Die Sonne, zwei Preise und ein Rechtsstreit


Liebe Leser*innen,

Jetzt wird es aber höchste Eisenbahn, dass der Blindnerd mal wieder aus seiner Schreibmüdigkeit erwacht, und einen neuen Artikel raus haut…

gerade wurden die Nobel-Preise für 2020 verliehen. Mich freut sehr, dass derjenige für Physik auch zu einem Teil an die Astrophysikerin Andrea Ghez ging. Sie wies gemeinsam mit Reinhard Genzel das massereiche schwarze Loch im inneren unserer Galaxis nach, indem sie Sterne beobachteten, die es umkreisen. Der dritte im Bunde, Roger Penrose lieferte fundamentale mathematische Grundlagen zur mathematischen Beschreibung, wie schwarze Löcher entstehen. Wer mich kennt, weiß, dass ich jetzt sicher nicht über diese Nobelpreise berichten möchte. Das haben andere schon ausführlich getan. Es geht heute aber tatsächlich um eine Preisverleihung und einen Rechtsstreit, der mit der Sonne zu tun hat.
Etwas Tragik kommt natürlich, wie das zu einer spannenden Story gehört, auch vor. Viel Freude mit der Story.
Begeben wir uns also in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts:

Man konnte nachher nicht mehr feststellen, wieso das Auto das Brückengeländer durchbrochen hatte. Als der Patentanwalt Gottfried B aus Osnabrück sich schwimmend ans Ufer retten wollte, erlitt er einen tödlichen Herzschlag. Sogar die Abendnachrichten berichteten davon, denn B stand im Zentrum eines interessanten und ungewöhnlichen Zivilprozesses, der von den Medien rege verfolgt wurde. Es ging ihm um die Frage, ob man drei Astronomen finden könne, die beweisen sollten, dass die Sonne in ihrem Inneren heiß und nicht kalt ist. B war nämlich der Meinung, es wäre umgekehrt. Er dachte, sie habe einen kühlen Kern und eine heiße Atmosphäre. Er war sich sogar sicher, dies beweisen zu können. Er wähnte in den Sonnenflecken, die seit dem 17. Jahrhundert bekannt waren, löcher in der heißen Sonnenatmosphäre, durch die man manchmal den kühleren Sonnenkern erblickte.
Gottfried B. war wohl mit der Thermodynamik nicht besonders vertraut.
Aber B’s Idee ist schon mit den einfachsten Gesetzen der Physik nicht haltbar.

Naja, das kommt schon immer mal wieder vor, dass Laien meinen, sie hätten ein Welträtsel gelöst. Immer wieder erhalten physikalische Institute Zuschriften, die beispielsweise behaupten, dass die Relativitätstheorie von Einstein falsch sei, oder das der Verfasser nun doch ein Perpetuum Mobile entwickelt habe. Ganz ausschließen kann man natürlich nicht, dass nicht auch mal ein Außenseiter eine wissenschaftliche Entdeckung macht, bzw. einen Fehler in einer Theorie aufdeckt, aber das ist heutzutage doch eher unwahrscheinlich. Meistens benötigt man für derlei riesige Messinstrumente, wie z. B. den LHC, der nun einmal nicht in ein Wohnzimmer passt, oder man benötigt große Computer und enormes Fachwissen, das ohne ein intensives Studium des Forschungsgegenstandes nicht vorhanden sein kann. Nichts desto Trotz. Es kann manchmal doch vorkommen.

Gerade jetzt, in der Pandemie, erleben wir hautnah, wie Wissenschaft funktioniert. Da werden Theorien über das Virus verfeinert, vielleicht sogar über den Haufen geworfen, die Modelle zu dessen Verbreitung werden desto besser, um so mehr Daten man über die Fallzahlen bekommt. Und ja, auf der anderen Seite erleben wir in einem unglaublichen Ausmaß diejenigen Menschen und Schwurbler, die es meinen besser zu wissen…
Mir jedenfalls ist kein Fall der letzten 150 Jahre bekannt, wo ein Laie die Schulwissenschaft eines besseren belehrte.

Doch Gottfried B war ein wohlhabender Mann. So konnte er für seine Idee zwei Preise von jeweils 25000 DM aussetzen.
Den ersten für denjenigen, der B’s eigene Theorie widerlegen kann, wonach auf der Sonne eine heißere
Wolkenhülle einen festen, kühlen Sonnenkern verbirgt, der möglicherweise Vegetation trägt. Der zweite Preis war für den bestimmt, der beweist, dass die Sonne tatsächlich in ihrem Inneren Temperaturen von vielen Millionen Grad aufweist. Der Patentanwalt bestellte ein Preisrichterkollegium: den Nobelpreisträger Werner Heisenberg, den Physikprofessor Clemens Schaefer und einen Hamburger Anwalt. Sie sollten entscheiden, ob eine der eingereichten Schriften preiswürdig sei.

Ignorieren konnten die Fachastronomen die These des streitbaren Patentanwaltes natürlich nicht, weil sonst der Eindruck entstanden wäre, sie wüssten es wirklich nicht, ob der Sonnenkern nun kalt und deren Atmosphäre heiß sei, oder umgekehrt…
Und so trat schließlich die Deutsche astronomische Gesellschaft auf den Plan, deren, und das nur am Rande, stolzes Mitglied ich mich nennen darf.
Sie war an den Geldpreisen interessiert, da sie bei Kriegsende ihr gesamtes Vermögen verloren hatte. Ihr damaliger Vorsitzender, Otto Heckmann, Direktor der Sternwarte in Hamburg-Bergedorf, nahm die Mitglieder in die Pflicht und legte ihnen nahe, sich nicht einzeln an dem offensichtlich leicht zu gewinnenden Preisausschreiben zu beteiligen. Statt dessen schlug er vor, dass zwei angesehene Mitglieder, die Professoren Ludwig Biermann und Heinrich Siedentopf, zusammen mit ihm eine Schrift verfassen sollten, welche die Bedingungen des ersten der beiden Preise erfüllt.

Tatsächlich sprach das Preisrichterkollegium dem von den drei Autoren gefertigten Manuskript den Preis für die Widerlegung von B’s Theorie zu. Doch B. erkannte den Schiedsspruch nicht an und ging vor Gericht.

Das ist oft so, dass sich Außenseiter, die meinen, etwas gefunden zu haben, sich mit den besten Argumenten nicht überzeugen lassen, dass sie falsch liegen. Das erleben wir momentan dauernd auf tragische Weise bei den Leugnern des Klimawandels.
Keine Wetterkatastrophen, keine Daten zur Erwärmung, keine Waldbrände und auch sonst nichts, bringt sie von ihrer festgefahrenen Meinung ab, weshalb es oft relativ sinnlos ist, mit ihnen zu diskutieren.

Der Prozess von B. lief durch mehrere Instanzen und die Medien nahmen regen Anteil daran.
Irgendwie ähnelte das ganze für Außenseiter dem Verfahren Galileo Galileis.
Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Prozessen war, dass Galilei Recht hatte, und trotzdem widerrief, und Gottfried B. hatte nicht Recht, und widerrief auch nicht. So verlor der streitbare Anwalt in zwei Instanzen.

NatÜrlich hatten die Richter nicht über die Temperatur der Sonne zu befinden, sondern darüber, ob das Preisausschreiben ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Ehe das Verfahren vor die letzte Instanz kam, dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, verunglückte der streitbare Patentanwalt. Nach dem Karlsruher Urteil erhielt die Astronomische Gesellschaft den ersten der beiden Preise. Da es dazu mehrerer gerichtlicher Instanzen bedurft hatte,
verzichtete man schließlich darauf, sich auch um den zweiten zu bemühen.

War der Osnabrücker Patentanwalt heutzutage verhältnismäßig leicht zu widerlegen, so war doch noch selbst ein so angesehener Astronom wie William Herschel, der Entdecker des Uranus, Überzeugt, dass der Sonnenkörper in seinem Inneren kalt ist und nur die Sonnenatmosphäre eine hohe Temperatur besitzt. Aber
damals steckte die Wärmelehre, die sogenannte Thermodynamik, noch in ihren Kinderschuhen, und man wusste noch nicht, dass ein kalter Körper nicht unter einer heißen Hülle verborgen sein kann, ohne dass er sich entweder aufheizt, oder sich die Hülle seiner Temperatur anpasst.

Ferner wissen wir Heute, dass wir durch die Sonnenflecken nicht auf einen kalten Körper im Inneren schauen und dass die Sonne in ihrem Zentrum Temperaturen aufweist, welche die ihrer Atmosphäre um mehr als das Zweitausend fache übertreffen.

Und um diese Flecken wird es im nächsten Artikel zum Reformationstag gehen.
Bis dahin, alles gute und bleibt gesund.

Kometengeschichten 6 – Kometenschweife und Sternschnuppen


Liebe Leserinnen und Leser,

lange ist es her, aber jetzt meldet sich der Blindnerd nach seinem Erholungsurlaub wieder zurück.
Dieses Frühjahr und Sommer waren astronomisch vom Erscheinen des Kometen Neowise und dann natürlich auch durch die jährlich wiederkehrenden Sternschnuppen der Perseiden im August geprägt. In meinem hinter mir liegenden Sommerurlaub in Österreich war ich nicht untätig. So durfte ich beispielsweise drei Astronomie-Abende gestalten. In einem brachte ich die Kometen und die Sternschnuppen zusammen. Es wäre doch schade, würde aus dieser Verschmelzung meiner diversen Artikel kein neuer Artikel entstehen. Außerdem schließt er den Kreis, indem wir uns nochmal Kometen und Sternschnuppen zuwenden. Viel gäbe es noch über Kometen zu erzählen. Sicher findet sich dazu zu gegebener Zeit wieder eine Gelegenheit. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen dieses ersten Artikels nach meinem schönen Sommerurlaubs.

In „Kometenbahnen“ beschrieb ich, dass die erste entdeckte Gemeinsamkeit aller Kometen, unabhängig aus welcher Richtung sie kamen war, dass ihre Schweife stets von der Sonne weg zeigen. Änderten sie ihre Richtung, schwang auch der Schweif herum, so dass dieses wieder gegeben war. Lapidar erwähnte ich in diesem Zusammenhang den Sonnenwind und ging nicht weiter darauf ein. Deshalb hier noch einige Worte dazu.

Wenn eine Dampflock an windstillen Tagen fährt, dann wird ihre Rauch- und Dampfwolke stets hinter ihr her gezogen, weil der Luftwiderstand des Fahrtwindes sie nach hinten bläst. Im Vakuum des Weltalls gibt es keinen Wind der Widerstand gegen die Fahrtrichtung und den Schweif des Kometen, der aus Gas, Staub und Teilchen besteht, leisten könnte. Oder doch? Somit sollte sich überhaupt kein Schweif, in welche Richtung auch immer, ausbilden, sondern aller „Kometendampf“ sollte sich wolkenartig um ihn herum bewegen. Der Sonnenwind ist es, der Kometenschweife von der Sonne weg bläst. Das klingt so einfach, gab aber lange viele Rätsel auf.

Eine Vermutung der Herkunft des Sonnenwindes war, dass eventuell ihr starkes Licht und ihre sonstige Strahlung eine Art Druck, also Wind, auf die Ausgasungen der Kometen ausüben könnte. Der schottische Physiker James Clerk Maxwell
(13. Juni 1831 – 5. November 1879) wies in seinen theoretischen Arbeiten darauf hin, das Licht eventuell im Vakuum wie ein schwacher Wind wirken könne. Ein Russischer Wissenschaftler, dessen Name ich nicht schreiben kann, weil ich ihn nur aus einem Audio habe, er lebte 1866 – 1911, bestrahlte 1901 in einer Vakuumkammer ultraleichte Spiegel, die ganz leicht aufgehängt waren. Damit konnte er generell den Lichtdruck nachweisen und messen. Von da an nahm man fast ein halbes Jahrhundert nun an, dass der Druck des Sonnenlichtes für die Auslenkung der Kometenschweife von der Sonne weg, verantwortlich sei. Dann zeigte sich aber, dass dieser Lichtdruck unmöglich stark genug sein konnte, die Schweife auszubilden. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts untersuchte der englische Wissenschaftler Edward Arthur Milne (1896 – 1950) auf theoretischem Wege die Zusammenhänge in der Sonnenatmosphäre. Er berechnete die Anziehungskraft der Sonne auf Teilchen der Atmosphäre und verglich sie mit der nach außen treibenden Kraft des Strahlungsdrucks. Er kam zum Schluss, dass an der Oberfläche der Sonne es durchaus möglich sein sollte, dass Teilchenströme von ihr ausgingen, die zusätzlich zum Strahlungsdruck z. B. auf die Kometenschweife wirken könnten. Er sagte einen Teilchenstrom aus geladenen Protonen, der von der Sonne weg strömt voraus. Als man nun in den 50ern des letzten Jahrhunderts begann, die Sonne mit Raketen, Satelliten und Raumsonden zu erkunden, (Siehe Der Sonne entgegen – Der Aufbruch), stieß der italienische Physiker Bruno Rossi tatsächlich auf eine sehr schnelle Strömung von geladenen Teilchen, den Sonnenwind. Es besteht kein Zweifel mehr, dass dieser Sonnenwind die Gaswolke, die einen Kometen bei Annäherumg an die Sonne umgibt, zu einem von der Sonne weg zeigenden Schweif streckt.

Nun stellt sich aber die Frage, was mit der Materie geschieht, die der Komet längs des Schweifes verlässt. Er sammelt sie doch bestimmt nicht wieder ein, und kann sie einfach verschwinden? Verschwinden kann natürlich nichts. Die gasförmigen Moleküle oder Atome, wie z. B. Wasserdampf, verlieren sich einfach im Vakuum des interplanetaren Raumes. Was geschieht aber mit dem Rest, dem Staub, den Felsbröckchen etc, die stets den zweiten Schweif eines Kometen ausbilden?
Sie verteilen sich nach und nach auf der gesamten Kometenbahn. Ganz besonders dann, wenn ein Komet sich auflöst, wie beispielsweise der Komet Lovejoy, oder der Komet Biela.
Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis dieses Sommers zu den Sternschnuppen. Sie sind sehr oft Teilchen aus Kometenschweifen, die in der Atmosphäre der Erde verglühen, wenn die Erde die Bahn, also die Hinterlassenschaften eines Kometen kreuzt. Ich schrieb schon darüber, dass Aristoteles Sternschnuppen für atmosphärische Erscheinungen hielt. In gewisser Weise hatte er damit sogar Recht, denn zu leuchten beginnen die Kometenteilchen tatsächlich erst in der Atmosphäre. Aus diesem Grunde werden sie auch Meteore (Griechisch für hoch in der Luft) genannt. Das ist aber noch nicht alles.
Schon aus alter Zeit existieren Berichte, dass es Metallklumpen oder Steine vom Himmel regnete. Das hielten Astronomen und andere Wissenschaftler zunächst für Unsinn. Der Schweizer Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672 – 1733) war einer der ersten, der die Möglichkeit vom Himmel fallender Steine in Betracht zog. Er äußerte 1607 den Verdacht, dass hier ein Zusammenhang zu den bekannten Meteoren und Sternschnuppen bestehen könnte. Rund hundert Jahre später nahm sich der Physiker Ernst Florens Friedrich Chladni (1756 – 1827) der Sache an. Er sammelte vom Himmel gefallene Steine und begann, sie zu untersuchen, was gar nicht so leicht war, denn so oft passiert es ja dann glücklicherweise doch nicht, dass es Steine regnet. In seinem Buch veröffentlichte er 1794 schließlich die Behauptung, dass es durchaus passiert, dass Brocken aus dem Weltall gelegentlich mit der Erde zusammen stoßen können. Er meinte auch, dass, wenn solche Klumpen in die Atmosphäre eindrängen, sie vom Widerstand der Luft gebremst würden, sich dadurch erhitzten und als Sternschnuppen verglühten. Wenn nicht alles von so einer Schnuppe verdampfe, dann schlüge der Rest als vom Himmel regnender Stein auf der Erde ein. Von da an löste sich langsam die Skepsis der anderen Wissenschaftler. Als ein französischer Physiker 1803 Proben aus einem Gebiet Frankreichs untersuchte, wo besonders viele Steine regneten, klärte sich die Sache schließlich endgültig auf. Steine und Eisenklumpen konnten tatsächlich vom Himmel fallen. Solche Objekte nannte man von nun an Meteoriten. Und hier beginnt ein interessantes Wirrwar von Worten. Ist ein Bröckchen, das unsre Erde treffen soll noch im Weltall, es muss wesentlich kleiner, als ein Asteroid sein, dann heißt das Ding Meteorid. Tritt es seine heiße Spur durch die Atmosphäre an, dann ist es ein Meteor. Das, was von der Sternschnuppe noch übrig bleibt, nennt man schließlich Meteorit, wenn man es findet. Die meisten Sternschnuppen verglühen aber vorher und es kommt nichts außer vielleicht etwas Staub unten an.

So gab es beispielsweise im November 1833 einen Meteor-Sturm unglaublichen Ausmaßes. Wie Schneeflocken fielen sie herab. Die Menschen fürchteten sich sehr. Sie glaubten, dass nun die Sterne vom Himmel fielen, wie es im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, voraus gesagt ist. Sie befürchteten das Ende der Welt. Das Schauspiel muss man sich vor allem mal vor dem Hintergrund vorstellen, dass der Himmel damals nachts noch wirklich dunkel war. Lichtverschmutzung gab es wenig bis keine. Nacht war damals wirklich schwarze Nacht und keine graue Dämmerung, wie heutzutage in unseren Städten. Nun ja, die Welt ging nicht unter, ansonsten gäbe es diesen Artikel und dessen Schreiber nicht… Auch stehen noch alle Sterne an ihren gewohnten Plätzen und kein gefallener Stern fehlt.

Legt man die Zeiten der Vorkommen vieler Sternschnuppen mit den Erscheinungszeiten, den Kometenbahnen und den Richtungen, aus denen sie kommen übereinander, stellt man recht bald fest, dass der Zusammenhang klar war. Viele Sternschnuppenströme stammen von dem, was Kometen zurück lassen, wenn sie uns besuchen und bei der Umrundung der Sonne ihre Schlankheitskur zu vollführen.
Nicht alle Meteore und noch weniger solche, von denen noch ein Meteorit übrig bleibt, stammen aus den „Dreckspuren“ die Kometen so hinterlassen. Es gibt genügend Brocken, die von Kollisionen von Asteroiden her rühren, die uns dann und wann treffen. Und wie gefährlich es sein kann, wenn diese Brocken richtig groß sind, schrieb ich in „Droht Gefahr durch Asteroiden„.
Dieser spektakuläre Meteor-Sturm schien aus dem Sternbild Löwe zu kommen, also von den Leoniden. Hier kommt es offenbar alle 33 Jahre zu einem besonders starken Aufkommen von Sternschnuppen. Leoniden gibt es jedes Jahr, aber halt nicht so ein Maximum. Auch andere Meteor-Schauer kann man Sternbildern zuordnen, z. B. kreuzt die Erde stets im August die Kometenbahn des längst aufgelösten Kometen „109P/Swift-Tuttle“, der für die Perseiden verantwortlich zeigt. Sie scheinen aus dem Sternbild Perseus zu kommen.
Die Mai-Aquariden gehören zum Halleyschen Kometen, der seine Spur alle 76 Jahre wieder neu auffüllt.
Wie oben schon bei den Perseiden erwähnt, stammen manche Meteorströme von Kometen, die es schon längst nicht mehr gibt, z. B. der Strom der Andromediden, heute Bilieden, gehört zum verschwundenen Kometen Biela. Da hier kein Nachschub mehr vom Kometen kommt, regnet es aus so einer Spur stets weniger und weniger Sternschnuppen, bis man sie letztlich nicht mehr vom sonstigen Sternschnuppen-Hintergrund, den es immer gibt, unterscheiden kann.

Man kann sich nun ängstlich die berechtigte Frage stellen, ob es nicht sein könne, dass die Erde und ein Komet mal kollidieren. Man kann nie nie sagen, aber das ist äußerst unwahrscheinlich, weil der Komet selbst nur einen kleinen Punkt auf seiner breit von Teilchen übersähten Bahn darstellt. Die Teilchendichte ist so dünn, dass nicht mal dann etwas passiert, wenn die Erde direkt durch den Schweif eines Kometen fliegt, wie es beispielsweise 1910 geschah, als die Erde durch den Schweif des Halleyschen Kometen flog. Ich schrieb in „Kometengeschichten 4“ über die Furcht und die Befürchtungen, die die Menschen damals hatten.

Und mit dieser beruhigenden Tatsache enden wir für heute.
Es grüßt euch herzlich

Euer Blindnerd.

Kometengeschichten 5 – Kometenbahnen

Liebe Leserinnen und Leser,

Nachdem ich im letzten Artikel über die weit verbreitete Kometenangst berichtete, geht es heute darum, dass nicht alle vor Angst gelähmt in Erwartung des Bösen an den Himmel und die Kometen starrten, sondern diese mit Nüchternheit und Gelassenheit als besondere Himmelsobjekte betrachteten und verstanden.

Aus dem Jahre 1472 ist beispielsweise überliefert, dass kein geringerer Astronom als Johann Müller, eher unter dem Namen Regio Montanus bekannt, mutig und entspannt Kometen beobachtete. Dieser Müller war derjenige, dessen hervorragende Sternenkarten für die Seefahrt (ephimeriden) Kolumbus sein Leben verdankte. Ich schrieb darüber in Eine Mondfinsternis als Lebensretterin.

Jener vermaß gemeinsam mit einem seiner Studenten die Bahn eines Kometen. Sie versuchten seine Bahn Stück für Stück zu konstruieren. Es ist schon eigenartig, dass vorher niemand derartiges versuchte. Selbst aus alten asiatischen oder arabischen Quellen ist mir zumindest nichts bekannt.

Die erste Gemeinsamkeit

Gleich sechs Kometen erschienen zwischen 1531 und 1539. Sie wurden von mehreren Astronomen vorurteilsfrei beobachtet, z. B. von dem italienischen Astronomen Girolamo Fracastoro. Jener veröffentlichte 1538 ein Buch in welchem er festhielt, dass Kometenschweife stets von der Sonne weg zeigen. Sein deutscher Kollege, Peter Apian, verfolgte diese Kometen ebenfalls, wusste allerdings nichts von Fracastoros Arbeit. Auch er erwähnte diese Eigenart der Kometenschweife in seinem Buch 1540. Er ergänzte seine Schrift sogar noch mit einer Zeichnung,auf welcher ein Komet mit seinen Schweifen relativ zur Sonne dargestellt war. Wenn Kometen auch unberechenbar erscheinen und verschwinden konnten, so schien es doch zumindest so zu sein, dass alle der Regel gehorchen mussten, dass die Schweife stets von der Sonne weg zeigten. Immerhin. Dann waren Kometen vielleicht doch auch gewissen anderen Regeln unterworfen, die man nur bisher noch nicht sah…
Heute weiß man, dass die Schweife aller Kometen stets vom Sonnenwind weg von ihr geblasen werden.

Der alte Glaube

Der gute alte Aristoteles vertrat die Ansicht, dass alle Himmelskörper die Erde auf festen ihnen eindeutig zugewiesenen Bahnen umrundeten. Weil Kometen kamen und gingen, rechnete er sie nicht zu den Himmelskörpern, sondern hielt sie für langsam brennende Feuer in den oberen Luftschichten. Wenn Kometen atmosphärischer Natur waren, mussten sie näher als die anderen Himmelskörper bei der Erde sein. Somit sollten sie sogar näher sein als der Mond. Das war nämlich schon den alten Griechen klar, dass er der nächste Himmelskörper ist. Wie auch immer. Die Autorität Aristoteles war so groß, dass seine Lehren über 2000 Jahre gültig blieben.

Erschütterungen

Dieser Glaube und Grundfeste wurde im Jahre 1577 erschüttert. In diesem Jahr tauchten gleich zwei Kometen auf, von deren zweiten der dänische Astronom Tycho Brahe von seiner dänischen Insel aus, wo er sich ein riesiges Observatorium baute, beobachtete. Tycho hatte die Idee, die Entfernung dieses Kometen zu vermessen. Dann sollte man erfahren, ob sie wirklich atmosphärisch nahe objekte darstellen, oder nicht. Hierfür bediente er sich der Paralaxen-Methode. Hier macht man sich die Tatsache zu nutze, dass Winkel zu beobachteten Objekten aus der Sicht unterschiedlicher Positionen verschieden sein sollten. Hält man sich einen Daumen vor die Nase, so erscheint er vor dem Hintergrund nach links oder rechts verschoben, wenn man ihn abwechselnd mit nur einem unverdeckten Auge betrachtet. Akustisch geht das z. B. mittels eines Küchenradios vor welches man sich eher mal links oder rechts positioniert auch. Somit können auch diejenigen Leser*innen, die nicht sehen können, diese verschiedenen Betrachtungswinkel auch akustisch erleben.

Die Verschiebung der Winkel wird immer kleiner, desto entfernter die betrachteten Objekte sind. Das ist der Grund, weshalb man nicht einfach unter einem Stern hindurch spazieren kann, wie unter einer Straßenlaterne. Somit ist die Parallaxe ein Maß für die Entfernung. Kennt man die Distanz zweier Beobachtungsorte, so lässt sich der Abstand berechnen. So bestimmten schon die alten Griechen die ungefähre Entfernung zum Mond.

Also vermaß Tycho die Winkel zu seinem Kometen. Diese verglich er dann mit den Daten, die ein befreundeter Astronom in Prag ermittelte. Sie unterschieden sich nicht von Tychos winkeln. Da die Entfernung beider Standorte bekannt war, konnte das nur bedeuten, dass der Komet weit entfernt sein musste, da die Winkelunterschiede deutlich kleiner waren als das, was man mit damaligen Messinstrumenten auflösen konnte.

Tychos Komet musste somit ungefähr vier mal so weit weg sein als der Mond. Wäre er kleiner gewesen, hätte er eine Parallaxe messen sollen.
Man kann an dieser Stelle gar nicht hoch genug einschätzen, was für ein exzelenter Beobachter Tycho war, denn es standen ihm keine Teleskope zur Verfügung. Kometen waren also scheinbar keine atmosphärischen Objekte, sondern kamen von weit her. Ich möchte hier noch erwähnen, dass es bei Tychos Komet sich nicht um den Halleyschen Kometen handelte, wie immer wieder mal angenommen wird und der nachher noch wichtig ist.

Ein U für ein I

Zu dieser Zeit hatte Nikolaus Kopernikus gerade sein Buch veröffentlicht, in welchem er die Sonne als Mittelpunkt des Sonnensystems postulierte, um welche sich alle Planeten drehen sollten. Johannes Kepler , Assistent von Tycho Brahe zeigte schließlich, dass die Planeten auf elliptischen Bahnen die Sonne umlaufen. Nun stellte man sich die Frage, ob vielleicht nicht auch Kometen sich auf sehr stark exzentrischen Bahnen um die Sonne bewegen könnten, so stark, dass sogar Kepler, der einen Kometen beobachtete glaubte, dass er sich auf einer geraden Bahn bewegen würde. In dem Fall käme er dann nur ein einziges mal vorbei, um dann für immer im All zu verschwinden. Als schließlich das Fernrohr erfunden war, fand ein italienischer Astronom, dass die Bahn eines Kometen, den er beobachtete durchaus in Sonnennähe wohl stark gekrümmt sei, und erst mit zunehmender Entfernung eher wie eine Gerade erschien. Die Bahn glich somit einem U, in dessen Bogen die Sonne stand. Eine solche Bahn wird Parabel genannt. Auch in dem Fall konnte ein Komet, ob U- Parabel oder I-förmige Bahn nur ein Mal vorbei kommen, bevor er dann für immer verschwand. Das war unbefriedigend. Somit zogen manche Astronomen in Betracht, es könnte sich bei den Kometenbahnen um sehr lang gestreckte elliptische Bahnen handeln,so dass sich die Kometen für viele Jahre nicht mehr beobachten ließen, weil sie zu weit weg waren, um dann irgendwann wieder zurück zu kehren. Otto von Guericke äußerte diese Vermutung. So faszinierend diese Vorstellung auch war, so fehlten damals die mathematischen Möglichkeiten, solch eine Bahn zu berechnen. Erst wenn dies berechenbar wurde, konnte man Kometen als Objekte des Sonnensystems komplett akzeptieren. Ein Jahr nach Guerickes Tot, 1687 veröffentlichte Isaac Newton seine universalen Schwerkraftgesetze. Damit hatten Astronomen erstmals ein Werkzeug zur Hand, womit sich derlei Bahnen berechnen ließen. Dieses Schwerkraftgesetz ließ es durchaus zu, dass sich ein Komet auf einer sehr gestreckten Ellipse um die Sonne bewegen konnte. Mittels Entfernung und Bahngeschwindigkeit eines Kometen um die Sonne, sollte sich die Bahn Stück für Stück berechnen lassen. Der Astronom Halley, ein guter Freund Newtons und später Namensgeber eines periodischen Kometen, versuchte solch eine Berechnung. Das kostete ihn Jahre. Er sammelte alle Kometenpositionen, die er auch aus älteren Daten finden konnte und setzte Kometenbahnen zusammen. Hierfür untersuchte er zweidutzend Kometen, in der Hoffnung, Regelmäßigkeiten ihrer Wiederkehr zu finden. Dabei stieß er u. A. auf den Kometen, den Johannes Kepler 1607 verfolgt hatte, und der durch die gleiche Himmelsgegend gezogen war, wie der Komet von 1682. Auch ein Komet des Jahres 1531 von Apian und fracastoro beobachtet, siehe oben, war durch diese Region gezogen. Ebenso jener aus dem Jahre 1456 von welchem Regio Montanus, siehe oben, berichtet hatte.

Halley fiel auf, dass hier Regelmäßigkeiten erkennbar waren. Sie erschienen stets um ungefähr 76 Jahre mit gewissen geringen Abweichungen. Das legte die Vermutung nahe, dass es sich bei allen vier Objekten um ein und dasselbe gehandelt haben könnte. Es würde sich auf einer sehr lang gestreckten elliptischen Bahn bewegen, auf der der Komet eben nur alle 75 – 76 Jahre zurück kommen konnte.
Das „entweder, oder“ bei der Rückkehr-Zeit rührt daher, dass Kometen auf ihren langen Bahnen von den großen Planeten, wie Jupiter gravitativ beeinflusst werden. Dadurch ändern sich ihre Bahnen leicht, und sie könnten sich verspäten. Außerdem erfahren Kometen leichte Bahnänderungen, wenn sie in Sonnennähe aktiv werden. Ihre ausgestoßenen Schweife und Koma funktionieren dann wie Antriebsdüsen, die leichten Einfluss auf die Bahn nehmen können, indem sie den Kometen verblasen.
Nach langem Zögern veröffentlichte Halley schließlich seine Berechnungen und sagte die Wiederkehr seines Kometen aus dem Jahre 1682 für das Jahr 1758 voraus. Diese Voraussage musste für Halley ziemlich enttäuschend gewesen sein, da er ihre Erfüllung kaum erleben konnte.
So ist das in Raumfahrt und Astronomie oft, dass Missionen etc. eine generationsübergreifende Sache sind.

Halleys Bestätigung

Lasst mich zum Schluss noch einige Sätze darauf verwenden, ob Halleys Voraussage sich bestätigte.
Die aufmerksame Leserschafft dürfte zwischen den Zeilen schon bemerkt haben, dass sie sich tatsächlich erfüllte. Ansonsten hätte man seinen Kometen vermutlich nicht den Halleyschen Kometen, also nach ihm benannt. Es bedarf schon einiger Geduld, wenn man über ein halbes Jahrhundert darauf warten muss, um zu sehen, ob Halleys Prophezeihung stimmt, oder eben nicht. Daher geriet seine Voraussage fast schon in Vergessenheit, da die Astronomen sich bis da hin längst anderen Dingen zugewendet hatten. Außerdem konnten die meisten Zeitgenossen von Halley nicht davon ausgehen, die Wiederkehr seines Kometen noch erleben zu können. Als dann das Jahr 1758 kam, verstrich einer nach dem anderen Monaten, ohne, dass sich der Komet zeigte. Er schien sich entweder zu verspäten, oder Halley hatte nicht recht gehabt. Französische Astronomen gingen zwar Halleys Berechnungen nochmal durch, um das Datum der Wiederkehr genauer zu bestimmen, aber der Komet glänzte auch zu diesem verbesserten Datum durch Abwesenheit, weshalb das Interesse der Profi-Astronomen an der Sache vermutlich auch rasch geschwunden sein dürfte. Nun ist aber gerade die Astronomie auch eine Wissenschaft für Amateure. Der Himmel gehört eben allen Menschen. Solch ein Liebhaber-Astronom, der wohlhabende Bauer Johann Georg Palitzsch aus der Gegend von Dresden wartete ab November 1758 geduldig auf Halleys Komet. Es ist wichtig, sich mit den Sternen vertraut zu machen, in welcher Gegend man den Kometen erwartet, ansonsten übersieht man ihn sicher.
Am 25.12. fand er ihn schließlich. Was für ein Weihnachtsgeschenk. Das rüttelte die Berufs-Astronomen wach und kam einer Sensation gleich.
Mich freut es immer, wenn ein Amateur mit seinen bescheidenen Mitteln derlei finden. Zeigt uns das doch auch, wie inklusiv die Astronomie tatsächlich ist.
Halleys Vorraussage stimmte, und der Komet trägt seinen Namen zurecht.
Und damit schließt sich der Kreis zu unserer zweiten Kometengeschichte, in welcher ich die Mission Giotto beschrieb, die den Halleyschen Kometen aus der Nähe betrachtete.
Das war 1986. Da war ich gerade 17 Jahre alt. Wenn alles gut läuft, komme ich nochmal in diesen Kometen-Genuss. Meine Großeltern hätten es beide geschafft, wenn er in ihrem 18. Lebensjahr erschienen wäre. Ich hoffe auf meinen guten Gen-Pool…
So, das war jetzt mal wieder etwas länger. Ich hoffe, es hat euch etwas gefallen. Wenn ja, dürft ihr das gerne teilen, liken und kommentieren.
Es grüßt euch aus dem Sommerurlaub
Euer Blindnerd.

Kometengeschichten 4 – Sag beim Abschied leise servus


Liebe Leserinnen und Leser,

Sag beim Abschied leise servus

, sang Karl Moik in seinem Musikantenstadel, den ich als Kind ertragen musste, weil meine Eltern und Großeltern diese Sendung sehr liebten. Naja, zugegeben. Ich fand das damals gar nicht so schlimm und war auch sehr von der Sehnsuchtsmelodie ergriffen, die der damals zehnjährige Walter Scholz glasklar auf seiner Trompete blies, so dass Karl Moik weinen musste. Es kann auch der kleine Stephan Ross gewesen sein. Das weiß ich nicht mehr so genau. Ergreifend kitschig war es auf jeden Fall.

Sehnsucht kommt oft nach einem Abschied und der Hoffnung auf ein Widersehen. Abschied müssen wir so langsam vom Kometen Neowise nehmen, der in den letzten Wochen so viele Astronom*innen im Bann hielt. Ich war sehr beeindruckt, wie viele Fotos hier durch das Internet zischten. OK, ich konnte sie nicht sehen, aber mich faszinierten ganz besonders diejenigen, die auch noch mit Erklärungen versehen waren, welche Tricks, welche Teleskope, welche Kameras oder welche Smartphones dazu benutzt wurden, den Kometen einzufangen. Es gab auch richtige Zauberer, denen es beispielsweise gelungen ist, den Kometen mit Landschaft, mit der ISS, oder sonst wie abzulichten. Aber wie das so im Leben ist. Was für die einen ein trauriger Abschied ist, lässt andere erleichtert aufatmen. Heute geht es mal um die Angst, die die Menschen schon seit alter Zeit vor Kometen hatten.

Kometen haben die Menschen offenbar schon immer erschreckt. Das liegt sicher auch daran, das sie sich über die himmlischen Gesetze hinWeg zu setzen scheinen. Alle anderen Himmelskörper, Sterne, Sonne, Mond und Planeten bewegen sich nämlich auf regelmäßigen Bahnen. Bei den Sternen ist diese Regelmäßigkeit besonders offenkundig. Sie ziehen jede Nacht mit stets gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Himmel und behalten dabei ihre Positionen zueinander unverändert bei. Bei Sonne und Mond ist die Regelmäßigkeit schon schwerer zu erkennen. Die Mittags Höhe der Sonne ändert sich mit dem Laufe des Jahres und der Mond nimmt zunächst zu und dann wieder ab, und verändert seine Phasen Gestalt von Nacht zu Nacht. Bei den Planeten schließlich beobachten wir sogar Veränderungen der Geschwindigkeit und eine gelegentliche Umkehrung der Bewegungsrichtung. all diese Veränderungen sind aber so regelmäßig, dass man daraus die Positionen der Himmelskörper weit in die Zukunft hinein Voraus bestimmen kann. Anders bei den Kometen. Sie erscheinen plötzlich und ohne Vorwarnung am nächtlichen Himmel zumeist als LichtSchwache Objekte und kommen aus nicht vorhersehbaren Richtungen. Bis zum nächsten Kometen können 50 oder mehr Jahre vergehen. Einer kann aber auch schon im nächsten Monat auftauchen. Die Astronomen des klassischen Altertums kannten die Gesetzmäßigkeiten für die Bewegung der anderen Himmelskörper, mussten aber bei den Kometen leider passen. Sie konnten nicht voraussagen, wann ein Komet auftauchen würde, geschweige denn an welcher Stelle des Himmels er erscheinen werde und auch über seine Sichtbarkeitsdauer konnte man keine Prognosen anstellen. Dies ist von besonderer Bedeutung angesichts des damals weit verbreiteten Aberglaubens, man könne aus den Positionen von Sonne Mond und Planeten vor dem Hintergrund der Sterne die Zukunft voraus sagen. Aufgrund der Bewegung dieser Himmelskörper veränderte sich der Anblick von Nacht zu Nacht und von Jahr zu Jahr. Ein Geheimcode, so glaubte man. Und die weisen Astrologen versuchten daraus Entscheidungshilfen für die Menschen ableiten zu können. Dieser Irrglaube, die so genannte Astrologie, hat seine Anziehungskraft auf abergläubische Zeit genossen leider bis heute nicht verloren. Wenn aber die Kometen völlig unerwartet auftauchen, mussten sie etwas ungewöhnliches ankündigen.
Und da etwas ungewöhnliches von den meisten Menschen Katastrophen gleichgesetzt wird, galt die Erscheinung eines Kometen stets als Schreckensnachricht. Diese Deutung wurde durch das Aussehen der Kometen noch verstärkt.

Sonne und Mond zeigen sich immer als kreisförmige Scheiben. Sterne sind für das bloße Auge stets Lichtpunkte, die über den Himmel wandern. Der Mond nimmt im Laufe des Monats zu und wieder ab.
Planeten, auch als Scheibchen sichtbar, zeigen zwar manchmal merkwürdige Bewegungen, indem sie rückwärts zu laufen scheinen, was allerdings nur eine Frage der Perspektive und ihrer Geschwindigkeiten zueinander ist, aber dennoch sehr periodisch und regelmäßig. Kein Grund zur Beunruhigung also.

Ein Komet hingegen hat die Gestalt eines leuchtenden Dunstkreises, von dem eine schmale leicht gekrümmte und schwach leuchtende Struktur, seine Schweife ausgehen. Diese zeigen stets weg von der Sonne, da der Sonnenwind die Schweife immer von der Sonne weg bläst.
Kometen erscheinen unangekündigt und scheinbar ohne Regelmäßigkeit. Bis zum nächsten Erscheinen eines Kometen können Jahre vergehen, aber es kann auch schon einer im nächsten Monat erscheinen. Alles sehr ungewiss. Auch die Richtung, aus welcher ein Komet erscheint, ist nicht vorhersehbar. So kam der Komet Neowise, von dem wir uns langsam verabschieden müssen, von der Bahnebene der Planeten her gesehen, eher von oben, also Norden herein. Man sah ihn stets in der Nähe des großen Wagens und des Bären. Ich denke, Menschen auf der Südhalbkugel hatten nicht viel bis gar keine Gelegenheit, ihn zu sehen. Kometen verhalten sich auf jeden Fall nicht so, wie man es von der unverrückbaren Regelmäßigkeit der Himmelsmechanik, die man damals zugrunde legte, erwartete.
Und weil die Sterne, die Sonne, die Planeten und der Mond so präzise ablaufen, entstand die Astrologie, in welcher man bis heute versucht, die Zukunft voraus zu sagen. Noch immer gibt es Menschen, die daran glauben und ihr Leben danach ausrichten. Wem das gut tut, der mache ruhig so weiter. Es schadet nichts, so lange ihr das ganze nicht zu einer Weltanschauung aufblast.

Heute verfügen wir über bessere Instrumente. Wir wissen, dass Kometen sich auf sehr elliptischen Bahnen bewegen können, so dass ihre Wiederkehr Tausende von Jahren dauern kann, etwa 7000 Jahre beim aktuellen Kometen Neowise. Es kann gut sein, dass es langperiodische Kometen gibt, die das letzte Mal sichtbar waren, als es die Menschheit noch nicht gab, bzw. erst sichtbar sein werden, wenn es uns vielleicht nicht mehr gibt. Langperiodische Kometen sind solche, deren Umlaufzeit um die Sonne länger als 200 Jahre dauert.
Das Thema „Kometenbahnen“ ist so komplex, dass ich ihm einen eigenen Artikel widmen muss.
Zurück zur Kometenangst.

Das Wort Komet leitet sich vom Griechischen Wort für Haar ab.
im Altertum galt es als Zeichen der Trauer, wenn eine Frau ihr Haar offen über die Schultern trug. Sie war so betroffen, dass sie keine Zeit fand, sich um ihre Haartracht zu kümmern. was also lag näher, als in einem Kometen ein schlechtes Omen zu erkennen, wenn sein Aussehen dem Haupt einer Frau gleicht, die aus Trauer ihr Haar vom Winde zerzausen lässt.
und wie anders sollte man das Erscheinen eines Kometen interpretieren, denn als Vorboten eines kommenden Unheils. nachdem sich die Verknüpfung von Kometen und Unglück erst einmal bei den Menschen festgesetzt hatte, entdeckten sie in der Gestalt des Kometen noch ganz andere Dinge.
Den Schweif hielt man häufig für ein Schwert, oder einen Säbel und sein Kopf für ein abgeschlagenes Haupt.
Und so nahm die Kometen Angst ständig zu.

Immer, wenn Kometen auftauchten, achteten die Menschen ganz besonders auf irgendwelche schrecklichen Ereignisse, die sie dann in Verbindung mit dem Auftauchen des Kometen brachten. Solche Zusammenhänge Galten dann als Beweis für schlechte Nachrichten und Ereignisse. Oft wurden diese Zusammenhänge auch erst im nachhinein mit historischen Ereignissen verknüpft. Da kam es schon vor, dass man, wie bei Finsternissen auch, die Daten der Geschehnisse etwas anpasste. Immer gab es schon stets Schreckensmeldungen von Kriegen, Unwettern, Seuchen etc, ob ein Komet am Himmel stand, oder nicht. So war es nicht schwer, eine Schreckensbotschaft einem Kometen zu zu ordnen, wenn denn einer erschien.

  • So tauchte beispielsweise im Jahre 44 v. Chr. ein Komet am Himmel auf, der später als Vorbote der Ermordung Caesars angesehen wurde.
  • Ebenso musste ein Komet aus dem Jahre elf v. Chr. für die Ermordung des römischen Staatsmannes Marcus Agrippa, im Jahr zuvor her halten.
  • Ein weiterer Komet, der 837 n. Chr. erschien, wurde nachträglich als Ankündigung des Todes von Ludwig dem frommen drei jahre später gedeutet.
  • So sollte der Komet, der 66 n. Chr. erschien, die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. prophezeit haben.
  • Der Komet des Jahres 1066 n. Chr. sollte dem englischen König Harald die Niederlage gegen Willhelm, den Normannen, ⠀im Herbst gleichen Jahres offenbaren.
  • Ein Komet aus dem Jahre 1456 galt als himmlische Reaktion auf die Eroberung Konstantinopels durch die Türken, Drei Jahre zuvor.
  • Ich schrieb schon im vorigen Artikel, dass man 1910 Blausäure im Schweif des Halleyschen Kometen fand. Viele glaubten damals, dass nun alles Leben auf Erden ausgelöscht würde, wenn die Erde durch diesen Schweif flöge. Wenn dem so gewesen wäre, gäbe es diesen Artikel wohl eher nicht.

⠀Diese Beispiele zeigen deutlich, dass man leicht Ereignisse Kometen zuordnen kann.
Was des einen Freud, ist des anderen Leid.
Es ist aber durchaus nicht so, dass es hier nur um schlechte Prophezeiungen geht. Die Normannen freuten sich ebenso über die Eroberung Englands, wie die Türken über die Erstürmung Konstantinopels.

Was unnseren Kometen, den Neowise betrifft, so konnte ich keinen Schwurbel dazu finden, was aber nicht heißen soll, dass es keinen geben wird. Man sieht an obigen Beispielen, dass die Zuordnung von Kometen zu historischen Ereignissen auch erst später erfolgen kann. „Nachher ist man immer schlauer.“

Kometen scheinen immer Bringer von etwas zu sein. Die einen bringen Sieg, andere Leid, vielleicht kam das Wasser und das Leben durch sie auf die erde, und nicht zuletzt wird der Stern von Betlehem oft als Komet mit Schweif dargestellt. In dem Fall bringt er den Messias und Erlöser…

Wie auch immer. Ich wünsche Neowise eine gute Reise und dass wir mit unserer Welt künftig so umgehen werden, dass ihn in weiteren 7000 Jahren weitere menschliche Astronom*innen fasziniert erblicken können und ihre Fotos über welche Kanäle auch immer, untereinander teilen mögen.

Kometengeschichten 3 – Kometensuche Inklusiv


Liebe Leserinnen und Leser,

Derzeit wird auf allen Kanälen der Astronomie im Grunde fast nur darüber gesprochen, dass der Komet Neowise momentan gut über Deutschland zu sehen ist. Es kommt durchaus nicht oft vor, dass man Kometen mit bloßen Augen sehen kann. Die meisten lassen sich nur in Fotos erkennen. Aber diesmal ist es eben so, dass man ihn einschließlich seiner Koma und seinen zwei Schweifen mit den Augen sehen und sogar mit dem Smartphone brauchbare Bilder schießen kann, was man so hört.

„Quengel, Ich will auch mitmachen…“ denke ich mir da oft. Und ja, was soll ich sagen. Dank einer „Wunderapp“ kann ich auf meine Art tatsächlich mitmachen. Darum geht es heute.

Auch ich habe meinen Kometen am Himmel. Ich kann ihn nicht sehen, kann ihn nicht hören, aber ich kann zu ihm finden und in seine Richtung schauen. Wie er aussieht etc. erklären mir die anderen und wie so ein Eiswürfel funktioniert, weiß ich eh ungefähr.
Mit bissel assistiver Technologie wird der Sternenhimmel auch für blinde Augen und Ohren transparent und super inklusiv.
Der Schlüssel zu diesem Erlebnis trägt den Namen Universe to Go.
Mein Erlebnis ist ein Beispiel dafür, wie moderne Kommunikations- und assistive Technologie uns ganz neue Türen öffnen.

Was ist U2G?

Das System besteht aus zwei Komponenten, einer App für IOS und einer Art Brille, in die man das Smartphone mit dem Bildschirm nach unten einlegt. Über Spiegel bekommen Sehende zusätzliche Informationen in ihre Welt der Sternenbeobachtung eingespielt. Unten im Artikel noch etwas mehr dazu.
Hier nun, wie ich Neowise fand:

Auf inklusiver Kometensuche

Im ersten Schritt ging ich die Einstellungen von U2G durch und überprüfte, ob z. B. Audioguide eingeschaltet ist. Den braucht man nämlich, damit der Sternenhimmel spricht. OK, alle Checklisten waren erledigt „We are ready for lounch.“

Als nächstes öffnete ich U2G und wählte den Astrobrillen-Modus. Nun forderte mich mein Smartphone auf, dass ich es oben mit der Kamera nach links kopfüber in die Brille einlegen solle. OK, Iphone rein und Klappe zu.
Da ich die App aus verschiedenen Gründen mal neu installieren musste, wurde meine Geduld nun etwas auf die Probe gestellt, denn ich erhielt die Einführung, obwohl ich schon weiß, wie man dieses „Raumschiff fliegt“. Naja, hatte ich bei den Einstellungen übersehen.

Jetzt ist U2G im Erkundungsmodus. Das bedeutet, dass ich mich drehen und meinen Kopf anheben oder senken kann. Dabei werden mir auch am Tage ungefähr die Sterne oder Deepsky-Objekte angesagt, in deren Richtung ich schaue. Was man angesagt bekommt, ist mit reichlichen Parametern einstellbar. Das führt jetzt aber hier zu tief in U2G.

Und jetzt wirds bissel difizil. Es geht nun darum, U2G in den Suchmodus zu bringen. Dazu senkte ich meinen Kopf ganz tief und hob ihn dann wieder wagerecht. Diese Geste öffnet und entsichert das Menü. Sehende haben nun eine Hand als Cursor und die Menüeinträge. Gesteuert wird nun mit dem Kopf.
Ganz vorsichtige kleine Nickerchen nach unten bringen mich zum Such-Menü. Ein entschlossenes Nickerchen nach rechts öffnet das Untermenü. Nun suchte ich nach dem Unterpunkt „Kometen“, denn man kann auch nach Sternen, Planeten, der ISS oder sonst was suchen.
Ich gebe zu, die Bedienung dieses Menüs muss mit viel Übung erlernt werden.
Und nun öffnete sich eine Liste mit seeeeehr vielen Kometen, die gerade mit Instrumenten oder im Fall Neowise auch ohne, am Himmel zu sehen sind.
Das strapazierte zugegeben die Geduld sehr stark, da das N ungefähr in der Mitte der Liste liegt. Bisher ist es leider so, dass man sich die ganze Liste vorlesen lassen muss. Ich setzte die Brille ab, unterlegte sie mit etwas, das auf dem Schreibtisch herum lag, damit U2G die Liste weiter durchgeht, und holte mir erst mal einen Kaffee. Als ich zurück kam, war die Liste schon beim H. Gefühlt Stunden später, kam er dann endlich, ich hörte den Namen „Neowise“. In wahrheit war es nur eine viertel Stunde…
Vorsichtig kippte ich die Brille nach rechts, um die Auswahl von Neowise zu bestätigen, denn verlieren wollte ich ihn jetzt nicht mehr. U2G akzeptierte meine Geste und begann mich zu Neowise zu führen.

Ich wusste von sehenden Astronom*innen auf twitter, dass ich ihn ungefähr beim großen Wagen oder dem Bären suchen sollte. Ich weiß natürlich, wo Norden in meinem Büro ist. U2G dirigierte mich mit Sprachkommandos wie Links, Rechts, Hoch und Runter zum Neowise. Kurz bevor man ihn hat, wirds ganz schön frickelig
Durch viel Übung mit U2G weiß ich ungefähr, wo ich hin muss, wenn ich ein Sternbild als Start habe. Das verkürzt die Suche natürlich sehr. Vielleicht das noch am Rande. Wenn ich mit U2G auf die Sternenreise gehe, dann gehen über mir die Lichter an. Allerdings reduziere ich im Kopf jedes Sternbild auf einen einzigen Lichtpunkt, weil das für mich keine große Rolle spielt, wie ein Sternbild aussieht. Das erschließe ich mir mit taktilen Abbildungen, wenn ich das genauer wissen möchte.

Es ist zwar kein Video, aber ich habe hier mal eine Aufnahme eingestellt, wie das klingt, wenn ich als blinder Sternengucker mit U2G etwas suche.
Zum Hörbeispiel geht es hier lang.

Fazit

  • Wie gesagt, konnte ich lediglich zum Kometen finden, aber sich erklären zu lassen, wo er ungefähr ist, ist eine Sache. Es selbst zu tun, ihn selbst zu suchen und dann auch zu finden ist etwas viel größeres. Selbst machen und erleben ist ein deutlich stärkerer Eindruck, als wenn einem das verbal beschrieben wird.
  • Die totale Mofi von 2015 konnte ich mit U2G ebenfals nachvollziehen.
  • Den Merkurtransit habe ich mit U2G hautnah selbst erlebt. Darüber durfte ich für Universe2Go einen Artikel über mein ersten Merkurtransit schreiben.
  • der Weihnachtsvollmond 2015 war auch ein Erlebnis, das ich mit U2G nachvollziehen konnte.
  • Verfolge ich die ISS, dann merke ich genau, wie schnell sie sich durchs Bild bewegt, indem ich einfach die Suche nach ihr wiederhole. Ich merke dann, wie sich meine Position im Raum rasch ändert.
  • Die Überraschung, wieviele Kometen immer irgendwo fliegen, ist der Hammer.
  • Grundsätzlich kann ich sagen, das U2G mein räumliches Himmelsverständnis erheblich verbessert hat.
    Natürlich muss ich auch erst mal suchen und mich zurecht finden, denn ich weiß auch nicht zu jeder Urzeit und Jahreszeit den passenden Himmel und was genau über oder unter dem Horizont ist. Aber nach kurzer Orientierung, Finden des Polarsterns und des großen Bären, weiß ich schon ungefähr, wie ich von einem zum anderen Sternbild gelange.
    Vor allem erlebt man über das Jahr wirklich sehr gut die Neigung der Erdachse zur Ekliptik und zum Zodiak.
  • Nun ja, bei all den wunderbaren Möglichkeiten darf man nicht verschweigen, dass die Benutzung von U2G nicht ganz trivial ist. Wie das bei einem sich entwickelnden System so ist, läuft noch nicht alles ganz rund, oder ist noch nicht fertig entwickelt. Es war ein steiniger Weg, den Martin und ich gegangen sind, bis alles so lief, wie es zumindest derzeit möglich ist. Früher gab es beispielsweise nach jedem IOS-Update Probleme. Dieser erhebliche Frustfaktor scheint seit einigen IOS-Versionen behoben zu sein.
  • Also ich würde schon sagen, dass man gute Chancen hat, U2G kennen und lieben zu lernen, wenn man es mag, mit Technik und Software zu spielen, und wenn man etwas ein Nerd ist.
    Ohne etwas Biss und Durchhaltevermögen, kann es leicht zäh werden, oder man muss sich halt etwas mehr helfen lassen.
    Hilfreich könnte zumindest am Anfang sehende Unterstützung sein, oder, dass man es in einem Workshop mit Mehreren kennenlernt.
  • Die Funktionsweise von U2G zeigt, dass diese Technologie der augmented reality durchaus Potential hat, auch für uns blinde Menschen sehr hilfreich zu sein. U2G spannt einen virtuellen sphärischen Sternenhimmel auf. Es wäre denkbar, auch andere Dinge in so einen Raum zu packen, um uns die Welt zu erschließen.

Nun folgt noch zum Schluss ein kleiner historischer Abriss darüber, wie es dazu kam, dass U2G sprechen lernte.

Wie alles begann:

Wie einige von euch wissen, durfte ich im Februar 2015 im Rahmen eines Vortrages mein Buch auf dem Literatursalon des BVN in Hannover vorstellen, das im Oktober 2015 erschien.
Zur Veranschaulichung der astronomischen Inhalte bestand im Anschluss an meinen Vortrag die
Möglichkeit, taktile Modelle und Grafiken abzutasten und anzusehen. An dieser kleinen Ausstellung beteiligte sich auch Utz Schmidtko, der damalige Leiter der barrierearmen Sternwarte St. Andreasberg der indem er einige wunderbare taktile Modelle der Mondscheibe und verschiedener Sternbilder beisteuerte.
Utz brachte mich mit dem Entwickler, Martin Neumann, von Universe2Go in Kontakt.
Auch Martin war anwesend und zeigte mir sein Projekt.
Wir fragten uns, ob es möglich sei, U2G für Menschen mit Blindheit zugänglich zu machen, was ich mir ehrlich gesagt erst mal nicht vorstellen konnte, denn Astronomie-Apps sind in der Regel höchst grafisch und nicht zugänglich.
Nun ja, wir brainstormten das ganze und es war sofort klar, dass wir uns hervorragend ergänzen und beflügeln würden.
Universe2Go besteht aus einer Art Brille, einem Iphone und einer App. Das Iphone wird in die Brille eingelegt und ermöglicht es so, den Sternenhimmel zu erkunden, indem man die auf dem Handy dargestellten Sternkonstelationen mit dem sichtbaren Sternenhimmel abgleichen kann. Interessanter weise bietet diese App auch sehr viel akustische Erlebnisse, die das Projekt extrem attraktiv auch für unseren Personenkreis macht.
Zu vielen Himmelsobjekten sind gesprochene Texte zur Erläuterung hinterlegt. So kann man sich über Entfernung, Helligkeit, Größe und viele weitere Parameter informieren. Außerdem sind schöne Geschichten, z. B. aus der Griechischen Mythologie hinterlegt.

Bis heute stehe ich mit Martin in gutem Kontakt und trage beratend zur Barrierefreiheit der weiteren Versionen bei und wir sind mittlerweile sehr gute Freunde geworden.

Universe2Go ist aber nicht mehr der einzige akustische Sternenhimmel, der Menschen mit Blindheit oder Restsehvermögen, Astronomie zugänglich macht.
Es gibt seit einigen Jahren auch noch die wunderbare Sprechende Himmelsscheibe das Projekt eines blinden Physikers, der auch hier mitliest. Realisiert wurde dieses Unikat über den Verein Andersicht e. V.

Nun soll aber zum Schluss der Entwickler von U2G selbst zu Wort kommen. Er wird uns nun berichten, wer er ist, was das Projekt will, wie er dazu kam und er wird damit den Artikel abrunden.
Bühne frei für Martin:

Die Astronomie hat mich schon als kleine Junge fasziniert. Daher regte sie meinen Erfindungsreichtum schon oft an und ich überlegte mir, wie man Menschen wieder häufiger dazu bringen kann, sich mit dem Sternenhimmel zu befassen. Seit der Einführung des iPhone sind viele Astronomie-Anwendungen für Smartphones entwickelt worden, die quasi wie eine interaktive (Kosmos-)Sternenkarte immer jeweils den Himmelsausschnitt auf dem Bildschirm anzeigen, der auf einer gedachten Linie dahinter liegt. Doch diese Anwendungen verleiten oft dazu, nur auf den Bildschirm zu starren und vom eigentlichen Erleben des Sternenhimmels abzulenken. Daher habe ich universe2go entwickelt. Dies funktioniert im Prinzip ähnlich, aber statt auf einen Bildschirm schaut man durch eine transparente Scheibe an den Sternenhimmel und bekommt zusätzlich Informationen zu den beobachteten Sternen, Sternbildern, Planeten und Deep-Sky-Objekten wie Galaxien, Sternhaufen und Nebel angezeigt. Das Projekt habe ich übrigens auf meinem 3D-Drucker entwickelt und eine Anschubfinanzierung über Crowd Funding (StartNext) und Crowd Financing (Zencap) eingeholt.

Utz Schmidtko von der Sternwarte Sankt Andreasberg hat mich kontaktiert und dadurch wurde ich überhaupt erst einmal darauf aufmerksam gemacht, dass sich auch blinde und sehbehinderte Menschen für Astronomie interessieren. Dann habe ich einen ganz tollen Vortrag von Gerhard im Februar 2015 in Hannover gehört, bei dem er aus seinem autobiografischen Buch vorgelesen hat. Das hat mich sehr beeindruckt und ich habe sofort beschlossen, universe2go auch für sehbehinderte Menschen nutzbar zu machen. Zum Glück machte meine Erfindung auch Gerhard neugierig und war schnell begeistert von den Möglichkeiten, die darin stecken auch wenn der bisherige Weg zur Nutzung des Programms für ihn noch sehr steinig war. Ich bin daher sehr froh, dass mich Gerhard nun mit seinem Enthusiasmus und mit Vorschlägen und Kritik dabei unterstützt universe2go für blinde Menschen leicht nutzbar zu machen.“

Hier kommen jetzt noch einige Links zu Universe2Go. Ich hoffe, die funktionieren noch alle, denn ich habe sie aus einem alten Text recycelt.

  • Käuflich erwerben kann man universe2go bei Astroshop.
  • Hier lang geht es zu häufig gestellten Fragen.
  • Herunterladen kann man sich universe2go hier:
    Für Android
    Für IOS
  • Zur Homepage von U2G geht es hier lang.
  • universe2go wurde teilweise über Crowd Funding finanziert:
    Die Crowd-Funding Kampagne bei StartNext: gibt es hier.
  • Mehr über den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte von universe2go:
    Zeitungsartikel im Kölner Stadtanzeiger Blog-Artikel
    ZauberDerSterne-Blog schrieb hier.
    Clear Sky Blog verewigte U2G hier.

Kometengeschichten 2 – Mein erster Kontakt


Liebe Leserinnen und Leser,

Um 7000 Jahre müssen wir warten, bis der momentan sichtbare Komet Neowise wieder erscheint. So lange braucht der Komet, mit dem ich quasi meinen ersten Kontakt zu Kometen hatte, nicht.
In den ersten siebzehn Jahren meines lebens habe ich wohl mal das Wort Komet gehört, wusste aber wenig bis gar nichts über sie. Meine Flamme und Liebe zu ihnen entzündete sich 1986 an folgender Geschichte:
Zitat aus Blind zu den Sternen:

Glücklicherweise war am nächsten Tag schulfrei, sonst hätte ich im Fernsehen nicht erleben dürfen, wie die Raumsonde Giotto durch den Kometenschweif des Halleyschen Kometen flog. Hier waren sogar die auftreffenden Partikel zu hören, denn die Sonde hatte einen Sensor dafür hinter ihrem Schutzschild. Bedauerlicherweise erblindete die Kamera leider recht früh, weil ein Partikel den Schutzschild durchschlug. Nichtsdestotrotz gibt es Bilder des Kometenkerns, der Koma und seines Schweifes. Diese Mission war eine Glanzleistung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Hätte sie nicht funktioniert, böte sich erst wieder das Jahr 2061 an, da der Komet nur alle 76 Jahre erscheint. Sein Auftauchen war durchaus nicht immer willkommen. Im Jahre 1910 fand man mittels Spektralanalyse des Schweifes Blausäure darin. Panikmacher dachten, jetzt würden alle eines Todes durch Blausäure sterben, wenn die Erde durch den Schweif fliegt.
Ein Englischer König wurde gekrönt, als der Komet gut sichtbar am Himmel stand. Es war kein gutes Omen für ihn, denn er verstarb noch im selben Jahr.
Der Fernsehsprecher erklärte sehr ausführlich, wie ein Komet aussieht, in welche Richtung sein Schweif zeigt und dass der Sonnenwind den Kometenschweif stets von der Sonne weg wehen lässt. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass es einen Sonnenwind aus geladenen Teilchen gibt. Dieses Wissen hat mich damals sehr bereichert: der Schweif, der einer Fahne gleich im Sonnenwind weht.
Für jemanden, der einen Kometen zeichnet, ist das selbstverständlich, weil man ihn immer so sieht. Für einen Menschen mit Blindheit ist das keinesfalls selbstverständlich: Beschreibt oder zeigt man ihm das nicht, wird er es nie erfahren. Es ist ein schönes Gefühl, an den Sonnenwind zu denken. Die Vorstellung passt gut zur Wärme, die wir von ihr empfangen.
Aber auch hier wieder das schon bekannte Bild, dass wir Blinden keinerlei Zugang zu Astronomie hatten.
Da war ich quasi ein Einser-Schüler und wusste dennoch mit meinen 17 Jahren nicht, wie ein Komet aussieht.

Ich wusste nicht, dass sie aus Eis und Staub bestehen. Ich wusste nicht, dass sie einen Gas-Schweif und einen Teilchen-Schweif besitzen und wusste auch nichts über ihre Bahnen.
Spannend war für mich natürlich auch, dass bis heute Kometen nicht nur als Unheilsbringer dienen, sondern eventuell Kandidaten dafür sind, wie das Wasser auf die Erde gekommen sein könnte. Es wäre sogar möglich, dass sie die chemischen Formeln auf die Erde brachten, welche letztlich Leben ermöglichten.
Zu dieser Weltraum-Chemie hat Tim Pritlove noch nicht lange her, eine Raumzeit-Folge veröffentlicht, die ich wärmstens empfehle.
In Folge 79 interviewte Tim eine Professorin, die maßgeblich an den Missionen Giotto und der Nachfolgemission Rosetta beteiligt war und viel zum Thema Kosmische Chemie erzählt. Im gleichen Podcast werden in Folge 20 die beiden Missionen Giotto und Rosetta genauer behandelt. Der DLF brachte eine wunderbare Folge in Wissenschaft im Brennpunkt zu Rosetta heraus, die ich aber leider wegen Urheberrechten nicht hier teilen darf.
die @Riffreporter haben in ihren @Astrogeo-Podcast vor einigen Jahren auch maleine Folge mit der Dame aufgenommen. Zu dieser sehr hörenswerten Folge geht es hier lang.

So, meine lieben, das war meine zweite Kometengeschichte, mein erster Kontakt. Wenn sie gefallen hat, dann lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen. Und wer durch meinen Auszug aus meinem Buch vielleicht jetzt darauf aufmerksam und neugierig wurde, der oder demjenigen sei gesagt: „Ja, das Buch gibt es noch.“ In der Menüleiste des Blogs oder gleich hier findet ihr alle wichtigen Informationen zu meinem Buch.
Bis zum nächsten Mal grüßt euch ganz herzlich
euer Blindnerd.

Kometengeschichten 1 – Der Jupitercrash


Seid herzlich gegrüßt,
Momentan haben wir einen Star am Himmel. Seit mehreren Jahren ist endlich mal wieder ein Komet am Morgen- und am Abendhimmel zu sehen. Sein Name ist @neowise. Über den werde ich aber heute nicht schreiben, weil hierfür noch ein Experiment aussteht, aus welchem ich eine weitere Kometengeschichte verfassen werde, wenn es denn gelingt. Nichts desto Trotz nehme ich den Kometen zum Anlass, hier mal einige Kometengeschichten zu bringen, in welchem ich Erlebnisse mit Kometen schildern werde. Hier kommt eine dieser Erinnerungen:

im Juli vor 26 Jahren stürzte der Komet Shoemaker-Levy 9 in den Gasplaneten Jupiter. Ich erinnere mich daran, dass dieses Ereignis große Aufmerksamkeit und Präsenz in den Medien hatte.
Lasst uns kurz dieses Spektakels gedenken und uns daran erfreuen:

Shoemaker-Levy 9 (kurz auch SL9) war ein 1993 entdeckter Komet. Seine offizielle Bezeichnung ist D/1993 F2 (Shoemaker-Levy). Das „D“ in seiner Bezeichnung steht für das englische „disappeared“ („verschwunden“) und zeigt an, dass der Komet nicht mehr existiert. Seine Bruchstücke schlugen im Juli 1994 auf dem Planeten Jupiter ein. Er erhielt seinen Namen, weil er der neunte kurzperiodische Komet war, der von Carolyn und Eugene Shoemaker zusammen mit David H. Levy entdeckt wurde.

Kometen, die eine Umlaufzeit von unter 200 Jahren haben, nennt man kurzperiodische Kometen. Es sind solche, die von den großen Gasplaneten durch gravitative Einflüsse ins Innere des Sonnensystems gezogen wurden.
Es gibt Kometen, deren Bahnen so exzentrisch sind und so weit über den Rand des Sonnensystems hinaus ragen, dass ihre Wiederkehr Jahrtausende dauert. Sicherlich gibt es sogar Kometen, die die Menschheit seit Bestehen, noch nie gesehen hat, weil ihre Periode zu lang ist.
Kometen können aus allen Richtungen kommen, z. B. von oben die Ekliptik durchstoßen oder von unten.
Der Komet wurde erstmals auf einem Foto nachgewiesen, das am 24. März 1993 mit einem 46-cm-Schmidt-Teleskop am Mount-Palomar-Observatorium in Kalifornien aufgenommen wurde.

Ein Schmidt-Teleskop ist ein Beobachtungsinstrument, das ausschließlich für die Astrofotografie geeignet ist. Man kann damit nicht selbst beobachten. Ich erspare uns jetzt die Einzelheiten.

Der Japanische Astronom Shuichi Nakano sagte den erwarteten Zusammenstoß als Erster voraus. Die Beobachtung wurde in der Folge von anderen Astronomen bestätigt. Rasch wurde klar, dass es sich um einen ungewöhnlichen Kometen handelte. Er befand sich nahe am Planeten Jupiter und war in mehrere Fragmente zerbrochen.

Der Komet geriet vermutlich schon während der 1960er Jahre unter die starken Gravitationskräfte des Jupiter und wurde so in eine stark elliptische Bahn um den Planeten Jupiter gezwungen.
Aufgrund der Gezeitenkräfte zerbrach der Komet, der ursprünglich einen Durchmesser von rund 4 km gehabt haben dürfte, in 21 Fragmente zwischen 50 und 1000 m Größe, die sich auf einer mehrere Millionen Kilometer langen Kette aufreihten.
Man gab jedem Fragment einen Buchstaben (A – W), wobei das I und das O wegen der Verwechslung mit den Ziffern 1 und 0, nicht verwendet wurden.

Nur zwei Monate nach der Entdeckung zeigte die Bahnbestimmung der Astronomen, dass die Kometenstücke im Juli 1994 mit dem Planeten Jupiter kollidieren würden.
Zwischen dem 16. Juli und dem 22. Juli 1994 schlugen die Bruchstücke des Kometen Shoemaker-Levy 9 in Jupiters südlicher Hemisphäre mit einer Geschwindigkeit von 60 km/s ein und setzten dabei die Energie von 50 Millionen Hiroshima-Bomben / 650 Gigatonnen TNT frei.

Wann kommen wir sprachlich endlich von diesen Hiroshima-Bomben und dem TNT weg, um Energiemengen zu beschreiben…

Dies war das erste Mal, dass die Kollision zweier Körper des Sonnensystems und die Auswirkungen eines solchen Impakts direkt beobachtet werden konnten.
Obwohl die Einschlagstelle aus Sicht der Erde knapp hinter dem „Rand“ Jupiters lag und somit nicht direkt einsehbar war, konnten die Astronomen sogenannte „Plumes“ (heiße Gasblasen, ähnlich einem „Atompilz“) über den Rand Jupiters aufsteigen sehen. Aufgrund der raschen Rotation von Jupiter wurden die Einschlagstellen nur wenige Minuten nach den Impakten von der Erde aus sichtbar. Es zeigte sich, dass sie dunkle Flecken mit Durchmessern bis zu 12.000 km in der Atmosphäre Jupiters hinterlassen hatten, die über Monate hinweg sichtbar blieben.

Das erstaunt mich sehr, denn man sollte doch meinen, dass ein Loch in der Gashülle Jupiters gleich wieder „zugeweht“ werden sollte.
Aber es waren ja nicht nur Löcher, sondern aeben riesige Blasen aufgeheizten Gases. Das kann dann schon mal bissel dauern, bis die wieder abkühlen.
Ich habe hier einen taktilen Ausdruck der gestreiften Jupiteroberfläche an meiner Bürotüre hängen. Darauf sind diese Einschlagsstellen auch zu sehen und zu tasten.

Einzig die Raumsonde Galileo konnte aus einer Entfernung von 1,6 AE die Impakte direkt beobachten.

Eine AE, Astronomische Einheit, oder auch AU, Astronomic Unit, ist der mittlere Abstand Erde-Sonne, etwa 150 Mio Kilometer, oder 8 Lichtminuten.

Aufgrund einer defekten Parabolantenne waren die Kapazitäten der Raumsonde für die Datenübertragung allerdings beschränkt, und es konnten nicht alle Messwerte zur Erde übermittelt werden. Hinzu kam, dass Galileo infolge der Challenger-Katastrophe erst mit drei Jahren Verspätung zum Jupiter geschickt wurde. Hätte der Starttermin 1986 stattgefunden, hätte die Raumsonde die Einschläge aus nächster Nähe im Jupiterorbit verfolgen können.

In den Spektren der Plumes wurden große Mengen molekularen Schwefels (S2) und Kohlenstoffdisulfids (CS2) gefunden, mehr als durch die Explosion eines vergleichsweise kleinen Kometenkerns hätte freigesetzt werden können. Man vermutet den Ursprung daher in tieferen Atmosphärenschichten des Jupiter. Weitere nachgewiesene Moleküle sind Kohlenstoffmonoxid (CO), Ammoniak (NH3) und Schwefelwasserstoff (H2S). Auch Emissionslinien von Eisen, Magnesium und Silizium wurden beobachtet: Die Hitze der Explosionen muss also ausgereicht haben, diese Metalle zu verdampfen. Wasser wurde in geringeren Mengen beobachtet, als das zunächst erwartet worden war. Vermutlich wurden die Wassermoleküle durch die Hitze aufgespalten.
Das ist spannend, dass man gleich noch etwas messen konnte, was offensichtlich vom Jupiter stammte. Klar, wenn etwas wo einschlägt, sieht man auch bissel was von dem, was das Innere des getroffenen Körpers enthält.

Muss alles in allem ganz schön gestunken haben. SH2 riecht beispielsweise nach faulen Eiern. Ammoniak riecht nach Schweinestall. Wir werden noch in meinen weiteren Kometen-Geschichten davon hören, dass Kometen scheinbar gern mal vor sich hin stinken, wenn die Sonne sie antaut.

So, das war mal eine Kometengeschichte, die für den Kometen leider nicht gut ausging.
Bis zum nächsten mal grüßt euch
Euer Blindnerd.

Gedanken zu Freitag, 13


Liebe Leserinnen und Leser,

neulich ist die Rätselfrage durch Twitter gezischt, wie viele Freitage 13. es in einem Jahr mindestens oder höchstens geben kann. „Keine Ahnung.“ dachte ich, „Wäre aber vielleicht mal interessant, sich damit zu beschäftigen“. Dabei ist das Nachschlagen der aktuellen Situation das wenigste.

Von 2020 – 2030 tritt Freitag, 13. 18 mal auf.
18 mal zittern und bangen für jene, die damit ein Problem haben.
In den Jahren 21, 22, 25, 27, und 28 jweils ein mal.
Dreimal nur im Jahr 2026
und in den restlichen Jahren dann jeweils zwei mal.

Schlimmer noch. Unter den sieben Wochentagen fällt der 13. innerhalb von 400 Jahren am häufigsten auf einen Freitag. 400 Jahre sind die Basis des Gregorianischen Kalenders, auf der alles berechnet wird. Das liegt an der Schaltregel dieses Kalenders, die innerhalb von 400 Jahren drei Schalttage weg lässt. Somit sind die Jahre 2100, 2200 und 2300 keine Schaltjahre, obwohl diese Zahlen durch vier teilbar sind. Diese Schaltjahre sind daran schuld, dass es so viele Freitage gibt, die auf einen 13. fallen. Jeder dieser 400-Jahre-Blöcke enthält 146097 Tage, verteilt auf 4800 Monate oder 20871 volle Wochen. Deshalb wiederholen sich nach vierhundert Jahren alle Datums- und Wochenkombinationen in gleicher Folge wieder. Bei einer Gleichverteilung des dreizehnten auf alle sieben Wochentage sollte es innerhalb von 400 Jahre nur 4800 zu sieben =685,71 mal auftreten. In Wirklichkeit müssen wir aber in 400 Jahren 688 mal mit dieser Unglück bringenden Kombination leben. Am seltensten fällt ein 13. auf einen Donnerstag oder Samstag, nämlich nur 684 mal.
Soweit die Mathematik dazu, aber was hat das mit Astronomie zu tun?
Offensichtlich ist, dass der Jahreslauf durch die Erdbewegung um die Sonne stattfindet. Die Jahreszeiten ergeben sich ⠀durch die Schieflage der Erdachse. Die Mondphasen werden z. B. zur Berechnung des Osterfestes heran gezogen. Früher bestimmten sie den kompletten Kalender.
In alter Zeit wurde ein Jahr anhand von zwölf Zyklen des Mondes definiert.
Das bewirkte aber, dass das Jahr ungefähr 11 Tage zu kurz war. Die Erdbahn um die Sonne tickt halt nicht so, dass sie mit dem Mond zusammen passt. Schön wär’s zwar, aber…
Somit musste alle drei Jahre ein dreizehnter Monat eingefügt werden, um den Jahreslauf wenigstens wieder einigermaßen mit den Jahreszeiten in Einklang zu bringen. Diese Regel musste man sieben mal innerhalb von 19. Jahren anwenden. Diese Jahre dürften nicht besonders beliebt beim Volk gewesen sein, da z. B. für dreizehn Monate Steuern gezahlt werden musste. So etwas gräbt sich in den Volksglauben ein. Der Schritt zur dreizehn als Unglückszahl ist dann nicht mehr groß.
Das Unglück der Heutzeit mag sein, dass mehr und mehr die dreizehnten Monatsgehälter wegrationalisiert werden. Hier „schließt sich der Kreis“.
„Es ist so, und es bleibt so“. Die Dreizehn bringt Unglück.
Da ändert offensichtlich auch die schöne Tatsache nichts daran, dass sie eine Primzahl ist. Primzahlen sind nur durch sich selbst und durch eins ohne Rest teilbar.

Hier findest Du die Übersicht für den Zeitraum 2020 – 2030.
13.03.2020
13.11.2020

13.08.2021

13.05.2022

13.01.2023
13.10.2023

13.09.2024
13.12.2024

13.06.2025

13.02.2026
13.03.2026
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13.07.2029

13.09.2030
13.12.2030

Und damit wünsche ich euch für die Freitage, 13. trotzdem viel Glück.
Es grüßt euch
Euer Blindnerd.

Das Raumschiff in der Pizza-Schachtel


Liebe Leserinnen und Leser,

dass ich heute über Pizza schreibe, liegt eigentlich nahe. Ich kann mich nicht erinnern, in meinem Leben mehr italienische Küche verzehrt zu haben, als während des Lockdowns. Es lässt sich halt so einfach kontaktlos liefern und schmeckt natürlich auch gut, wenn man weiß, wo man sich mit Pizza versorgt… Nach Pizza-Schachtel darf sie auf keinen Fall schmecken. Das tut die Pizza, um die es heute geht, auch nicht.
Ich weiß gar nicht mehr, woher ich das habe, was heute Thema ist. Ich glaube, vor einigen Jahren mal aus dem Radio. Könnte mir vorstellen, dass es mal Gegenstand einer @Sternzeit-Folge beim DLF war. Also nun genug des Vorgeplänkels und auf zum Thema:

am 30.06. eines jeden Jahres jährt sich das Tunguska-Ereignis in Russland. Da ist etwas vom Himmel gefallen und hat viel Wald zerstört. Leider gibt es keinen Krater und auch keinen Asteroiden-Rest, so dass man noch immer beim Begriff des Ereignisses und nicht des Einschlages ist.
Ich schrieb über die Gefahren, die von Asteoriden ausgehen können hier.

Mikro-Meteoride Steinchen und Staub sind für die Erde nicht gefährlich. Diese Teilchen werden bekanntlich zu Sternschnuppen. Im Vakuum ist alles schutzlos diesen Mikro-Meteoriten ausgesetzt. Und damit längst nicht genug. Wir Menschen produzieren Unmengen von Weltraumschrott. Da gingen in der Vergangenheit beispielsweise ein Satellit von der Größe eines Busses verloren, ein Astronaut verlor mal eine Wergzeugtasche, da stoßen Satelliten zusammen und zerbrechen, Manchmal explodiert auch einer, Da schießt Elon Musk gefühlt vierzehntägig um 60 Satelliten ins all… Das alles erzeugt Weltraum-Müll. Und wenn man jetzt auch noch anfängt, Krieg im All zu spielen, dann werden alle Bemühungen, die hoffentlich weltweit gemacht werden, um Weltraum-Müll zu vermeiden, um sonst sein. Es wird dann mit der Zeit immer gefährlicher, etwas wichtiges unbeschadet ins All zu bringen. Ganz viel von diesem Müll befindet sich auf ähnlichen Umlaufbahnen, wie die internationale Raumstation, 400 km über der Erde. Manche dieser Teilchen sind mit der Geschwindigkeit einer Gewehrkugel unterwegs und können Sonnenkollektoren oder auch die Wand der ISS beschädigen. Man kennt etwa 20.000, in Worten, zwanzigtausend Teilchen, die der ISS potentiell gefährlich werden können. Mit Sicherheit sind es noch mehr. Stets wird überwacht, ob Gefahren für die ISS durch Weltraum-Müll besteht. Und bei dieser Beobachtung kommt unsere Pizza-Schachtel ins Spiel. Die Iss ist eine fußbalfeld große nur wenige Meter hohe Struktur, also sehr flach. Da ändern auch aufgestellte Sonnen-Paddel nicht viel daran. Man denkt sich nun die ISS in eine Pizza-Box die 50 km lang, 50 km breit, aber lediglich 1,5 km hoch ist. Diese Größenverhältnisse treffen den Maßstab einer Pizza-Schachtel recht gut, weshalb man diese gedachte Box auch so bezeichnet. Die ISS denkt man sich dann mitten in dieser Box schwebend.

Die höhe eines potentiell gefährlichen Objektes kann man viel besser messen, als seine horizontale oder vertikale Bewegung, weshalb man die ISS nicht in einen Würfel einsperren muss. Betritt nun ein Stück Weltraummüll diese Box, dann bedeutet das für die Astronauten auf der ISS höchste Alarmstufe. Sie ziehen sich dann in ihre Kapseln zurück, zum einen, um eventuell fliehen zu können und zum anderen, um die Raumstation eventuell aus der Gefahrenzone zu bringen. Dafür werden dann die Triebwerke der Raumkapseln benutzt. Ich weiß jetzt gar nicht, ob die ISS auch eigene Triebwerke besitzt. Vermutlich schon, aber wenn es schnell gehen muss, dann können die Triebwerke der Raumkapseln unterstützen.
Das Problem ist halt, dass man die ISS nicht einfach so mal kurz umparken kann, wie ein störendes Auto. So ein Manöver dauert ungefähr einen Tag Vorbereitungszeit. Wie schon gesagt, können die Astronauten im Falle einer bevorstehenden Kollision die Raumstation dann schnell verlassen. Glücklicherweise stellen sich viele Teilchen bei näherer Beobachtung dann doch als eher ungefährlich heraus. Das ist bei der Asteroiden-Beobachtung ebenso. Desto länger und ausführlicher man sie beobachtet, desto klarer wird meist, dass sie die Erde dann doch nicht bedrohen. Man kann aber bei alternden Sonnen-Paddeln sehen, dass sie von kleinsten Teilchen langsam durchlöchert werden. An sich ist die Anhebung der ISS ein geübtes Manöver, denn die ISS wird auf ihrer Bahn um die Erde langsam durch die Restatmosphäre gebremst und verliert an Höhe. So ein Manöver wird alle paar Wochen notwendig.
Interessant wäre an dieser Stelle auch, ob es manchmal auch Pizza auf der ISS gibt. Könnte ich mir u. U. schon vorstellen.

Nicht zuletzt muss ich zu meiner Schande gestehen, mit meinem Pizza-Konsum eine Menge Erdenmüll erzeugt zu haben. Tut mir Leid, liebe Umwelt.
So, das war mal meine Weltraum-Pizza. Lasst sie euch schmecken.
Es grüßt euch herzlich
euer Blindnerd.

Sonnenfinsternisse in der Literatur


Liebe Leserinnen und Leser,
Heute,21.06.2020 ist Neumond und es findet Vom Kongo bis in den Pazifischen Ozean eine ringförmige Sonnenfinsternis statt. Außerdem ist Sommeranfang. Wie Finsternisse ungefähr funktionieren, beschrieb ich u. A. in Eine Kinderfrage.
Somit betrachten wir heute Sonnenfinsternisse mal aus literarischer Sicht:

Drei Autoren sollen hier zur Sprache kommen, an zumindest derer zweien wohl niemand von uns in der Kindheit vorbei gekommen sein dürfte:
Zum Glück nicht, denn Tom Sawyer von Marc Twain, 20000 Meilen unter dem Meer, in 80 Tagen um die Welt, Reise zum Mittelpunkt der Erde und Der Flug zum Mond von Jules Verne wollte ich nicht missen.

Sonnenfinsternis bei Marc Twain

In einer Erzählung ließ Marc Twain einen Amerikaner durch einen Blitzschlag einen Zeitsprung vollführen. Dieser Mensch taucht nun am 19.06. des Jahres 528 in der Zeit des sagenhaften König Artus wieder auf. Durch zahlreiche Verwicklungen gerät dieser Mann schließlich in das Gefängnis und wurde zum Tode verurteilt.
Er verfügt jedoch über ein Wissen der besonderen Art.
Er sagt für den 21.06.528 eine totale Sonnenfinsternis voraus. Hierdurch erlangte er die Gunst des Königs und letztlich dann auch seine Befreiung. Er wird zum astronomischen Berater des Königs ernannt.

So weit, so gut, aber fand an diesem Tage überhaupt eine Sonnenfinsternis statt, die Atus und seine Mannen hätten sehen können?

Um dieses herauszufinden, müssen wir ein Verzeichnis oder einen Katalog bemühen, in welchem alle Finsternisse der letzten 2000 Jahre verzeichnet sind. Am besten eignen sich hier die Kataloge von Opolzer oder der von Mucke. Selbstverständlich kann man heutzutage auch kostenlose Software, wie Stellarium verwenden, obwohl die je früher man in der Zeit zurückgeht, ihre Grenzen hat.
Im Jahre 528 gab es vier Sonnenfinsternisse, am 06.02, 06.03, am 01.08. und am 30.08. Alle waren partieller Natur.
Da am 01.08. neumond geherrscht haben muss, denn ohne Neumond keine Sf war dies auch einen synodischen Monat vorher, also Anfang Juli der Fall. Der 21.06. war somit kurz nach Vollmond. Ein unmöglicher Zeitpunkt für eine Sf. Vermutlich erfand Twain das Datum einfach.
Schön und spannend bleibt diese Erzählung dennoch.

Jules Vernes Sonnenfinsternis

In dem zweibändigen Roman „Im Land der Pelze“ beschreibt Jules Vern, der Vater der Science Fiction Literatur, die Abenteuer einer Reisegruppe, die nach Alaska kommt.
Unter den Mitreisenden befindet sich ein Astronom. Verne beschreibt ihn als Menschen, der außer seine Sternbeobachtungen nichts zuwege bringt. Dieses jedoch macht ihm keiner gleich. Dieser Astronom, Namens Black, schließt sich der Reisegruppe an, um eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten. Diese soll am 18.06.1860 stattfinden. Gegen 09:30 beginnt die totale Phase der Finsternis. Black und seine Reisegefährten sehen die Sichel des Mondes immer dünner werden. Jeden Moment muss die totale Bedeckung anbrechen. Doch dann geschieht etwas ganz anderes. Black sieht, dass die Mondsichel plötzlich wieder breiter wird und somit die Phase der totalen Bedeckung überhaupt nicht stattfand. Was war hier geschehen? Waren die Kataloge und Voraussagen der Astronomen falsch? Keines Wegs. Die Lösung des Problems war entsätzlich.
Die Gruppe befand sich gar nicht an dem Orte, an welchem sie sich wähnte.
Die Reisegruppe hatte nicht bemerkt, dass die Eisscholle, auf welcher sie sich befand, sich vom Festland gelöst hatte und in südlicher Richtung in wärmere Gewässer durch die Beringsee trieb. Diese Drift brachte die Scholle außerhalb des Streifens der Totalität.
Der Rest des Romans handelt dann davon, wie die Gruppe auf dem Eis um ihr Überleben kämpfte.

Was hat es nun tatsächlich mit der Sonnenfinsternis von Verne auf sich?
Tatsächlich gab es an besagtem Tage eine Sonnenfinsternis, deren Streifen der Totalität sich, wie bei Jules Verne beschrieben, von Alaska, über Kanada und den Atlantik ins Mittelmeer erstreckte.Es ist aber nicht verwunderlich, dass Verne im Gegensatz zu Twain eine tatsächlich stattgefundene Finsternis beschrieb. Der Roman erschien 1873, also 13 Jahre nach der Finsternis. Verne musste sich somit nicht auf Vorausberechnungen stützen, sondern konnte sich auf sicher fundamentiertes gewesenes verlassen.

Sonnenfinsternis bei Adalbert Stifter

Wenn man Sonnenfinsternisse literarisch betrachtet, dann kommt man an Adalbert Stifters Beschreibung einer von ihm selbst beobachteten Sonnenfinsternis nicht vorbei. Für mich stellt sie die schönste deutschsprachige Beschreibung einer Sonnenfinsternis dar, die ich kenne. Sie zu lesen ist etwas viel Text, aber ich garantiere für ein absolutes literarisches und lyrisches Erlebnis.

Der Aufsatz erschien zuerst in der „Wiener-Moden-Zeitung und Zeitschrift für Kunst, schöne Literatur und Theater“ 1842 III. Quartal in drei Folgen.
Ihr findet seinen Text direkt hier unter der Grußformel.

Beste Grüße und viel Lesefreude mit Stifters Beschreibung wünscht euch
euer Blindnerd.

Adalbert Stifters Sonnenfinsternis:
Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842

Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchtbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten. Da ich die Sache recht schön auf dem Papiere durch eine Zeichnung und Rechnung darstellen kann, und da ich wußte, um soundso viel Uhr trete der Mond unter der Sonne weg und die Erde schneide ein Stück seines kegelförmigen Schattens ab, welches dann wegen des Fortschreitens des Mondes in seiner Bahn und wegen der Achsendrehung der Erde einen schwarzen Streifen über ihre Kugel ziehe, was man dann an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten in der Art sieht, daß eine schwarze Scheibe in die Sonne zu rücken scheint, von ihr immer mehr und mehr wegnimmt, bis nur eine schmale Sichel übrigbleibt, und endlich auch die verschwindet – auf Erden wird es da immer finsterer und finsterer, bis wieder am andern Ende die Sonnensichel erscheint und wächst, und das Licht auf Erden nach und nach wieder zum vollen Tag anschwillt – dies alles wußte ich voraus, und zwar so gut, daß ich eine totale Sonnenfinsternis im voraus so treu beschreiben zu können vermeinte, als hätte ich sie bereits gesehen.
Aber, da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand und die Erscheinung mit eigenen Augen anblickte, da geschahen freilich ganz andere Dinge, an die ich weder wachend noch träumend gedacht hatte, an die keiner denkt, der das Wunder nicht gesehen.
Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauer und Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens.
Es war ein so einfach Ding. Ein Körper leuchtet einen andern an, und dieser wirft seinen Schatten auf einen dritten: aber die Körper stehen in solchen Abständen, daß wir in unserer Vorstellung kein Maß mehr dafür haben, sie sind so riesengroß, daß sie über alles, was wir groß heißen, hinausschwellen – ein solcher Komplex von Erscheinungen ist mit diesem einfachen Dinge verbunden, eine solche moralische Gewalt ist in diesen physischen Hergang gelegt, daß er sich unserem Herzen zum unbegreiflichen Wunder auftürmt.
Vor tausendmal tausend Jahren hat Gott es so gemacht, daß es heute zu dieser Sekunde sein wird; in unsere Herzen aber hat er die Fibern gelegt, es zu empfinden. Durch die Schrift seiner Sterne hat er versprochen, daß es kommen werde nach tausend und tausend Jahren, unsere Väter haben diese Schrift entziffern gelernt und die Sekunde angesagt, in der es eintreffen müsse; wir, die späten Enkel, richten unsere Augen und Sehrohre zu gedachter Sekunde gegen die Sonne, und siehe: es kommt – der Verstand triumphiert schon, daß er ihm die Pracht und Einrichtung seiner Himmel nachgerechnet und abgelernt hat – und in der Tat, der Triumph ist einer der gerechtesten des Menschen – es kommt, stille wächst es weiter – aber siehe, Gott gab ihm auch für das Herz etwas mit, was wir nicht vorausgewußt und was millionenmal mehr wert ist, als was der Verstand begriff und vorausrechnen konnte: das Wort gab er ihm mit: „Ich bin – nicht darum bin ich, weil diese Körper sind und diese Erscheinung, nein, sondern darum, weil es euch in diesem Momente euer Herz schauernd sagt, und weil dieses Herz sich doch trotz der Schauer als groß empfindet“. – Das Tier hat gefürchtet, der Mensch hat angebetet.
Ich will es in diesen Zeilen versuchen, für die tausend Augen, die zugleich in jenem Momente zum Himmel aufblickten, das Bild und für die tausend Herzen, die zugleich schlugen, die Empfindung nachzumalen und festzuhalten, insofern dies eine schwache menschliche Feder überhaupt zu tun imstande ist.
Ich stieg um 5 Uhr auf die Warte des Hauses Nr. 495 in der Stadt, von wo aus man die Übersicht nicht nur über die ganze Stadt hat, sondern auch über das Land um dieselbe, bis zum fernsten Horizonte, an dem die ungarischen Berge wie zarte Luftbilder dämmern. Die Sonne war bereits herauf und glänzte freundlich auf die rauchenden Donauauen nieder, auf die spiegelnden Wasser und auf die vielkantigen Formen der Stadt, vorzüglich auf die Stephanskirche, die fast greifbar nahe an uns aus der Stadt, wie ein dunkles, ruhiges Gebirge, emporstand.
Mit einem seltsamen Gefühl schaute man die Sonne an, da an ihr nach wenigen Minuten so Merkwürdiges vorgehen sollte. Weit draußen, wo der große Strom geht, lag ein dicke, langgestreckte Nebellinie, auch im südöstlichen Horizonte krochen Nebel und Wolkenballen herum, die wir sehr fürchteten, und ganze Teile der Stadt schwammen in Dunst hinaus. An der Stelle der Sonne waren nur ganz schwache Schleier, und auch diese ließen große blaue Inseln durchblicken.
Die Instrumente wurden gestellt, die Sonnengläser in Bereitschaft gehalten, aber es war noch nicht an der Zeit. Unten ging das Gerassel der Wägen, das Laufen und Treiben an – oben sammelten sich betrachtende Menschen; unsere Warte füllte sich, aus den Dachfenstern der umstehenden Häuser blickten Köpfe, auf Dachfirsten standen Gestalten, alle nach derselben Stelle des Himmels blickend, selbst auf der äußersten Spitze des Stephansturmes, auf der letzten Platte des Baugerüstes stand eine schwarze Gruppe, wie auf Felsen oft ein Schöpfchen Waldanflug – und wie viele tausend Augen mochten in diesem Augenblicke von den umliegenden Bergen nach der Sonne schauen, nach derselben Sonne, die Jahrtausende den Segen herabschüttet, ohne daß einer dankt – heute ist sie das Ziel von Millionen Augen, aber immer noch, wie man sie mit dämpfenden Gläsern anschaut, schwebt sie als rote oder grüne Kugel rein und schön umzirkelt in dem Raume.
Endlich zur vorausgesagten Minute – gleichsam wie von einem unsichtbaren Engel – empfing sie den sanften Todeskuß, ein feiner Streifen ihres Lichtes wich vor dem Hauche dieses Kusses zurück, der andere Rand wallte in dem Glase des Sternenrohres zart und golden fort – „es kommt“, riefen nun auch die, welche bloß mit dämpfenden Gläsern, aber sonst mit freien Augen hinaufschauten – „es kommt“, und mit Spannung blickte nun alles auf den Fortgang.
Die erste, seltsame, fremde Empfindung rieselte nun durch die Herzen, es war die, daß draußen in der Entfernung von Tausenden und Millionen Meilen, wohin nie ein Mensch gedrungen, an Körpern, deren Wesen nie ein Mensch erkannte, nun auf einmal etwas zur selben Sekunde geschehe, auf die es schon längst der Mensch auf Erden festgesetzt.
Man wende nicht ein, die Sache sei ja natürlich und aus den Bewegungsgesetzen der Körper leicht zu berechnen; die wunderbare Magie des Schönen, die Gott den Dingen mitgab, frägt nichts nach solchen Rechungen, sie ist da, weil sie da ist, ja sie ist trotz der Rechnungen da, und selig das Herz, welches sie empfinden kann; denn nur dies ist Reichtum, und einen andern gibt es nicht – schon in dem ungeheuern Raume des Himmels wohnt das Erhabene, das unsere Seele überwältigt, und doch ist dieser Raum in der Mathematik sonst nichts als groß.
Indes nun alle schauten und man bald dieses, bald jenes Rohr rückte und stellte und sich auf dies und jenes aufmerksam machte, wuchs das unsichtbare Dunkel immer mehr und mehr in das schöne Licht der Sonne ein – alle harrten, die Spannung stieg; aber so gewaltig ist die Fülle dieses Lichtmeeres, das von dem Sonnenkörper niederregnet, daß man auf Erden keinen Mangel fühlte, die Wolken glänzten fort, das Band des Wassers schimmerte, die Vögel flogen und kreuzten lustig über den Dächern, die Stephanstürme warfen ruhig ihre Schatten gegen das funkelnde Dach, über die Brücke wimmelte das Fahren und Reiten wie sonst, sie ahneten nicht, daß indessen oben der Balsam des Lebens, Licht, heimlich versiege, dennoch draußen an dem Kahlengebirge und jenseits des Schlosses Belvedere war es schon, als schliche eine Finsternis oder vielmehr ein bleigraues Licht, wie ein wildes Tier heran – aber es konnte auch Täuschung sein, auf unserer Warte war es lieb und hell, und Wangen und Angesichter der Nahestehenden waren klar und freundlich wie immer.
Seltsam war es, daß dies unheimliche, klumpenhafte, tief schwarze, vorrückende Ding, das langsam die Sonne wegfraß, unser Mond sein sollte, der schöne sanfte Mond, der sonst die Nächte so florig silbern beglänzte; aber doch war er es, und im Sternenrohr erschienen auch seine Ränder mit Zacken und Wulsten besetzt, den furchtbaren Bergen, die sich auf dem uns so freundlich lächelnden Runde türmen.
Endlich wurden auch auf Erden die Wirkungen sichtbar und immer mehr, je schmäler die am Himmel glühend Sichel wurde; der Fluß schimmerte nicht mehr, sondern war ein taftgraues Band, matte Schatten lagen umher, die Schwalben wurden unruhig, der schöne sanfte Glanz des Himmel erlosch, als liefe er von einem Hauche matt an, ein kühles Lüftchen hob sich und stieß gegen uns, über die Auen starrte ein unbeschreiblich seltsames, aber bleischweres Licht, über den Wäldern war mit dem Lichterspiele die Beweglichkeit verschwunden, und Ruhe lag auf ihnen, aber nicht die des Schlummers, sondern die der Ohnmacht – und immer fahler goß sich’s über die Landschaft, und diese wurde immer starrer – die Schatten unserer Gestalten legten sich leer und inhaltslos gegen das Gemäuer, die Gesichter wurden aschgrau – – erschütternd war dieses allmähliche Sterben mitten in der noch vor wenigen Minuten herrschenden Frische des Morgens.
Wir hatten uns das Eindämmern wie etwa ein Abendwerden vorgestellt, nur ohne Abendröte; wie geisterhaft ein Abendwerden ohne Abendröte sei, hatten wir uns nicht vorgestellt, aber auch außerdem war dies Dämmern ein ganz anderes, es war ein lastend unheimliches Entfremden unserer Natur; gegen Südost lag eine fremde, gelbrote Finsternis, und die Berge und selbst das Belvedere wurden von ihr eingetrunken – die Stadt sank zu unsern Füßen immer tiefer, wie ein wesenloses Schattenspiel hinab, das Fahren und Gehen und Reiten über die Brücke geschah, als sähe man es in einem schwarzen Spiegel – die Spannung stieg aufs höchste – einen Blick tat ich noch in das Sternrohr, er war der letzte; so schmal wie mit der Schneide eines Federmessers in das Dunkel geritzt, stand nur mehr die glühende Sichel da, jeden Augenblick zum Erlöschen, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, daß bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten – sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders als wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück – es war ein überaus trauriger Augenblick – deckend stand nun Scheibe auf Scheibe – und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte – das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges „Ah“ aus aller Munde, und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.
Hatte uns früher das allmähliche Erblassen und Einschwinden der Natur gedrückt und verödet, und hatten wir uns das nur fortgehend in eine Art Tod schwindend gedacht: so wurden wir nun plötzlich aufgeschreckt und emporgerissen durch die furchtbare Kraft und Gewalt der Bewegung, die da auf eimmal durch den ganzen Himmel ging: die Horizontwolken, die wir früher gefürchtet, halfen das Phänomen erst recht bauen, sie standen nun wie Riesen auf, von ihrem Scheitel rann ein fürchterliches Rot, und in tiefem, kaltem, schwerem Blau wölbten sie sich unter und drückten den Horizont – Nebelbänke, die schon lange am äußersten Erdsaume gequollen und bloß mißfärbig gewesen waren, machten sich nun geltend und schauerten in einem zarten, furchtbaren Glanze, der sie überlief – Farben, die nie ein Auge gesehen, schweiften durch den Himmel.
Der Mond stand mitten in der Sonne, aber nicht mehr als schwarze Scheibe, sondern gleichsam halb transparent wie mit einem leichten Stahlschimmer überlaufen, rings um ihn kein Sonnenrand, sondern ein wundervoller, schöner Kreis von Schimmer, bläulich, rötlich, in Strahlen auseinanderbrechend, nicht anders, als gösse die obenstehende Sonne ihre Lichtflut auf die Mondeskugel nieder, daß es rings auseinanderspritzte – das Holdeste, was ich je an Lichtwirkung sah!
Draußen weit über das Marchfeld hin lag schief eine lange, spitze Lichtpyramide gräßlich gelb, in Schwefelfarbe flammend und unnatürlich blau gesäumt; es war die jenseits des Schattens beleuchtete Atmosphäre, aber nie schien ein Licht so wenig irdisch und so furchtbar, und von ihm floß das aus, mittels dessen wir sahen. Hatte uns die frühere Eintönigkeit verödet, so waren wir jetzt erdrückt von Kraft und Glanz und Massen – unsere eigenen Gestalten hafteten darinnen wie schwarze, hohle Gespenster, die keine Tiefe haben; das Phantom der Stephanskirche hing in der Luft, die andere Stadt war ein Schatten, alles Rasseln hatte aufgehört, über die Brücke war keine Bewegung mehr; denn jeder Wagen und Reiter stand und jedes Auge schaute zum Himmel.
Nie, nie werde ich jene zwei Minuten vergessen – es war die Ohnmacht eines Riesenkörpers, unserer Erde.
Wie heilig, wie unbegreiflich und wie furchtbar ist jenes Ding, das uns stets umflutet, das wir seelenlos genießen und das unseren Erdball mit solchen Schaudern zittern macht, wenn es sich entzieht, das Licht, wenn es sich nur kurz entzieht.
Die Luft wurde kalt, empfindlich kalt, es fiel Tau, daß Kleider und Instrumente feucht waren – die Tiere entsetzten sich; was ist das schrecklichste Gewitter, es ist ein lärmender Trödel gegen diese todesstille Majestät – mir fiel Lord Byrons Gedicht ein: Die Finsternis, wo die Menschen Häuser anzünden, Wälder anzünden, um nur Licht zu sehen – aber auch eine solche Erhabenheit, ich möchte sagen Gottesnähe, war in der Erscheinung dieser zwei Minuten, daß dem Herzen nicht anders war, als müsse er irgendwo stehen.
Byron war viel zu klein – es kamen, wie auf einmal, jene Worte des heiligen Buches in meinen Sinn, die Worte bei dem Tode Christi: „Die Sonne verfinsterte sich, die Erde bebte, die Toten standen aus den Gräbern auf, und der Vorhang des Tempels zerriß von oben bis unten.“
Auch wurde die Wirkung auf alle Menschenherzen sichtbar. Nach dem ersten Verstummen des Schrecks geschahen unartikulierte Laute der Bewunderung und des Staunens: der eine hob die Hände empor, der andere rang sie leise vor Bewegung, andere ergriffen sich bei denselben und drückten sich – eine Frau begann heftig zu weinen, eine andere in dem Hause neben uns fiel in Ohnmacht, und ein Mann, ein ernster fester Mann, hat mir später gesagt, daß ihm die Tränen herabgeronnen.
Ich habe immer die alten Beschreibungen von Sonnenfinsternissen für übertrieben gehalten, so wie vielleicht in späterer Zeit diese für übertrieben wird gehalten werden; aber alle, so wie diese, sind weit hinter der Wahrheit zurück. Sie können nur das Gesehene malen, aber schlecht, das Gefühlte noch schlechter, aber gar nicht die namenlos tragische Musik von Farben und Lichtern, die durch den ganzen Himmel liegt – ein Requiem, ein Dies irae, das unser Herz spaltet, daß es Gott sieht und seine teuren Verstorbenen, daß es in ihm rufen muß: „Herr, wie groß und herrlich sind deine Werke, wie sind wir Staub vor dir, daß du uns durch das bloße Weghauchen eines Lichtteilchens vernichten kannst und unsere Welt, den holdvertrauten Wohnort, einen fremden Raum verwandelst, darin Larven starren!“
Aber wie alles in der Schöpfung sein rechtes Maß hat, auch diese Erscheinung, sie dauerte zum Glücke sehr kurz, gleichsam nur den Mantel hat er von seiner Gestalt gelüftet daß wir hineingehen, und Augenblicks wieder zugehüllt, daß alles sei wie früher.
Gerade, da die Menschen anfingen, ihren Empfindungen Worte zu geben, also da sie nachzulassen begannen, da man eben ausrief: „Wie herrlich, wie furchtbar“ – gerade in diesem Momente hörte es auf: mit eins war die Jenseitswelt verschwunden und die hiesige wieder da, ein einziger Lichttropfen quoll am oberen Rande wie ein weißschmelzendes Metall hervor, und wir hatten unsere Welt wieder – er drängte sich hervor, dieser Tropfen, wie wenn die Sonne selber darüber froh wäre, daß sie überwunden habe, ein Strahl schoß gleich durch den Raum, ein zweiter machte sich Platz – aber ehe man nur Zeit hatte zu rufen: „Ach!“ bei dem ersten Blitz des ersten Atomes, war die Larvenwelt verschwunden und die unsere wieder da: und das bleifarbene Lichtgrauen, das uns vor dem Erlöschen so ängstlich schien, war uns nun Erquickung, Labsal, Freund und Bekannter, die Dinge warfen wieder Schatten, das Wasser glänzte, die Bäume waren wieder grün, wir sahe uns in die Augen – siegreich kam Strahl an Strahl, und wie schmal, wie winzig schmal auch nur noch erst der leuchtend Zirkel war, es schien, als sei uns ein Ozean von Licht geschenkt worden – man kann es nicht sagen, und der es nicht erlebt, glaubt es kaum, welche freudige, welche siegende Erleichterung in die Herzen kam: wir schüttelten uns die Hände, wir sagten, daß wir uns zeitlebens daran erinnern wollen, daß wir das miteinander gesehen haben – man hörte einzelne Laute, wie sich die Menschen von den Dächern und über die Gassen zuriefen, das Fahren und Lärmen begann wieder, selbst die Tiere empfanden es; die Pferde wieherten, die Sperlinge auf den Dächern begannen ein Freudengeschrei, so grell und närrisch, wie sie es gewöhnlich tun, wenn sie sehr aufgeregt sind, und die Schwalben schossen blitzend und kreuzend hinauf, hinab, in der Luft umher.
Das Wachsen des Lichtes machte keine Wirkung mehr, fast keiner wartete den Austritt ab, die Instrumente wurden abgeschraubt, wir stiegen hinab, und auf allen Straßen und Wegen waren heimkehrende Gruppen und Züge in den heftigsten, exaltiertesten Gesprächen und Ausrufungen begriffen. Und ehe sich noch die Wellen der Bewunderung und Anbetung gelegt hatten, ehe man mit Freunden und Bekannten ausreden konnte, wie auf diesen, wie auf jenen, wie hier, wie dort die Erscheinung gewirkt habe, stand wieder das schöne, holde, wärmende, funkelnde Rund in den freundlichen Lüften, und das Werk des Tages ging fort.
Wie lange aber das Herz des Menschen fortwogte, bis es auch wieder in sein Tagewerk kam, wer kann es sagen? Gebe Gott, daß der Eindruck recht lange nachhalte, er war ein herrlicher, dessen selbst ein hundertjähriges Menschenleben wenige aufzuweisen haben wird. Ich weiß, daß ich nie, weder von Musik noch Dichtkunst, noch von irgendeiner Naturerscheinung oder Kunst so ergriffen und erschüttert worden war – freilich bin ich seit Kindheitstagen viel, ich möchte fast sagen, ausschließlich mit der Natur umgegangen und habe mein Herz an ihre Sprache gewöhnt und liebe diese Sprache, vielleicht einseitiger, als es gut ist; aber denke, es kann kein Herz geben, dem nicht diese Erscheinung einen unverlöschlichen Eindruck zurückgelassen habe.
Ihr aber, die es im höchsten Maße nachempfunden, habet Nachsicht mit diesen armen Worten, die es nachzumalen versuchten, und so weit zurückgeblieben. Wäre ich Beethoven, so würde ich es in Musik sagen; ich glaube, da könnte ich es besser.

Zum Schlusse erlaube man mir noch zwei kurze Fragen, die mir dieses merkwürdige Naturereignis aufdrängte:

Erstens: Warum, da doch alle Naturgesetze Wunder und Geschöpfe Gottes sind, merken wir sein Dasein in ihnen weniger, als wenn einmal eine plötzliche Änderung, gleichsam eine Störung derselben geschieht, wo wir ihn dann plötzlich und mit Erschrecken dastehen sehen? Sind diese Gesetze sein glänzendes Kleid, das ihn bedeckt, und muß er es lüften, daß wir ihn selber schauen?

Zweitens: Könnte man nicht auch durch Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge von Lichtern und Farben eben so gut eine Musik für das Auge wie durch Töne für das Ohr ersinnen? Bisher waren Licht und Farbe nicht selbstständig verwendet, sondern nur an Zeichnung haftend; denn Feuerwerke,Transparente, Beleuchtungen sind doch nur zu rohe Anfänge jener Lichtmusik, als dass man sie erwähnen könnte. Sollte nicht durch ein Ganzes von Lichtakkorden und Melodien eben so ein Gewaltiges, Erschütterndes angeregt werden können, wie durch Töne? Wenigstens könnte ich keine Symphonie, Oratorium oder dergleichen nennen, das eine so hehre Musik war, als jene, die während der zwei Minuten mit Licht und Farbe an dem Himmel war, und hat sie auch nicht den Eindruck ganz allein gemacht, so war sie doch ein Teil davon.

Finsterniskataloge dienen eigentlich nicht dazu, Schriftstellern auf die Finger zu schauen, was ihre Finsternisse betrifft. Aber für die Historie sind sie unverzichtbar. Viele Finsternisse oder Ereignisse wurden mit der Zeit von einem zum anderen Erzähler oder Schreiber derart verschoben, dass Katastrophen, Krisen, verlorene Kriege etc. gerne mit Finsternissen zusammen gelegt wurden.