bestimmt werden. Vor diesen Entdeckungen konnte man nur mit Entfernungen bis zu 100 Lichtjahren rechnen, danach stellten Distanzen bis zu 10 Millionen Lichtjahren kein Problem mehr dar.
In all den Jahren der Beobachtung des Sternenhimmels konnte Leavitt vier Novae beobachten und über 2400 neue veränderliche Sterne entdecken. Außerdem entwickelte sie eine neue photographische Messtechnik, die 1913 internationale Anerkennung fand und unter dem Namen Harvard-Standard bekannt ist.
Henrietta Swan Leavitt gilt als Pionierin der Wissenschaft, und das nicht nur, weil sie eine der wenigen und ersten Frauen in höheren Wissenschaften war. Sie war Mitglied in diversen Verbindungen wie
Phi Beta Kappa, der American Association of University Women,
der American Astronomical and Astrophysical Society,
der American Association for the Advancement of Science
und ein Ehrenmitglied der American Association of Variable Star Observers.
1921 starb Henrietta Swan Leavitt an Krebs. Zu ihren Ehren tragen der 1973 entdeckte Asteroid (5383) Leavitt und ein Mondkrater (Mondkrater Leavitt) ihren Namen. In Unkenntnis ihres Todes erwog der schwedische Mathematiker Gösta Mittag-Leffler 1925, Leavitt für einen Nobelpreis vorzuschlagen. Da dieser jedoch nicht postum verliehen wird, ging sie letztlich leer aus.
nun meldet sich auch der Blindnerd mit einem etwas länglichen Artikel zurück im Jahre 21. Ich hoffe, ihr konntet alle das etwas andere Weihnachten und das etwas andere Silvesterr trotz allem genießen. Ich hatte es mit einem Freund und seiner Familie in Saarbrücken sehr schön. Es war beschaulich, gemütlich und sehr entspannt.
Dank an ihn und seine Familie, dass sie mich für zehn Tage beherbergt haben, ansonsten wäre die Zeit im Lockdown sehr einsam für mich geworden. Selbstverständlich lief hier alles im Rahmen des Erlaubten und ggf. unter der Maske ab.
OK, die Weihnachtszeit liegt hinter uns. Hoffentlich können und dürfen wir die nächste Weihnachtszeit wieder etwas lockerer in gewohnter Weise feiern.
Es ist zwar etwas spät, wenn ich euch heute von einem Weihnachtsgeschenk, von einem sehr astronomischen Weihnachtsgeschenk erzähle, zumal das neue Jahr quasi schon im Gange war, als ich es per Post zugestellt bekam, aber das ist in der Geschichtsschreibung nichts ungewöhnliches, dass Ereignisse, z. B. Kriege, deren Siege oder Niederlagen, Naturkatastrophen, ja auch Ausbrüche von Pandemien oder Feuersbrünsten später im Nachhinein astronomischen Ereignissen oder Gegebenheiten zugeordnet wurden. Daten werden hierzu beispielsweise Erscheinungen von Kometen oder Sonnen- und Mondfinsternissen zugeordnet. Da wird dann halt noch etwas an der Geschichte geschraubt, dass es wieder passt. Das tue ich heute auch, indem ich ein quasi sagen wir Geschenk, dass ich eher zu Dreikönig als zu Weihnachten bekam, als mein schönstes Weihnachtsgeschenk bezeichne. Später werden die Geschichtsschreiber die zeitliche Lücke vielleicht Problemen der Paketzustellung zuschreiben, denn dass mein Geschenk kein Weihnachtsgeschenk gewesen sein soll, wo doch noch die große Konjunktion, quasi der Weihnachtsstern am Himmel stand, wird niemand im nachhinein behaupten wollen. Vielleicht wird man dereinst Corona der Erscheinung des Kometen Neowise zuordnen. Ich schrieb in meinen Kometengeschichten 4 darüber.
So einfach geht es, dass man, in meinem Fall harmlosen Schwurbel erzeugt. Hüten wir uns vor bösem Schwurbel, der sehr gefährlich sich schlimmer noch, wie das Virus selbst, auf der Welt momentan verbreitet und weit größeren Schaden hinterlassen kann, als das Virus, aber lassen wir das für den Moment und wenden uns dem Geschenk nun zu…
Die Ankunft
am 04. Januar erhielt ich plötzlich einen Anruf von meinem ehemaligen Geschichtslehrer, Freund, Mentor und bis heute Chorleiter, dietmar. Das ist an sich nichts ungewöhnliches, dass der mich anruft, da uns vor allem musikalisch viel verbindet. Ich singe voll Begeisterung in seinem Ehemaligenkor der Blindenschule, in welcher er vierzig Jahre lang unterrichtete und mittlerweile seit ungefähr anderthalb Jahrzehnten seinen wohlverdienten Ruhestand genießt. Er leitet diesen Chor bis heute, unterstützt unsere Folk-Gruppe Soultouch, die sich aus diesem Chor gebildet hat, ich darf bei Auftritten und Proben stets die Tonaufnahmen ziehen und dann versuchen, sie am PC so hin zu bekommen, dass man sie durchaus auch mal auf die eine oder andere Weise veröffentlichen kann, z. B. auf CD.
Es ist also nichts besonderes, dass er mich anruft, zumal ich hier noch einige Abmischungen in der Pipeline habe und wir eine Oster-CD planen.
Anstatt musikalischer Dinge fragte er mich plötzlich, an welche Adresse er mir etwas schicken könnte. Er habe ein etwa 50 cm im Quadrat großes Paket für mich und würde mir das gerne schicken. „Du liebe Güte“, dachte ich. Was soll das denn sein. Liedtexte in Punktschrift schieden aus, denn die schickt er mir elektronisch und ich drucke sie dann. Verstärkt wurde die Spannung noch dadurch, dass er darum bat, dass wir das Paket gemeinsam öffnen, also ich solle ihn anrufen, und er leitet mich an, wie das Teil zu öffnen sei.
Er nannte seine Verpackung „Böhringer-Verpackung“, so heißt er, und ich kann euch sagen, das ist sie auch.
Am Donnerstag nach Dreikönig erhielt ich nun dieses große, flache Etwas.
„Will er mir jetzt ein Bild schenken?“ war mein erster Gedanke. Das wäre ja dann vielleicht nicht ganz das passende Geschenk für einen Blinden. „nein, das kann ich mir nicht vorstellen“, aber wie ein gut verpacktes Bild fühlte es sich tatsächlich an. Die Verpackung besteht aus einem Holzrahmen aus vier Leisten, einer Rückwand aus Karton, einem Deckel auch aus Karton und alles war äußerst raffiniert und kunstvoll mit hochwertigem Tape verklebt. Nicht zuletzt hatte das Paket noch eine Trageschnur. Ich hielt meine Neugierde aus und wartete auf seinen Anruf, damit wir den Schatz gemeinsam heben würden, wie ich es ihm versprochen hatte.
Die Schatzhebung
Sein Anruf kam am Freitag Abend. Allerdings zunächst etwas ungünstig, da mir wenige Minuten vorher ein Bote etwas anderes flaches in einem Karton vorbei brachte, eine Pizza. So vertröstete ich Dietmar auf später, öffnete ein Fläschchen wein und versorgte die Pizza in meinem Bauch. Dann suchte ich meine Ausrüstung,
Messer,
Schere,
Headset für die freien Hände,
Telefon,
mein Weinglas, das Teleskop des blinden Astronomen
das Paket
zusammen, setzte mich aus Platzgründen auf meinen Wohnzimmerteppich und rief ihn an. Ich hatte mir schon ausbedungen, wo ich das Messer zuerst ansetzen würde. Sofort kam von ihm die Warnung, dass ich um Himmels willen nichts und nirgendwo schneiden solle. „Wie soll das dann aufgehen“, dachte ich mir. „Hat er dafür einen Zauberspruch?“
Nein, den hatte er nicht, sondern etwas viel besseres. Er dirigierte meine Hände über den Deckel des Paketes, indem ich zuerst den Ausgangspunkt, den Adressaufkleber finden sollte. Von dort aus ging es dann in verschiedene Richtungen an die Ränder des Paketes, wo ich die Verklebung fühlen konnte. Und was war das. Da gab es wirklich nichts zu schneiden. Dietmar hatte die Tapestreifen so verlängert, dass er sie zu Laschen umschlagen konnte. Ein kurzer Ruck an jedem, ein deutlich hörbares Ratschen und der Klebestreifen ließ sich rückstandsfrei öffnen. Es war halt sehr gutes Klebeband. Ich erkannte es sofort. Damit verklebten wir über dreißig Jahre unsere Kabel am Boden unterschiedlichster Bühnen, wo ich mit verschiedensten Bands auftrat. Ob Hochzeit, Tanzabend, Schulfest, Folk-Fest etc. dieses Klebeband hielt quasi unsere Bands, zumindest unsere Ausrüstung zusammen und niemand stolperte über seine eigenen Kabel und Füße. Übrigens war ich von 1986 – 1989 Gründungsmitglied, Bassist und Sänger in der Schulband, der Schule, an welcher Dietmar unterrichtete und ich Schüler war. Abends und nachts schrien wir unsere Seelen in die Mikros, und tagsüber mussten wir uns dann müde und verkatert durch Dietmars Geschichtsunterricht quälen, der aber meistens ganz interessant war.
Die Schule, um die es ging, ist die Nikolauspflege Stuttgart, eine Ausbildungsstätte für Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung.
Tja, solche Erinnerungen kommen einem, wenn sich Freunde so lange kennen, miteinander telefonieren und man dieses Klebeband in Händen hält. Also, nun waren alle Laschen gelöst und ich konnte den Deckel von mir weg aufklappen.
Die Erkundung
Nun tastete ich und tastete, fühlte dicke und dünnere Punkte auf Folie, manche davon waren durch Striche miteinander verbunden, und bei genauerem Tasten fand ich sogar Beschriftungen in Punktschrift.
Und da durchfuhr es mich. Ähnlich dem klaren und lauten C-Dur-Akkord, der in Joseph Haydns Schöpfung heraus bricht, als „Es werde Licht“ gesprochen wird, bei dem es mir immer, wenn ich nur an diesen Klang denke, kalt den Rücken herunter läuft, so geschah es mir auch jetzt. Mit Wucht und Klarheit traf es mich. Was hier vor mir auf dem Boden lag, ist eine taktile Sternnkarte. „Wo hat er die denn jetzt wieder ausgegraben“ fragte ich ihn. Ihr müsst wissen, dass solche tastbaren Sternenkarten äußerst selten sind, fast so selten wie die Zauberringe der Elben aus Herr der Ringe und aus dem kleinen Hobit.
Sie sind äußerst schwer herzustellen.
Exkurs über die Herstellung der Sternkarte
Man musste damals, als es noch keine 3D-Drucker, keine graphikfähigen Braille-Drucker und keine Lasercutter gab, mühsam das Modell der Karte auf einem Brett erstellen. Zunächst muss man die Karte zeichnen, bzw. eine auf das Brett kleben, was meist ob der Größe, die man zum Ertasten benötigt nicht ausreicht, also muss man sie skalieren, vergrößern und irgendwie für die Modellierer*in sichtbar auf das Brett aufbringen. Dann werden die Löcher für die Sterne gekörnt (angebohrt). Danach müssen Alle Verbindungsdrähte geschnitten werden, welche dann mit den Sternen als Ecken die Sternbilder ergeben sollen. Linien, die es am Himmel nicht gibt, aber die wir uns in unserer äuropäischen Kultur schon seit der Antike so ausgedacht haben, um Orientierung am Himmel zu haben. Und da ist gleich noch ein Problem. Der Himmel befindet sich an der Innenseite einer Halbkugel, die sich über uns wölbt. Das Brett aber ist flach. Hat jemand von euch schon mal versucht, z. B. einen abgeblasenen Ball flach auf einen Tisch zu legen? Es wird niemals ohne Falten gehen, weil eine Kugel einfach eine Kugel ist. Auf ihr herrscht eine völlig andere Geometrie als auf einem Brett. Dort ist die Ggeometrie flach. Das bedeutet, dass ein Dreieck eine Winkelsumme von 180 Grad besitzt.
Auf einer Kugel kann man drei Linien sich rechtwinklig so schneiden lassen, dass man ein Dreieck mit drei rechten Winkeln, also 270 Grad als Winkelsumme bekommt.
Stellt euch z. B. einen Globus mit seinem Äquator vor. Nun wählen wir uns einen Längengrad, z. B. den Null-Meridian. Wir führen ihn auf dem Globus weiter, bis sich die Linie schließt. Nun nehmen wir einen weiteren Längengrad, der an den Polen mit dem ersten einen Winkel von 90 Grad bildet. Das tuen die beiden Längengrade mit dem Äquator auch,
Und siehe da. Wir haben Dreiecke mit drei rechten winkeln.
Also muss auch das immer dann beachtet werden, wenn man flache Karten zeichnet. Erstellt man einen Grundriss einer Wohnung, oder vielleicht noch eines Hauses, dann schlägt die Erdkrümmung noch nicht so sehr zu, aber Geodäten (Weltvermesser) bekommen es dann schon mit der Kugelform der Erde zu tun, vor allem auch bei Seekarten etc.
Wer einen Globus mit einer flachen Weltkarte vergleicht, auf welcher noch die Längen- und Breitengrade eingezeichnet sind, wird die Verzerrung deutlich fühlen. Das schlägt am Himmel natürlich auch zu.
Nun werden einzeln die Sterne genagelt, verschraubt und miteinander mit den Drähten verbunden, dass sich langsam die Sternbilder aufbauen. Das ist sehr kniffelig, denn die Drähtchen sollen sich ja auch nicht verbiegen und die Nägel oder Schrauben nicht krumm sein. Bei meiner Karte hier hat sich der Schöpfer sogar die Mühe gemacht, dickere und dünnere Nägel für unterschiedlich helle Sterne zu verwenden. So ist z. B. der Sirius sehr dick. Nun müssen die Schildchen für die Blindenschrift geschrieben werden. Ohne Computer war das früher nur so möglich, dass die sehende Modellierer*in die Punktschrift selbst mit einer Punktschrifttafel oder Punktschriftmaschine erzeugen kann, bzw. es muss eine blinde Person zu Rate gezogen werden, die das erledigte.
Sorry, ihr Lehrer*innen, die ihr blinde Menschen unterrichtet. Wer von euch kann das noch ohne Computer und Punktschriftdrucker?
Ich kenne sogar blinde Menschen, die nicht mehr auf einer Punktschrift-Tastatur klar kommen. Ist ja dank der modernen Technik auch nicht mehr so wichtig, aber ich denke doch, dass zumindest geburtsblinde Menschen, oder solche, die die Beeinträchtigung relativ jung erwerben, das noch lernen sollten. Ohne Punktschrift auf Papier schreiben zu können, hätte ich, nur an der Braille-Zeile arbeitend, meine Mathematik-Studien an der Uni niemals geschafft.
Nun ist das Modell, die Vorlage fast fertig.
Es muss nun noch für die Vakuum-Maschine präpariert werden, damit man mit dem Tiefzieh-Verfahren Folienabzüge davon anfertigen kann.
Exkurs über das Tiefzieh-Verfahren in der Welt der Blinden
Das Tiefzieh-Verfahren funktioniert so, dass man eine Folie auf das Modell legt, und beides dann in den Tiefzieh-Ofen schiebt. Ein Klapprahmen am Rand verhindert das Verrutschen der Folie. In diesem Apparat wird nun die Folie durch Erwärmung weich gemacht. Gleichzeitig wird von unten die Luft aus dem Ofen gesaugt. Dieses Vakuum zieht nun die weiche heiße Folie über das Modell. Kühlt man das ganze dann ab, bleibt ein Folienmodell der Sternenkarte zurück. Dies kann man nun mit neuen Folien wiederholen, und erhält dann mehrere Kopien des Modells.
Der Teufel steckt aber auch hier im Detail. Durch ein hartes Brett lässt sich kein Vakuum ziehen. Das muss die Modellierer*in bedenken und kleine Löcher in die Platte bohren, damit durch diese die Luft abgesaugt werden kann. Verteilt man diese Löcher nicht richtig auf dem Brett, dann passiert es, dass das Vakuum ungleichmäßig gezogen wird, die Folie dann falten wirft, die man im Nachhinein nimmermehr heraus bekommt und die Folie ist dann kaputt. Auf diese Weise haben unsere Lehrer früher mit Punktschrift-Vorlagen auf Papier, die sie von Hand mit einer Punktschriftmaschine abschreiben mussten, Folienkopien für uns erstellt. Normalerweise durften wir diese Folientexte natürlich behalten, denn wir mussten deren Inhalt ja noch lernen… Zu Zeiten der Ölkrise Anfang der 70er Jahre wurden die teuren Folien aber wieder gesammelt und neu eingeschmolzen. Daran kann ich mich noch als kleiner sechs oder siebenjähriger Schüler erinnern, das das gemacht wurde.
Der Fund
Also, nun lag dieses sehr aufwändig hergestellte Geschenk vor mir und ich war den Tränen vor Rührung nahe und musste erst mal an meinem Weinchen nippen.
Wie kam ich zu der Ehre, dass mein Freund mir eine solche Karte schenkt?
Wo hat er sie gefunden?
Wie alt mag sie sein?
Gibt es die Vorlage dafür noch?
Lebt der Hersteller der Vorlage noch?
Wie kann ich demjenigen danken, der die Kopie für mich gezogen hat
Wie kann ich Dietmar und den hilfreichen Personen das je danken?
Das waren so Fragen, die mir da demutsvoll durch den Kopf gingen.
Es ist so, dass es vermutlich an nahezu allen Blindenschulen noch Speicher, Keller und Abstellräume gibt, wo noch derlei Schätze lagern. Heute lagern die Modelle nur noch auf Festplatten von Computern oder in Clouds, damit sie für die Nachwelt verfügbar bleiben.
Dietmar interessiert sich schon immer, schon auch als Historiker, für alte Sachen. Er findet solche Schatzgruben und hütete sie auch, als er noch nicht pensioniert war.
Er hütete sie nicht nur, sondern verwendete sie in seinem Unterricht. Einmal, als ich in einer Pause entweder einem Mädchen nachgehen wollte, eine Zigarette rauchen oder einfach nur ein biologisches Grundbedürfnis hatte, rief er mich plötzlich in seinem schwäbischen Dialekt an.
Kosch Dur mir amol helfe, ebbes zum trage? Mir brauche des bei euch in der nächste Stond.
Willig und damals noch den Lehrern hörig, ließ ich von meinem geplanten Vorhaben ab, erklärte mich freundlich bereit und folgte ihm in seinem schnellen Schritte in einen Raum, in dem ich vorher noch nie gewesen war. Moderig und stickig war dort die Luft. Besonders viel Licht gab es dort auch nicht, was ich damals noch sehen konnte. Was er getragen haben wollte war ein etwar 120 auf 80 cm großes Modell eines Schützengrabens, dessen Funktionsweise er uns in seinem Geschichtsunterricht näher bringen wollte. „Um Gottes Willen“, mag da mancher pazifistisch orientierte Alt-Achtundsechziger Pädagoge gedacht haben. „Wieso muss man Blinden so etwas zeigen“. Ich denke, man muss schon. Dinge werden nicht dadurch besser, indem man sie verschweigt. Auf jeden Fall war das Ding aus Gibs gemacht, aus sehr vielen Kilo Gibs. Mein Rücken erinnert mich vermutlich manchmal noch heute an diese eine kleine Pause, an diese einen schneidendenSchmerzen in meinem Rücken. Zumindest kommt die Erinnerung daran, wenn er mal wieder zickt. Die Liebe zu Dietmar ist es aber Wert, sich auch mal über seinen Rücken an ihn zu erinnern. Nein, Quatsch, aber ich glaube, ich hatte bis da hin noch nie so etwas schweres in meinem leben getragen.
Aber zurück zum Archiv, Du alter Schwätzer…
In solch einem Archiv stieß er wohl auf die Vorlage zu dieser Sternenkarte. Da das Modell noch in Takt schien, wendete er sich an einen Lehrer, einem Bruder im Geiste, der noch an dieser Schule arbeitet und bat ihn, einen Folienabzug von dieser Karte extra für mich zu erstellen.
Wer das Modell, ich vermute mal in den siebziger Jahren des letzten jahrhunderts erstellt hatte, lässt sich leider nicht mehr genau sagen. Dieser Lehrer lebt mit Sicherheit auch nicht mehr. Es gibt mehrere Kandidaten, die dafür in Frage kämen, von denen mein pensionierter Freund noch welche kannte. Entweder ein Lehrer hat das Modell in seiner Freizeit erstellt, wie das noch zu meiner Zeit oft geschah, oder es gab auch Angestellte, die als Modellbauer an Blindenschulen arbeiteten. Heute heißen diese Zentren Medienzentren und deren Hauptwerkzeuge sind Computer und Spezialdrucker.
Diese technischen Entwicklungen haben natürlich den enormen Vorteil, dass man Modelle über Dateien leicht austauschen und auf Plattformen für alle zugänglich speichern kann, welche über die entsprechende Ausrüstung verfügen.
Das hat den Vorteil, dass diese so erstellten Modelle gleich allen zur Verfügung stehen. Früher haben sperrige Holz-Modelle u. Ä. die Mauern einer Blindenschule nie verlassen. Wollte beispielsweise eine andere Blindenschule auch eine Sternenkarte haben, dann wurde das Rad eben neu erfunden.
Der Pädagoge erwacht
Nun erzählte mir Dietmar, wie die Karte funktioniert. Zum Glück habe ich schon viel Erfahrung mit taktilen Sternkarten. Ich suchte sofort in ihrem Zentrum den Nordstern, den großen Wagen, der zum großen Bären gehört, die nördliche Krone und dann nach und nach die verschiedenen Sternbilder weiter außen. Bei den Tierkreis-Zeichen ist neben der Beschriftung in Punktschrift weiter außen noch ein Ring mit kleinen Modellen der Tiere angebracht, z. B. ein Fisch, ein Widder etc. So sprachen wir noch lange und erzählten uns auch gegenseitig unsere Eindrücke und auch Geschichten zu den verschiedenen Konstellationen. Mein Freund wollte absolut sicher gehen, dass ich alles auf dieser Karte erkenne. Er wollte sicher gehen, dass die Karte mich nicht enttäuscht. Ja, das dachte er wirklich. Ich weiß nicht wieso. Er ahnt nicht, oder vielleicht langsam, was für eine ungeheure Freude er mir da gemacht hat. Diese Karte ist weit mehr, als nur eine Sternkarte.
Sie verbindet mich mit ihm.
Sie verbindet mich mit dieser Schule. Ohne auf diese Schule gegangen zu sein, wäre ich niemals Astronom geworden.
Sie verbindet mich mit dem besten Physik- und Chemieunterricht, den ich je hatte. Ein ganzes Kapitel in meinem Buch, Blind zu den Sternen widmete ich diesem Unterricht, den ich an dieser Schule genießen durfte. Leider kann auch diese Lehrerin nicht mehr erleben, was sie mit ihren Stunden für einen Samen in mein Herz gesäht hat, und wie der aufgegangen ist.
Zusammenfassung, wie die Karte nun aussieht
Es gibt ganz unterschiedliche Sternkarten. Je nach dem, was man damit machen möchte. Ich besitze derlei vier, wenn ich die digitale Universe2Go-App dazu zähle.
Die einfachste Sternkarte, die ich besitze, kann ich eigentlich nicht nutzen. Man kann zwar die Leuchtfarbe und somit die Sternbilder ertasten, aber damit macht man sie auf Dauer kaputt, weil der Fingerschweiß sicherlich das Papier und diese spezielle Farbe zerstört.
Sie ist eine Tabelle aller Sternbilder. Sie ist auch ein wertvolles Stück aus der Zeitschrift Yps, die mein Jahrgang vielleicht noch kennt. Da waren immer so lustige Bastel-Sachen drin. Die Sternbilder auf dieser Karte leuchten nachts, wenn man sie z. B. mit einer Taschenlampe dazu anregt. Damit kann man eigentlich nur vergleichend nach dem suchen, was man am Himmel gerade gesehen hat. Somit ist sie eher nicht zur Orientierung günstig, denn aufgehende Sternbilder verändern ihre Winkel und welche, die nicht unter gehen, sieht man sogar auf dem Kopf. Wertvoll ist mir dieses gute Stück, weil ich es von einem Freund und ehemaligen Arbeitskollegen erhalten habe, der meinte, bei mir wäre es besser aufgehoben. Er liest hier mit, und somit brauche ich seinen Namen, er heißt Michael, hier nicht zu nennen. Ich bin stolz auf unsere Freundschaft und auf die Sternkarte natürlich auch. Leider habe ich noch kein Foto davon für euch. Müsste ich mal nachts machen lassen, wenn sie leuchtet. Ob das geht?
Die üblichsten Sternkarten sind rund und drehbar. die untere Scheibe zeigt, z. B. wie die Karte von Dietmar, den Nordhimmel. Damit man sich in diesem Wimmelbild besser zurecht findet, ist die Sternkarte mit einer Deckscheibe versehen, die eine Öffnung hat. Außen, wo sich die Tierkreiszeichen befinden, verfügt so eine Planasphäre noch zwei ringförmige sie umlaufende Skalen. Hier kann man Monat, Tag und Urzeit der Beobachtung einstellen. Oft auch nur Monat und Tag. Dann werden von der oberen Scheibe alle Sterne abgedeckt, die man zu dieser Einstellung eben nicht sehen kann. Dann findet man sich schon etwas besser zurecht.
Solch eine alte taktile Karte besitze ich auch. In der Schweiz hat sich vor sicher mehr als vierzig Jahren mal jemand die Mühe gemacht, so etwas für uns Blinde zu erstellen. Auch ich habe diese Karte aus dem Speicher unseres Institutes vor vielen Jahrzehnten gerettet. Ansonsten wäre sie längst schon verfallen. Ihre Folie wird schon langsam brüchig, und ich zeige sie nur noch ganz Hand verlesenen leuten.
Ihr, liebe Leser*innen gehört natürlich dazu. Hier ein Foto, wie ich mit der Karte arbeite.
An der Sternwarte St. Andreasberg ist eine sprechende Himmelsscheibe entstanden, die auf so einer Karte beruht. An deren Entwicklung war ich nicht beteiligt, aber ein blinder Physiker aus Kiel und der Verein Andersicht e. V., dessen Mitglied ich bin.
Nun ja, und jetzt haben wir eben noch die neueste wunderbare historische Karte aus der Nikolauspflege, gefunden von Dietmar, Kopiert für mich von einem Lehrer, der noch an dieser Schule arbeitet und gezeigt und präsentiert von mir.
Ihr könnt sie euch so vorstellen, wie das untere Blatt einer drehbaren Sternkarte. Sie hat außen keine Zahlen, um Datum und Urzeiten einzustellen und auch kein rundes Deckblatt, was einem den gewünschten Himmelsausschnitt zeigt.
Ich hoffe, dass man sie auf den Fotos gut sehen kann, denn sie ist ja nur taktil und einfarbig.
So, meine lieben.
Das war alles, ihr Leute,
das war alles für heute,
das war ein teil aus meinem Repertoire.
Dieser Artikel gebührt der Ehre für
Dietmar Boehringer, der die Idee hatte, mir von seinem Fund eine Kopie ziehen zu lassen.
Sie gebührt auch dem Lehrer, der die Kopie zog, und deshalb noch mein signiertes Buch erhalten wird,
meinem Freund Michael, der mir die Yps-Karte überlies,
dem Speicher unseres Institutes, der die drehbare Karte für mich bewahrte
vielen Mitarbeitern unseres Institutes, die mit mir gemeinsam meine taktilen Astromappen und Modelle entwickelten
meinen Vorgesetzten, die das alles mit tragen
Martin, der mit mir gemeinsam Universe2Go auf eine Ebene hebte, dass Orientierung am Himmel für uns nun klare Wirklichkeit ist.
Diese alle haben für uns blinde Menschen ein Tor geöffnet, das Tor zum Himmel.
Liebe Leser*innen,
Ungewöhnliche Zeiten erzeugen ungewöhnliche Workflows. Noch nie habe ich einen Artikel geschrieben, veröffentlicht, verändert, und aktualisiert, um ihn dann wieder vom Netz zu nehmen, um euch eine komplett neue und überarbeitete Version anzubieten. Genau das ist mit meinem Jahresrückblick 2020 geschehen. Wer also schon den alten Artikel von vor drei Tagen gelesen hat, wird hier, in der neuen Version noch viele schöne weitere Dinge finden.
Also, was lernen wir daraus? Ein Schritt zurück kann manchmal viel bringen.
Genug der vorrede. Auf zum Artikel.
lange habe ich mir überlegt, wie sich mein Jahresrückblick in diesem schwierigen Jahr gestalten soll. Ich musste Ersatz dafür finden, wo ich sonst reichlich von meinen Veranstaltungen berichten konnte. Somit wird dieser Jahresrückblick ein etwas anderer werden, wie so vieles in diesem Jahr anders ist. Keine Sorge, es wird ein positiver Rückblick sein, denn im Rückblick konnte ich genügend Inhalte finden, dass es hoffentlich für einen schönen Jahresabschluss reicht.
Also los:
Das Jahr 2020 fing eigentlich ganz positiv an.
Im Grunde wäre ich bis Ende November 2020 mit ungefähr 20 Workshops und Vorträgen an unterschiedlichsten Orten reichlich ausgebucht gewesen. Geplant war, das 2020 das Jahr der Schulen werden würde. Ganz viele Veranstaltungen sollten in verschiedenen Schulen stattfinden. Nun ja, es kam eben anders, aber einige Lichtblicke gab es doch. Daran muss man sich in schweren Zeiten erfreuen, und mit etwas Übung gelingt das auch, zumindest durfte ich diese Erfahrung machen.
Verpacke mich doch als Geburtstagsgeschenk
Ende 2019 erhielt ich eine besondere Anfrage aus Baden-Baden. Eine ganz liebe Frau wollte ihrem Mann zu seinem 50sten Geburtstag eine besondere Freude bereiten. Sie bat mich, dass ich ihrem Mann einen Abend lang für seine astronomischen Fragen zur Verfügung stünde. Sie meinte, dass er sich so sehr dafür interessiere, und in seinem Umfeld niemanden hätte, mit dem er sich in diesen Dingen austauschen könne. Zunächst konnte ich mir nicht richtig vorstellen, wie das ablaufen soll, aber das war für mich ein Grund, dieses Ereignis zu wagen. Also sagte ich zu. Wir trafen uns somit in relativ kleinem Rahmen in einem Nebenraum im Kurhaus Baden-Baden Wer dort schon mal war weiß, dass das Buffet und der Wein dort legendär sind. Und so fragte mich das Geburtstagskind Kreuz und quer astronomische schwarze Löcher in den Bauch. Das war eine große Herausforderung, denn der Mann wollte sehr schwierige Dinge wissen, die für sich genommen alleine schon ein abendfüllendes Programm gewesen wären. Außerdem musste ich immer wieder mit scheinbaren Zusammenhängen aufräumen, die er sich so gemacht hatte. Das reichte teilweise von Fehlinformation bis hin zu Schwurbel.
Wie auch immer. Ich durfte einen Menschen sehr glücklich machen. Und so konnte ich viele Fragen zwischen den verschiedenen Gängen zum Buffet und reichlich Wein beantworten. Ich sage es ja immer.
Das beste Teleskop des blinden Astronomen ist das Weinglas.
Ein Astronom und ein Mediziner
Ende Januar hatte ich einen Auftritt ganz besonderer Art. Ich durfte gemeinsam mit einem Schlaf-Forscher einen Informationsabend über die zyklische Schlaf-Wach-Störung Non-24, die manche zu 100 % von Geburt an erblindeten Menschen haben, gestalten. Mondphasen gleich verschiebt sich das Wach-Fenster in wenigen Wochen durch den 24 Stunden tag, was das Leben sehr einschränken kann. Und hier konnte ich z. B. mit den Mond-Phasen und anderen zeitlichen Phänomenen anhand der Astronomie die Krankheit gut veranschaulichen. Teil eines medizinischen Vortrages zu sein war wirklich etwas ganz speziell eigenes. Es hat aber sehr gut funktioniert. Der Mediziner und ich ergänzten uns perfekt.
Ich schrieb darüber ausführlich in Wenn alles aus dem Takt gerät.
Was bei Kindern immer geht
Ende Februar war ich zu einem Kindergeburtstag geladen. Das Geburtstagskind ist sehr weltraumbegeistert. Seine Mutter backte eine Donauwelle die so gestaltet war, wie eine Spiralgalaxie. Workshops bei Kindern begeistern mich immer sehr. Es gibt nichts schöneres als Kinderfragen. Außerdem hatten die Kinder im Vorfeld Raketen und Raumschiffe gebastelt. Daraus machten wir dann einen kleinen Wettbewerb. Die Legorakete und mein Leuchtmond wollten sie gar nicht mehr her geben, aber ich konnte sie dann doch überzeugen, dass ich die Sachen ja auch noch anderen Kindern zeigen wolle. Die Kinderfragen waren so zahlreich und so verschieden, dass ich sie hier gar nicht aufzählen kann. Ich bin immer wieder darüber verblüfft, wie viel astronomisches Wissen die Kinder in ihre Kinderwelt einbauen.
Astronomie ist ein fairer und inklusiver Zugang zu Kindern aller Schichten und sonstiger Unterschiede. Alle, die vielleicht mal erwägen, derlei mit Kindern zu versuchen, sei mein Artikel Astronomie für benachteiligte Kinder wärmstens ans Herz gelegt. Astronomie lässt sich auch hervorragend mit Kindern wunderbar mit Sport verbinden. In meinem Artikel Astrosport beschrieb ich, wie Sportstudenten so etwas inklusiv realisierten.
Anmerken möchte ich an dieser Stelle noch, dass es, wenn das vielleicht auch manche vermissen werden, in meinen Vorträgen trotz Einverständnis der Eltern, niemals Kinderfotos geben wird. Das ist mit den heutigen Möglichkeiten einfach zu gefährlich, was damit alles werden kann. Das Internet vergisst nichts und Kinder sind dagegen wehrlos, wenn man sie im Netz präsentiert. Dafür bitte ich um Verständnis.
Ich bin dann mal wech
Dieser Vortrag war dann erst mal der letzte vor Lockdown1.
Der zwang mich natürlich auch zunächst mal in eine gewisse, nennen wir es mal positiv „Kreativ-Pause“. Ich musste die ganzen Konferenz-Tools bedienen lernen. Dann konnte ich mir erst darüber Gedanken machen, ob mein Angebot zumindest in Gewissem Umfang nicht auch online möglich wäre.
Dass mir der Lockdown durchaus nicht nur so leicht von der Hand ging, beschrieb ich ausführlich in meinem Corona-Report.
Gehversuche Rampensau Online
Gesagt, getan. Gemeinsam mit einem befreundeten Astronomen und Familienvater, im Hauptberuf Lehrer, planten wir zu Ostern zwei Kindervorträge. Wir sprachen vor allem darüber, wie Ostern astronomisch funktioniert, über Frühlingsbeginn und vieles mehr. Der Vater unterstützte mich tatkräftig. Er zeigte auf seinem geteilten Bildschirm Fotos, spielte Videos ein und somit hatten wir fast ein kleines Planetarium am Start. Natürlich hielt auch ich Dinge in die Kamera. Leider waren die meisten Modelle im Büro, so dass ich mich mit dem wenigen begnügen musste, was eben gerade verfügbar war. Die Kinder hatten großen Spaß daran, mich mit Richtungsangaben so zu dirigieren, dass das Modell gut für alle zu sehen war. Ich setzte die Anweisungen manchmal absichtlich etwas falsch um. Dann schrien sie durcheinander und es wurde ein lustiges Spiel daraus. Auf jeden Fall war das ganze dann so richtig inklusiv und hat sich wirklich für alle gelohnt.
Aus diesem Vorträgen hier mal als Beispiel eine Kinderfrage:
Zum Schluss gab es dann auch noch eine virtuelle Ostereier-Sternensuche, die mein Freund vorbereitet hatte.
Um ein Osterei der besonderen Art drehte sich dann schließlich auch mein Oster-Artikel 2020, Das Kosmische Ei.
Geht doch!!!
Sehr bald schon stellte sich heraus, dass der Lockdown meiner Kreativität für den Blog sehr gut tun würde. Ich konnte zu vielen Themen schreiben. Ganz besonders stolz war ich, als ich mit euch den einhundertsten Artikel feiern durfte. Scheinbar hat sich das auch auf große Zeitungen übertragen. Völlig überrascht war ich, als ich plötzlich von einem Freund erfuhr, dass ich einen Artikel in den Badischen Neuesten Nachrichten hatte. Und das in diesen Zeiten, wo an Vorträge etc. nicht zu denken ist. Ich war und bin also trotz aller sozialen Isolation doch noch nicht ganz vergessen. Das hat mir in dem Moment außerordentlich gut getan.
Der große bringer Neowise
Und nun nahte der Sommer. Alles stand im Zeichen des Kometen Neowise. Das war für mich natürlich ein extremer Ansporn, auch mal über Kometen zu schreiben. Artikel um Artikel mit wichtigen Themen rund um Kometen erschienen und es ist längst noch nicht alles über sie erzählt.
Hier meine Kometen-Geschichten in chronologischer Reihenfolge:
Im Zeichen des Kometen lockerte sich dann langsam wieder alles, und mein wunderbarer Urlaub in Schwarzach, Österreich- Vorarlberg im Haus im Grüne durfte angetreten werden.
Besonders nach dem schweren Lockdown1 war dieser Urlaub um sowichtiger für mich.
Wie wichtig mir dieses Refugium, meinen Urlaub mit blinden Menschen zu teilen ist, beschrieb ich ausführlich in Urlaub von der Blindheit nehmen.
Da ich diesen auf vier Wochen ausdehnte, hielt ich natürlich auch einige Vorträge für die Gäste. Es ging um eine akustische Reise durch unsere Galaxis (Das Ohr am Teleskop)
um Sternschnuppen im Juli (Stichwort Sternschnuppen Hören und Sehen), um die Hundstage im August, über die ich auch
schon ausführlich in (Die Hundstage)
und selbstverständlich auch um den Kometen Neowise. Beim letzten Vortrag brachten die Angestellten des Hauses sogar Kinder mit. Aus Transportgründen gab es diesmal zwar keine Modelle zu bestaunen, weil der mobile Service der Bahn wegen Corona nichts ins Ausland transportieren wollte. Aber dafür fanden sich im Haus noch einige Flaschen mit Resten von Helium, so dass die Kinder wie die Micky Maus sprechen und Ballons fliegen lassen durften. Das war eine großartige Erholungspause für mich. Endlich mal wieder astronomische Rampensau und Liedermacher am Lagerfeuer sein dürfen…
Große Aufregung – Mein erstes Webinar
Im Oktober bahnte sich dann ein hoch offizielles Ereignis an. Ich sollte für ein Seminar zur Fortbildung für Personen, die in der Jugendfortbildung tätig sind, ein Webinar zum Thema Astronomie im inklusiven Unterricht halten. Das war ein spannendes Ereignis, denn für dieses Webinar durfte ich zum ersten mal mein neues Mischpult und meine Studio-Headsets und Mikrofone in Betrieb nehmen. Den Kram hatte ich mir im Lockdown gekauft, weil ich mir einfach mit so etwas schönem was gutes tun wollte. Außerdem verfolge ich noch immer den Traum, diesen Blog hier noch um einen Podcast zu erweitern. Dafür braucht man bissel krasse Technik. Dieses Webinar orientierte sich in erster Linie an meinem Buch. Die Technik funktionierte perfekt. Ich fand heraus, dass Rampensau auch ganz gut online funktionieren kann. Die Veranstaltung wurde sehr gut besucht, sehr gut angenommen und es wurden am Ende sehr viele spannende Fragen gestellt. Ich bin sicher, dass sich hieraus noch weitere Veranstaltungen ergeben werden, wenn wir mal wieder dürfen. Dieses Event hat meinem Netzwerk sehr geholfen. Ich bin schon sehr auf das Video gespannt, wenn das veröffentlicht wird.
Geisterstunde
Vollmond an Halloween, der gleichzeitig noch ein „Supermond“ ist, haben wir auch nicht so oft. Von da her nutzte ich die Gelegenheit, mit oben genanntem Astro-Vater eine kleine Halloween-Party online zu versuchen. Das war sehr lustig. Wir sprachen über das Vollmond-Ereignis an sich, aber auch über Werwölfe etc. Ich führte dann mit den Kindern noch ein kleines Geräusche-Rätsel mit Grusel- und Tiergeräuschen durch.
Letztlich ist dann für uns erwachsene dieser Artikelauf dem Blog entstanden.
Weihnacht online
Normalerweise habe ich von Oktober bis Anfang Dezember die meisten Vorträge und Freizeiten. All dieses musste natürlich auf eine andere Zeit verschoben werden. Ein Highlight gab es aber dennoch Anfang Dezember. Wir entschlossen uns im Vorstand des Evang. Blinden- und Sehbehindertendienstes unsere traditionelle Weihnachtsfeier in diesem Jahr online anzubieten. Das war eine große Herausforderung, denn zum einen sind vor allem unsere älteren Mitglieder*innen technisch nicht so versiert, und zum anderen funktionieren Dinge, wie gemeinsam zu singen, online einfach nicht. Ganz erstaunlich war, dass sich dann doch mit einigen Anfangsproblemen um zehn Personen zu dieser Feier versammelten. Es gab viele zahlreiche Beiträge. Wenn wir gemeinsam singen sollten, dann wurden alle außer ich stumm geschaltet. Ich gab mit der Gitarre, meiner Stimme und auch mit Mundharmonika die Lieder vor, und so konnte jeder für sich im Bewusstsein, dass auch die anderen das tun, mit singen. Erstaunlicher Weise entwickelte sich die Feier auch online ganz wunderbar. Jeder hatte sich seine Weihnachtsumgebung aufgebaut und wir waren uns vielleicht sogar näher, als bei so mancher Feier, die gemeinsam in einem Raum stattgefunden hatte. Natürlich berichtete ich auf dieser Feier über die große Konjunktion und erörterte die Frage, „Was war der Stern von Betlehem„. Somit leuchtete dann auch der Weihnachtsstern über dieser Feier. Sie war ein großer Erfolg und alle loggten sich anschließend voller Weihnachtsstimmung und zufrieden wieder aus.
Fazit
Ansonsten war ja das Jahr 2020 trotz allem ein aufregendes Jahr. Da wurde Staub eines Asteroiden auf die Erde gebracht. Auch die Rückkehr zum Mond glückte, indem eine Sonde um zwei Kilo Mondgestein nach hause brachte und vieles andere mehr.
Pünktlich zu Weihnachten explodierte dann auch noch ein recht ordentlicher Brocken über der chinesischen Mongolei und bildete einen leuchtenden Feuerball.
Das findet ihr alles leicht im Netz, denn die Profis haben hier sehr ausführlich über all diese Dinge geschrieben. Bevor ich etwas nicht ganz richtig schreibe, verweise ich an dieser Stelle lieber auf jene, die das beruflich machen…
Als Fazit kann ich trotz aller Abstriche und Einschränkungen für mich sagen, dass das Jahr 2020 auch seine schönen Seiten hatte. Man muss sich immer ein Fensterchen für Sonnenstrahlen auf halten, um nicht in allem anderen zu ersticken.
Jetzt wünsche ich uns allen, dass das Jahr 2021 wieder etwas mehr Normalität in unser Leben bringen möge. Immerhin werden die Tage wieder Länger, die Welt wird wieder heller und auch bald wärmer.
Bis da hin mag sich vielleicht die eine oder der andere an meinen Artikeln über unseren Lebensstern wärmen.
Zum Sonnenstrahl bitte hier lang.
heute möchte ich mal über besondere Gäste am Himmel sprechen. Der Deutschlandfunk erinnerte mich in seiner Sternzeit-Sendung daran, dass ich das Thema doch schon sehr lange auf dem Schirm hatte. Himmelsgäste passen gut zur Weihnachtszeit, denn der Stern von Betlehem war ja auch einer. Von diesem werden wir noch hören. Von den gästen, um die es heute geht, darf sich aber mit astronomischer Sicherheit keiner „Stern von Betlehem“ nennen.
Also los:
Die alten Hochkulturen
Ungefähr zwischen den Jahren 500 v. Chr. und 1500 n. Chr. waren die Chinesen eine Hochkultur der Wissenschaft. Sie beobachteten den Nachthimmel und die Planeten genau. Anscheinend brauchten sie sich nicht an der Vollkommenheit und Unveränderbarkeit des Sternenhimmels fest zu halten, wie es Europäer taten, die sich über Jahrtausende an Aristoteles orientierten, der genau dieses forderte.
So vermeldeten sie beispielsweise im Jahre 134 v. Chr. die Erscheinung eines Kometen und stützten damit die Äußerung des römischen Geschichtsschreibers über das, was Hipparch am Himmel beobachtet haben könnte.
Gewiss, auch die Chinesen interessierten sich nicht aus purer Neugier für das himmlische Geschehen; sie waren vielmehr, wie die Babylonier und Griechen, an der Astrologie interessiert. Sie hatten für alle möglichen Erscheinungen am Himmel Deutungen entwickelt und versuchten nun, daraus die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse auf der Erde abzuleiten.
Da es sich bei den durch die himmlischen Zeichen vorhergesagten Ereignisse zumeist um Katastrophen handelte – um Kriege, Epidemien oder Tod -, mussten die Mitglieder der Oberschicht und selbst der Kaiser gewappnet sein, um durch
entsprechende Aktionen das drohende Unheil abwenden zu können. Falls irgendein Unglück ohne Vorwarnung eintrat, konnte das durchaus den Kopf des jeweiligen Hofastronomen kosten. Ein Beispiel hierfür ist die Enthauptung der beiden Hofastronomen Hi und Ho, die über ihrem Müßiggang vergaßen eine Sonnenfinsternis rechtzeitig anzusagen.
Und was die Expertise am Himmel angeht, so beweisen uns die Chinesen momentan, dass sie ganz vorne in der Weltraumforschung mit mischen können. Sie landen auf Asteroiden, wollen Material von dort auf die Erde bringen, landen auf dem Mond, um selbiges zu tun, und wie es aussieht, werden sie es eventuell, wenn nichts dazwischen kommt, auch schaffen. Alleine dieses ist einen weiteren Artikel wert.
Der erste Gast
Im Jahre 183 am 05.12. tauchte nun ein Gaststern im Sternbild Centaur auf. Im Jahre 210 ein weniger heller Stern im Skorpion.
Es überrascht kaum, dass wir aus Europa keine Berichte über diese Sterne kennen:
Die Hochkultur der Griechen – und mit ihr die Astronomie – war längst untergegangen, und die Römer hatten der Wissenschaft nie ein ernsthaftes Interesse entgegengebracht.
Der neue Stern im Skorpion war sicher kaum heller als Sirius, der hellste Fixstern am irdischen Firmament, und solange niemand den Himmel mit geübtem Blick betrachtete oder aber eine Karte zum Vergleich heranziehen konnte, solange mochte dieser Stern durchaus ebenso unbemerkt wieder verschwinden, wie er aufgetaucht war.
Und wenngleich der neue Stern im Skorpion auch über acht Monate hindurch zu beobachten war (wie die chinesischen Quellen berichten), kann er nur während der ersten Nächte so hell wie Sirius gewesen sein. Danach musste er langsam, aber stetig verblassen, und je schwächer er wurde, desto weniger konnte er jemandem auffallen, der den Himmel nicht so eifrig durchmusterte wie die chinesischen Astronomen.
Der neue Stern des Jahres 183 im Sternbild Zentaur war nach Angaben der chinesischen Chroniken wesentlich heller als jener zwei Jahrhunderte später im Skorpion n entdeckte Stern. Einige Wochen hindurch erschien er wahrscheinlich heller als jedes andere Himmelsobjekt (ausgenommen Sonne und Mond). Ein solcher Stern hätte eigentlich nicht übersehen werden können, doch tauchte er sehr weit am Südhimmel auf, und das erschwerte die Beobachtung selbst eines so hellen Gestirns erheblich.
Von der chinesischen Sternwarte in Lo-yang aus erreichte der neue Stern nie mehr als 3 Grad Höhe über dem Horizont. Entsprechend blieb dieser Stern in ganz Mitteleuropa, in Frankreich, Deutschland
und selbst in Italien, jenseits des Horizonts und hätte nur von Sizilien oder Athen aus eben noch beobachtet werden können. In Alexandria dagegen, damals noch einer Hochburg der griechischen Wissenschaft, stieg er hoch genug über den Horizont, um auffallen zu müssen. Dennoch finden wir diesen Stern bei keinem griechischen Astronomen erwähnt. Auch wenn man diesen hellen Stern über dem Südhorizont bemerkt hatte, so verbot der Respekt vor der Autorität des Aristoteles einen schriftlichen Bericht darüber; und wenn es solche Berichte dennoch gegeben haben sollte, so dürften sie kaum anerkannt worden und bald wieder in Vergessenheit geraten sein.
Der nächste Gast
600 Jahre lang gab es keine weiteren Berichte über derartige Himmelsgäste mehr.
Erst im Jahre 1006 findet man wieder einen Bericht, diesmal über einen Stern im Sternbild Wolf das an den Zentaur angrenzt und daher ähnlich weit im Süden liegt.
Trotz seiner südlichen Lage wurde dieser Gaststern sowohl von chinesischen als auch von Japanischen Astronomen erwähnt. Im westlichen Kulturkreis wurde die Astronomie zu jener Zeit hauptsächlich von den Arabern gepflegt, die damals gerade die Glanzzeit ihrer Wissenschaft erlebten. So gibt es auch mindestens drei Berichte arabischer Beobachter. Nach Einschätzung einiger Astronomen erreichte er möglicherweise etwa ein Zehntel der Helligkeit des Vollmondes. er blieb womöglich drei Jahre hindurch mit bloßem Auge sichtbar, kann aber kaum länger als einige Wochen heller als die Venus erschienen sein.
Dieser Stern kam für Beobachter im südlichen Europa hoch genug über den Horizont, und so sollte man annehmen dürfen, dass die Menschen in Italien, Spanien und Südfrankreich des Nachts damals voller Ehrfurcht und Erstaunen in Richtung Süden blickten. Mitnichten! Zumindest findet man nirgendwo einen Bericht darüber. Lediglich die Chroniken zweier Klöster (in der Schweiz und Italien) enthalten wage Hinweise auf etwas, hinter dem sich ein heller Stern verbergen könnte, doch mehr nicht.
Da dieser Stern im Jahre 1006 aufleuchtete, würde man erwarten können, dass die Europäer sein Erscheinen als Vorboten für das nahe Ende der Welt angesehen hätten. Etliche Menschen glaubten damals nämlich, dieses Ende der Welt würde rund tausend Jahre nach der Geburt Christi über sie hereinbrechen. Doch nicht einmal diese furchterregende Möglichkeit reichte aus, um sie zu einem Bericht über das Ereignis zu veranlassen.
Der letzte Gast für heute
Dann platzte im Jahre 1054 (nach modernen Berechnungen am 4.Jul‘) ein Stern in die majestätische Ruhe hinein, diesmal im Sternbild Stier, das ein gutes Stück nördlich des Himmelsäquators liegt, also von Europa gut zu sehen.
Schließlich erreichte dieser Stern nicht bloß die Helligkeit von Sirius wie sein Vorgänger
aus dem Jahre 393, der ebenfalls im Tierkreis erschienen war: Das Objekt im Stier
war anfangs mindestens zwei- oder dreimal so hell wie die Venus zur Zeit des
größten Glanzes und konnte über einen Zeitraum von drei Wochen neben der Sonne am Taghimmel gesehen werden (falls man wußte, wo man nach ihm Aus schau halten sollte), während Gegenstände nachts in seinem Licht einen schwachen Schatten warfen (ähnliches gilt unter günstigen Voraussetzungen bereits für die Venus). Am Nachthimmel konnte man den Stern noch fast zwei Jahre hindurch beobachten. Später schien es, als hätten nur chinesische und japanische Astronomen diese eindrucksvolle, leicht zu beobachtende Erscheinung registriert. Nirgends fand man einen Bericht über europäische oder arabische Beobachtungen.
Wie ist so etwas denkbar? Den ganzen Juli über muss der Stern in den Stunden vor Sonnenaufgang unübersehbar gewesen sein.
Vielleicht schliefen die meisten Europäer um diese Zeit,
vielleicht versperrte aber auch eine dicke Wolkendecke den Blick nach oben.
Vielleicht hielten ihn aber auch jene, die ihn sahen, irrtümlich für die Venus, die ja auch hin und wieder im Sternbild Stier zu sehen ist.
Wer aber sicher war, dass dies nicht die Venus sein konnte, mag an Aristoteles und an die
Vollkommenheit der göttlichen Schöpfung gedacht und den Blick geflissentlich abgewendet haben.
In den letzten Jahren ist jedoch ein arabischer Bericht aufgetaucht, der auf einen hellen Stern im Jahre 1054 zu verweisen scheint, und ein ähnlicher Hinweis wurde in einer italienischen Chronik gefunden.
Andere Zeiten, andere Gäste
Bei diesen Gästen wollen wir es voerst belassen, denn als die nächsten am Himmel erschienen, hatten sich die Zeiten geändert. Man interessierte sich nach und nach wieder für Wissenschaft und Astronomie in Europa. Europa erwachte im Laufe der Zeit aus dem Mittelalter und das schaffte langsam wieder freien Raum für freies und unabhängiges Denken und Forschen.
Was man hier bei unseren drei Gaststernen schon gut beobachten kann:
Zu allen Zeiten erscheinen immer mal wieder Himmelslichter, wo sie nicht hin gehören. Der Stern von Betlehem ist somit in guter Gesellschaft, was ihm seine weihnachtliche Bedeutung durchaus nicht absprechen soll.
Ist das nicht merkwürdig, wie einem eine falsche Lehre den Blick zum Himmel verstellen kann. Den Stern von Betlehem bezweifelt niemand und alle wollten ihn gesehen haben, aber die anderen Gaststerne wurden im Glauben, dass der Himmel unveränderlich und göttlich sei, einfach nicht beachtet oder bewusst verdrängt.
Über diese Lichter der moderneren Zeiten werde ich zu anderer Gelegenheit berichten. Vor allem auch darüber, was sie darstellen, wie sie funktionieren und wie verschieden sie in ihrer Art und ihren Wesen doch sind. Auch der Stern von Betlehem wird uns in künftigen Artikeln noch beschäftigen.
bevor wir in unseren Themen zu Astronomie weiter machen, möchte ich hier sehr gerne einen kleinen Nachruf auf einen großartigen Astronomen und Sonnenforscher einfügen, der mir seit Mitte der 80iger Jahre des letzten Jahrtausends ein großer Wegbereiter war.
im Grunde zeichnet meine Physik- und Chemielehrerin dafür verantwortlich, dass ich mich ganz und gar 1987 der Wissenschaft und Astronomie verschrieb, und dass ich mich nach meiner mittleren Reife zu Abitur und Studium über den zweiten Bildungsweg entschloss. Da sie mich mit Prof. Kippenhahn in Verbindung brachte, ehre ich an dieser Stelle auch diese Wegbereiterin, die leider auch schon nicht mehr unter uns weilt.
Ein Samenkorn der Wissenschaft erblüht
Da die gesamten Rechte meines Buches wieder bei mir liegen, zitiere ich hier daraus:
Ausschlaggebend hierfür war der naturwissenschaftliche Unterricht in Physik und Chemie, den ich dort besuchte. Er wurde von einer Anthroposophin gegeben, die ich bis heute für die beste Blindenpädagogin in meinem Leben halte. Die Versuche und Experimente durften wir alle selbst durchführen. Der Umgang mit Säuren, Laugen, Bunsenbrenner und Elektrizität war nie ein Tabu, nur weil wir nicht sehen konnten. Die Versuche wurden so adaptiert, dass wir in der Lage waren, selbst zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen. Hierbei halfen oft ganz einfache Tricks, denn es gab noch keine sprechenden Messgeräte.
Bildete sich beispielsweise bei einem chemischen Versuch ein Niederschlag im Filter, wiesen wir ihn nach, indem wir das Substrat in eine alte Blechdose tropfen ließen. So konnten wir die einzelnen Tropfen gut auf dem Blech aufschlagen hören und merkten genau, dass der Filter sich zusetzte, wenn die Tropfgeschwindigkeit abnahm. Bald schon wurde ich davon gepackt und brachte mich aktiv in den Unterricht ein, indem ich Möglichkeiten entwickelte, Versuche für Blinde zugänglicher zu machen. Außerdem durfte ich mich an der Entwicklung einer Tafel beteiligen, mit deren Hilfe es Blinden möglich wurde, chemische Formeln mittels spezieller Formelbausteine zu legen.
Überhaupt war dieser Unterricht weit mehr als nur Physik und Chemie. Er eröffnete uns eine ganzheitliche Sicht auf die Welt. Diese Stunden waren gespickt mit Bezügen zu Philosophie, Religion und auch mit geschichtlichen Hintergründen.
Der erste Kontakt mit Rudolf Kippenhahn
Ich zitiere weiter aus meinem Buch
Bald schon merkte diese Lehrerin, dass ich für diese ganzheitliche Weltsicht sehr empfänglich war. Somit durfte ich oft mit ihr naturwissenschaftliche Vorträge in Stuttgart besuchen. Ganz eindrücklich in Erinnerung ist mir ein Vortrag über die Sonne von Rudolf Kippenhahn geblieben. Bis dahin wusste ich zwar, dass in der Sonne Wasserstoff zu Helium verbacken wird und darüber hinaus weitere schwerere Elemente entstehen, aber von Sonnenflecken, der Korona, den magnetischen Stürmen und Flares, wusste ich noch nichts.
Zur Erklärung: Flares sind riesige Explosionen auf der Sonnenoberfläche, bei welchen große Mengen an Teilchen in den Weltraum geschleudert werden können. Erreicht ein solcher Teilchenausbruch die Erde, so entstehen Nordlichter und magnetische Stürme.
Im Anschluss an den Vortrag fand eine Ausstellung statt, auf der unter anderem eine Weltraumkamera und vor allem ein recht großer Meteorit ausgestellt waren, den ich dann – von Prof. Kippenhahn ausdrücklich erwünscht! – anfassen durfte. Von diesem Moment an gab es für mich kein Halten mehr. An diesem Tag – es muss im Jahr 1988 oder 1989 gewesen sein –bin ich in meinem Herzen Astronom geworden.
Die zweite Begegnung
Meinen zweiten Kontakt zu Prof. Kippenhahn hatte ich Mitte der 90er Jahre.
In der Blindenhörbücherei entdeckte ich – auf ungefähr 20 Kassetten aufgelesen – das Buch Der Stern von dem wir leben – den Geheimnissen der Sonne auf der Spur
Von Rudolf Kippenhahn, dem dieser Nachruf gilt und dessen Vortrag ich schon erwähnt habe. Mich faszinierte an diesem Buch vor allem, dass alle darin enthaltenen grafischen Elemente zusätzlich mit einer derart ausführlichen Texterklärung versehen waren, wie ich es selten bei anderen Autoren erlebt habe. Es schien fast so, als würde er auch an blinde Menschen denken, die auf derlei Beschreibungen angewiesen sind.
Vieles, was ich über die Sonne weiß, kam aus diesem Hörbuch und hat sich mit vielen anderen Quellen vermischt, so dass sich das gar nicht mehr ganz klar sagen lässt, aber er war der Türöffner und lies die Sonne in mein Herz, meinen Geist und meine Seele.
Kontakt Sonnenfinsternis
Ein großartiges Begleitbuch von Rudolf Kippenhahn war mir das Buch Schwarze Sonne, roter Mond das er quasi als Vorbereitung auf die Sonnenfinsternis, die am 11.08.1999 gut über Süddeutschland zu sehen war.
Hier nochmal ein kurzes Zitat aus „Blind zu den Sternen“
Aber lassen Sie mich an dieser Stelle erneut einen meiner größten Wegbereiter würdigen: Eine große Hilfe im Verständnis einer Sonnenfinsternis waren für mich zwei Bücher von Rudolf Kippenhahn: „Der Stern, von dem wir leben – den Geheimnissen der Sonne auf der Spur“ und „Schwarze Sonne, Roter Mond“. Seine Bildbeschreibungen sind so, als wären sie ganz speziell für blinde Menschen eingefügt worden: klar, verständlich und präzise.
Ohne diese Bücher hätte ich die Sonnenfinsternis niemals so lebendig und anschaulich erleben können.
Lassen Sie mich hier noch kurz eine kleine Begebenheit erzählen, die sich so tatsächlich mit seinem Buch zu trug:
Die Finsternis auf der Flugroute
Anfang Januar 2015 unternahm ich mit meiner sehenden Arbeitsplatzassistenz
eine Dienstreise nach Istambul.
Folgendes ist dort auf dem Hinflug geschehen:
Der Pilot erklärte die Flugroute, indem er wichtige Länder, Städte und Meere aufführte, die wir nacheinander passieren würden.
Da kam mir die Reihenfolge und Aufzählung der Städte gleich irgendwie bekannt vor.
Und dann durchfuhr es mich wie ein Blitz.
Wir flogen fast exakt die Route entlang derer am 11.08.1999 die totale Sonnenfinsternis beobachtet werden konnte.
Ich fand dieses unglaublich schön. Glücklicherweise hatte ich noch das Buch “Schwarze Sonne, roter Mond” von Rudolf Kippenhahn zur Sofi 1999 auf meinem MP3-Player als aufgelesenes Hörbuch. So konnte ich gleich noch im Flieger meine Vermutung überprüfen. Ein Blick auf den Fahrplan dieser Sf ergab, dass ich im wesentlichen Recht hatte.
Dieses Heureka erlebte glaube ich der halbe Flieger mit, weil es mich unglaublich freute, in welchem Zusammenhang diese alte Sofi nochmal auftauchte.
Sein phänomenales Gedächnis
Ein mal durfte ich Prof. Kippenhahn noch vor einigen Jahren bei einem Vortrag erleben. Danach sprach ich ihn an, und er konnte sich noch an mich erinnern. Leider konnte ich ihm noch keine signierte Version meines Buches schenken, da es erst wenige Monate später erschien.
Auf jeden Fall danke ich ihm herzlich für den Weg, den er mir durch seine Bücher und seine Persönlichkeit öffnete. Er, meine erwähnte Lehrerin und noch viele andere führten mich zu dem, was ich heute in Astronomie lernen durfte, ermunterten mich zu meinem Buch und meinen sonstigen Astronomie-Veranstaltungen. Er entzündete in mir 1987 ein Feuer, das niemals erlöschen wird.
Die Sternwarte Peterberg in deren Vorstand und Leitungsteam ebenfalls eine Person mit starker Sehbeeinträchtigung sitzt, hat einen schönen und sehr lesenswerten Lebenslauf von ihm veröffentlicht.
Mein Corona-Report
Liebe Leser*innen,
eigentlich wollte ich nichts mehr in meinem Blog von Corona hören lassen, aber es haben sich doch einige Leser*innen fragend an mich gewandt, wie es mir in dieser Situation so geht. Somit habe ich mich entschlossen, hier mal abseits der Astronomie, einen Artikel zu veröffentlichen, der sich mit meiner Erfahrung mit Lockdown 1 beschäftigt. Hir also mein Corona-Report:
Der Anfang
Es bahnte sich an im März, dass wir bald alle ins Homeoffice verschwinden würden, dass Gastronomie und Schulen geschlossen, Einkauf ohne Assistenz unmöglich und auch kein Sport mehr stattfinden würde.
Und so ging ich zunächst meine Situation doch noch voller Kraft und Zuversicht an.
Beruflich konnte ich in der Tat vieles im Homeoffice erledigen, aber meine Arbeitsassistenz und ich, hatten zunächst keine Basis mehr, wie wir gemeinsam arbeiten konnten. Ich musste ihm schreiben:
Liebe Assistenz,
aufgrund des Corona-Virus sind fast alle von SZS ab morgen im Homeoffice. Das bedeutet, dass wir uns die nächsten Wochen nicht treffen können.
Wir können momentan online noch nicht zusammen arbeiten, weil noch nicht klar ist, welche Software eingesetzt werden darf und soll. Ich muss erst mal ohne Assistenz das alles selbst erlernen, was die Hölle wird.
Sollte ich eine Aufgabe für Dich finden, die Du von daheim aus machen kannst, lasse ich Dich das wissen.
Ich konnte Aufgaben und Wege finden, dass wir schon nach wenigen Wochen wieder langsam online zusammenarbeiten konnten.
Und dann ging es los mit Lockdown und Homeoffice
Zunächst sah alles ganz positiv aus.
„Beim Einkaufen wird mich jetzt zwei mal pro Woche, wenn es reicht, auch nur einmal, die Nachbarschaftshilfe unterstützen.“
So dachte ich mir das. Allerdings stellte sich bald heraus, dass die Helferin zur Risikogruppe gehörte und somit ausfiel.
„Außerdem werde ich mir für die Zeit vier mal die Woche über den ASB Essen auf Rädern bestellen, um nicht noch mehr einkaufen zu müssen. Ab wann das klappt, ist noch nicht ganz sicher. Da warte ich auf einen Rückruf.“
Auch dieses gestaltete sich schwierig, weil das System sehr stark belastet war im Lockdown. So entschied ich mich, den ASB nicht fürs erste zusätzlich zu belasten.
Zum Glück gibt es in unserer Gegend reichlich Restaurants, die auch in recht hoher Qualität liefern. Mit Liferando geht das alles sogar bargeld- und kontaktlos.
Allerdings mussten die Fahrer und ich uns erst aneinander gewöhnen. Am Anfang kam es vor, dass die Fahrer das Essen außen unten vor die Haustür stellten und nicht vor meine Wohnungstür. Da krabbelt man dann vor dem Haus herum, riecht sein Essen und findet es dennoch nicht, weil der Fahrer es irgendwo hin stellte, wo man es niemals vermutet hätte. Die Nachbarn gegenüber schauen zu, helfen aber nicht. Sehr demütigend… Dann entdeckte ich in der Liferando-App ein Kommentarfeld. Dort schrieb ich hinein, dass ich ob meiner Blindheit das Essen vor die Wohnungstür gebracht haben sollte. Ab da wurde das besser.
Zum Glück habe ich einen Mitbewohner, so dass ich nicht immer alleine bin und der mir auch mal hilft.
Ich hatte mir auch fest vorgenommen, jeden Abend einen lieben Menschen anzurufen oder auch mal mit mehreren z. B. online zu Abend zu essen. Das klappte auch einige Zeit ganz gut, bis ich langsam im Lockdown-Strudel versank.
Die nächste Klatsche war, dass mein Osterurlaub in Österreich auch abgesagt wurde.
Fast täglich erreichten mich nun Absagen von Vorträgen über Astronomie, die ich an Schulen und anderen Einrichtungen halten wollte. Bis Jahresende sind es um zwanzig Veranstaltungen gewesen.
Was sollte man machen. Ich dachte, jetzt kommt der Frühling und ich werde mit verschiedenen Navi-Programmen einfach üben, selbst spazieren zu gehen.
Der erste Spaziergang war dann auch fast der letzte. Als ich mich gerade dem Wald näherte, schrie mich plötzlich jemand an:
Hau ab in Deine Wohnung, willst Du krüppel uns anstecken? Verrecke lieber selbst an diesem Scheiß.
So war das. Das lasse ich jetzt einfach mal hier so stehen.
Bald schon wurde mir klar, dass man in diesen schweren Zeiten immer nur von einem auf den anderen Tag planen kann und dass man froh sein muss, wenn es einem gelingt, in seiner Tagesstruktur zu bleiben und nicht beispielsweise am Nachmittag schon sein erstes Bierchen öffnet. Rauchen tue ich allerdings leider seit Corona deutlich mehr, leider.
Aber so ganz allmählich fraß der Lockdown und die Lockerungen danach fast noch mehr, an meiner Seele.
In einem langen Hilferuf an einen Freund schrieb ich:
Ich muss schon sagen, dass es mir langsam reicht. Ich halte das psychisch nur noch wenige Wochen durch.
Die Probleme damit sind noch überschaubar, steigen aber gleichfalls langsam mehr als nur linear an.
Wahrscheinlich steigt gar nix an, ich kanns nur langsam immer schwerer ertragen.
Die ganzen Kämpfe mit bis zu sieben Team-Software-Programmen sind sehr schwierig. Da muss ich mich in diesen Dreck einarbeiten ohne Assistenz und Schulung. Das geht bei Teams z. B. quasi nicht. Öffnet man das zum ersten mal, sitzt man als Blinder weinend davor, weil nichts intuitiv geht, obwohl die Software an sich recht gut zugänglich ist.
Microsoft hat bei Teams die Barrierefreiheit wirklich gut durch dekliniert, aber ohne Anhaltspunkt, ohne eine visuelle Beschreibung, ohne einen Einstieg ist das verdammt schwierig.
Außerdem werde ich langsam für so einen Mist auch zu alt. Ich will, dass meine Kiste läuft, wenn ich den „Zündschlüssel“ umdrehe.
Und dann vergessen Sehende stets, einem alles für den Einstieg zu erklären. Rings rum höre ich nur: „Bei mir war alles kein Problem“ und der @Blindnerd fühlt sich als einziger Mensch auf der Welt, bei dem es, wie immer halt, mal wieder nicht funktioniert.
Die meisten dieser Programme sind nur teilweise bis gar nicht zugänglich. Und wenn sie es sind, dann muss man wissen wie, was ohne Einführung sehr mühsam zu erlernen ist.
Selten habe ich mich so oft als Idiot gefühlt, obwohl die Dummheit bei anderen lag. Selten in meinem Leben knallte ich dermaßen an die Barrieren meiner Behinderung.
Und ja, ich bin es nicht gewohnt, so rum eiern zu müssen. Nicht dass ich immer bei den besten und ersten sein muss, aber den Platz, auf den mich Corona in manchen, vor allem beruflichen Situationen verweist, verzeih die Arroganz, ist meiner nicht würdig. Du verstehst schon, was ich und wie ich es meine.
Ich hatte jetzt immerhin im April und Mai zwei Workshops zu Astronomie mit Kindern und deren Eltern online. Das hat gut funktioniert. Ich hielt den Vortrag und beantwortete die Kinderfragen und ein sehender Astronom spielte Fotos etc. in die Videokonferenz ein oder hielt Modelle in die Kamera.
Wir haben uns da vorher abgesprochen.
Betrüblich ist daran nur, dass ich mit diesem Angebot sicherlich nur Kinder von Bildungsbürgern erreiche und nicht die, die es so nötig hätten.
Daran kann ich aber leider nichts ändern. Die Welt ist, wie sie ist, manchmal ungerecht, und leider nicht so, wie wir sie gerne hätten.
Mir fehlt auch Sport und alles.
Ich merke auch, dass meine Fertigkeiten in Orientierung und Mobilität abnehmen und dass meine Ängstlichkeit größer wird, weil ich so selten raus komme. Nach dieser Krise werde ich ein anderer Mensch sein. Ich bin nicht sicher, ob die Rückkehr ins normale Leben ohne Therapie oder eventuelle Unterstützung von Seiten der Mobilitätstrainer stattfinden kann. Die werden aber dann auch völlig überlastet sein.
Naja, ansonsten behalte ich meinen Rhythmus schon bei und kriege die wesentlichen Dinge geregelt. Es wird halt alles immer mühsamer. Ich habe Angst, in eine Depression zu fallen. Das wollte ich eigentlich nie mehr erleben müssen. Das hatte ich schon über Jahre, wie Du vielleicht noch weißt.
Eine Bekannte, die beruflich coachings anbietet, bietet wöchentliche Krisengespräche online an. Davon mache ich Gebrauch. Das tut sehr gut.
Außerdem hält meine Psychotherapeutin mit mir ab nächster Woche Video-Sitzungen ab. Normalerweise hasse ich Video-Sitzungen, weil einem da jeder über die Kamera in die Wohnung, in den eigenen Saustall glotzt, und ich das bei anderen nicht kann, aber ich denke, dass für meine Therapeutin der Sichtkontakt auf mich, mein Verhalten und meinen Gestus wichtig ist.
Ich könnte mein Antidepressivum unter ärztlicher Kontrolle wieder hoch fahren, aber das will ich wirklich nur dann tun, wenn die innere Unruhe uferlos wird, weil ich die Nebenwirkungen scheue.
Es wird halt ab dem Zeitpunkt bedenklich, wo einem nicht mal mehr die Dinge Freude machen, an denen man ansonsten Spaß hat.
Das ist bei mir noch nicht der Fall, ich komme dem aber näher.
Ab Montag, Mitte April, startet unser Sommersemester online. Ich bin gespannt, was das wird. Es kann sein, dass ich da mit unseren Studierenden viel zu tun bekommen werde, weil eben am Anfang erst mal nichts geht…
Naja, aber gerade diese Umstellung auf Online-Lehre bitet auch viel positives Potential.
Ich glaube schon, dass diese Online-Umstellungen gerade auch für unsere Studierenden eine Chance sein können, wenn die Angebote gut gemacht werden. Das wird in diesem Semester sicherlich noch nicht so sein, weil vieles mit heißer Nadel gestrickt sein wird. Das bedeutet dann für uns meist unüberwindbare Barrieren.
Sicherlich werde ich für diese Dinge ein Schulungskonzept für unsere Studierenden entwickeln, dazu muss ich die Werkzeuge für Online-Vorlesungen wie Teams, Zoom Skype und wie sie alle heißen, aber erst mal selbst beherrschen.
Die Frage ist, wer mich das lehren soll und kann.
Also bei Teams z. B. nutze ich mittlerweile nur noch die Iphone-App, weil die übersichtlicher ist.
Es wäre nicht auszudenken, wenn mich vor allem jetzt in der Krise ausgerechnet dieses Gerät verlassen würde.
Stell Dir mal vor, die Krise wäre in unserer Kindheit ausgebrochen.
Bei mir daheim hätte das Mord und Totschlag gegeben.
Außerdem hatte ich ja alle meine Freunde im Internat und nicht daheim. Von Telefon und Internet natürlich keine Rede.
Daheim war ich als Kind immer ein Fremder, weil ich nie da war. „Le métèque“
Die Lockerungen
Mittlerweile fühlte ich mich schon sehr gefangen in meiner Wohnung. Ich langweilte mich, wahr beruflich unterfordert, hatte kaum soziale Kontakte und fühlte mich sehr einsam und verblüht. Da freute ich mich auf die Lockerungen. Einfach mal wieder ins Büro fahren, wenn sich auch die anderen Mitarbeitenden noch zögerlich verhielten. Wir waren in Grunde nie wirklich richtig aus dem Homeoffice draußen bis der zweite Lockdown kam, mit all seinen Vor und Nachteilen…
Ich schrieb an einen Freund:
Heute bin ich mal wieder, natürlich unter der Maske, ins Büro gefahren. Ich konnte mir dort einen Arbeitsplatz zusammen stöpseln, so dass ich im Büro und daheim quasi gleichwertig arbeiten kann, sofern ich keine Punktschriftausdrucke erzeugen, oder was vom Labor brauche.
Ohne diese soziale Isolation könnte ich mich mit dieser Konfiguration direkt an eine Kombi zwischen Homeoffice und Büro gewöhnen.
Auf jeden Fall tut es gerade unheimlich gut, mal wieder draußen zu sein.
Es tut auch gut, Deinen Ärger mal zu erleben und wie Du ihm freien Lauf lässt. Ich verlange nicht, dass ein Land ohne Probleme mit so einer Situation fertig wird. So was kann man nicht vorher einplanen. Allerdings zeigt es uns deutlich, wie gefühlte fünfzig Jahre rückwärts gewandte Politik sich nun auswirken. Corona ist wie ein Vergrößerungsglas, wo durch wir jetzt sehen, was auch vorher schon im argen lag.
Die Religion des wildgewordenen Kapitalismus und Neoliberalismus hat kläglich versagt. Alles, aber auch wirklich alles, was wir Friedensbewegler schon Anfang der Achtziger Jahre sagten, tritt nun ein.
Und auf eine machtlose Konstruktion, wie die EU es ist, können wir wirklich scheißen, wenn zu Beginn der Krise einfach jedes Land unkoordiniert die Grenzen für lebenswichtige Wahren schließt und wenn der lupenreine Diktator von Ungarn mehr EU-Gelder erhält, als Italien in seiner großen Not…
Hach, man könnte sich am Stück aufregen und abkotzen.
Das ist eben der Vorteil an der Astronomie: „Sterne lügen nicht; sie schweigen.“
Ja, es ist momentan nicht ganz einfach, aber wenn ich jetzt, sagen wir ein zwei mal die Woche als Abwechslung ins Büro kann, dann geht es mir glaube ich schon viel besser.
Es tat heute richtig gut, mal wieder meine ganzen Modelle zu streicheln, die Planeten, die ISS, die Mondkarte und die Apollo.
Ich bete diese Dinge nicht an, aber sie fehlen mir sehr, wenn ich sie nicht spüren kann.
Schon die Gewissheit, dass meine Modelle mit im selben Raum sind, tut gut. Das geht mir übrigens mit meinen Gitarren ähnlich. Ich habe irgendwie überall in meinem Umfeld Gitarren. Bei meinem Freund steht eine, im Büro zwei, in Stuttgart auch eine und daheim sind auch noch so fünf sechse.
Das erspart viel Schlepperei.
Was mich allerdings, und das gilt jetzt nicht für Dich, etwas traurig macht ist, dass selbst jetzt in der Krise meine Arbeit in den sozialen Netzwerken nicht sichtbar gewürdigt wird. Ich teile, like und kommentiere jetzt vor allem Projekte, die wirklich wichtige Arbeit machen.
Das würde ich mir für meinen Blog auch wünschen.
Aber wer weiß. Vielleicht lesen ihn ja doch viele heimlich.
Diejenigen mit den vielen Likes sind meistens Mainstream und kaufen sich diese Likes vielleicht sogar.
Ich bin Stolz darauf, nicht Meinstream, nicht zeitgemäß und schon gar nicht zeitkonform zu sein.
OK, gelockert war jetzt vieles gutes. Man traf sich langsam wieder und das Leben nahm wieder Fahrt auf. Das galt allerdings nicht für uns menschen mit Blindheit.
bis auf die Schreibblockade, die eine blinde Bloggerin beschreibt, erlebte auch ich die Krise so, wie sie es sehr lesenswert und treffend formuliert hat.
Schlimmer noch. Ich habe keine sehenden Kinder, und keine sehende Partnerin,wie sie, die ich mit dem Auto einkaufen schicken kann.
Ich werde asozial beschimpft, wenn ich mal einen Abstand nicht einhalten kann.
Selbst der Gang zum Bäcker ist durch die Lockerungen zum Überlebenstraining geworden.
Nichts, aber auch gar nichts geht mehr selbstständig außerhalb der eigenen Wohnung.
Als alle im Lockdown waren, war das für alle klar, dass man sich hilft. Jetzt ist nichts mehr klar.
Trotz allem komme ich mit meinem Tonstudio, meiner Astronomie, meinen Gitarren und allem ganz gut durch.
Aber wir als Gesellschaft müssen uns schon langsam Gedanken darüber machen, wie menschenunwürdig ehemals selbstständige Menschen mit Einschränkung momentan leben müssen. Und ich jammere hier absolut auf sehr, sehr, sehr hohem Niveau.
Wie auch immer. Ich finde den Artikel sehr gut. Er zieht mich nicht runter. Ganz im Gegenteil. Es tut gut, von anderen zu lesen, wie sie das ganze erleben.
Hier findet ihr den erwähnten Artikel.
Und nun nahten die Sommerferien.
Wie immer wird die Zeit genutzt, um wichtige Ausbesserungen etc. am Schinennetz der Straßenbahnen vorzunehmen. Nicht zuletzt befindet sich Karlsruhe derzeit noch immer im Bann des Baues der kleinsten U-Bahn der Welt…
Ich informierte mich im Netz und begriff, dass ich in unfreiwilligem zweiten Lockdown sein würde für sieben Wochen.
Ich schrieb dazu an die Schwerbehindertenvertretung meines Arbeitgebers:
die geplanten Linienänderungen des KVV für die Sommerferien machen mir Angst. Ich bin in Rheinstetten quasi abgeschnitten. Es gibt eine Buslinie 14, aber das ist für uns in Corona-Zeiten wirklich schwierig. Man muss hinten einsteigen und kann den Fahrer nicht nach der Linie fragen. Wegen des Abstandes und der Maskenpflicht kommunizieren die Leute nicht mehr. Oft bekomme ich keine Antwort, wenn ich was frage oder Personen werden asozial und übergriffig, wenn ich versehentlich einen Abstand unterschreite. Ja, es ist schon so, dass die Lockerungen für uns Blinde manchmal die Hölle sind.
Kurz um. Vom 01.08. – 24.08. bin ich in Urlaub. Aber danach habe ich keine Ahnung, wie ich auch mal ins Büro kommen soll. Es müsste ja nicht jeden Tag sein. Wir machen alle noch Homeoffice, aber so zwei mal die Woche würde ich schon auch gerne mal ins Büro fahren. Haben Sie eine Idee, wie ich das lösen könnte, ohne um 120 Euro Taxi pro Woche ausgeben zu müssen?
Könnte das die KVV irgendwie unterstützen?
Niemand hat sich meiner Sache angenommen. Man hat es ausgesessen. Ich hatte vor meinem Urlaub nicht mehr die Kraft für irgend etwas zu kämpfen. Wäre dieser Urlaub nicht in Aussicht gestanden, hätte ich mich vielleicht sogar zum Selbstschutz in eine Klinik begeben müssen.
Gerade jetzt war es für mich ganz wichtig, mich mal wieder in mein Refugium mit blinden Menschen zurück zu ziehen.
In diesem Zusammenhang darf ich auf meinen Artikel Urlaub von der Welt der Sehenden aufmerksam machen.
Im Nachhinein
Baustellentechnisch liegt eine extrem harte Zeit hinter mir, wie ich das in 20 Jahren Rheinstetten noch nie erlebt habe. Ich war quasi völlig im Zwangs-Lockdown, komplett abgeschnitten. Die Ersatzhaltestelle für den Bus war für blinde Menschen nicht auffindbar. Dazu hätte es einiges an Training bedurft. Außerdem wäre es vom Lärm der Baustellen her kaum zu schaffen gewesen. Da man nicht vorne in Busse einsteigen darf, hätte ich auch den Fahrer nicht nach der Linie fragen können. Sicher wäre ich auch wieder einigen sehr diskriminierenden Situationen ausgesetzt gewesen, wenn ich z. B. den Abstand nicht einhalte, weil ich es nicht sehen kann. Ihr glaubt ja gar nicht, was man da sich manchmal anhören muss. Von verbalen Beschimpfungen, die an das Nazi-Regime erinnern, bis hin zu Übergriffigkeiten, dass man z. einfach mal weg geschoben wird, ist alles dabei.
OK, zwei der sieben Baustellen-Wochen war ich in Österreich in Urlaub.
Diesen habe ich dann spontan auf vier Wochen verlängern können, um dieser Situation zu entfliehen. Außerdem war an meinem Urlaubsort, einem Haus für Blinde in Österreich für mich gesorgt. Sogar Homeoffice konnte ich dort ohne Probleme machen. Somit blieben mir nur noch zwei Wochen, die ich überstehen musste, was mir auch gelungen ist. Hätte ich niemanden mit Auto gefunden, dann hätte ich nicht mal zum Rudern gehen können.
Ich kann gar nicht genug Dankbarkeit dafür empfinden, dass ich mir mit meinem Job so eine spontane Verlängerung leisten konnte und schließlich habe ich ja auch noch das Blindengeld. Das ist gerade in diesen Zeiten ein unverzichtbarer Partner…
Also wenn ich an die ganzen alten Menschen hier z. B. im Rösselsbrünnle-Altenheim denke, dann muss ich sagen, dass man in diesen Ferien den Bogen mit den Baustellen deutlich überspannt hat. In der Stadt war es ja auch nicht besser.
Ich dachte schon daran, die BNN in dieser Sache einzuschalten.
Mir lag aber vor allem vor dem Urlaub nichts an Kampf. Ich war am Ende und wollte einfach nur nach Österreich. Ich hatte keine Kraft mehr für gar nichts.
Nun ja, außen herum ist noch immer alles Baustelle bei uns, aber die Bahn fährt. Einkaufen geht deshalb momentan nur mit Assistenz oder online.
Ich kann euch sagen, dass ich keine Sekunde dieser vier Wochen und keinen Euro bereue. Noch nie war ich vor einem Urlaub so ausgebrannt, weil mir soziale Kontakte so sehr fehlten. Ich war auch ausgehungert nach gemeinsamen Musizieren und nach astronomischer Rampensau. Drei Singabende mit Lagerfeuer und drei astronomische Vorträge konnte ich in diesem Urlaub halten. Schon klar. Wir Blinden konnten natürlich den Mindestabstand nicht immer einhalten. Das geht unter blinden Menschen einfach nicht. Wie auch immer. Es war großartig. Ich bin sogar Segelfliegen und Gleitschirmfliegen gewesen.
Und es reißt nicht ab:
Wir haben es mittlerweile Anfang Oktober.
Ja, und wieder ist eine Urlaubswoche ausgefallen.
Zuerst eine Osterwoche in Österreich, dann eine Chorfreizeit und jetzt meine Herbst-Astro-Woche, wo ich immer zu verschiedenen Sternwarten fahre, um dort barrierefreie Angebote zu planen und zu beraten.
Eine christliche Freizeit, des EBSB, EBSBW und des EBS Rheinlandpfalz, die am Wochenende hätte stattfinden sollen, und die ich mit leiten sollte, ist auch abgesagt worden.
Gerade jetzt wäre eine solche Freizeit zum gemeinsamen Austausch und Trost für viele sehr wichtig.
Von meinen vielen ausgefallenen Vorträgen und Workshops ganz zu schweigen. Ganz viele Schulen etc. habe ich verloren. Nach der Pandemie kann ich mit meinen Netzwerken, die ich mir über Jahre aufgebaut habe, ganz von vorne anfangen. Jetzt, wo ich das Alter hätte, dass es mir langsam mit den Früchten meiner Arbeit gut geht, verliere ich wieder alles. Es ist bissel wie bei Hiob.
Und ich jammere hier noch auf sehr hohem Niveau. Trotz allem habe ich es ja noch gut.
Es ist schon biblisch bemerkenswert, wenn gerade durch die Pandemie Menschen wie ich ausgebremst werden, die den anderen Menschen so viel zu geben hätten.
Vor allem, wenn ich an die ausgefallene Chorfreizeit über Pfingsten denke, tut mir das Herz weh. Auf dieser Freizeit sind einige Menschen mit mehrfacher Behinderung. Diese Chorfreizeit sind quasi die einzigen vier Tage im Jahr, wo sie mal aus ihrem Wohnheim und Werkstatt heraus kommen.
Vor diesem Hintergrund gehe ich jetzt den zweiten Lockdown mit mehr Gelassenheit an. Demutsvoll denke ich, dass es mir ja noch gut geht bei all dem…
Ich wünsche euch, dass ihr gesund bleibt und gut durch diese schweren Zeiten kommt
Euer Blindnerd, der gegen die Dunkelheit anschreibt.
Heute geht es nochmals um einen Streit in der Wissenschaft. Schon im letzten Artikel hatten wir ja die spannende Geschichte zur Frage, ob die Sonne kalt sei und lediglich eine heiße Atmosphäre besitze, oder umgekehrt.
Passend zum bevorstehenden Reformationstag, der leider in Baden-Württemberg kein Feiertag ist, fand ich eine Geschichte über einen wissenschaftlichen Streit, in welcher ein evang. Pfarrer eine wesentliche Rolle spielte, dessen und seines Sohnes Lebenswerk zu Astronomie ich im Artikel zum Reformationstag 2019 beleuchtete.
Es geht um die spannende Frage, wer der erste Entdecker der Sonnenflecken war.
Nicht immer ist so etwas ganz einfach auszumachen. Es menschelt eben auch in der Wissenschaft. Das war schon immer so.
Heutzutage schreibt man die Erstentdeckung in der Regel der Wissenschaftler*in zu, die diese zuerst veröffentlicht.
Wenn es danach geht, wer zuerst veröffentlichte, dann war die Entdeckung der Sonnenflecken ein Ostfriesischer Fund. David Fabricius war Pfarrer in Resterhave bei Dornum und später in Osteel in Ostfriesland. War er tagsüber für seine Gemeinde da, so widmete er sich nachts den Sternen. Diese Nebenbeschäftigung brachte ihm Ansehen, weit über Ostfriesland hinaus. Mit Tycho Brahe, dem
großen dänischen Astronomen stand er in Kontakt, mit Johannes Kepler führte er einen intensiven Briefwechsel. Auch sein ältester Sohn Johann fühlte sich zur Astronomie hingezogen.
Doch sein Vater schickte ihn zum Medizinstudium in verschiedene Städte, u. A. auch nach Holland an die Universität Leiden. Kurz zuvor wurde in Holland das Fernrohr erfunden. Es ist gut möglich, dass der junge Fabricius und sein Vater ihre Teleskope von den Niederlanden aus bezogen.
Und so erblickte der junge am 9. März 1611 mit einem seiner Fernrohre auf der Sonnenscheibe einen kleinen schwarzen Fleck. Anfangs glaubt er an eine Täuschung. Er ruft den Vater, doch auch der sieht den Fleck. Sie verfolgen die Sonne im Fernrohr den ganzen Tag über. Der Fleck bleibt unverändert. Die Nacht verbringen sie voller Unruhe, den Sonnenaufgang können sie kaum erwarten. Als schließlich die Sonne über den Horizont tritt, ist der Fleck immer noch zu sehen. Johann Fabricius veröffentlicht die Neuigkeit im Jahre 1611. Damit hat er als erster die Entdeckung der Sonnenflekken angezeigt.
Geschrieben hatte Johann Fabricius zwar als erster über die Entdeckung der Sonnenflecken, aber zuerst gesehen, haben sie vor ihm längst andere.
Mit Hilfe des neu erfundenen Fernrohres sah sie bereits der englische Mathematiker und Philosoph Thomas Harriot (1560-1621) am 8. Dezember des Jahres 1610, was man freilich erst 200 Jahre später seinen unveröffentlichten Notizen entnommen hat.
Drei Tage vor Fabricius, nämlich am 6. März 1611, bemerkten der jesuitenpater Christoph Scheiner (1575-1650) in Ingolstadt und sein Schüler und Gehilfe Johann Baptist Cysat (1588-1657) die Flecken auf der Sonnenscheibe.
Doch Scheiners Vorgesetzter im Orden glaubte nicht an Flecken auf der Sonne. Er soll gesagt haben:
Die Sache wird von keinem alten Philosophen erwähnt. Ich habe meinen Aristoteles mehr als einmal von
Anfang bis zu Ende durchgelesen, aber nichts Ähnliches gefunden. Also halten Sie diese Absurdität zurück und geben Sie sich nicht öffentlich bloß, sondern seien Sie vielmehr überzeugt, dass es bloß ein Fehler Ihres Auges oder Ihres Fernglases ist, welches Sie sogar in der Sonne Flecken sehen lässt.
zitierte der Gymnasialprofessor Lorenz Wöckel in einem 1844 erschienenen Buch „Populäre Vorlesungen über die Sternkunde“ den Ordensmann.
Um nicht gegen den Rat seines Vorgesetzten zu handeln, berichtet Scheiner darüber nur in zwei Briefen an den Augsburger Patrizier Marcus Welser (1558-1614). Doch Welser ließ die Briefe drucken. Um Scheiner nicht in Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten zu bringen, erscheinen sie unter dem Pseudonym „Apelles“.
Als Galileo Galilei davon erfährt, schreibt er an Welser nach Augsburg und erklärt, dass er die Flecken auf der Sonne schon längst, nämlich 1610 gesehen habe. Nun beginnt zwischen Scheiner und Galilei ein Streit um den „ersten Platz“.
Als Scheiner später neun Jahre in Rom lebt, gibt er 1630 sein großes astronomisches Werk „Rosa Ursina“ heraus, das Niederschriften zahlloser Beobachtungen von Sonnenflecken enthält. Zu dieser Zeit ist Scheiner bei den Jesuiten als Wissenschaftler bereits hoch angesehen, und so erscheint das Werk nunmehr unter seinem eigenen Namen. Er kann sich zahlreiche Seitenhiebe auf Galilei nicht verkneifen. So sehr Galilei und Scheiner sich auch bekämpften, sie waren sich einig, Fabricius „Entdeckung“ zu ignorieren.
Scheiner projezierte die Sonne durch sein Fernrohr auf einen weißen Papierschirm und erhielt so ein scharfes Bild der Sonnenscheibe.
Eigentlich hätte man schon lange vor der Erfindung des Fernrohres auf die Sonnenflecken aufmerksam werden sollen, denn immer wenn Sonnenstrahlen durch kleine Öffnungen in Fensterläden oder Türen auf eine gegenüberliegende Wand fallen, entsteht ein kleines Bild der Sonnenscheibe. In ihm kann man gelegentlich auch größere Sonnenflecken erkennen.
Im Jahre 1613 reiste der römisch-katholische Kaiser Matthias zum Kurfürstentag nach Regensburg. Da man beabsichtigte, den Gregorianischen Kalender einzuführen, war auch Johannes Kepler, der damals in Linz arbeitete, als Kalenderfachmann geladen.
So betrat er im Juli jenes Jahres zum ersten Mal die Stadt, in der man ihn 17 Jahre später bestatten sollte. Beim Besuch des Doms betrachtete er die scheibenförmigen Sonnenbilder, die das durch kleine Öffnungen fallende Sonnenlicht nach dem Prinzip der Lochkamera auf den Boden warf. Er berichtete später:
Ich sah in der Kathedrale und zeigte auch den dabeistehenden Bekannten die Spuren der Sonnenflecken in den kleinen Lichtkreisen, die durch die Ritzen der Fenster aus der Höhe herabfielen.
Diese Erscheinung hätte man natürlich auch schon vor der Erfindung des Fernrohrs bemerken können, denn es bedarf dazu nicht eines zur Lochkamera umfunktionierten Doms.
Aber zurück zu unseren „Streithähnen“.
Der Streit zwischen den beiden Rivalen bekommt noch dadurch ein ganz besonderes „Geschmäckle“, wie wir süddeutschen sagen, dass der Mönch Scheiner sich noch dem ptolomäischen Weltbild mit der Erde als Mittelpunkt verpflichtet fühlte. Galilei hingegen hatte sich längst schon dem kopernikanischen Weltbild mit der Sonne als Mittelpunkt des Sonnensystems zugewandt.
Der Verdacht, dass Scheiner am Zustandekommen des Prozesses gegen Galilei im Jahre 1633 Anteil gehabt hatte, lässt sich allerdings nicht erhärten.
Der junge Fabricius mag vielleicht der erste gewesen sein, der eine wissenschaftliche Abhandlung über Sonnenflecken verfasst hat, aber alte Dokumente deuten darauf hin, dass auch schon andere welche gesehen hatten.
Von Zeit zu Zeit erreicht ein Fleck auf der Sonne einen Durchmesser von mehr als 50 000 km. Dann kann man ihn sogar schon mit unbewaffnetem Auge durch Dunst oder Nebel hindurch sehen. Natürlich nur dann, wenn die Sonne dadurch so abgeschwächt ist, dass man problemlos in die Sonnenscheibe blicken kann.
Bereits in der Zeit vor Christi Geburt findet man Niederschriften über dunkle Punkte auf der Sonnenscheibe. Es ist nicht immer leicht, sich in den alten Berichten zurechtzufinden, so, wenn man etwa liest, dass im Jahre 354 v. Chr, in der Sonnenscheibe ein dunkles Gebilde „so groß wie ein Hühnerei erschienen sei. In alten chinesischen Quellen sind 45 Berichte über Sonnenflecken aus dem Zeitraum zwischen 301 v. Chr. und 1205 n. Chr. zu finden. Einhard, der Biograf Karls des Großen, schreibt, dass im Jahre 807 der Planet Merkur acht Tage lang als dunkler Fleck vor der Sonne gestanden habe. Das muss ein großer Sonnenfleck gewesen sein, denn Merkur kann nie länger als etwa einen halben Tag vor der Sonne stehen.
Kepler hat am 28. Mai 1607 in Prag ebenfalls einen dunklen Fleck vor der Sonne gesehen und für den Planeten Merkur gehalten. Erst später, nachdem er von den Sonnenflecken erfahren hatte, wurde ihm bewusst, dass er wohl einen großen Fleck auf der Sonne wahrgenommen hatte, wie er einem Brief an David Fabricius anvertraute. So besteht kein Zweifel, dass es auch schon vor Jahrhunderten Sonnenflecken gegeben hat.
Und ja, wie sich das menschliche Schicksal manchmal so fügt.
Wir wissen nicht genau, wann der junge Fabricius starb. Von seinem Tod erfahren wir nur durch einen Nachruf aus der Feder von Johannes Kepler. Vater Fabricius folgte ihm kurz danach. Nachdem er einen Bauern öffentlich von der Kanzel beschuldigt hatte, er habe ihm seine Gänse gestohlen, wurde er mit einem Spaten erschlagen.
So, meine lieben, das war der Streit über die Entdeckung der Sonnenflecken. Ich hoffe, es hat etwas gefallen.
Lesen, Liken und Kommentieren hilft mir sehr, diesen Blog weiter zu entwickeln.
Jetzt wird es aber höchste Eisenbahn, dass der Blindnerd mal wieder aus seiner Schreibmüdigkeit erwacht, und einen neuen Artikel raus haut…
gerade wurden die Nobel-Preise für 2020 verliehen. Mich freut sehr, dass derjenige für Physik auch zu einem Teil an die Astrophysikerin Andrea Ghez ging. Sie wies gemeinsam mit Reinhard Genzel das massereiche schwarze Loch im inneren unserer Galaxis nach, indem sie Sterne beobachteten, die es umkreisen. Der dritte im Bunde, Roger Penrose lieferte fundamentale mathematische Grundlagen zur mathematischen Beschreibung, wie schwarze Löcher entstehen. Wer mich kennt, weiß, dass ich jetzt sicher nicht über diese Nobelpreise berichten möchte. Das haben andere schon ausführlich getan. Es geht heute aber tatsächlich um eine Preisverleihung und einen Rechtsstreit, der mit der Sonne zu tun hat.
Etwas Tragik kommt natürlich, wie das zu einer spannenden Story gehört, auch vor. Viel Freude mit der Story.
Begeben wir uns also in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts:
…
Man konnte nachher nicht mehr feststellen, wieso das Auto das Brückengeländer durchbrochen hatte. Als der Patentanwalt Gottfried B aus Osnabrück sich schwimmend ans Ufer retten wollte, erlitt er einen tödlichen Herzschlag. Sogar die Abendnachrichten berichteten davon, denn B stand im Zentrum eines interessanten und ungewöhnlichen Zivilprozesses, der von den Medien rege verfolgt wurde. Es ging ihm um die Frage, ob man drei Astronomen finden könne, die beweisen sollten, dass die Sonne in ihrem Inneren heiß und nicht kalt ist. B war nämlich der Meinung, es wäre umgekehrt. Er dachte, sie habe einen kühlen Kern und eine heiße Atmosphäre. Er war sich sogar sicher, dies beweisen zu können. Er wähnte in den Sonnenflecken, die seit dem 17. Jahrhundert bekannt waren, löcher in der heißen Sonnenatmosphäre, durch die man manchmal den kühleren Sonnenkern erblickte.
Gottfried B. war wohl mit der Thermodynamik nicht besonders vertraut.
Aber B’s Idee ist schon mit den einfachsten Gesetzen der Physik nicht haltbar.
Naja, das kommt schon immer mal wieder vor, dass Laien meinen, sie hätten ein Welträtsel gelöst. Immer wieder erhalten physikalische Institute Zuschriften, die beispielsweise behaupten, dass die Relativitätstheorie von Einstein falsch sei, oder das der Verfasser nun doch ein Perpetuum Mobile entwickelt habe. Ganz ausschließen kann man natürlich nicht, dass nicht auch mal ein Außenseiter eine wissenschaftliche Entdeckung macht, bzw. einen Fehler in einer Theorie aufdeckt, aber das ist heutzutage doch eher unwahrscheinlich. Meistens benötigt man für derlei riesige Messinstrumente, wie z. B. den LHC, der nun einmal nicht in ein Wohnzimmer passt, oder man benötigt große Computer und enormes Fachwissen, das ohne ein intensives Studium des Forschungsgegenstandes nicht vorhanden sein kann. Nichts desto Trotz. Es kann manchmal doch vorkommen.
Gerade jetzt, in der Pandemie, erleben wir hautnah, wie Wissenschaft funktioniert. Da werden Theorien über das Virus verfeinert, vielleicht sogar über den Haufen geworfen, die Modelle zu dessen Verbreitung werden desto besser, um so mehr Daten man über die Fallzahlen bekommt. Und ja, auf der anderen Seite erleben wir in einem unglaublichen Ausmaß diejenigen Menschen und Schwurbler, die es meinen besser zu wissen…
Mir jedenfalls ist kein Fall der letzten 150 Jahre bekannt, wo ein Laie die Schulwissenschaft eines besseren belehrte.
Doch Gottfried B war ein wohlhabender Mann. So konnte er für seine Idee zwei Preise von jeweils 25000 DM aussetzen.
Den ersten für denjenigen, der B’s eigene Theorie widerlegen kann, wonach auf der Sonne eine heißere
Wolkenhülle einen festen, kühlen Sonnenkern verbirgt, der möglicherweise Vegetation trägt. Der zweite Preis war für den bestimmt, der beweist, dass die Sonne tatsächlich in ihrem Inneren Temperaturen von vielen Millionen Grad aufweist. Der Patentanwalt bestellte ein Preisrichterkollegium: den Nobelpreisträger Werner Heisenberg, den Physikprofessor Clemens Schaefer und einen Hamburger Anwalt. Sie sollten entscheiden, ob eine der eingereichten Schriften preiswürdig sei.
Ignorieren konnten die Fachastronomen die These des streitbaren Patentanwaltes natürlich nicht, weil sonst der Eindruck entstanden wäre, sie wüssten es wirklich nicht, ob der Sonnenkern nun kalt und deren Atmosphäre heiß sei, oder umgekehrt…
Und so trat schließlich die Deutsche astronomische Gesellschaft auf den Plan, deren, und das nur am Rande, stolzes Mitglied ich mich nennen darf.
Sie war an den Geldpreisen interessiert, da sie bei Kriegsende ihr gesamtes Vermögen verloren hatte. Ihr damaliger Vorsitzender, Otto Heckmann, Direktor der Sternwarte in Hamburg-Bergedorf, nahm die Mitglieder in die Pflicht und legte ihnen nahe, sich nicht einzeln an dem offensichtlich leicht zu gewinnenden Preisausschreiben zu beteiligen. Statt dessen schlug er vor, dass zwei angesehene Mitglieder, die Professoren Ludwig Biermann und Heinrich Siedentopf, zusammen mit ihm eine Schrift verfassen sollten, welche die Bedingungen des ersten der beiden Preise erfüllt.
Tatsächlich sprach das Preisrichterkollegium dem von den drei Autoren gefertigten Manuskript den Preis für die Widerlegung von B’s Theorie zu. Doch B. erkannte den Schiedsspruch nicht an und ging vor Gericht.
Das ist oft so, dass sich Außenseiter, die meinen, etwas gefunden zu haben, sich mit den besten Argumenten nicht überzeugen lassen, dass sie falsch liegen. Das erleben wir momentan dauernd auf tragische Weise bei den Leugnern des Klimawandels.
Keine Wetterkatastrophen, keine Daten zur Erwärmung, keine Waldbrände und auch sonst nichts, bringt sie von ihrer festgefahrenen Meinung ab, weshalb es oft relativ sinnlos ist, mit ihnen zu diskutieren.
Der Prozess von B. lief durch mehrere Instanzen und die Medien nahmen regen Anteil daran.
Irgendwie ähnelte das ganze für Außenseiter dem Verfahren Galileo Galileis.
Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Prozessen war, dass Galilei Recht hatte, und trotzdem widerrief, und Gottfried B. hatte nicht Recht, und widerrief auch nicht. So verlor der streitbare Anwalt in zwei Instanzen.
NatÜrlich hatten die Richter nicht über die Temperatur der Sonne zu befinden, sondern darüber, ob das Preisausschreiben ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Ehe das Verfahren vor die letzte Instanz kam, dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, verunglückte der streitbare Patentanwalt. Nach dem Karlsruher Urteil erhielt die Astronomische Gesellschaft den ersten der beiden Preise. Da es dazu mehrerer gerichtlicher Instanzen bedurft hatte,
verzichtete man schließlich darauf, sich auch um den zweiten zu bemühen.
War der Osnabrücker Patentanwalt heutzutage verhältnismäßig leicht zu widerlegen, so war doch noch selbst ein so angesehener Astronom wie William Herschel, der Entdecker des Uranus, Überzeugt, dass der Sonnenkörper in seinem Inneren kalt ist und nur die Sonnenatmosphäre eine hohe Temperatur besitzt. Aber
damals steckte die Wärmelehre, die sogenannte Thermodynamik, noch in ihren Kinderschuhen, und man wusste noch nicht, dass ein kalter Körper nicht unter einer heißen Hülle verborgen sein kann, ohne dass er sich entweder aufheizt, oder sich die Hülle seiner Temperatur anpasst.
Ferner wissen wir Heute, dass wir durch die Sonnenflecken nicht auf einen kalten Körper im Inneren schauen und dass die Sonne in ihrem Zentrum Temperaturen aufweist, welche die ihrer Atmosphäre um mehr als das Zweitausend fache übertreffen.
Und um diese Flecken wird es im nächsten Artikel zum Reformationstag gehen.
Bis dahin, alles gute und bleibt gesund.
, sang Karl Moik in seinem Musikantenstadel, den ich als Kind ertragen musste, weil meine Eltern und Großeltern diese Sendung sehr liebten. Naja, zugegeben. Ich fand das damals gar nicht so schlimm und war auch sehr von der Sehnsuchtsmelodie ergriffen, die der damals zehnjährige Walter Scholz glasklar auf seiner Trompete blies, so dass Karl Moik weinen musste. Es kann auch der kleine Stephan Ross gewesen sein. Das weiß ich nicht mehr so genau. Ergreifend kitschig war es auf jeden Fall.
Sehnsucht kommt oft nach einem Abschied und der Hoffnung auf ein Widersehen. Abschied müssen wir so langsam vom Kometen Neowise nehmen, der in den letzten Wochen so viele Astronom*innen im Bann hielt. Ich war sehr beeindruckt, wie viele Fotos hier durch das Internet zischten. OK, ich konnte sie nicht sehen, aber mich faszinierten ganz besonders diejenigen, die auch noch mit Erklärungen versehen waren, welche Tricks, welche Teleskope, welche Kameras oder welche Smartphones dazu benutzt wurden, den Kometen einzufangen. Es gab auch richtige Zauberer, denen es beispielsweise gelungen ist, den Kometen mit Landschaft, mit der ISS, oder sonst wie abzulichten. Aber wie das so im Leben ist. Was für die einen ein trauriger Abschied ist, lässt andere erleichtert aufatmen. Heute geht es mal um die Angst, die die Menschen schon seit alter Zeit vor Kometen hatten.
Kometen haben die Menschen offenbar schon immer erschreckt. Das liegt sicher auch daran, das sie sich über die himmlischen Gesetze hinWeg zu setzen scheinen. Alle anderen Himmelskörper, Sterne, Sonne, Mond und Planeten bewegen sich nämlich auf regelmäßigen Bahnen. Bei den Sternen ist diese Regelmäßigkeit besonders offenkundig. Sie ziehen jede Nacht mit stets gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Himmel und behalten dabei ihre Positionen zueinander unverändert bei. Bei Sonne und Mond ist die Regelmäßigkeit schon schwerer zu erkennen. Die Mittags Höhe der Sonne ändert sich mit dem Laufe des Jahres und der Mond nimmt zunächst zu und dann wieder ab, und verändert seine Phasen Gestalt von Nacht zu Nacht. Bei den Planeten schließlich beobachten wir sogar Veränderungen der Geschwindigkeit und eine gelegentliche Umkehrung der Bewegungsrichtung. all diese Veränderungen sind aber so regelmäßig, dass man daraus die Positionen der Himmelskörper weit in die Zukunft hinein Voraus bestimmen kann. Anders bei den Kometen. Sie erscheinen plötzlich und ohne Vorwarnung am nächtlichen Himmel zumeist als LichtSchwache Objekte und kommen aus nicht vorhersehbaren Richtungen. Bis zum nächsten Kometen können 50 oder mehr Jahre vergehen. Einer kann aber auch schon im nächsten Monat auftauchen. Die Astronomen des klassischen Altertums kannten die Gesetzmäßigkeiten für die Bewegung der anderen Himmelskörper, mussten aber bei den Kometen leider passen. Sie konnten nicht voraussagen, wann ein Komet auftauchen würde, geschweige denn an welcher Stelle des Himmels er erscheinen werde und auch über seine Sichtbarkeitsdauer konnte man keine Prognosen anstellen. Dies ist von besonderer Bedeutung angesichts des damals weit verbreiteten Aberglaubens, man könne aus den Positionen von Sonne Mond und Planeten vor dem Hintergrund der Sterne die Zukunft voraus sagen. Aufgrund der Bewegung dieser Himmelskörper veränderte sich der Anblick von Nacht zu Nacht und von Jahr zu Jahr. Ein Geheimcode, so glaubte man. Und die weisen Astrologen versuchten daraus Entscheidungshilfen für die Menschen ableiten zu können. Dieser Irrglaube, die so genannte Astrologie, hat seine Anziehungskraft auf abergläubische Zeit genossen leider bis heute nicht verloren. Wenn aber die Kometen völlig unerwartet auftauchen, mussten sie etwas ungewöhnliches ankündigen.
Und da etwas ungewöhnliches von den meisten Menschen Katastrophen gleichgesetzt wird, galt die Erscheinung eines Kometen stets als Schreckensnachricht. Diese Deutung wurde durch das Aussehen der Kometen noch verstärkt.
Sonne und Mond zeigen sich immer als kreisförmige Scheiben. Sterne sind für das bloße Auge stets Lichtpunkte, die über den Himmel wandern. Der Mond nimmt im Laufe des Monats zu und wieder ab.
Planeten, auch als Scheibchen sichtbar, zeigen zwar manchmal merkwürdige Bewegungen, indem sie rückwärts zu laufen scheinen, was allerdings nur eine Frage der Perspektive und ihrer Geschwindigkeiten zueinander ist, aber dennoch sehr periodisch und regelmäßig. Kein Grund zur Beunruhigung also.
Ein Komet hingegen hat die Gestalt eines leuchtenden Dunstkreises, von dem eine schmale leicht gekrümmte und schwach leuchtende Struktur, seine Schweife ausgehen. Diese zeigen stets weg von der Sonne, da der Sonnenwind die Schweife immer von der Sonne weg bläst.
Kometen erscheinen unangekündigt und scheinbar ohne Regelmäßigkeit. Bis zum nächsten Erscheinen eines Kometen können Jahre vergehen, aber es kann auch schon einer im nächsten Monat erscheinen. Alles sehr ungewiss. Auch die Richtung, aus welcher ein Komet erscheint, ist nicht vorhersehbar. So kam der Komet Neowise, von dem wir uns langsam verabschieden müssen, von der Bahnebene der Planeten her gesehen, eher von oben, also Norden herein. Man sah ihn stets in der Nähe des großen Wagens und des Bären. Ich denke, Menschen auf der Südhalbkugel hatten nicht viel bis gar keine Gelegenheit, ihn zu sehen. Kometen verhalten sich auf jeden Fall nicht so, wie man es von der unverrückbaren Regelmäßigkeit der Himmelsmechanik, die man damals zugrunde legte, erwartete.
Und weil die Sterne, die Sonne, die Planeten und der Mond so präzise ablaufen, entstand die Astrologie, in welcher man bis heute versucht, die Zukunft voraus zu sagen. Noch immer gibt es Menschen, die daran glauben und ihr Leben danach ausrichten. Wem das gut tut, der mache ruhig so weiter. Es schadet nichts, so lange ihr das ganze nicht zu einer Weltanschauung aufblast.
Heute verfügen wir über bessere Instrumente. Wir wissen, dass Kometen sich auf sehr elliptischen Bahnen bewegen können, so dass ihre Wiederkehr Tausende von Jahren dauern kann, etwa 7000 Jahre beim aktuellen Kometen Neowise. Es kann gut sein, dass es langperiodische Kometen gibt, die das letzte Mal sichtbar waren, als es die Menschheit noch nicht gab, bzw. erst sichtbar sein werden, wenn es uns vielleicht nicht mehr gibt. Langperiodische Kometen sind solche, deren Umlaufzeit um die Sonne länger als 200 Jahre dauert.
Das Thema „Kometenbahnen“ ist so komplex, dass ich ihm einen eigenen Artikel widmen muss.
Zurück zur Kometenangst.
Das Wort Komet leitet sich vom Griechischen Wort für Haar ab.
im Altertum galt es als Zeichen der Trauer, wenn eine Frau ihr Haar offen über die Schultern trug. Sie war so betroffen, dass sie keine Zeit fand, sich um ihre Haartracht zu kümmern. was also lag näher, als in einem Kometen ein schlechtes Omen zu erkennen, wenn sein Aussehen dem Haupt einer Frau gleicht, die aus Trauer ihr Haar vom Winde zerzausen lässt.
und wie anders sollte man das Erscheinen eines Kometen interpretieren, denn als Vorboten eines kommenden Unheils. nachdem sich die Verknüpfung von Kometen und Unglück erst einmal bei den Menschen festgesetzt hatte, entdeckten sie in der Gestalt des Kometen noch ganz andere Dinge.
Den Schweif hielt man häufig für ein Schwert, oder einen Säbel und sein Kopf für ein abgeschlagenes Haupt.
Und so nahm die Kometen Angst ständig zu.
Immer, wenn Kometen auftauchten, achteten die Menschen ganz besonders auf irgendwelche schrecklichen Ereignisse, die sie dann in Verbindung mit dem Auftauchen des Kometen brachten. Solche Zusammenhänge Galten dann als Beweis für schlechte Nachrichten und Ereignisse. Oft wurden diese Zusammenhänge auch erst im nachhinein mit historischen Ereignissen verknüpft. Da kam es schon vor, dass man, wie bei Finsternissen auch, die Daten der Geschehnisse etwas anpasste. Immer gab es schon stets Schreckensmeldungen von Kriegen, Unwettern, Seuchen etc, ob ein Komet am Himmel stand, oder nicht. So war es nicht schwer, eine Schreckensbotschaft einem Kometen zu zu ordnen, wenn denn einer erschien.
So tauchte beispielsweise im Jahre 44 v. Chr. ein Komet am Himmel auf, der später als Vorbote der Ermordung Caesars angesehen wurde.
Ebenso musste ein Komet aus dem Jahre elf v. Chr. für die Ermordung des römischen Staatsmannes Marcus Agrippa, im Jahr zuvor her halten.
Ein weiterer Komet, der 837 n. Chr. erschien, wurde nachträglich als Ankündigung des Todes von Ludwig dem frommen drei jahre später gedeutet.
So sollte der Komet, der 66 n. Chr. erschien, die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. prophezeit haben.
Der Komet des Jahres 1066 n. Chr. sollte dem englischen König Harald die Niederlage gegen Willhelm, den Normannen, ⠀im Herbst gleichen Jahres offenbaren.
Ein Komet aus dem Jahre 1456 galt als himmlische Reaktion auf die Eroberung Konstantinopels durch die Türken, Drei Jahre zuvor.
Ich schrieb schon im vorigen Artikel, dass man 1910 Blausäure im Schweif des Halleyschen Kometen fand. Viele glaubten damals, dass nun alles Leben auf Erden ausgelöscht würde, wenn die Erde durch diesen Schweif flöge. Wenn dem so gewesen wäre, gäbe es diesen Artikel wohl eher nicht.
⠀Diese Beispiele zeigen deutlich, dass man leicht Ereignisse Kometen zuordnen kann.
Was des einen Freud, ist des anderen Leid.
Es ist aber durchaus nicht so, dass es hier nur um schlechte Prophezeiungen geht. Die Normannen freuten sich ebenso über die Eroberung Englands, wie die Türken über die Erstürmung Konstantinopels.
Was unnseren Kometen, den Neowise betrifft, so konnte ich keinen Schwurbel dazu finden, was aber nicht heißen soll, dass es keinen geben wird. Man sieht an obigen Beispielen, dass die Zuordnung von Kometen zu historischen Ereignissen auch erst später erfolgen kann. „Nachher ist man immer schlauer.“
Kometen scheinen immer Bringer von etwas zu sein. Die einen bringen Sieg, andere Leid, vielleicht kam das Wasser und das Leben durch sie auf die erde, und nicht zuletzt wird der Stern von Betlehem oft als Komet mit Schweif dargestellt. In dem Fall bringt er den Messias und Erlöser…
Wie auch immer. Ich wünsche Neowise eine gute Reise und dass wir mit unserer Welt künftig so umgehen werden, dass ihn in weiteren 7000 Jahren weitere menschliche Astronom*innen fasziniert erblicken können und ihre Fotos über welche Kanäle auch immer, untereinander teilen mögen.
neulich ist die Rätselfrage durch Twitter gezischt, wie viele Freitage 13. es in einem Jahr mindestens oder höchstens geben kann. „Keine Ahnung.“ dachte ich, „Wäre aber vielleicht mal interessant, sich damit zu beschäftigen“. Dabei ist das Nachschlagen der aktuellen Situation das wenigste.
Von 2020 – 2030 tritt Freitag, 13. 18 mal auf.
18 mal zittern und bangen für jene, die damit ein Problem haben.
In den Jahren 21, 22, 25, 27, und 28 jweils ein mal.
Dreimal nur im Jahr 2026
und in den restlichen Jahren dann jeweils zwei mal.
Schlimmer noch. Unter den sieben Wochentagen fällt der 13. innerhalb von 400 Jahren am häufigsten auf einen Freitag. 400 Jahre sind die Basis des Gregorianischen Kalenders, auf der alles berechnet wird. Das liegt an der Schaltregel dieses Kalenders, die innerhalb von 400 Jahren drei Schalttage weg lässt. Somit sind die Jahre 2100, 2200 und 2300 keine Schaltjahre, obwohl diese Zahlen durch vier teilbar sind. Diese Schaltjahre sind daran schuld, dass es so viele Freitage gibt, die auf einen 13. fallen. Jeder dieser 400-Jahre-Blöcke enthält 146097 Tage, verteilt auf 4800 Monate oder 20871 volle Wochen. Deshalb wiederholen sich nach vierhundert Jahren alle Datums- und Wochenkombinationen in gleicher Folge wieder. Bei einer Gleichverteilung des dreizehnten auf alle sieben Wochentage sollte es innerhalb von 400 Jahre nur 4800 zu sieben =685,71 mal auftreten. In Wirklichkeit müssen wir aber in 400 Jahren 688 mal mit dieser Unglück bringenden Kombination leben. Am seltensten fällt ein 13. auf einen Donnerstag oder Samstag, nämlich nur 684 mal.
Soweit die Mathematik dazu, aber was hat das mit Astronomie zu tun?
Offensichtlich ist, dass der Jahreslauf durch die Erdbewegung um die Sonne stattfindet. Die Jahreszeiten ergeben sich ⠀durch die Schieflage der Erdachse. Die Mondphasen werden z. B. zur Berechnung des Osterfestes heran gezogen. Früher bestimmten sie den kompletten Kalender.
In alter Zeit wurde ein Jahr anhand von zwölf Zyklen des Mondes definiert.
Das bewirkte aber, dass das Jahr ungefähr 11 Tage zu kurz war. Die Erdbahn um die Sonne tickt halt nicht so, dass sie mit dem Mond zusammen passt. Schön wär’s zwar, aber…
Somit musste alle drei Jahre ein dreizehnter Monat eingefügt werden, um den Jahreslauf wenigstens wieder einigermaßen mit den Jahreszeiten in Einklang zu bringen. Diese Regel musste man sieben mal innerhalb von 19. Jahren anwenden. Diese Jahre dürften nicht besonders beliebt beim Volk gewesen sein, da z. B. für dreizehn Monate Steuern gezahlt werden musste. So etwas gräbt sich in den Volksglauben ein. Der Schritt zur dreizehn als Unglückszahl ist dann nicht mehr groß.
Das Unglück der Heutzeit mag sein, dass mehr und mehr die dreizehnten Monatsgehälter wegrationalisiert werden. Hier „schließt sich der Kreis“.
„Es ist so, und es bleibt so“. Die Dreizehn bringt Unglück.
Da ändert offensichtlich auch die schöne Tatsache nichts daran, dass sie eine Primzahl ist. Primzahlen sind nur durch sich selbst und durch eins ohne Rest teilbar.
Hier findest Du die Übersicht für den Zeitraum 2020 – 2030.
13.03.2020
13.11.2020
13.08.2021
13.05.2022
13.01.2023
13.10.2023
13.09.2024
13.12.2024
13.06.2025
13.02.2026
13.03.2026
13.11.2026
13.08.2027
13.10.2028
13.04.2029
13.07.2029
13.09.2030
13.12.2030
Und damit wünsche ich euch für die Freitage, 13. trotzdem viel Glück.
Es grüßt euch
Euer Blindnerd.